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RÜCKENWIND

Rückenwind. Was Studis gegen Stress tun können - TU Ilmenau

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Prof. Roland Matthies<br />

Theater und Stress<br />

„Lampenfieber“ als Voraussetzung für nachhaltiges Lernen<br />

Ein produktiver Umgang mit Stress ist unabdingbar für Bildung und Lernen<br />

im Angesicht der Herausforderungen einer Gesellschaft im rapiden Wandel.<br />

Theater kann hierfür Pate stehen.<br />

Der Versuch, Stress zu vermeiden, erzeugt neuen Stress. Warum? Weil Stress<br />

eine lebensnotwendige, ja oft lebensrettende Reaktion unseres Körpers ist.<br />

Und gegen natürliche Funktionen unseres Nervensystems willentlich anzugehen,<br />

hat selten zu produktiven Ergebnissen geführt.<br />

Was kann man also tun im Angesicht eines Phänomens, das offensichtlich<br />

auch zerstörerische Eigenschaften hat? Die Antwort: Einen bewussten Umgang<br />

damit pflegen. Und das führt uns letztlich dazu, Lernen als menschliches<br />

Grundbedürfnis neu zu begreifen.<br />

Schauspielerinnen und Schauspieler leben mit dem Lampenfieber. Es versetzt<br />

sie in einen Zustand höherer Erregung, der oft erst den Zustand der<br />

nötigen Wachheit und der gesteigerten Geistesgegenwart erzeugt, der eine<br />

Situation oder eine Figur glaubwürdig erscheinen lässt.<br />

Theater als Erkenntnisprozess erfordert die tiefere Auseinandersetzung mit<br />

einem Thema und gleichzeitig auch die absolute Identifizierung mit der<br />

Situation sowie der Figur. Ein reines „Auswendiglernen“ der Rolle würde<br />

keine glaubwürdigen Situationen entstehen lassen. Das Lampenfieber ist<br />

dabei Ausdruck einer gestalteten Stressreaktion, die der Schauspielerin und<br />

dem Schauspieler hilft, diese Ebene zu erreichen.<br />

In Prüfungssituationen an Hochschulen geht es allzu oft noch darum, einen<br />

Leistungskatalog abzurufen. Das gestaltende Element, die Identifizierung mit<br />

einem Thema, bleibt auf der Strecke. „Auswendiglernen“ und „Aufsagen“ erzeugen<br />

deswegen eine Form von negativem Stress, weil sie nicht mit unserem<br />

ureigenen Interesse, mit den Kernfragen an das Leben verbunden sind.<br />

Das Geheimnis ist, dass eine Form von Lampenfieber eigentlich schon im Moment<br />

der Auseinandersetzung mit einem „Lernthema“ einsetzt: Wir lernen<br />

etwas Neues offenbar nur dann gut, wenn das noradrenerge System in unserem<br />

Gehirn eingeschaltet wird, das uns wachrüttelt und dazu beiträgt, die<br />

erfolgreich zur Lösung des Problems eingesetzten Verschaltungen zu bahnen.<br />

Das, was uns nicht unmittelbar berührt, was nicht die geringste Spur einer kon-<br />

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