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A tarefa do tradutor, de Walter Benjamin: - Fale

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Die Aufgabe <strong>de</strong>s Übersetzers<br />

9<br />

<strong>Walter</strong> <strong>Benjamin</strong><br />

Nirgends erweist sich einem Kunstwerk o<strong>de</strong>r einer Kunstform<br />

gegenüber die Rücksicht auf <strong>de</strong>n Aufnehmen<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>ren<br />

Erkenntnis fruchtbar. Nicht genug, daß je<strong>de</strong> Beziehung auf ein<br />

bestimmtes Publikum o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Repräsentanten vom Wege<br />

abführt, ist sogar <strong>de</strong>r Begriff eines “i<strong>de</strong>alen“ Aufnehmen<strong>de</strong>n in<br />

allen kunsttheoretischen Erörterungen vom Übel, weil diese<br />

lediglich gehalten sind, Dasein und Wesen <strong>de</strong>s Menschen<br />

überhaupt vorauszusetzen. So setzt auch die Kunst selbst<br />

<strong>de</strong>ssen leibliches und geistiges Wesen voraus – seine<br />

Aufmerksamkeit aber in keinem ihrer Werke. Denn kein<br />

Gedicht gilt <strong>de</strong>m Leser, kein Bild <strong>de</strong>m Beschauer, keine<br />

Symphonie <strong>de</strong>r Hörerschaft.<br />

Gilt eine Übersetzung <strong>de</strong>n Lesern, die das Original nicht<br />

verstehen? Das scheint hinreichend <strong>de</strong>n Rangunterschied im<br />

Bereiche <strong>de</strong>r Kunst zwischen bei<strong>de</strong>n zu erklären. Überdies<br />

scheint es <strong>de</strong>r einzig mögliche Grund, “Dasselbe“ wie<strong>de</strong>rholt<br />

zu sagen. Was “sagt“ <strong>de</strong>nn eine Dichtung? Was teilt sie mit?<br />

Sehr wenig <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r sie versteht. Ihr Wesentliches ist nicht<br />

Mitteilung, nicht Aussage. Dennoch könnte diejenige<br />

Übersetzung, welche vermitteln will, nichts vermitteln als die<br />

Mitteilung – also Unwesentliches. Das ist <strong>de</strong>nn auch ein<br />

Erkennungszeichen <strong>de</strong>r schlechten Übersetzungen. Was aber<br />

außer <strong>de</strong>r Mitteilung in einer Dichtung steht – und auch <strong>de</strong>r<br />

schlechte Übersetzer gibt zu, daß es das Wesentliche ist – gilt<br />

es nicht allgemein als das Unfaßbare, Geheimnisvolle,<br />

“Dichterische“? Das <strong>de</strong>r Übersetzer nur wie<strong>de</strong>rgeben kann,<br />

in<strong>de</strong>m er – auch dichtet? Daher rührt in <strong>de</strong>r Tat ein zweites<br />

Merkmal <strong>de</strong>r schlechten Übersetzung, welche man <strong>de</strong>mnach<br />

als eine ungenaue Übermittlung eines unwesentlichen Inhalts<br />

<strong>de</strong>finieren darf. Dabei bleibt es, solange die Übersetzung sich<br />

anheischig macht, <strong>de</strong>m Leser zu dienen. Wäre sie aber für <strong>de</strong>n<br />

Leser bestimmt, so müße es auch das Original sein. Besteht<br />

das Original nicht um <strong>de</strong>ssentwillen, wie ließe sich dann die<br />

Übersetzung aus dieser Beziehung verstehen?<br />

Übersetzung ist eine Form. Sie als solche zu erfassen,<br />

gilt es zurückzugehen auf das Original. Denn in ihm liegt<br />

<strong>de</strong>ren Gesetz als in <strong>de</strong>ssen Übersetzbarkeit beschlossen. Die<br />

Frage nach <strong>de</strong>r Übersetzbarkeit eines Werkes ist <strong>do</strong>ppelsinnig.<br />

Sie kann be<strong>de</strong>uten: ob es unter <strong>de</strong>r Gesamtheit seiner Leser<br />

je seinen zulänglichen Übersetzer fin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>? O<strong>de</strong>r, und<br />

eigentlicher: ob es seinem Wesen nach Übersetzung zulasse<br />

und <strong>de</strong>mnach – <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung dieser Form gemäß – auch<br />

verlange. Grundsätzlich ist die erste Frage nur problematisch,<br />

die zweite apodiktisch zu entschei<strong>de</strong>n. Nur das oberflächliche<br />

Denken wird, in<strong>de</strong>m es <strong>de</strong>n selbständigen Sinn <strong>de</strong>r letzten<br />

leugnet, bei<strong>de</strong> für gleichbe<strong>de</strong>utend erklären. Ihm gegenüber<br />

ist darauf hinzuweisen, daß gewisse Relationsbegriffe ihren<br />

guten, ja vielleicht besten Sinn behalten, wenn sie nicht von<br />

vorne herein ausschließlich auf <strong>de</strong>n Menschen bezogen<br />

wer<strong>de</strong>n. So dürfte von einem unvergeßlichen Leben o<strong>de</strong>r<br />

Augenblick gesprochen wer<strong>de</strong>n, auch wenn alle Menschen sie<br />

vergessen hätten. Wenn nämlich <strong>de</strong>ren Wesen es for<strong>de</strong>rte,<br />

nicht vergessen zu wer<strong>de</strong>n, so wür<strong>de</strong> jenes Prädikat nichts<br />

Falsches, son<strong>de</strong>rn nur eine For<strong>de</strong>rung, <strong>de</strong>r Menschen nicht<br />

entsprechen, und zugleich auch wohl <strong>de</strong>n Verweis auf einen<br />

Bereich enthalten, in <strong>de</strong>m ihr entsprochen wäre: auf ein<br />

Ge<strong>de</strong>nken Gottes. Entsprechend bliebe die Übersetzbarkeit<br />

sprachlicher Gebil<strong>de</strong> auch dann zu erwägen, wenn diese für<br />

die Menschen unübersetzbar wären. Und sollten sie das bei<br />

einem strengen Begriff von Übersetzung nicht wirklich bis zu<br />

einem gewissen Gra<strong>de</strong> sein? – In solcher Loslösung ist die<br />

Frage zu stellen, ob Übersetzung bestimmter Sprachgebil<strong>de</strong><br />

zu for<strong>de</strong>rn sei. Denn es gilt <strong>de</strong>r Satz: Wenn Übersetzung eine<br />

Form ist, so muß Übersetzbarkeit gewissen Werken wesentlich<br />

sein.<br />

Übersetzbarkeit eignet gewissen Werken wesentlich –<br />

das heißt nicht, ihre Übersetzung ist wesentlich für sich selbst,<br />

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