24 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buch<strong>Grün</strong>anlagen führte <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Verschlechterung<strong>der</strong> hygienischen Zustände Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>tszu e<strong>in</strong>em zusätzlichen Bedeutungsgew<strong>in</strong>n städtischer<strong>Grün</strong>flächen. <strong>Für</strong> die wachsende <strong>Stadt</strong>bevölkerung wurdensie als Ausgleichs- und Therapieflächen angelegt,neue Parktypen wie <strong>der</strong> „Volkspark“ entstanden. Dabeigewann auch <strong>der</strong> soziale Aspekt des <strong>Grün</strong>s immer mehran Bedeutung. Spiel- und Sportflächen, Ruhebereicheund Schmuckanlagen im Wohnumfeld wurden meist <strong>in</strong><strong>Grün</strong>zügen e<strong>in</strong>gebettet und setzten neue Maßstäbe <strong>in</strong><strong>der</strong> Freiraumversorgung. Nach dem Zweiten Weltkriegund <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbauphase entstanden mit Hilfe <strong>der</strong>Gartenschauen und an<strong>der</strong>er Großprojekte zur <strong>Stadt</strong>entwicklungneue <strong>in</strong>nerstädtische Parks und <strong>Grün</strong>anlagen.Der Olympia-Park <strong>in</strong> München, <strong>der</strong> auf dem Geländedes ehemaligen Flughafens München-Riem entstandenePark sowie <strong>der</strong> Landschaftspark Duisburg Nord s<strong>in</strong>dBeispiele gelungener Nachnutzungskonzepte und zeigendie neuen multifunktionalen Anfor<strong>der</strong>ungsprofile heutigerParkanlagen.Die gesellschaftlichen Verän<strong>der</strong>ungen unserer Zeithaben dazu geführt, dass die Anfor<strong>der</strong>ungen an Parkund<strong>Grün</strong>anlagen im Vergleich zu den ersten öffentlichenParkanlagen Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts deutlichgestiegen s<strong>in</strong>d. Heutige Erwartungen an die Parknutzungs<strong>in</strong>d geprägt von e<strong>in</strong>er differenzierten Vielfaltund e<strong>in</strong>em teilweise sehr <strong>in</strong>tensiven Nutzerverhalten.Hieß es früher e<strong>in</strong>mal „Betreten verboten“, so ist heutedie ‚Besitzergreifung des Rasens‘ grenzenlos. Park- und<strong>Grün</strong>anlagen s<strong>in</strong>d heute öffentliche Flächen, auf denensich unterschiedliche soziale Gruppen begegnen undmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> austauschen.<strong>Grün</strong> im öffentlichen <strong>Stadt</strong>raumDas öffentliche <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> den Städten ist geprägt vone<strong>in</strong>er stark technisch-funktionalen sowie ästhetischenErwartung. Auf den Plätzen <strong>der</strong> <strong>Grün</strong><strong>der</strong>zeit wurde das<strong>Grün</strong> vorwiegend als Kulisse und Verzierung verstanden.In <strong>der</strong> Nachkriegszeit führte die neue Leitbildvorstellung<strong>der</strong> autogerechten <strong>Stadt</strong> zwar vor<strong>der</strong>gründigzu e<strong>in</strong>er Zunahme des <strong>Stadt</strong>grüns, jedoch diente dieseStraßenrandbepflanzung primär <strong>der</strong> funktionalenTrennung <strong>der</strong> Straßen vom <strong>Stadt</strong>raum. Selbst auf denheute entstehenden, multifunktionalen städtischenPlätzen werden neue <strong>Grün</strong>flächen aufgrund niedrigerPflegebudgets <strong>der</strong> Kommunen meist nur im ger<strong>in</strong>genUmfang realisiert.Als Folge <strong>der</strong> zunehmenden Bedeutung des Klimawandels,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Städten, wächst <strong>der</strong> Bedarfnach mehr nutzbarem <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>. Der Rückbauehemaliger Militär-, Bahn- o<strong>der</strong> Industrieflächen zuLandschaftsparks, zum Beispiel im Rahmen <strong>der</strong> InternationalenBauausstellung (IBA) Emscher Park, kann alsAusdruck e<strong>in</strong>es gesellschaftlichen Bedürfnisses gewertetwerden. Auch die vielfältigen Projekte von Bürger<strong>in</strong>nenund Bürgern, lokalen Vere<strong>in</strong>en und Unternehmen, diesich zumeist <strong>in</strong> enger Zusammenarbeit mit den Kommunenfür grüne <strong>Stadt</strong>entwicklung e<strong>in</strong>setzen, s<strong>in</strong>dFolgen dieser Entwicklungen. Dabei rücken vor allemBrachflächen im städtischen Raum immer mehr <strong>in</strong> denFokus. Viele sogenannte „Urban-Garden<strong>in</strong>g-Projekte“gestalten neue grüne Rückzugs- und Anziehungsorte <strong>in</strong>Städten. Der Schrumpfungsprozess e<strong>in</strong>iger Städte hat<strong>in</strong> den letzten Jahren zu e<strong>in</strong>em weiteren Bedeutungsgew<strong>in</strong>nvon <strong>Grün</strong>flächen im <strong>Stadt</strong>raum geführt. So könnenneu gestaltete Wasser- und <strong>Grün</strong>flächen den Verlustidentitätsbehafteter <strong>Stadt</strong>räume kompensieren undsogar neue urbane Identifikation entstehen lassen.<strong>Grün</strong>flächen im WohnumfeldDer Begriff „Wohnumfeld“ umfasst die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachbarschaftliegenden Freiräume wie Vorgärten, Gärten anund h<strong>in</strong>ter Wohngebäuden, Abstandsflächen zwischenGeschossbauten, angrenzende Straßen, im näherenUmfeld gelegene Spielplätze o<strong>der</strong> auch <strong>Stadt</strong>plätze.Es geht also um öffentliche und teilöffentliche Flächen.Seit Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts setzte man imStädtebau statt <strong>der</strong> dichten Blockstruktur eher aufe<strong>in</strong>e lockere Bebauung mit geeigneter Belichtung,guter Durchlüftung und e<strong>in</strong>em grünen Umfeld. Damitwurden auch neue Formen urbaner <strong>Grün</strong>flächen imWohnumfeld möglich: Abwechslungsreiche Freiräume,unterschiedliche Vegetationsstrukturen und vor allemflexible Nutzungsmöglichkeiten wurden zum Bestandteilneuer Reformsiedlungen. Oftmals aber wurde dasgrüne Wohnumfeld zum re<strong>in</strong>en Gestaltungselement,womit das eigentliche Qualitätsmerkmal <strong>der</strong> Nutzungs-und Aneignungsmöglichkeit <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächendurch die Bevölkerung verloren g<strong>in</strong>g.Aus langjährigen Untersuchungen ist bekannt, dassdort, wo sich Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner mit ihremWohnumfeld identifizieren, soziale Strukturen gestärkt,gesellschaftliche Teilhabe geför<strong>der</strong>t und Verwahrlosungund Stigmatisierung vermieden werden können. ImRahmen <strong>der</strong> Städtebauför<strong>der</strong>ung des Bundes und <strong>der</strong>Län<strong>der</strong> werden daher bereits seit längerer Zeit gezieltMaßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung geför<strong>der</strong>t.So kann die Gestaltung des urbanen <strong>Grün</strong>s <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ationmit weiteren verkehrs<strong>in</strong>frastrukturellen, funkti-
onalen und städtebaulichen Aufwertungsmaßnahmenim Wohnumfeld, wie beispielsweise im Münchner<strong>Stadt</strong>teil „Hasenbergl“, e<strong>in</strong> wichtiger Bauste<strong>in</strong> zur Quartiersentwicklungund zur Imageverbesserung e<strong>in</strong>eseher benachteiligten <strong>Stadt</strong>teils se<strong>in</strong>.E<strong>in</strong> wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit urbanen<strong>Grün</strong>flächen im Wohnumfeld ist die Differenzierungzwischen privaten und öffentlichen sowie geme<strong>in</strong>schaftlichenFreiflächen. E<strong>in</strong>e große Herausfor<strong>der</strong>ungliegt hierbei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er angemessenenErschließung und Zonierung bei<strong>der</strong> Bereiche, um Konflikteschon im Vorfeld zu vermeiden.Kle<strong>in</strong>gärtenE<strong>in</strong>en vielfach unterschätzten Beitrag zum <strong>Stadt</strong>grünerbr<strong>in</strong>gen Kle<strong>in</strong>gärten. Geför<strong>der</strong>t durch die Reformbewegung<strong>der</strong> Schrebergärten haben sich Kle<strong>in</strong>gärtenihre Bedeutung als soziales und ökologisches Kle<strong>in</strong>o<strong>der</strong>arbeitet. Die Vielzahl von Kle<strong>in</strong>gärten – es gibt mehrals e<strong>in</strong>e Million im gesamten Bundesgebiet – leistet e<strong>in</strong>enwichtigen Beitrag zur Integration und zur Identifikation<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger mit ihrer <strong>Stadt</strong>. Diemeist <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en organisierten Gartenanlagen bietenBegegnungsgärten für Senioren, Freizeitangebote fürK<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> <strong>in</strong>zwischen auch Bildungsangebote undKulturprojekte. Dieses Engagement wird vom Bund<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Gartenfreundealle vier Jahre mit dem Bundeswettbewerb„Gärten im Städtebau“ geför<strong>der</strong>t. Dabei wurde <strong>in</strong> denvergangenen Jahren die Bedeutung <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>gärtenfür die „Soziale <strong>Stadt</strong>“ hervorgehoben. Die aktuelleEntwicklung von Kle<strong>in</strong>gartenanlagen zu „Kle<strong>in</strong>gartenparks“,die durch e<strong>in</strong>en hohen Anteil an öffentlichen<strong>Grün</strong>flächen die Anlagen auch für Nichtgartenbesitzerattraktiver machen, zeigt das Potenzial dieser urbanen<strong>Grün</strong>flächen für die <strong>Stadt</strong>entwicklung. Beispiele wiedie Neuordnung mehrerer Kle<strong>in</strong>gartenanlagen imRahmen <strong>der</strong> Internationalen Gartenschau <strong>in</strong> HamburgWilhelmsburg 2013 machen dies deutlich.FriedhöfeFriedhöfe s<strong>in</strong>d nicht nur Bestattungsstätte, son<strong>der</strong>nauch wichtige Orte für die Begegnung von Menschenund bedeuten<strong>der</strong> Naturraum für Pflanzen und Tiere <strong>in</strong>Städten. Als Kulturdenkmale s<strong>in</strong>d sie wichtige Zeugen<strong>der</strong> Entwicklung unserer Städte und bieten vielfältigeAnknüpfungspunkte für die lokale Geschichte. Mit <strong>der</strong>verstärkten Mobilität <strong>der</strong> Menschen und <strong>der</strong> damite<strong>in</strong>hergehenden Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Bestattungsformenzeigt sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den Großstädten e<strong>in</strong>stetig rückläufiger Flächenbedarf für die Bestattung.Kommunen o<strong>der</strong> Kirchen als Eigentümer suchennach alternativen Nutzungen für die zunehmendenÜberhangflächen. E<strong>in</strong>e Entwicklung dieser Flächenist jedoch sowohl planungsrechtlich als auch politischsowie aus <strong>Grün</strong>den <strong>der</strong> Pietät sehr langwierig. Zudemstehen viele Friedhöfe unter Denkmalschutz. E<strong>in</strong>e Umnutzung<strong>der</strong> Friedhöfe als <strong>in</strong>nerstädtische Parkanlagenwird jedoch immer stärker diskutiert. Das Beispiel des„Leise-Parks“ <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Prenzlauer Berg, entstandendurch den Ankauf e<strong>in</strong>er über Jahrzehnte nicht mehrgenutzten Friedhofsfläche und <strong>der</strong>en Umgestaltung <strong>in</strong>e<strong>in</strong>en neuen Park mit Spielplatz, zeigt, welche Nutzungsmöglichkeitenbei gleichzeitiger Wahrung <strong>der</strong>Geschichte des Ortes möglich s<strong>in</strong>d.