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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 45 · F reitag, 22. Februar 2019 5 *<br />
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Politik<br />
Milliardär der Mitte<br />
Starbucks-Gründer Howard Schultz erwägt, zur Präsidentschaftswahl in den USA anzutreten. Linke fürchten, dass damit Trumps Wiederwahl besiegelt würde<br />
VonKarlDoemens, Washington<br />
Nach einer Weile hat man<br />
Lust auf einen gemeinsamen<br />
Latte macchiato.<br />
DerMann auf der Bühne<br />
scheint wirklich nett zu sein. Er hat als<br />
Sohn eines Hilfsarbeiters einen Weltkonzern<br />
aufgebaut, spricht viel von<br />
Transparenz und Werten und lächelt<br />
gerne.„Wirhaben viel mehr gemeinsam,<br />
als uns trennt“, ruft er in den<br />
Saal. Wenn bloß der Kaffee bei Starbucks<br />
nicht so dünn und teuer wäre.<br />
HowardSchultz hat ohnehin keine<br />
Zeit. Natürlich. Nach einer guten<br />
Stunde muss der Gründer des weltgrößten<br />
Kaffeerösters mit rund<br />
15 000 Filialen weiter.Seit der 65-Jährige<br />
im Januar eine mögliche Bewerbung<br />
als unabhängiger Mann der<br />
Mitte bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen<br />
2020 angekündigt<br />
hat, ist er dauernd auf Achse. Drei<br />
Monate lang will er bei einer Reise<br />
quer durchs Land erkunden, wie die<br />
Stimmung ist, und dann endgültig<br />
über die Kandidatur entscheiden.<br />
Wenig Rückhalt –noch<br />
Bitte keine Details: Howard Schultz wirbt um Vertrauen. Doch seinen Botschaften fehlt bisher die politische Substanz.<br />
Ein paar hundert Interessierte sind<br />
zu seinem Vortrag in einem Washingtoner<br />
Kulturzentrum gekommen.<br />
Auf der Straße stehen nur wenige<br />
Demonstranten. In seiner Heimatstadt<br />
Seattle war das vorein paar<br />
Wochen anders gewesen. „Zerstöre<br />
nicht unsereChancen!“, skandierten<br />
da die Protestler.InNew York rief ein<br />
Kritiker: „Hilf nicht, Trump zu wählen,<br />
du egoistischer Milliardär!“ Insgesamt<br />
kann man nicht sagen, dass<br />
der Schultz-Zug sehr viel Rückenwind<br />
hat. Gerade einmal vier Prozent<br />
erklären bei Umfragen, dass sie<br />
für Schultz stimmen würden.<br />
Trotzdem könnte der Unternehmer<br />
Geschichte schreiben –wenn<br />
auch anders,als er sich das vorstellt.<br />
Nicht nur hat Schultz mit 2,5 Milliarden<br />
Dollar nämlich genügend<br />
Geld, tatsächlich anzutreten. Auch<br />
trifft sein Appell zur Überwindung<br />
der politischen Spaltung eine weit<br />
verbreitete Stimmung in den USA.<br />
Vor allem aber könnten am Ende<br />
selbst vier Prozent der Stimmen reichen,<br />
um eine Wiederwahl von Donald<br />
Trump zu sichern. Zwar versichert<br />
Schultz: „Niemand will ihn<br />
dringender aus dem Amt jagen als<br />
ich.“ Doch im amerikanischen System<br />
wird der Kandidat mit den<br />
meisten Wahlmänner-Stimmen<br />
Präsident. „Jeder, der als Unabhängiger<br />
antritt, spaltet die demokratischen<br />
Stimmen und hilft Trump“,<br />
hat Jay Inslee, der Gouverneur des<br />
Bundesstaats Washington, die fatale<br />
Wirkung einer dritten Kandidatur<br />
im Zwei-Parteien-System beschrieben<br />
und seinen Landsmann gewarnt:<br />
„Das wäre eine furchtbare<br />
Entscheidung.“ Das Echo der linksliberalen<br />
Medien ist entsprechend.<br />
„Howard Schultz, bitte nicht!“,<br />
warnte ein Kolumnist der NewYork<br />
Times und rief indirekt zum Starbucks-Boykott<br />
auf. Binnen weniger<br />
Wochen ist Schultz zur Hassfigur<br />
der amerikanischen Linken geworden.<br />
DerSelfmademan kontertdie Anwürfe<br />
mit einem Lächeln und einer<br />
amerikanischen Bilderbuchgeschichte:<br />
Sein Vater, ein Ex-Soldat,<br />
konnte im bürgerlichen Leben keinen<br />
Fußmehr fassen. Howardwuchs<br />
in einer Sozialwohnung auf, wurde<br />
AP/ELAINE THOMPSON<br />
der erste Akademiker der Familie,<br />
gründete seine erste Firma und<br />
kaufte 1987 mit geliehenem Geld die<br />
Starbucks-Rösterei, die damals vier<br />
Filialen hatte. Inden folgenden 30<br />
Jahren baute er das Unternehmen zu<br />
einem Weltkonzern mit Sozialstandards<br />
aus: „Ich wollte die Firma<br />
schaffen, in der mein Vater eine<br />
Chance auf einen Job gehabt hätte.“<br />
Das bringt freundlichen Applaus im<br />
Kulturzentrum.<br />
Auch der Abgesang auf das Zwei-<br />
Parteien-System, „in dem sich die<br />
Konkurrenten gegenseitig bekämpfen,<br />
statt nach Lösungen zu suchen“,<br />
findet Unterstützung. „Politische<br />
Führung, Ehrlichkeit und Vertrauen“,<br />
mahnt Schultz an. Da will niemand<br />
widersprechen. Aber auf konkrete politische<br />
Ziele wartet man vergeblich.<br />
Obamacare soll reformiert werden,<br />
die linken Pläne seien aber nicht bezahlbar,<br />
argumentiert Schultz. Den<br />
Klimawandel will er mit Öl und erneuerbaren<br />
Energien bekämpfen.<br />
Beim Waffenrecht setzt er auf „einen<br />
vernünftigen Ansatz“. Im Streit um<br />
die Mauer beschwörterallgemein die<br />
Humanität. Die hohen Staatsschulden<br />
findet er „unmoralisch“ und will<br />
doch die Steuernfür die Mittelschicht<br />
senken, ohne den Spitzensteuersatz<br />
„schädlich“ anzuheben. Vieles, was<br />
Schultz sagt, klingt vernünftig. Doch<br />
es fehlt die Substanz.<br />
EinProjekt wieApollo 11<br />
Wieerdenndas tief gespaltene Land<br />
wieder zusammenbringen wolle,<br />
will eine Zuhörerin am Ende wissen.<br />
Man brauche ein großes gemeinsames<br />
Ziel wie seinerzeit den Mondflug<br />
von Apollo 11, erwidert Schultz.<br />
DieFragestellerin wirkt unzufrieden.<br />
„Eine spezifische Antwort habe ich<br />
nicht“, gesteht Schultz. Wie ein runder<br />
Bagel sei seine Botschaft, lästert<br />
später die Washington Post: „An der<br />
Mitte gibt es wenig auszusetzen.<br />
Aber auch nichts zu mögen.“<br />
KarlDoemens erfuhr<br />
erfreut, dass Schultz morgens<br />
drei <strong>Zeitung</strong>en liest.