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ündnis zu Hilfe kamen. <strong>Die</strong> aggressive<br />

antikommunistische Agitation der Westmächte<br />

ließ sich ohne große Probleme<br />

<strong>als</strong> Fortsetzung des Hitlerschen Antibolschewismus<br />

verstehen. <strong>Die</strong> große Akzeptanz<br />

des Antikommunismus in der<br />

Bundesrepublik erschwerte die selbstkritische<br />

Auseinandersetzung mit der<br />

eigenen Vergangenheit.<br />

<strong>Die</strong> HIAG bekannte sich zum Grundgesetz<br />

der Bundesrepublik und verstand<br />

sich <strong>als</strong> politisch „neutral“. So schrieb<br />

im Jahr 1951 Paul Hausser (1880 bis<br />

1972), ehemaliger SS-Oberstgruppenführer<br />

und Generaloberst der Waffen-<br />

SS, an die Bundestagsfraktionen der<br />

Parteien, „dass die HIAG jeden Radikalismus,<br />

sei er von rechts oder von links“,<br />

ablehne. Gegen die Bezeichnung „Neofaschisten“<br />

verwahrte er sich „schärfstens“.<br />

<strong>Die</strong> HIAG propagierte jedoch ein<br />

strenges Leistungsprinzip und das „Lebensgesetz<br />

des Kampfes“. Intern war<br />

sie nach dem „Führerprinzip“ organisiert.<br />

Der jeweilige Bundesvorstand forderte<br />

unbedingte Loyalität von den Ortsverbänden<br />

und einzelnen Mitgliedern,<br />

seine Ziele versuchte er rücksichtslos<br />

zu erreichen. <strong>Die</strong> HIAG stand in ungebrochener<br />

Kontinuität zu Vorstellungen,<br />

wie sie die sich selbst <strong>als</strong> Elite verstehende<br />

Waffen-SS und deren Vorgängerorganisationen<br />

seit den 1930er Jahren<br />

propagiert hatten. Zumindest für ihre<br />

Führung blieb die Nazideologie weiterhin<br />

der weltanschauliche Referenzrahmen,<br />

trotz aller Neutralitätsbekundungen<br />

gegenüber der Bonner Republik.<br />

Parteiübergreifende Kontakte<br />

Für führende Vertreter der großen Parteien<br />

in der Bundesrepublik war die<br />

HIAG von Anfang an ein legitimer Gesprächspartner.<br />

Bereits im Herbst 1951<br />

kam es zu einem längeren Gespräch<br />

zwischen dem damaligen SPD-Vorsitzenden<br />

Kurt Schumacher und dem ehemaligen<br />

SS-Brigadeführer und Generalmajor<br />

der Waffen-SS Otto Kumm, einem<br />

der führenden Köpfe der HIAG. Auch<br />

die Sozialdemokraten Annemarie Renger<br />

und Herbert Wehner sollen an dem<br />

Treffen teilgenommen haben. Schumacher<br />

überschätzte indes die Zahl der<br />

ehemaligen Mitglieder der Waffen-SS<br />

in der Bundesrepublik. Er rechnete mit<br />

rund 900.000 Mann – ein großes Wählerpotential<br />

bei knapp über 30 Millionen<br />

Wahlberechtigten in den 1950er Jahren.<br />

Schumacher sagte in dem Gespräch mit<br />

Kumm, er wolle dafür eintreten, dass<br />

seine Partei die Beschäftigung ehemaliger<br />

Angehöriger der Waffen-SS bei Behörden<br />

und Betrieben nicht länger ablehne.<br />

Der SPD-Vorsitzende rechtfertigte sein<br />

Treffen mit der HIAG kurz darauf in einem<br />

Brief an den bekannten jüdischen<br />

Professor Liebmann Hersch, selbst überzeugter<br />

Sozialist, indem er die meisten<br />

Waffen-SS-Mitglieder verblendete junge<br />

Menschen nannte, die „sich selbst <strong>als</strong><br />

eine Art vierter Wehrmachtsteil gefühlt“<br />

hätten und „dam<strong>als</strong> auch so gewertet<br />

worden“ seien. Wenn man Kumms Erinnerungen<br />

glaubt, die er 1978 in der HI-<br />

AG-Verbandszeitschrift „Der Freiwillige“<br />

publizierte, sagte Kurt Schumacher dam<strong>als</strong><br />

sogar zu, sich „nach Kräften“ für<br />

eine „Aufhebung der Diffamierung“ einzusetzen.<br />

<strong>Die</strong> FDP tat dies bereits systematisch.<br />

Der Bundestagsabgeordnete Erich Mende<br />

und Wehrmachts-Major a. D., später<br />

Minister für Gesamtdeutsche Fragen,<br />

legte auch nach dem Krieg sein<br />

1944 erhaltenes Ritterkreuz öffentlich<br />

an und pflegte beste Verbindungen zu<br />

den Veteranen der Waffen-SS. <strong>Die</strong> Integration<br />

der ehemaligen Soldaten und<br />

SS-Männer war ein wichtiges Ziel der<br />

FDP-Bundestagsfraktion, deren Mitglieder<br />

im Verteidigungsausschuss 1956<br />

nachdrücklich für die Einbeziehung<br />

der Waffen-SS-Veteranen in die Versorgungsregelung<br />

nach Artikel 131 des<br />

Grundgesetzes eintraten. 1961 erlangte<br />

dieses Vorhaben mit wenigen Ausnahmen<br />

Gesetzeskraft.<br />

Im Vorfeld der Bundestagswahl 1953<br />

trafen sich in Hamburg Vertreter von<br />

CDU, SPD, BHE (Bund der Heimatvertriebenen<br />

und Entrechteten), FDP und<br />

DP (Deutsche Partei) mit den ehemaligen<br />

Waffen-SS-Männern, um für ihre<br />

Parteien zu werben. Ein Jahr später referierte<br />

der spätere Bundeskanzler Helmut<br />

Schmidt, dam<strong>als</strong> bereits Mitglied<br />

im Bundesvorstand der SPD, auf einem<br />

Treffen der HIAG-Hannover über „Soldatentum<br />

und Sozialdemokratie“. Es war<br />

seine erklärte Absicht, „Schwierigkeiten<br />

aus dem Weg zu räumen“, denen<br />

die „HIAG-Fürsorgearbeit noch immer<br />

von Seiten der SPD begegnet“. Treffen<br />

zwischen SPD-Vorstandsmitgliedern<br />

und HIAG-Funktionären fanden in den<br />

1950er Jahren mehrfach statt.<br />

Auch die CDU/CSU stand mit der HIAG in<br />

regelmäßigem Kontakt. Durch ihre Rolle<br />

<strong>als</strong> Regierungspartei war das Verhältnis<br />

der CDU/CSU zu den Waffen-SS-Veteranen<br />

jedoch nicht frei von Spannungen.<br />

Einerseits war man der Meinung,<br />

bei der anstehenden Wiederbewaffnung<br />

nicht auf ehemalige Soldaten und ihre<br />

Veteranenorganisationen verzichten zu<br />

können, zu denen man auch die HIAG<br />

zählte, andererseits mussten internationale<br />

Irritationen über den Fortschritt<br />

der bundesrepublikanischen Vergangenheitsbewältigung<br />

möglichst vermieden<br />

werden. Revanchistische Parolen,<br />

wie sie etwa der Fallschirmjägergeneral<br />

Hermann Bernhard Ramcke beim<br />

HIAG-Treffen 1952 in Verden an der Aller<br />

verbreitete, indem er die „Väter des<br />

Versailler Vertrages“ <strong>als</strong> die „wahren<br />

Kriegsverbrecher“ bezeichnete, nannte<br />

Bundeskanzler Konrad Adenauer verärgert<br />

eine „äußerst schädliche Angelegenheit“<br />

und „unverantwortlich“. Trotzdem<br />

besuchte er 1953 den eingangs<br />

genannten Kurt Meyer im Zuchthaus in<br />

Werl, wo dieser <strong>als</strong> verurteilter Kriegsverbrecher<br />

einsaß. Im Bundestag gab<br />

Adenauer wenige Wochen später sogar<br />

eine „Ehrenerklärung“ für die Waffen-SS<br />

ab, die ganz der Verbandsrhetorik der<br />

HIAG folgte. <strong>Die</strong> Waffen-SS sei scharf<br />

von der regulären SS zu unterscheiden<br />

und mit Wehrmachtsverbänden vergleichbar.<br />

1959 wurde Meyer der erste<br />

Vorsitzende des sich nun „Bundesverband<br />

der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS<br />

e. V. (HIAG)“ nennenden Organisation.<br />

Im Hause Meyer, so schildert es<br />

sein Sohn Kurt in seinem 1998 in einem<br />

Freiburger Verlag veröffentlichten, kritischen<br />

Erinnerungsbuch „Geweint wird,<br />

wenn der Kopf ab ist“, waren die nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />

Symbole weiterhin<br />

präsent. Im Wohnzimmer hing ein Bild<br />

Adolf Hitlers – neben dem Porträt des<br />

preußischen Königs Friedrich II.<br />

<strong>Die</strong> Mobilisierungskraft der HIAG war<br />

beachtlich. Nach Ergebnissen des Bielefelder<br />

Historikers Karsten Wilke, der sich<br />

seit einigen Jahren mit der Geschichte<br />

der Hilfsgemeinschaft beschäftigt,<br />

waren mindestens 20.000 Männer im<br />

Bundesverband der HIAG organisiert.<br />

Andere Quellen sprechen von 70.000<br />

Mitgliedern. Genaue Zahlen sind nicht<br />

bekannt; entsprechende Statistiken<br />

fehlen auch in den Unterlagen der HI-<br />

AG, die heute im Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamt in Freiburg aufbewahrt<br />

werden. <strong>Die</strong> lokalen HIAGs schafften es<br />

in den 1950er Jahren, Großveranstaltungen<br />

mit mehreren tausend Teilnehmern<br />

zu organisieren. In Verden kamen 1952<br />

rund 5.000 Leute zusammen, in Minden<br />

(1954) und in Hameln (1959) sollen es<br />

über 10.000 gewesen sein.<br />

Gegen diese Treffen demonstrierten<br />

wechselnde Bündnisse von Gewerkschaftern,<br />

Verbänden von Opfern des<br />

Faschismus, Studenten und Ortsvereinen<br />

der SPD, ohne jedoch auf große Resonanz<br />

zu stoßen. <strong>Die</strong> HIAGs verstanden<br />

es geschickt, den karitativen Charakter<br />

ihrer Organisation, besonders <strong>als</strong> Suchdienst<br />

für vermisste Soldaten, hervorzuheben.<br />

Zu ihrer gesellschaftlichen<br />

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