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OchesenWeg_Schriften_loRes_26062015.pdf

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Die historischen Ochsentriebe von Ungarn nach BayernDen Pro-Kopf-Fleischverbrauch in den süddeutschenStädten um 1600 berechnen verschiedeneAutoren sehr unterschiedlich, meistens liegen ihreErgebnisse zwischen 42–50 kg pro Person undJahr, manche setzen die Zahl sogar noch höher,bei ca. 100 kg an. 3 Da man jedoch annehmen muss,dass nicht alle Schichten regelmäßig Fleischkonsumierten und je nach Religionszugehörigkeitauch ein Teil der Bevölkerung an den Fastentagenkein Fleisch zu sich nahm, bleibt die Berechnungdes Pro-Kopf-Fleischkonsums für eine bestimmteStadt und eine bestimmte Zeit immer eine Rechenoperationmit vielen Unbekannten und kannnur annähernd geschätzt werden. Zweifelsohnestand jedoch beim Fleischverbrauch um 1600 dasRindfleisch an erster Stelle vor Schweine-, SchafundHühnerfleisch.Fleisch bis zum AbwinkenDie Landshuter Fürstenhochzeit 1475und andere üppige FesteIm Jahre 1475 fand die berühmte LandshuterHochzeit des bayerischen Herzogs Georg desReichen mit Hedwig Jagiellonica, der Tochter despolnischen Königs Kasimir IV. Jagiello, statt. Wasbei diesem Fest auf den Tisch kam, wissen wir aushistorischen Quellen: 323 Ochsen, 285 Schweine,1.133 Schafe, 1.537 Lämmer, 490 Kälber, 11.500Gänse und 40.000 Hühner machten das reichhaltigeFleischangebot aus, das neben vielen anderenSpeisen und Köstlichkeiten von den Hochzeitsgästenverspeist wurde. An dem Festmahl nahmenmehrere Tausend Leute teil.Bei einem anderen Festessen 1452 in Konstanz zuEhren des Bürgermeisters waren 100 „Mannen“eingeladen. Laut Rechnungen der Stadt wurdenhier fast 200 kg Fleisch (Rind, Schwein, Wurst,Zum Vergleich: Heutzutage verzehrt jeder Deutscheim Jahr ca. 88 kg Fleisch, davon knapp 13 kgRindfleisch. Am meisten wird Schweinefleischgegessen, über 50 kg pro Kopf und Jahr. 4Der übermäßige Fleischkonsum, oft in Kombinationmit viel Alkohol führte bei zahlreichen Wohlhabendenzu einer typischen Krankheit der Zeit, zurGicht. Berühmte Gichtkranke waren zum BeispielKaiser Karl V., Heinrich VIII., Johannes Calvin oderMichelangelo.Die unteren Bevölkerungsschichten ernährtensich dagegen eher fleischarm: Getreide, Kraut undMilch waren ihre Hauptnahrungsmittel. Fleischkam bei den Ärmeren höchstens an besonderenFesttagen auf den Tisch.Hennen, Enten und anderes Geflügel) aufgetischt,dazu 300 Karpfen, Hechte und 140 kleinere Fische,von Brot, Reis, Kuchen, Nüssen und Süßspeisenganz zu schweigen. Zum Trinken gab es nichtweniger als 537 Liter Wein. Sicher ist hier einigesübriggeblieben, denn auch damals konnte keinerder Gäste 2 Kilo Fleisch, dazu 3–4 Fische undnoch weitere Nahrung verzehren und dazu noch5 Liter Wein herunterspülen. Doch die große Fülledes Angebots und das Übermaß an Fleisch sindbezeichnend für die Festivitäten der damaligenZeit. 53 Angaben von Dirlmeier, Dalhede und Abel, in:Grillmaier, S. 84 Quelle: www.statista.com(Angaben aus dem Jahr 2013)Politische und gesellschaftliche EreignisseWichtige politische und gesellschaftliche Ereignisse,wie zum Beispiel die im 16. Jahrhundert inder Stadt Augsburg abgehaltenen Reichstage, zudenen jeweils 10–15.000 Gäste angereist waren,erforderten von der Stadt, die Fleisch- und überhauptdie Nahrungsmittelversorgung für diese„Events“ zu organisieren und zu gewährleisten.Die historisch bedeutendsten Reichstage fandenin den Jahren 1530 (Verkündung der ConfessioAugustana) und 1555 (das Jahr des AugsburgerReligionsfriedens) statt. Die Reichsstadt Augsburglöste diese Versorgungsaufgabe offensichtlichimmer wieder vorbildlich und zur Zufriedenheitaller Teilnehmer. Diese politischen Ereignisseverursachten zwar nur einen zeitlich begrenztenMehrbedarf an Fleisch, dennoch beeinflussten siedie Entwicklung des Ochsenhandels erheblich.In Augsburg zum Beispiel wurden die Fleischpreisebereits im Vorfeld der Reichstage höhergesetzt. Viele Ausnahmeregelungen wurden fürdiese Zeit erlassen, um bessere Einkaufsbedingungenfür die Metzger zu schaffen.Für das Reichstagsjahr 1530 wurden 6.774 Ochsengeschlachtet, 834 mehr als ein Jahr zuvor.Durch die Gäste erhöhte sich die Einwohnerzahlder Stadt um ca. ein Drittel und so musste auchwesentlich mehr Fleisch zur Verfügung gestelltwerden. 6Ochsen vor dem AugsburgerHeilig-Geist-Spital,Kupferstich von Simon Grimm 1677Auch größere Hochzeiten und andere gesellschaftlichrelevante Ereignisse mit Menschenansammlungenverursachten immer wieder einenFleischmehrbedarf und veranlassten die Metzger,noch mehr Ochsen und anderes Vieh aus Ungarneinzuführen.Ein äußerst lukratives GeschäftDas Preisgefälle zwischen den Zuchtgebieten imOsten und den Verbrauchermärkten im Westenermöglichte es den Händlern, den Vieheinkaufund den gesamten Trieb mitsamt Personal zufinanzieren und dennoch nach dem Verkauf einenbeträchtlichen Gewinn zu erzielen. Einen besonderenAnreiz bot dabei die sogenante „Preis-Revolution“,die Tatsache, dass die Schlachtviehpreisein den süddeutschen Städten und in Westeuropaim 16. Jahrhundert wesentlich schneller stiegenals in Ungarn.Die Ochsenzucht und der Ochsenhandel wurdensomit für viele Beteiligte ein lohnendes Geschäft,das gerade deswegen mehrere Jahrhunderte aufrechterhaltenund ausgebaut wurde und bestensfunktionierte.12 5 Hirschfelder, S. 146 Grillmaier, S. 8813

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