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OchesenWeg_Schriften_loRes_26062015.pdf

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Die historischen Ochsentriebe von Ungarn nach BayernOchsenkapitäne und Ochsentreiber(Hajduken) 27Die Herden wurden meistens von einem Ochsenkapitän,dem Chef der Truppe, und weiterenfünf bis sechs Ochsentreibern, den so genanntenHajduken, geführt. Die Ochsenkapitäne warenin der Regel Kleinadelige, die sich sonst alsSöldnerführer verdingten und dadurch genugWelt- und Kampferfahrung für dieses oft harteund raue Geschäft mitbrachten. Die berittenenund bewaffneten Hajduken kamen zum Teil ausden Zuchtgebieten, aber manchmal auch aus denVerbraucherzentren wie z. B. aus Augsburg. Dieseabenteuerlustigen, mutigen und raubeinigen Männer,die „Cowboys“ der damaligen Zeit, waren imKampf gegen die Osmanen erprobt und tauschtenihre Söldnertätigkeit gerne gegen Dienste alsRindertreiber ein.Wie viele Begleiter, Treiber und Knechte eingestelltwerden mussten, hing von der Herdengröße,der Wegbeschaffenheit, aber auf manchen Streckenauch von der Breite der Wege ab. An besondersengen Stellen brauchte man zusätzlicheTreiber, um die Tiere auf dem vorgegebenen Wegzu halten. So wurden saisonal und regional immerwieder zusätzliche Leute entlang der Triebwegefür den Ochsentrieb eingestellt. Eine Art „Zeitarbeit“in der damaligen Zeit.Man geht davon aus, dass eine Herde von 200 Tierenvon einem Ochsenkapitän und 3 bis 4 Knechtenbegleitet wurden. Neben den Ochsentreibernengagierte man zu manchen Trieben auch einenKoch mit Küchenwagen, doch es ist anzunehmen,dass mit der Zeit die zahlreichen Gastwirte amOchsenweg die Bewirtung der hungrigen Ochsenbegleiterübernahmen.Empfänger von Zoll- undMautgebühren, PachteinnahmenProfiteure des Ochsenhandels waren auch dieGrundherren, die für die Nutzung ihrer Wegeoder Weiden Gelder einkassieren und dadurchbeträchtliche Nebeneinkünfte erzielen konnten.Die bayerischen Herzöge hatten eine profitableEinnahmequelle durch die Zollgebühren, doch dasHerzogtum Bayern spielte auch bei der Verpachtungder Meringer Au eine große Rolle.Die Grundbesitzer von Ungarisch Altenburg (Magyaróvár)hatten beträchtliche Einnahmen, indemsie die Weideflächen im Seewinkel an Ochsenhändlerund Metzger verpachteten. In der zweitenHälfte des 16. Jahrhunderts lag das Weidegeld beijährlich 400–500 Gulden.Die Nutznießer der Mautgebühren waren mal diejeweiligen Landesherren, mal lag die Erhebungder Maut in städtischer Hand, wie z. B. die WelserischeMaut von Ebelsberg bei der Stadt Wels.AnrainerWer in der Nähe der Ochsenwege wohnte, konntemit etwas Planung und Weitsicht leicht bei diesemprofitablen Geschäft mitverdienen und zu einemgewissen Wohlstand kommen. Die anliegendenBauern konnten auf vielerlei Weise etwas dazuverdienen: Sie verkauften Futter für das Vieh,stellten ihre Weiden als Rastplatz für die Herdenzur Verfügung, versorgten die Ochsentreiber mitQuartier und Essen oder aber verdingten sich alsViehtreiber für bestimmte Strecken. Viele vonihnen witterten rasch die guten Verdienstmöglichkeiten,kauften Heu und Futter in großen Mengenaus den umliegenden Dörfern auf, um es dann andie vorbeiziehenden Herden mit Gewinn weiterzuverkaufen.Wirte in Gasthöfen boten Weideplätzeund auch Stallungen für die Tiere und Unter-Das Wirtshaus Kapplerbräu in AltomünsterDer clevere Konrad von Weinsbergund sein Ochsengeschäft von 142228 nach Podewils, S. 1129 Lerner, S. 99künfte für die erschöpften Treiber. Rund um denOchsenweg entstand durch die Anrainer nach undnach eine Art Infrastruktur, die die VersorgungderHerden bestens gewährleisten konnte.Manchmal hatte die Aufnahme der fremden Ochsentreiberaber auch negative Folgen für die Gastwirte,wie in dem Fall Kapplerbräu in Altomünsterum 1650. Wie der Klosterchronist Frater LudwigRieger berichtet, schleppte der Viehtreiber in denGasthof die Pest ein, woran ein Großteil derWirtsfamilie verstarb. 28Auch Personen höheren Standes beteiligten sichgerne am lukrativen Geschäft des Ochsenhandels,wie z. B. Konrad von Weinsberg. Er besaß nur einwinziges Fürstentum in Mittelfranken und nichtviel Geld, diente aber vor allem zwischen 1410 und1445 drei deutschen Kaisern als Reichskämmerer.Seine Ochsenhandelsrechnung ist ein Unikumin der Geschichte des Ochsenhandels, weil sieüber die verschiedenen Kosten, Ausgaben undEinnahmen recht detailliert Auskunft gibt. Derclevere Mann führte Geschäfte als Gesandter desKaisers durch, verband die offiziellen Reisen oftund gerne mit eigenen Geschäften und verdientenicht schlecht dabei. 1422 bekam er die Aufgabe,ungarische Ochsen „in diplomatischer Mission“einzukaufen. Das notwendige Kapital besorgte erbei seinem Schwager Georg von Hohenlohe sowiebei Nürnberger Tuchhändlern. Als Gesandter desKaisers hatte er die Möglichkeit, 1.000 Grauochsenkomplett zollfrei aus Ungarn auszuführen unddurch Österreich, Bayern und Franken bis zumRhein-Main-Mosel-Dreieck treiben zu lassen.Weinsberg kaufte für 1.900 Gulden 284 ungarischeOchsen, engagierte dazu drei Ochsenkapitänemit Knechten und gab ihnen 20 Gulden Vorschussfür die Wegzehrung. Nach drei Monatenerreichten 239 Ochsen ihre Zielorte in Mainz undBingen. Doch was ist mit den restlichen 45 Ochsenpassiert? 25 wurden für Weinsberg selbst „abgezweigt“und auf seine Rechnung in Nürnberg verkauft.17 Tiere mussten unterwegs verbilligt verkauftund zwei Ochsen infolge der oft gefährlichenInndurchquerung bei Schärding notgeschlachtetwerden. Ein Ochse ist spurlos verschwunden.Durch die Verkäufe unterwegs wurde ein Teil desWeges auch bestens dokumentiert: Gran (Esztergom),Wieselburg, Wien, St. Pölten, Enns, Schärding,Straubing, Regensburg, Nürnberg, Fürth,Aschaffenburg und Bingen.Laut Berechnungen 29 lag Weinbergs Reingewinnmit 25 verkauften Ochsen bei ca. 88 Gulden, dasgesamte Geschäft brachte insgesamt 536 2/3 Guldenein. Ein ansehnlicher Betrag für die damaligeZeit!Über die ausgezeichnete Organisation des Triebeszeugt außerdem die Tatsache, dass nur ca. 1 % dergesamten Herde (1 verschwundener Ochse pluszwei Notschlachtungen, 3 von 284) während desTransports verlorengingen. Unter den damaligenBedingungen eine hervorragende Leistung. 3027 Es existieren verschiedene Schreibweisen wieHaiducken, Heiducken, Hajduken, Haiduken:Wir haben uns für die Schreibweise, die dem unga-30 rischen Original am nähsten steht, entschieden.30 Stromer, S. 4331

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