A tarefa do tradutor, de Walter Benjamin: - Fale
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<strong>de</strong>r Satz ist die Mauer vor <strong>de</strong>r Sprache <strong>de</strong>s Originals,<br />
Wörtlichkeit die Arka<strong>de</strong>.<br />
Wenn Treue und Freiheit <strong>de</strong>r Übersetzung seit jeher als<br />
wi<strong>de</strong>rstreben<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nzen betrachtet wur<strong>de</strong>n, so scheint<br />
auch diese tiefere Deutung <strong>de</strong>r einen bei<strong>de</strong> nicht zu<br />
versöhnen, son<strong>de</strong>rn im Gegenteil alles Recht <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn<br />
abzusprechen. Denn worauf bezieht Freiheit sich, wenn nicht<br />
auf die Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s Sinnes, die aufhören soll,<br />
gesetzgebend zu heißen? Allein wenn <strong>de</strong>r Sinn eines<br />
Sprachgebil<strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ntisch gesetzt wer<strong>de</strong>n darf mit <strong>de</strong>m seiner<br />
Mitteilung, so bleibt ihm ganz nah und <strong>do</strong>ch unendlich fern,<br />
unter ihm verborgen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlicher, durch ihn gebrochen<br />
o<strong>de</strong>r machtvoller über alle Mitteilung hinaus ein Letztes,<br />
Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s. Es bleibt in aller Sprache und ihren Gebil<strong>de</strong>n<br />
außer <strong>de</strong>m Mitteilbaren ein Nicht-Mitteilbares, ein, je nach<br />
<strong>de</strong>m Zusammenhang, in <strong>de</strong>m es angetroffen wird,<br />
Symbolisieren<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r Symbolisiertes. Symbolisieren<strong>de</strong>s nur,<br />
in <strong>de</strong>n endlichen Gebil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Sprachen; Symbolisiertes aber<br />
im Wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Sprachen selbst. Und was im Wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Sprachen sich darzustellen, ja herzustellen sucht, das ist jener<br />
Kern <strong>de</strong>r reinen Sprache selbst. Wenn aber dieser, ob<br />
verborgen und fragmentarisch, <strong>de</strong>nnoch gegenwärtig im<br />
Leben als das Symbolisierte selbst ist, so wohnt er nur<br />
symbolisierend in <strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong>n. Ist jene letzte Wesenheit, die<br />
da die reine Sprache selbst ist, in <strong>de</strong>n Sprachen nur an<br />
Sprachliches und <strong>de</strong>ssen Wandlungen gebun<strong>de</strong>n, so ist sie in<br />
<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong>n behaftet mit <strong>de</strong>m schweren und frem<strong>de</strong>n Sinn.<br />
Von diesem sie zu entbin<strong>de</strong>n, das Symbolisieren<strong>de</strong> zum<br />
Symbolisierten selbst zu machen, die reine Sprache gestaltet<br />
<strong>de</strong>r Sprachbewegung zurückzugewinnen, ist das gewaltige<br />
und einzige Vermögen <strong>de</strong>r Übersetzung. In dieser reinen<br />
Sprache, die nichts mehr meint und nichts mehr ausdrückt,<br />
son<strong>de</strong>rn als ausdrucksloses und schöpferisches Wort das in<br />
allen Sprachen Gemeinte ist, trifft endlich alle Mitteilung, aller<br />
Sinn und alle Intention auf eine Schicht, in <strong>de</strong>r sie zu<br />
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erlöschen bestimmt sind. Und eben aus ihr bestätigt sich die<br />
Freiheit <strong>de</strong>r Übersetzung zu einem neuen und höhern Rechte.<br />
Nicht aus <strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>r Mitteilung, von weichem zu<br />
emanzipieren gera<strong>de</strong> die Aufgabe <strong>de</strong>r Treue ist, hat sie ihren<br />
Bestand. Freiheit vielmehr bewährt sich um <strong>de</strong>r reinen<br />
Sprache willen an <strong>de</strong>r eigenen. Jene reine Sprache, die in<br />
frem<strong>de</strong> gebannt ist, in <strong>de</strong>r eigenen zu erlösen, die im Werk<br />
gefangene in <strong>de</strong>r Umdichtung zu befreien, ist die Aufgabe <strong>de</strong>s<br />
Übersetzers. Um ihretwillen bricht er morsche Schranken <strong>de</strong>r<br />
eigenen Sprache: Luther, Voß, Höl<strong>de</strong>rlin, George haben die<br />
Grenzen <strong>de</strong>s Deutschen erweitert. – Was hiernach für das<br />
Verhältnis von Übersetzung und Original an Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>m<br />
Sinn verbleibt, läßt sich in einem Vergleich fassen. Wie die<br />
Tangente <strong>de</strong>n Kreis flüchtig und nur in einem Punkte berührt<br />
und wie ihr wohl diese Berührung, nicht aber <strong>de</strong>r Punkt, das<br />
Gesetz vorschreibt, nach <strong>de</strong>m sic weiter ins Unendliche ihre<br />
gera<strong>de</strong> Bahn zieht, so berührt die Übersetzung flüchtig und<br />
nur in <strong>de</strong>m unendlich kleinen Punkte <strong>de</strong>s Sinnes das Original,<br />
um nach <strong>de</strong>m Gesetze <strong>de</strong>r Treue in <strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>r<br />
Sprachbewegung ihre eigenste Bahn zu verfolgen. Die wahre<br />
Be<strong>de</strong>utung dieser Freiheit hat, ohne sie <strong>do</strong>ch zu nennen noch<br />
zu begrün<strong>de</strong>n, Ru<strong>do</strong>lf Pannwitz in Ausführungen<br />
gekennzeichnet, die sich in <strong>de</strong>r “krisis <strong>de</strong>r europäischen<br />
kultur“ fin<strong>de</strong>n und die neben Goethes Sätzen in <strong>de</strong>n Noten<br />
zum “Divan“ leicht das Beste sein dürften, was in Deutschland<br />
zur Theorie <strong>de</strong>r Übersetzung veröffentlicht wur<strong>de</strong>. Dort heißt<br />
es:<br />
unsere übertragungen, auch die besten, gehn von einem falschen<br />
grundsatz aus, sie wollen das indische, griechische, englische<br />
ver<strong>de</strong>utschen, anstatt das <strong>de</strong>utsche zu verindischen, vergriechischen,<br />
verenglischen. Sie haben eine viel be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>re ehrfurcht vor <strong>de</strong>n<br />
eigenen sprachgebräuchen als vor <strong>de</strong>m geiste <strong>de</strong>s frem<strong>de</strong>n werks… <strong>de</strong>r<br />
grundsätzliche irrtum <strong>de</strong>s übertragen<strong>de</strong>n ist, dass er <strong>de</strong>n zufälligen<br />
stand <strong>de</strong>r eignen Sprache festhält, anstatt sie durch die frem<strong>de</strong><br />
Sprache gewaltig bewegen zu lassen. Er muss, zumal wenn er aus<br />
einer sehr fernen sprache überträgt, auf die letzten elemente <strong>de</strong>r<br />
sprache selbst, wo wort, bild, ton in eines geht, zurückdringen; er<br />
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