02.05.2017 Views

SPECTRUM #3/2017

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

Vom Töggele zum Tischfussball<br />

KULTUR<br />

Das Töggele ist wohl eines der bekanntesten und auch meistgespielten Kneipenspiele. Doch je länger<br />

je mehr etabliert sich Tischfussball auch als ernstzunehmende Sportart. GIOJA WEIBEL<br />

© Rania Moudaress<br />

© Foto: Wikimedia commons<br />

Meine Begeisterung für Tischfussball<br />

hat ihren Ursprung definitiv<br />

in meiner Begeisterung für Bars.<br />

Als Kneipenspiel zeichnet er sich durch<br />

seinen sozialen Charakter aus: Bei keinem<br />

anderen Spiel lernst du die anderen Gäste<br />

in einer Bar so schnell kennen. Du stehst<br />

an den Tisch und forderst fremde Leute<br />

zum Spiel auf, wo sonst geschieht das?<br />

So kommt es, dass ich bei einem kürzlich<br />

veranstalteten Turnier in meiner Stammbar<br />

fast jeden der sechzig Teilnehmenden<br />

gekannt habe – und zwar ausschliesslich<br />

dank dem Kickertisch, der in der Mitte<br />

des Fumoirs steht. Töggele ist ein partizipatives<br />

Spiel, jeder kann an den Tisch<br />

stehen und dabei Spass haben, denn um<br />

einfach drauflos zu ballern braucht es<br />

nicht allzu viel Können. Bei Vielen wird<br />

aus diesem Spass aber bald Ehrgeiz, man<br />

steht öfters am Tisch, übt sich in Ballkontrolle,<br />

in Pässen, in einzelnen Schüssen.<br />

Schliesslich braucht man bessere Gegner,<br />

als sich in der Stammbar finden lassen<br />

und landet so bei einem Verein.<br />

Vereine und Verbände<br />

Seit einiger Zeit wird Tischfussball nämlich<br />

auch in der Schweiz in etablierten<br />

Vereinsstrukturen praktiziert. Die International<br />

Table Soccer Federation (ITSF),<br />

also der internationale Dachverband,<br />

zählt gut sechzig Mitglieder, darunter seit<br />

zehn Jahren auch die Swiss Tablesoccer Federation<br />

(STF). Diesem Schweizer Tischfussballverband<br />

sind wiederum 16 Clubs<br />

angeschlossen. Für Lokalinteressierte<br />

nennenswert wäre hier beispielsweise der<br />

TFC Freiburg Sense, der in Düdingen stationiert<br />

ist. Der STF und die angeschlossenen<br />

Clubs organisieren auch die Spiele<br />

der Regio Tour und der Swiss Tablesoccer<br />

Series Qualifikation. Durch die daraus<br />

hervorgebrachte Jahresrangliste kann<br />

man sich für die Schweizermeisterschaft<br />

qualifizieren. Den Schweizermeistern<br />

werden schliesslich die Startplätze für<br />

den ITSF World Cup vergeben. Pro Kategorien<br />

(Herren, Damen, Junioren und<br />

Senioren) gibt es je zwei Sieger: Ein Siegerteam,<br />

das im Doppel gespielt hat, und<br />

einen Sieger vom Einzel. Um in dieser<br />

Viele ambitionierte Spieler umwickeln die Griffe mit eigens mitgebrachten Bändern, um für optimale<br />

Griffigkeit zu sorgen<br />

Liga mitzuspielen, wird täglich stundenlang<br />

geübt – allerdings ausschliesslich auf<br />

Amateur-Niveau.<br />

Regeln und Sportkleidung<br />

Denn bis auf einige wenige Profispieler,<br />

darunter der belgische Tischfussball-Megastar<br />

Frédéric Collignon, kann vorerst<br />

noch niemand von diesem Sport leben.<br />

Wie jeder andere Sport ist natürlich auch<br />

Tischfussball auf diesem Level reglementiert.<br />

Grundsätzlich wird deshalb nur auf<br />

sechs Spieltischen von sechs Marken von<br />

Tischfussballtischen gespielt. Ähnlich<br />

wie es beim Tennis je nach Unterlage andere<br />

Spezialisten gibt, bestehen auch pro<br />

Tisch verschiedene Spitzenspieler. Das<br />

macht Frédéric Collignon zum Megastar<br />

und Federer-Pendant: Er ist auf jedem<br />

Kasten fast unschlagbar. In der Schweiz<br />

wird hauptsächlich auf Garlando und<br />

Ullrich Tischen gespielt, den offiziellen<br />

STF-Tisch-Partnern. Die Spielregeln<br />

sind natürlich auch strikt festgehalten:<br />

Eine Umdrehung von mehr als 360 Grad<br />

ist verboten, ebenso ist es verboten, den<br />

Gegner durch Geräusche oder Bewegungen<br />

abzulenken, wozu auch lautes Bewegen<br />

der Stange gehört, um nur einige zu<br />

nennen. Bei Spielen des ITSF – und deshalb<br />

auch des STF – müssen die Spieler in<br />

Sportkleidung erscheinen. Tischfussball<br />

will als Sport ernstgenommen werden.<br />

Und das sollte er auch! Ich lade jeden<br />

Zweifler ein, ein professionelles Turnier<br />

oder nur schon eine Trainingseinheit zu<br />

besuchen. Aber auch die leichte Seite des<br />

Töggelens, bei der man sich und seine<br />

Gegner nicht so ernst nimmt, dafür aber<br />

in Kontakt mit Leuten kommt, mit denen<br />

man sonst keine Berührungspunkte hätte,<br />

ist eine Stärke des Tischfussballs. Eine<br />

Randsportart, die ich in beiden Facetten<br />

mit Leidenschaft praktiziere.<br />

IN EIGENER SACHE:<br />

Dies ist mein letzter Artikel im Spectrum<br />

als Kulturredaktorin. Der Posten der Kulturredaktion<br />

wird somit frei. Falls ihr also<br />

interessiert seid, Spectrum mitzugestalten,<br />

zögert nicht euch zu bewerben. Ich danke<br />

euch fürs treue Lesen meiner Artikel und<br />

wünsche weiterhin viel Spass mit Spectrum.<br />

3/<strong>2017</strong><br />

17

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!