RÜCKENWIND
Rückenwind. Was Studis gegen Stress tun können - TU Ilmenau
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Schöpferisches Innehalten<br />
Interview mit Prof. Roland Matthies<br />
Schauspieler, Regisseur, Hochschullehrer; Professor an der Theaterakademie<br />
der Hochschule für Musik und Theater Hamburg<br />
Eine Frage an den erfahrenen Theatermann: Gibt es eine „Erste Hilfe“,<br />
wenn Lampenfieber in der Prüfung doch einmal so stark ist, dass es mehr<br />
lähmt als puscht?<br />
Das Wesentliche ist in diesem Fall – ich denke an den Vergleich mit einem<br />
Blackout auf der Bühne –, sich der Leere zunächst zu überlassen und sie zuzulassen.<br />
Meine Erfahrung als Schauspieler ist, dass der Text dann plötzlich<br />
wieder da ist. Innezuhalten und loszulassen ist besser, als dagegen anzustrampeln,<br />
damit macht man es schlimmer. Die Leere kann produktiv sein<br />
und zu einem frischen Gedanken führen. Der Zuschauer – oder der Prüfer<br />
– empfindet den Moment der Pause vielleicht als gar nicht so lang wie man<br />
selbst. Für ein Publikum wie für einen Prüfer kann dieser Augenblick erholsam<br />
sein, man hat das Gefühl, hier spult jemand nicht nur etwas ab.<br />
Wie würden Sie als Schauspieler und Theaterpädagoge die ideale „Spielanleitung“<br />
für Prüfling und Prüfer beschreiben?<br />
Idealerweise sollte eine Antwort auf eine Frage im Moment komplett neu<br />
entstehen, in einem schöpferischer Vorgang, der nicht etwas reproduziert.<br />
Solch ein Inspirationsmoment entsteht aber nicht einfach so, er setzt Vertrauen<br />
in die Situation voraus. Ich bin selbst gelegentlich in Prüfungskommissionen<br />
und man ist als Prüfer dankbar, wenn zu spüren ist, wie Gedanken<br />
in einem Prozess entstehen. Es ist natürlich auch schön, wenn Prüfer<br />
Fragen stellen, die dies erlauben.<br />
Können imaginierte oder tatsächliche Rollenspiele helfen, sich auf angstauslösende<br />
Situationen vorzubereiten?<br />
Ich bin davon überzeugt, dass es so ist, würde das aber in einem sehr freien<br />
Feld zu üben versuchen, denn sich die konkrete, beunruhigende Situation<br />
vorzustellen, könnte unter Umständen kontraproduktiv sein. Man kann lernen,<br />
im richtigen Moment das Richtige zu tun, etwa indem man textgebunden<br />
spielerisch improvisiert oder sich mit Empathie in eine Rolle versetzt.<br />
Hilfreich können Wahrnehmungs- und Entspannungsübungen sein. Stress<br />
sehe ich auch als positiv, diese Wirkung setzt aber voraus, dass es ebenso<br />
Momente der Entspannung gibt, in denen man vollkommen loslässt – ohne<br />
Zeiten kompletter Muße geht es nicht, auch Schauspieler müssen sie bewusst<br />
suchen.<br />
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