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lands: <strong>Die</strong> Verteidigung der Brückenköpfe<br />

nördlich von Narwa bei Riggi und<br />

Siiversi-Vepsküle oder die Kämpfe auf<br />

den Sinimäe-Bergen („Sinimäe-Schlachten“).<br />

Das sind für den ehemaligen estnischen<br />

Regierungschef die „stolzen<br />

Momente“ estnischer Geschichte und<br />

des „nationalen Widerstandes gegen<br />

die „glotzenden Mongolengesichter“ –<br />

wie er die Befreier Estlands vom deutschen<br />

Faschismus verunglimpft. Einer<br />

der deutschen Hauptkriegsverbrecher,<br />

der Reichsführer-SS Heinrich Himmler,<br />

erscheint in Laars Buch <strong>als</strong> ernsthafter<br />

Befürworter der estnischen Autonomie.<br />

<strong>Die</strong> „Verteidigung“ Tallinns und die Ausrufung<br />

der „Regierung des Freistaates<br />

Estland“ durch den estnischen Kollaborationspolitiker<br />

und letzten Regierungschef<br />

der nationalistischen Pätsdiktatur<br />

der Zwischenmkriegszeit, Uluots,<br />

drei Tage vor der Befreiung der Hauptstadt,<br />

ist nach Laars Sichtweise ebenso<br />

von „symbolischer Bedeutung für Estlands<br />

Ringen um nationale Unabhängigkeit.“<br />

10<br />

Was soll verdrängt<br />

und vergessen werden?<br />

<strong>Die</strong> 621.000 Sowjetsdoldaten (darunter<br />

zwei estnische Divisionen mit über<br />

30.000 Mann) der 1. Baltischen Front<br />

setzten in der Militäroperation vom 14.<br />

September bis 20. Oktober 1944 mit ihrem<br />

Leben (es fielen in diesen drei Wochen<br />

24.181 Soldaten und Offiziere)<br />

dem Massenmord und der Ausplünderung<br />

in der von „Großdeutschland“ einverleibten<br />

Estnischen Sozialistischen<br />

Sowjetrepublik ein Ende. 11 27 Millionen<br />

Sowjetbürger verloren in diesem bisher<br />

opferreichsten Krieg der Menschheitsgeschichte<br />

ihr Leben. Unter den Millionen<br />

sowjetischen Soldaten, die den<br />

größten Teil Europas 1944/45 befreite,<br />

nahmen auch 70.000 Esten teil. Von<br />

den fünf Esten, die <strong>als</strong> Helden der Sowjetunion<br />

ausgezeichnet wurden, lebt<br />

heute nur noch Arnold Meri. Er gehörte<br />

zu den Befreiern Tallinns und war dabei,<br />

<strong>als</strong> am 22. September 1944 die im<br />

Stadtzentrum gefallenen 13 Rotarmisten<br />

beigesetzt wurden, deren sterbliche<br />

Überreste in diesem Jahr geschändet<br />

und beseitigt worden sind. 12 <strong>Die</strong> Befreiungstat<br />

der Roten Armee der Sowjetunion<br />

vor über sechs Jahrzehnten soll<br />

nach den Willen der derzeit Regierenden<br />

in Tallinn nicht nur in Vergessenheit<br />

geraten, sondern auch noch in eine<br />

angebliches „Menschheitsverbrechen“<br />

umgedeutet werden. Mehr noch: <strong>Die</strong><br />

UdSSR, die mit dem Großen Vaterländischen<br />

Krieg das Schicksal der Menschheit<br />

zum Besseren wendete, und ihr<br />

Nachfolgestaat Russland soll diskreditiert<br />

und genötigt werden, „Wiedergutmachung“<br />

an Estland zu leisten.<br />

<strong>Die</strong> neuen politischen Eliten Estlands<br />

betreiben seit 1989 eine revisionistische<br />

Politik der „Wiederaneignung der<br />

Geschichte“. In diesem Zusammenhang<br />

werden nicht selten die Täter des Massenmordes<br />

und des Krieges in Opfer<br />

und Helden verwandelt. <strong>Die</strong> ehemaligen<br />

estnischen Angehörigen der Wehrmacht,<br />

der Hilfspolizei, der SS und der<br />

so genannten Waldbrüder, die den Krieg<br />

<strong>als</strong> „Untergrund-Kämpfer“ bis zum Anfang<br />

der 50er Jahre in der Estnischen<br />

SSR fortsetzten, gelten nun <strong>als</strong> die Nationalhelden<br />

der jüngsten estnischen<br />

Geschichte. Als „Opfer des Kommunismus“<br />

erhalten sie zu ihrer Rente einen<br />

staatlichen Zuschuss, auch aus dem<br />

Land der damaligen Täter, an deren Seite<br />

sie in besonderer Nibelungentreue<br />

standen. <strong>Die</strong> Uminterpretation der Geschichte<br />

Estlands hat nicht nur praktische<br />

Konsequenzen auf dem Gebiet<br />

der Kriegsentschädigung, sondern auch<br />

der estnischen Denkm<strong>als</strong>politik. Das<br />

betrifft nicht nur die Schändung von<br />

Denkmalen der sowjetischen Befreier.<br />

<strong>Die</strong> sterblichen Überreste des letzten<br />

Kommandeurs der 20. Estnischen SS-<br />

Freiwilligendivision und Ritterkreuzträgers<br />

mit Eichenlaub, Obersturmbannführer<br />

Alfons Rebane, wurden 1999 aus<br />

der Bundesrepublik Deutschland nach<br />

Estland gebracht und in einem Staatsakt<br />

auf den Tallinner Friedhof überführt.<br />

Das im August 2004 in Pärnu von einem<br />

protestantische Pfarrer mit dem<br />

Ruf „Sieg Heil“ eingeweihte Denkmal<br />

des estnischen Soldaten in deutscher<br />

Wehrmachtsuniform musste allerdings<br />

aufgrund internationaler Proteste wieder<br />

entfernt werden. Aber an dieser<br />

Stelle des Friedhofes steht noch heute<br />

eine Tafel mit der Aufschrift: „Hier stand<br />

ein Denkmal für die estnischen Freiheitskämpfer.“<br />

Der neureiche Este Leo<br />

Tammiksaar errichtete auf seinem Privatgrundstück<br />

in Parnu ein SS-Museum.<br />

An den Treffen der SS-Veteranen nehmen<br />

auch namhafte Politiker teil. 13<br />

<strong>Die</strong>se politisch Unbelehrbaren ahmen<br />

nur das nach, was Politiker aus den<br />

einstigen faschistischen Täterländern<br />

nach 1945 vorgemacht haben. In der<br />

BRD entstanden schon 1949 die ersten<br />

Hilfsgemeinschaften auf Gegenseitigkeit<br />

der ehemaligen Angehörigen der<br />

Waffen-SS (HIAG). Obwohl die Waffen-<br />

SS in Nürnberg 1946 zur verbrecherischen<br />

Organisation erklärt worden war,<br />

wurde die HIAG im Jahre 1953 <strong>als</strong> eingetragener<br />

Verein zugelassen. Nicht<br />

nur der damalige Bundeskanzler Kon-<br />

rad Adenauer gab im Bundestag eine<br />

Ehrenerklärung für die Angehörigen der<br />

Waffen-SS ab. Zur angeblich „sauberen<br />

Wehrmacht“ gesellte sich nun auch die<br />

„saubere Waffen-SS“, deren Bundesverband<br />

HIAG alles Erdenkliche für deren<br />

Reinwaschung tat. 1961 waren die<br />

SS-Veteranen in die Versorgungsregeln<br />

nach Artikel 131 des Grundgesetzes einbezogen<br />

worden; das traf auch für ihre<br />

„ausländischen Kameraden“ zu. <strong>Die</strong> estnische<br />

SS-Veteranen kamen allerdings<br />

erst seit 1993 in den Genuss dieser materiellen<br />

Vergütung. Bei alledem sollte<br />

nicht in Vergessenheit geraten: Helmut<br />

Kohl demonstrierte mit Ronald Reagan<br />

bei der gemeinsamen Kranzniederlegung<br />

auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg<br />

1985, ein Friedhof, auf dem auch<br />

SS-Männer begraben worden waren,<br />

dass die Veteranen der Waffen-SS in<br />

das offizielle Gedenken an den 2. Weltkrieg<br />

aufzunehmen sind.<br />

Man weiß <strong>als</strong>o in Tallinn wie auch in<br />

Riga sehr wohl, in welchem Verhältnis<br />

die führenden deutschen Parteien<br />

zur Waffen-SS standen und stehen<br />

und hat deswegen kaum eine Kritik von<br />

deutscher Seite zu befürchten. Sicherlich<br />

ist diesen Politikern auch die deutsche<br />

Praxis der „Denkm<strong>als</strong>entsorgung“<br />

gut bekannt. Ich erinnere an die „Nachwendezeit“,<br />

wo beispielsweise am Platz<br />

der Einheit (heute Albert-Platz) das sowjetische<br />

Denkmal zu Ehren der in den<br />

Kämpfen in Dresden gefallenen Rotarmisten<br />

der 5. Gardearmee auch ohne<br />

internationale Kritiken weggeschafft<br />

wurde – im Interesse der „Verschönerung“<br />

des Stadtbildes. <strong>Die</strong> ehemalige<br />

Straße der Befreiung gibt es ebenfalls<br />

nicht mehr. <strong>Die</strong> meisten deutschen Politiker<br />

hätten daher in der Auseinandersetzung<br />

mit ihren Tallinner Kollegen keinerlei<br />

Glaubwürdigkeit.<br />

<strong>Die</strong> Museen in Estland sind ebenso Stützen<br />

der Geschichtsfälschung geworden.<br />

Der ehemalige estnische Dissident Heiki<br />

Ahonen wurde nach seiner Ausweisung<br />

aus der Estnischen SSR Mitarbeiter<br />

bei Radio Free Europe in München<br />

und Prag (seit 1995 Direktor der Abteilung<br />

Estland), ehe er 1998 mit Unterstützung<br />

eines US-Sponsors das Museum<br />

der Okkupation in Tallinn aufbaute.<br />

Ahonen informierte auf einer Tagung<br />

der Stiftung Ettersberg 2004 über die<br />

Darstellung der Rolle der „zwei Okkupationsmächte“<br />

in seiner musealen Einrichtung.<br />

Das „rote Jahr“ 1940 sei sehr<br />

opferreich gewesen, die deutsche Besatzung<br />

hingegen „forderte wenige Todesopfer<br />

und das Ausmaß der Unterdrückung<br />

war nicht so groß wie während<br />

der vorangegangen und folgenden sow-<br />

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