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A tarefa do tradutor, de Walter Benjamin: - Fale

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Sprachen einan<strong>de</strong>r nicht fremd, son<strong>de</strong>rn a priori und von allen<br />

historischen Beziehungen abgesehen einan<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m<br />

verwandt sind, was sie sagen wollen.<br />

Mit diesem Erklärungsversuch scheint allerdings die<br />

Betrachtung auf vergeblichen Umwegen wie<strong>de</strong>r in die<br />

herkömmliche Theorie <strong>de</strong>r Übersetzung einzumün<strong>de</strong>n. Wenn<br />

in <strong>de</strong>n Übersetzungen die Verwandtschaft <strong>de</strong>r Sprachen sich<br />

zu bewähren hat, wie könnte sie das an<strong>de</strong>rs als in<strong>de</strong>m jene<br />

Form und Sinn <strong>de</strong>s Originals möglichst genau übermitteln?<br />

Über <strong>de</strong>n Begriff dieser Genauigkeit wüßte sich jene Theorie<br />

freilich nicht zu fassen, könnte also zuletzt <strong>do</strong>ch keine<br />

Rechenschaft von <strong>de</strong>m geben, was an Übersetzungen<br />

wesentlich ist. In Wahrheit aber bezeugt sich die<br />

Verwandtschaft <strong>de</strong>r Sprachen in einer Übersetzung weit tiefer<br />

und bestimmter als in <strong>de</strong>r oberflächlichen und un<strong>de</strong>finierbaren<br />

Ähnlichkeit zweier Dichtungen. Um das echte Verhältnis<br />

zwischen Original und Übersetzung zu erfassen, ist eine<br />

Erwägung anzustellen, <strong>de</strong>ren Absicht durchaus <strong>de</strong>n<br />

Gedankengängen analog ist, in <strong>de</strong>nen die Erkenntniskritik die<br />

Unmöglichkeit einer Abbildtheorie zu erweisen hat. Wird <strong>do</strong>rt<br />

gezeigt, daß es in <strong>de</strong>r Erkenntnis keine Objektivität und sogar<br />

nicht einmal <strong>de</strong>n Anspruch darauf geben könnte, wenn sie in<br />

Abbil<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Wirklichen bestün<strong>de</strong>, so ist hier erweisbar, daß<br />

keine Übersetzung möglich wäre, wenn sie Ähnlichkeit mit<br />

<strong>de</strong>m Original ihrem letzten Wesen nach anstreben wür<strong>de</strong>.<br />

Denn in seinem Fortleben, das so nicht heißen dürfte, wenn es<br />

nicht Wandlung und Erneuerung <strong>de</strong>s Lebendigen wäre, än<strong>de</strong>rt<br />

sich das Original. Es gibt eine Nachreife auch <strong>de</strong>r festgelegten<br />

Worte. Was zur Zeit eines Autors Ten<strong>de</strong>nz seiner<br />

dichterischen Sprache gewesen sein mag, kann später erledigt<br />

sein, immanente Ten<strong>de</strong>nzen vermögen neu aus <strong>de</strong>m<br />

Geformten sich zu erheben. Was damals jung, kann später<br />

abgebraucht, was damals gebräuchlich, später archaisch<br />

klingen. Das Wesentliche solcher Wandlungen wie auch <strong>de</strong>r<br />

ebenso ständigen <strong>de</strong>s Sinnes in <strong>de</strong>r Subjektivität <strong>de</strong>r<br />

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Nachgeborenen statt im eigensten Leben <strong>de</strong>r Sprache und<br />

ihrer Werke zu suchen, hieße – zugestan<strong>de</strong>n selbst <strong>de</strong>n<br />

kru<strong>de</strong>sten Psychologismus – Grund und Wesen einer Sache<br />

verwechseln, strenger gesagt aber, einen <strong>de</strong>r gewaltigsten<br />

und fruchtbarsten historischen Prozesse aus Unkraft <strong>de</strong>s<br />

Denkens leugnen. Und wollte man auch <strong>de</strong>s Autors letzten<br />

Fe<strong>de</strong>rstrich zum Gna<strong>de</strong>nstoß <strong>de</strong>s Werkes machen, es wür<strong>de</strong><br />

jene tote Theorie <strong>de</strong>r Übersetzung <strong>do</strong>ch nicht retten. Denn wie<br />

Ton und Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r großen Dichtungen mit <strong>de</strong>n<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rten sich völlig wan<strong>de</strong>ln, so wan<strong>de</strong>lt sich auch die<br />

Muttersprache <strong>de</strong>s Übersetzers. Ja, während das Dichterwort<br />

in <strong>de</strong>r seinigen überdauert, ist auch die größe Übersetzung<br />

bestimmt in das Wachstum ihrer Sprache ein – in <strong>de</strong>r<br />

erneuten unterzugehen. So weit ist sie entfernt, von zwei<br />

erstorbenen Sprachen die taube Gleichung zu sein, daß<br />

gera<strong>de</strong> unter allen Formen ihr als Eigenstes es zufällt, auf<br />

jene Nachreife <strong>de</strong>s frem<strong>de</strong>n Wortes, auf die Wehen <strong>de</strong>s<br />

eigenen zu merken.<br />

Wenn in <strong>de</strong>r Übersetzung die Verwandtschaft <strong>de</strong>r<br />

Sprachen sich bekun<strong>de</strong>t, so geschieht es an<strong>de</strong>rs als durch die<br />

vage Ähnlichkeit von Nachbildung und Original. Wie es <strong>de</strong>nn<br />

überhaupt einleuchtet, dass Ähnlichkeit nicht notwendig bei<br />

Verwandtschaft sich einfin<strong>de</strong>n muß. Und auch insofern ist <strong>de</strong>r<br />

Begriff <strong>de</strong>r letzten in diesem Zusammenhang mit seinem<br />

engern Gebrauch einstimmig, als er durch Gleichheit <strong>de</strong>r<br />

Abstammung in bei<strong>de</strong>n Fällen nicht ausreichend <strong>de</strong>finiert<br />

wer<strong>de</strong>n kann, wiewohl freilich für die Bestimmung jenes<br />

engern Gebrauchs <strong>de</strong>r Abstammungsbegriff unentbehrlich<br />

bleiben wird. – Worin kann die Verwandtschaft zweier<br />

Sprachen, abgesehen von einer historischen, gesucht wer<strong>de</strong>n?<br />

In <strong>de</strong>r Ähnlichkeit von Dichtungen je<strong>de</strong>nfalls ebensowenig wie<br />

in <strong>de</strong>rjenigen ihrer Worte. Vielmehr beruht alle<br />

überhistorische Verwandtschaft <strong>de</strong>r Sprachen darin, daß in<br />

ihrer je<strong>de</strong>r als ganzer jeweils eines und zwar dasselbe<br />

gemeint ist, das <strong>de</strong>nnoch keiner einzelnen von ihnen, son<strong>de</strong>rn<br />

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