72 Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchprivater <strong>Grün</strong>flächen. Dies zeigt sich zum Beispiel <strong>in</strong>den zahlreichen Geme<strong>in</strong>schaftsgärten.Unterschiedliche Nutzergruppen haben unterschiedlicheAnfor<strong>der</strong>ungen an <strong>Grün</strong>Die Mehrzahl <strong>der</strong> öffentlichen <strong>Grün</strong>anlagen ist für diebreite Öffentlichkeit bestimmt, jedoch nicht immerfür <strong>der</strong>en tatsächliche Bedürfnisse geplant und wirddaher zum Teil von bestimmten Gruppen dom<strong>in</strong>iert.Planung für die breite Öffentlichkeit ist jedoch sehranspruchsvoll und gel<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur bei größeren<strong>Grün</strong>anlagen mit e<strong>in</strong>em breiten Spektrum anAngeboten und Orten. Verschiedene Nutzergruppenhaben unterschiedliche und teilweise wi<strong>der</strong>sprüchlicheAnfor<strong>der</strong>ungen an <strong>Grün</strong>flächen, wie zum Beispielbei den beiden klassischen Parknutzungen „Ruhe undErholung“ sowie „Sport und Spiel“ erkennbar. Damits<strong>in</strong>d unter Umständen auch Nutzungskonfliktezwischen jüngeren und älteren Generationen programmiert,die nur durch e<strong>in</strong>e entsprechende Planung mitdifferenzierten Angeboten und e<strong>in</strong>er guten Beteiligungreduziert werden können.Gesundheit und Klimawandel<strong>Stadt</strong>teile s<strong>in</strong>d unterschiedlich stark von UmweltbelastungenbetroffenIm Durchschnitt ist die Umweltbelastung mit Fe<strong>in</strong>staub,Luftschadstoffen, Lärm und an<strong>der</strong>en schädlichenUmweltwirkungen <strong>in</strong> zentralen Lagen höher alsgesamtstädtisch. Gerade <strong>in</strong> diesen <strong>in</strong>nerstädtischen,verkehrsbelasteten, hochfrequentierten Quartierenmangelt es oft an <strong>Grün</strong>flächen, die Luftschadstoffe undFe<strong>in</strong>staub filtern könnten. Mit Dach- und Fassadenbegrünungkann die Konzentration des giftigen Stickstoffdioxidsund von Fe<strong>in</strong>staub (PM10) sowie auch dieLärmbelastung deutlich verr<strong>in</strong>gert werden. Dies ist alsMaßnahme zum vorsorgenden Gesundheitsschutz vongroßer Bedeutung.Fehlendes <strong>Grün</strong> bee<strong>in</strong>trächtigt die Gesundheit<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>bewohnerAus verschiedenen Untersuchungen und Fallbeispielenist e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen <strong>Grün</strong>versorgungund körperlicher und psychischer Gesundheit belegt.Beispielsweise gibt es e<strong>in</strong>e direkte Korrelation zwischen<strong>der</strong> Häufigkeit von Herz-Kreislauferkrankungen <strong>in</strong>Abhängigkeit von <strong>der</strong> Nähe des Wohnortes zu vielbefahrenenStraßen. Auch <strong>der</strong> Zusammenhang zwischenmangeln<strong>der</strong> Bewegung und Adipositas, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eÜbergewicht bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, ist nachgewiesen.<strong>Grün</strong>flächen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e wichtige Gesundheitsressourcefür Bewegung, Erlebnis und Begegnung.Wo <strong>Stadt</strong>grün fehlt o<strong>der</strong> nicht gut erreichbar undzugänglich ist, gibt es e<strong>in</strong> Versorgungsdefizit, das sichnachteilig auf die psychische, physische und sozialeGesundheit <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger auswirkt. Nebennutzungsoffenen Parks s<strong>in</strong>d vor allem ausreichendSpiel- und Sportplätze wichtig, die Menschen jedenAlters zu sportlicher Aktivität e<strong>in</strong>laden.Effekte, welche die Gesundheit bee<strong>in</strong>trächtigenkönnenNeben den bekannten positiven Wirkungen alsSauerstofflieferant und Staub- und Schadstofffilterkann <strong>Stadt</strong>grün auch negative Auswirkungen haben:Allergien, ausgelöst durch Pflanzenpollen, gehörenzu den häufigsten Erkrankungen, Tendenz steigend.Prom<strong>in</strong>entes Beispiel ist die <strong>in</strong>vasive Ambrosia-Staudemit ihren beson<strong>der</strong>s aggressiven Pollen. Aber auch e<strong>in</strong>eReihe e<strong>in</strong>heimischer Pflanzen haben allergene Wirkungen(zum Beispiel Birke). Dies sollte bei <strong>der</strong> Planungvon Parkanlagen o<strong>der</strong> Spielplätzen beachtet werden.Gezielte Pflanzenverwendung und Standortplanungkönnen bei Allergien m<strong>in</strong><strong>der</strong>nd wirken.Wo <strong>Stadt</strong>grün fehlt o<strong>der</strong> nicht gut erreichbarund zugänglich ist, gibt es e<strong>in</strong> Versorgungsdefizit,das sich nachteilig auf die psychische,physische und soziale Gesundheit <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nenund Bürger auswirkt.Mehr Hitze durch weniger <strong>Grün</strong>flächenHochverdichtete, versiegelte Innenstadtbereicheweisen tagsüber e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Wärmebelastung aufund speichern die Wärme auch nachts, woh<strong>in</strong>gegen<strong>Grün</strong>anlagen und Freiflächen rasch auskühlen un<strong>der</strong>frischende Kaltluft produzieren. Messungen und Simulationen,zum Beispiel für Karlsruhe, Nürnberg o<strong>der</strong>Berl<strong>in</strong>, belegen e<strong>in</strong>e Abkühlung des direkten Wohnumfeldesdurch <strong>Grün</strong>flächen um drei bis zwölf GradCelsius. Fassadengrün wirkt unmittelbar kühlend aufWohn- und Arbeitsräume. Am Ende e<strong>in</strong>er Strahlungs-
nacht kann die Innenstadt dagegen um elf Grad Celsiuswärmer se<strong>in</strong> als das Umland, wie zuletzt für Kölnnachgewiesen. Solche Wärme<strong>in</strong>seln treten <strong>in</strong> Citylagen,aber auch <strong>in</strong> hochverdichteten <strong>Stadt</strong>teilzentren auf. Eswird erwartet, dass im Zuge des Klimawandels <strong>in</strong> denStädten die Sommertage mit Temperaturen über 25Grad Celsius um 30 bis 70 Prozent, über 30 Grad Celsiussogar um bis zu 100 Prozent zunehmen. Insbeson<strong>der</strong>efür ältere Menschen wird die Gesundheit und Lebensqualitätdurch die starke Wärmebelastung zunehmendbee<strong>in</strong>trächtigt. Zukünftig wird das <strong>Grün</strong> zur M<strong>in</strong><strong>der</strong>ungklimawandelbed<strong>in</strong>gter Extreme immer wichtiger.Weniger <strong>Grün</strong>flächen verstärken Klimarisikendurch StarkregenKlimaprojektionen gehen davon aus, dass mittel- bislangfristig von e<strong>in</strong>er erheblichen Zunahme punktuellerextremer Nie<strong>der</strong>schlagsereignisse auszugehen ist,wobei hier nicht nur mit e<strong>in</strong>er erhöhten Intensität,son<strong>der</strong>n auch mit e<strong>in</strong>er erhöhten Dauer <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlägegerechnet werden muss. Diese treffen <strong>in</strong>Städten auf e<strong>in</strong>en durch Siedlungsexpansion, Nachverdichtungund Bebauung steigenden Anteil versiegelterBöden. Schon heute nehmen Schäden durch Stark- undExtremregen zu, weil große Wassermengen <strong>in</strong> kurzerZeit <strong>in</strong> die dafür nicht dimensionierte Kanalisationabgeführt werden. <strong>Grün</strong>- und Freiflächen habendeshalb e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung als Überstauflächen undzur zeitlichen Abflussverzögerung. <strong>Stadt</strong>grün erhöhtdie Klimaresilienz, das heißt die Wi<strong>der</strong>standsfähigkeitgegenüber klimawandelbed<strong>in</strong>gten Risiken und isterheblich preiswerter als technische Lösungen zumRückhalt großer Wassermengen.Je<strong>der</strong> gefällte Baum fehlt beim Klimaschutz<strong>Stadt</strong>bäume tragen zum Klimaschutz bei, weil sie dasklimaschädliche Kohlendioxid b<strong>in</strong>den: In Deutschlandliegt <strong>der</strong> Kohlenstoffvorrat <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>bäume bei circa 62Millionen Tonnen. Das bedeutet, dass vom gesamtenbundesweit <strong>in</strong> Bäumen gespeicherten Kohlenstoffvorratrund sechs Prozent <strong>in</strong> <strong>Stadt</strong>grün und 94 Prozent<strong>in</strong> Wäl<strong>der</strong>n gespeichert ist. Betrachtet man Städte wieKarlsruhe, dann werden im <strong>Stadt</strong>gebiet etwa 70 Prozentdes Kohlenstoffs <strong>in</strong> <strong>Stadt</strong>wäl<strong>der</strong>n und 30 Prozent <strong>in</strong><strong>Stadt</strong>bäumen gespeichert. Alle<strong>in</strong> auf den <strong>Grün</strong>flächen<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> Karlsruhe stehen rund 146.000 Straßen- undParkbäume, jährlich kommen bis zu 1.000 Bäume h<strong>in</strong>zu.Im Umkehrschluss bedeutet das: <strong>Stadt</strong>bäume, dieim Zuge von Baumaßnahmen gefällt werden, könnenke<strong>in</strong> CO 2mehr aufnehmen, wodurch die klimaschädlicheCO 2-Belastung steigt. Viele Städte und Geme<strong>in</strong>denhaben spezielle Programme aufgelegt, um die Pflanzungund Pflege von Bäumen auf öffentlichen undprivaten Flächen zu för<strong>der</strong>n.