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8. Beschlussabteilung Aktenzeichen: B8-124/11 ... - Bundeskartellamt

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<strong>8.</strong> <strong>Beschlussabteilung</strong><br />

<strong>Aktenzeichen</strong>: <strong>B8</strong>-<strong>124</strong>/<strong>11</strong><br />

1. Energie Südwest AG<br />

Industriestr. 18<br />

76829 Landau<br />

2. ESW GasVertrieb GmbH<br />

Industriestr. 18<br />

76829 Landau<br />

3. Enovos Deutschland AG<br />

Am Halberg 3<br />

66121 Saarbrücken<br />

Verfahrensbevollmächtige:<br />

Becker Büttner Held<br />

RA Herr Dr. Peter Gussone<br />

Magazinstr. 15-16<br />

10179 Berlin<br />

Beschluss<br />

in dem Verwaltungsverfahren<br />

Fusionskontrollverfahren<br />

Verfügung gemäß § 40 Abs. 2 GWB<br />

- Öffentliche Version -<br />

Beteiligte zu 1.,<br />

Beteiligte zu 2.,<br />

Beteiligte zu 3.,


4. Stadtholding Landau in der Pfalz GmbH<br />

Mahlastr. 3<br />

76829 Landau in der Pfalz<br />

5. RWE AG<br />

Opernplatz 1<br />

45128 Essen<br />

- 2 -<br />

Beteiligte zu 4.,<br />

Beigeladene,<br />

wegen Prüfung eines gemäß § 39 GWB 1<br />

angemeldeten Zusammenschlussvorhabens hat die<br />

<strong>8.</strong> <strong>Beschlussabteilung</strong> des <strong>Bundeskartellamt</strong>es am 20. März 2012 beschlossen:<br />

I. Das Zusammenschlussvorhaben wird gemäß § 40 Abs. 2 GWB freigegeben.<br />

II. Die Gebühr für diese Entscheidung wird auf […] Euro (in Worten: […] Euro) festgesetzt.<br />

Dieser Betrag wird auf die gesondert festzusetzende Gebühr von […] Euro (in Worten:<br />

[…] Euro) für die Anmeldung des Zusammenschlusses angerechnet. Beide Gebühren<br />

werden gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GWB der Beteiligten zu 3. auferlegt.<br />

I. Das Vorhaben<br />

Gründe<br />

(1) Die Beteiligte zu 3. (nachfolgend: Enovos Deutschland) beabsichtigt, sämtliche<br />

Geschäftsanteile der Beteiligten zu 2. (nachfolgend: ESW Gasvertrieb) auf die Beteiligte<br />

zu 1. (nachfolgend: ESW AG) zu verschmelzen. Anteilseigner der ESW AG sind zum<br />

heutigen Zeitpunkt Enovos Deutschland mit 51% und die Beteiligte zu 4. (nachfolgend:<br />

SH Landau) mit 49%. Beide Unternehmen sind gleichzeitig alleinige Anteilseigner der<br />

ESW Gasvertrieb, an der Enovos Deutschland 10% der Geschäftsanteile und die SH<br />

Landau 90% der Geschäftsanteile halten.<br />

1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 2005,<br />

BGBl. I S. 2<strong>11</strong>4 (2009 I S. 3850), zuletzt geändert durch Art. 13 Abs. 21 Gesetz vom 25. Mai 2009, BGBl.<br />

I S. <strong>11</strong>02.


II. Vorgeschichte<br />

- 3 -<br />

(2) Mit Schreiben vom <strong>8.</strong> Juli 2008 erhielt die <strong>Beschlussabteilung</strong> den Entwurf einer<br />

Anmeldung von der Saar Ferngas AG (nachfolgend: Saar Ferngas) für das beabsichtigte<br />

Vorhaben der Saar Ferngas, einen Mehrheitsanteil an der ESW AG zu erwerben. Die<br />

ESW AG belieferte zu diesem Zeitpunkt ihre Kunden mit Gas, Strom, Wasser und Wärme<br />

im Stadtgebiet Landau in der Pfalz und den umliegenden Gemeinden. Im Rahmen<br />

eines Vorgesprächs erläuterten Vertreter der <strong>8.</strong> <strong>Beschlussabteilung</strong> der Saar Ferngas,<br />

dass, bezogen auf die Gassparte, die Beteiligung des marktbeherrschenden Vorlieferanten<br />

Saar Ferngas an einem in seinem eigenen Versorgungsgebiet liegenden Stadtwerk<br />

grundsätzlich untersagt werden würde. Zwar vertrat die Saar Ferngas die Auffassung,<br />

dass sie aufgrund der fortschreitenden Liberalisierung des Gasmarktes in ihrem eigenen<br />

Versorgungsgebiet keine marktbeherrschende Stellung mehr habe. Sie zog jedoch für<br />

den Fall, dass die <strong>Beschlussabteilung</strong> auf Basis ihrer Ermittlungen dennoch zur Annahme<br />

einer Marktbeherrschung der Saar Ferngas auf dem Markt für die Belieferung von<br />

Gas an Weiterverteiler kommen sollte, in Betracht, den Gasbereich von der ESW AG<br />

abzuspalten und anderweitig zu veräußern.<br />

(3) Mit Schreiben vom 10. November 2008 meldete die Saar Ferngas die Aufstockung des<br />

Anteils an der ESW AG von 10% auf 51% an. Die Anmeldung (Az. <strong>B8</strong>-163/08) enthielt<br />

den Vorschlag einer Auflage gem. § 40 Abs. 3 GWB, der später mit Schreiben vom<br />

5. Januar 2009 auf die Ausgestaltung in Form einer aufschiebenden Bedingung erweitert<br />

wurde. Danach sollte die ESW AG die Gasvertriebssparte in ein eigenständiges Unternehmen<br />

ausgliedern und die Geschäftsanteile an diesem Unternehmen zu mindestens<br />

90% bis zum 31. November 2009 auf einen Dritten übertragen. Mit Beschluss vom<br />

5. März 2009 gab die <strong>8.</strong> <strong>Beschlussabteilung</strong> das Zusammenschlussvorhaben unter der<br />

oben genannten aufschiebenden Bedingung frei.<br />

(4) Mit Schreiben vom 1<strong>8.</strong> Dezember 2009 teilte die Verfahrensbevollmächtigte der Saar<br />

Ferngas, die Rechtsanwaltskanzlei Becker Büttner Held, mit, dass die aufschiebende<br />

Bedingung des Beschlusses vom 5. März 2009 eingetreten sei. Die ESW AG habe ihre<br />

gesamte Gassparte mit Ausnahme des Netzbetriebes in die ESW Gasvertrieb ausgegliedert<br />

und 90% der Geschäftsanteile an die von der Saar Ferngas unabhängige<br />

SH Landau veräußert.


- 4 -<br />

(5) Mit Schreiben vom 24. November 2008 meldeten der luxemburgische Stromversorger<br />

Cegedel S.A., der luxemburgische Gas- und Stromversorger Soteg S.A. und Saar Ferngas<br />

bei der <strong>8.</strong> <strong>Beschlussabteilung</strong> ihr Vorhaben an, fusionieren zu wollen (Az. <strong>B8</strong>-<br />

95/08). 2<br />

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2008 wurde das Vorhaben von der <strong>8.</strong> <strong>Beschlussabteilung</strong><br />

freigegeben. Im Jahr 2009 fusionierten Cegedel S.A., Soteg S.A. und<br />

Saar Ferngas zur Enovos International S.A., die nun Muttergesellschaft der Enovos<br />

Deutschland (vormals Saar Ferngas) ist.<br />

III. Verfahrensgang<br />

(6) Mit Schreiben vom 22. September 20<strong>11</strong>, eingegangen beim <strong>Bundeskartellamt</strong> am<br />

selben Tag, meldete Enovos Deutschland folgendes Zusammenschlussvorhaben an:<br />

Sie beabsichtigt, sämtliche Anteile der ESW Gasvertrieb auf die ESW AG zu verschmelzen.<br />

Anteilseigner der ESW AG sind Enovos Deutschland mit 51% und die SH Landau<br />

mit 49%. Beide Unternehmen sind gleichzeitig alleinige Anteilseigner der ESW Gasvertrieb,<br />

an der Enovos Deutschland mit 10% und die SH Landau mit 90% beteiligt sind.<br />

(7) Mit Schreiben vom 13. Oktober 20<strong>11</strong> leitete die <strong>Beschlussabteilung</strong> das Hauptprüfverfahren<br />

ein. Die Einleitung des Hauptprüfverfahrens wurde gemäß § 43 Abs. 1 GWB mit<br />

Bekanntmachung vom 13. Oktober 20<strong>11</strong>, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 163/<strong>11</strong><br />

vom 27. Oktober 20<strong>11</strong> (S. 3794), bekannt gemacht.<br />

(8) Mit Schreiben vom 14. Dezember 2012 haben die Verfahrensbevollmächtigten einer<br />

Verlängerung der Prüffrist bis zum 13. Februar 2012 zugestimmt.<br />

(9) Mit Schreiben vom 13. Januar 2012 hat die RWE AG gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB die<br />

Beiladung zu dem Verfahren beantragt. Zu dem Beiladungsantrag hatten die ESW AG,<br />

die ESW Gasvertrieb, Enovos Deutschland und die SH Landau Gelegenheit Stellung zu<br />

nehmen. Die Beiladung der RWE AG zu dem Verfahren erfolgte durch Beschluss vom<br />

15. Februar 2012. Zu den Einzelheiten wird auf den Beiladungsbeschluss Bezug genommen.<br />

2<br />

Das Zusammenschlussvorhaben unterlag keiner Kontrollpflicht in Luxemburg, da das luxemburgische<br />

Recht keine Fusionskontrolle vorsieht.


- 5 -<br />

(10) Mit Schreiben vom 27. Januar 2012 stimmten die Verfahrensbevollmächtigten einer<br />

weiteren Verlängerung der Prüffrist bis zum 20. März 2012 zu.<br />

(<strong>11</strong>) Mit Schreiben vom 5. März 2012 gab die <strong>Beschlussabteilung</strong> den Verfahrensbeteiligten,<br />

den Landeskartellbehörden von Saarland und Rheinland-Pfalz, sowie der Bundesnetzagentur<br />

Gelegenheit, zu der wettbewerblichen Beurteilung des Zusammenschlussvorhabens<br />

Stellung zu nehmen.<br />

(12) Mit Schreiben vom 15. März 2012 hat die Landeskartellbehörde Saarland Stellung zum<br />

Entscheidungsentwurf genommen. Zu den Einzelheiten wird auf die Verfahrensakte<br />

verwiesen. Die Beteiligten, die Beigeladene, die Bundesnetzagentur und die Landeskartellbehörde<br />

Rheinland-Pfalz haben von einer Stellungnahme abgesehen.<br />

IV. Beteiligte Unternehmen<br />

1. ESW AG<br />

(13) Unmittelbar erwerbendes Unternehmen ist die ESW AG, ein Gemeinschaftsunternehmen<br />

der Enovos Deutschland und der SH Landau. Enovos Deutschland hält 51% der<br />

Anteile, die SH Landau 49% der Anteile an der ESW AG. Als Energieversorgungsunternehmen<br />

beliefert die ESW AG sowohl Privathaushalte, als auch Gewerbe- und Industrieunternehmen<br />

mit Strom, Wasser und Wärme im Stadtgebiet Landau in der Pfalz und<br />

den umliegenden Gemeinden. Im Jahr 2010 erzielte die ESW AG Umsatzerlöse in Höhe<br />

von 36,8 Mio. Euro, davon Umsätze mit dem Absatz von Strom in Höhe von 25,4 Mio.<br />

Euro und Umsätze mit dem Absatz von Wasser in Höhe von 4,1 Mio. Euro. 3 Die ESW<br />

AG übernimmt außerdem den Vertrieb von Erdgas im Namen und auf Rechnung der<br />

ESW Gasvertrieb. 4<br />

(14) Die ESW AG hat mehrere Tochterunternehmen und Beteiligungen. Das hundertprozentige<br />

Tochterunternehmen LanTec gebäudetechnik management gmbh (Landau in der<br />

Pfalz) betreibt Blockheizkraftwerke und Nahwärmenetze und übernimmt Contractingund<br />

Energieberatungstätigkeiten. Die hundertprozentige Tochter Energie Südwest Grüne<br />

Energie GmbH (Landau in der Pfalz) ist im Jahr 2010 gegründet worden und in der<br />

3 Geschäftsbericht ESW AG 2010, abrufbar unter http://www.energie-suedwest.de/wpcontent/uploads/20<strong>11</strong>/08/Geschaeftsbericht_2010.pdf.<br />

4 https://www.energie-suedwest.de/de/ab_1_April_2009.htm.


- 6 -<br />

Direktvermarktung von Strom aus regenerativen Quellen tätig. Geo x GmbH (Landau in<br />

der Pfalz) ist ein paritätisches Gemeinschaftsunternehmen der ESW AG und der Pfalz-<br />

werke AG (Ludwigshafen) und plant, baut und betreibt geothermische Anlagen für Pri-<br />

vathaushalte, Unternehmen und Kommunen. Die ESW AG hält außerdem 49% der<br />

Kommanditanteile der SWT Erneuerbare Energien GmbH & Co. KG. Die restlichen 51%<br />

der Kommanditeinlagen werden von der SWT Stadtwerke Trier GmbH, Trier, gehalten.<br />

Die Gesellschaft baut und betreut Anlagen im Bereich erneuerbare Energien.<br />

(15) Die ESW AG ist außerdem Muttergesellschaft der EnergieSüdwest Netz GmbH<br />

(nachfolgend: ESW Netz). ESW Netz betreibt Verteilnetze für Gas, Strom und Wasser,<br />

die sich auf die Stadt Landau in der Pfalz und die umliegenden Gemeinden erstrecken.<br />

Das Gasnetz der ESW Netz hat eine Gesamtlänge von 226 km. Im Jahr 2010 wurden im<br />

Verteilnetz der ESW Netz insgesamt 579 GWh Erdgas ausgespeist. 5 Das Gasnetz besitzt<br />

insgesamt vier physische Einspeisepunkte (Übergabeanlagen), über die das<br />

Verteilnetz mit dem vorgelagerten Netz verbunden ist. Die vier physischen Ausspeisepunkte<br />

werden zum virtuellen Ausspeisepunkt Landau in der Pfalz zusammengefasst.<br />

Betreiber des vorgelagerten Transportnetzes ist jeweils die Creos Deutschland GmbH,<br />

die Teil der Enovos-Gruppe ist. Grundversorger für Gas im Netzgebiet der ESW Netz ist<br />

der Vertrieb der ESW AG. 6<br />

2. Enovos Deutschland<br />

(16) Enovos Deutschland ist Teil der Enovos-Gruppe, an deren Dachgesellschaft Enovos<br />

International S.A. folgende Anteilseigner beteiligt sind:<br />

25,44 % Staat Luxemburg<br />

23,48% Arcelor Mittal S.A., ein luxemburgischer Stahlkonzern<br />

18,36% RWE AG, Energieversorgungsunternehmen in Deutschland<br />

10,01% Société Nationale de Crédit et d´Investissement (SNCI),<br />

staatliche Kreditanstalt Luxemburgs<br />

10% E.ON AG, Energieversorgungsunternehmen in Deutschland<br />

8% Stadt Luxemburg<br />

5 http://www.esw-netz.de/de/Netzstrukturdaten1.htm.<br />

6 http://www.esw-netz.de/de/Grundversorger_.htm.


- 7 -<br />

4,71% Electrabel S.A., Energieversorger in Belgien, den Niederlanden<br />

und Luxemburg mit Sitz in Belgien, 100%-iges Tochterunternehmen<br />

der GdF Suez S.A., einem französischen Energieversorgungs-<br />

unternehmen<br />

(17) Die übrigen Anteile befinden sich in Streubesitz. Enovos International S.A. ist eine<br />

Holding und Muttergesellschaft des Energieversorgers Luxembourg S.A. und des Netz-<br />

betreibers Creos Luxemburg S.A., sowie deren jeweiligen Tochtergesellschaften. Die<br />

Enovos Gruppe erzielte im Jahr 2010 Umsatzerlöse in Höhe von 1,53 Mrd. Euro, die<br />

allesamt innerhalb der Europäischen Union erwirtschaftet wurden. 765,3 Mio. Euro Um-<br />

satz entfielen auf Deutschland. 7<br />

(18) Enovos Luxembourg S.A. ist ein luxemburgisches Energieversorgungsunternehmen und<br />

beliefert Weiterverteiler und Industrie- und Gewerbekunden in ganz Luxemburg (Staat)<br />

mit Strom und Gas. Über ihre Tochtergesellschaft Leo S.A. versorgt Enovos Luxembourg<br />

S.A. ebenfalls Haushaltskunden in der Stadt Luxemburg mit Strom und Gas. Ihre<br />

Tochterunternehmen Enovos Deutschland und Enovos Energie Deutschland GmbH beliefern<br />

Weiterverteiler und Industrie- und Gewerbekunden in Deutschland mit Strom und<br />

Gas. Die Enovos Energie Deutschland GmbH begann mit dem Vertrieb von Erdgas jedoch<br />

erst zu Beginn des Jahres 20<strong>11</strong>.<br />

(19) Enovos Deutschland ist ein regionales Energieversorgungsunternehmen und im Vertrieb<br />

von Erdgas, sowie seit 2010 auch von Strom an Weiterverteiler, Industrie- und Gewerbekunden<br />

in ganz Deutschland tätig. Der räumliche Schwerpunkt der Gaslieferungen der<br />

Enovos Deutschland als Nachfolgeunternehmen der früheren Saar Ferngas AG liegt<br />

jedoch im Saarland und im südlichen Rheinland-Pfalz. Enovos Deutschland erzielte im<br />

Jahr 2010 Umsatzerlöse in Höhe von 615 Mio. Euro und setzte insgesamt 21.730 GWh<br />

Erdgas und 268 GWh Strom ab. 8<br />

(20) Das Erdgas bezieht Enovos Deutschland von in Deutschland tätigen Erdgasimporteuren,<br />

einen eigenen Zugang zur Förderung besitzt das Unternehmen nicht. Rund […]%<br />

des weiterverteilten Erdgases bezieht Enovos Deutschland von der E.ON Ruhrgas AG<br />

7 Geschäftsbericht Enovos International S.A. 2010, abrufbar unter http://www.enovos.eu/fileadmin/<br />

dokumente/pdf/GB_rapport_annuel_2010_international.pdf.<br />

8 Alle Zahlen von http://www.enovos.eu/de/index.php?id=12.


- 8 -<br />

([…] GWh), rund […]% von der Wingas GmbH & Co. KG ([…] GWh) und rund […]% ([…]<br />

GWh) von sonstigen Lieferanten. 9<br />

(21) Enovos Deutschland ist mit 51% an der ESW AG beteiligt, welche sie gemeinsam mit<br />

der SH Landau kontrolliert. Sie hält außerdem 50% der Anteile an der Pfalzgas GmbH,<br />

Frankenthal (nachfolgend: Pfalzgas), einem paritätischen Gemeinschaftsunternehmen<br />

der Enovos Deutschland und der Pfalzwerke AG, Ludwigshafen. Pfalzgas beliefert rund<br />

10<br />

60.000 Haushalte, Unternehmen und Kommunen mit Erdgas. Pfalzgas betreibt rund<br />

180 örtliche Verteilnetze in den Gemeinden rund um Frankenthal mit einer Leitungslänge<br />

von insgesamt rund 2.500 km. Im Jahr 2010 wurden im Netz der Pfalzgas rund 2.260<br />

GWh Erdgas ausgespeist. <strong>11</strong> Grundversorger im Netzgebiet der Pfalzgas ist Pfalzgas<br />

selbst. 12<br />

(22) An elf weiteren lokalen Gasversorgungsunternehmen im Saarland und in der südlichen<br />

Pfalz, darunter die ESW Gasvertrieb, hält Enovos Deutschland Minderheitsbeteiligungen<br />

13<br />

zwischen 10% und 28,06%. Enovos Deutschland ist außerdem mit 20% an der Ferngas<br />

Nordbayern GmbH, Nürnberg, beteiligt, an der die E.ON Ruhrgas International<br />

GmbH über die RGE Holding GmbH 53,1% der Anteile hält. 14 Die Ferngasgesellschaft<br />

Nordbayern GmbH beliefert Gasversorgungsunternehmen und Industriekunden in Bayern,<br />

Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg mit Erdgas. 15<br />

(23) Teil des Enovos-Konzerns ist ebenfalls die Creos Luxembourg S.A., die das Strom- und<br />

das Gasfernleitungsnetz in Luxemburg betreibt. Die Creos Luxembourg S.A. hält 100%<br />

der Anteile an der Creos Deutschland GmbH (nachfolgend: Creos). Creos betreibt ein<br />

regionales Flächennetz für Erdgas, welches sich auf das Saarland und das südliche<br />

Rheinland-Pfalz erstreckt. Es handelt sich hierbei um das ehemalige Netz der Saar<br />

Ferngas, deren Nachfolger Enovos Deutschland ist. Das Netz der Creos ist direkt mit<br />

zwei internationalen Transportleitungen, der MEGAL (Mittel-Europäische-Gasleitung)<br />

9<br />

Geschäftsbericht Enovos Deutschland AG 2010,S. 13.<br />

10<br />

http://www.pfalzgas.de/unternehmen/daten.html.<br />

<strong>11</strong><br />

http://www.pfalzgas-online.de/netze/strukturdaten.php.<br />

12<br />

http://www.pfalzgas.de/netze/grundversorger.html.<br />

13<br />

http://www.enovos.eu/de/index.php?id=95. Enovos Deutschland ist außerdem an der ESW AG, die<br />

aber selbst kein Erdgas an Letztverbraucher liefert, mit 51% und an der Pfalzwerke AG mit 1,86%<br />

beteiligt.<br />

14<br />

http://www.eon-ruhrgas-international.com/cps/rde/xchg/SID-8A23A3D4-8FB72DA6/erinternational/hs.xsl/2343.htm.<br />

15<br />

ebd.


- 9 -<br />

und der TENP (Trans-Europa-Naturgas-Pipeline) verbunden. 16 Vorgelagerte Netzbetrei-<br />

ber der Creos sind die Open Grid Europe GmbH, die WINGAS Transport GmbH & Co.<br />

KG und die Gaz de France Deutschland Transport GmbH. 17 Dadurch verfügt das Gas-<br />

transportnetz der Creos über Einspeisepunkte aus beiden zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />

existierenden Marktgebieten, dem Marktgebiet der NetConnect Germany GmbH & Co.<br />

KG (nachfolgend: NetConnect Germany) und dem Marktgebiet der GasPool Balancing<br />

Services GmbH (nachfolgend: Gaspool). Dem Creos-Netz nachgelagert sind 43 lokale<br />

Verteilnetze. 18 Im Jahr 2010 wurden im Gastransportnetz der Creos insgesamt 32.235<br />

GWh Erdgas ausgespeist. 19<br />

3. SH Landau<br />

(24) Die SH Landau ist eine Betriebs- und Beteiligungsgesellschaft und 100%-ige Tochter<br />

der Stadt Landau in der Pfalz. Sie betreibt eine Festhalle, ein Kulturzentrum, Bäder, eine<br />

Messe sowie ein städtisches Industriegleis. Die Stadtholding Landau ist Gesellschafter<br />

der SH Service GmbH und der SH-Jugend&Soziales gGmbH und hält Beteiligungen an<br />

der ESW Gasvertrieb (90%) und der ESW AG (49%). Die SH Landau erzielte im Jahr<br />

2010 Umsätze in Höhe von […] Mio. Euro, die allesamt im Inland erzielt wurden.<br />

4. ESW Gasvertrieb<br />

(25) Zielunternehmen des Zusammenschlussvorhabens ist ESW Gasvertrieb, deren<br />

Geschäftsanteile zu 90% von der SH Landau und zu 10% von Enovos Deutschland gehalten<br />

werden. ESW Gasvertrieb vertreibt über die ESW AG Erdgas an Haushalts- und<br />

Industriekunden. Der räumliche Schwerpunkt der Tätigkeiten der ESW Gasvertrieb erstreckt<br />

sich auf das Gasverteilnetz der ESW Netz und folglich auf das Stadtgebiet Landau<br />

in der Pfalz und die umliegenden Gemeinden. ESW Gasvertrieb setze im Jahr 2010<br />

insgesamt 460 GWh Erdgas ab 20<br />

und erzielte im selben Jahr Umsatzerlöse in Höhe von<br />

[…] Mio. Euro, die allesamt im Inland erwirtschaftet wurden. Sie bezieht gegenwärtig ihr<br />

Gas im Rahmen eines Vollversorgungsvertrages ausschließlich von Enovos Deutschland.<br />

16 http://www.creos-net.de/index.php?id=146.<br />

17 http://tmsp.saar-ferngas-transport.de/jsp/webCapacity.do?selectEntry.<br />

18 http://www.creos-net.de/index.php?id=146.<br />

19 http://www.creos-net.de/index.php?id=163.<br />

20 http://www.energie-suedwest.de/wp-content/uploads/20<strong>11</strong>/08/Zahlenspiegel_2010.pdf.


- 10 -<br />

V. Formelle Anwendungsvoraussetzungen<br />

1. Geltungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen<br />

(26) Das Zusammenschlussvorhaben fällt in den Geltungsbereich des Gesetzes gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen. Das Vorhaben betrifft eine Vielzahl inländischer Energiemärkte,<br />

so dass eine Inlandsauswirkung nach § 130 Abs. 2 GWB vorliegt.<br />

(27) Die EU-Kommission ist für das Zusammenschlussvorhaben nicht zuständig, da durch<br />

die Umsätze der beteiligten Unternehmen weder die Umsatzschwellen des Art. 1 Abs. 2<br />

FKVO, noch die des Art. 1 Abs. 3 FKVO erreicht werden.<br />

(28) Die Umsatzschwelle nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 GWB wird schon allein durch die Umsätze<br />

der ESW AG und ihren verbundenen Unternehmen Enovos Deutschland und SH Landau<br />

erreicht. Auch die zweite Umsatzschwelle nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist aufgrund<br />

der Inlandsumsätze der ESW AG und der Inlandsumsätze der ESW Gasvertrieb erfüllt.<br />

2. Zusammenschlusstatbestand<br />

(29) Das Zusammenschlussvorhaben erfüllt die Zusammenschlusstatbestände des<br />

Anteilserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 lit. a GWB, sowie des Kontrollerwerbs nach § 37<br />

Abs. 1 Nr. 2 GWB.<br />

VI. Wettbewerbliche Würdigung<br />

(30) Enovos Deutschland ist eine regionale Ferngasgesellschaft und beliefert regionale und<br />

lokale Weiterverteiler, sowie Groß- und Industriekunden mit Erdgas. Die ESW Gasvertrieb<br />

ist ein lokaler Weiterverteiler und beliefert Letztverbraucher (Haushalts- und Gewerbe-<br />

bzw. Industriekunden) mit Erdgas. Das Zusammenschlussvorhaben wirkt sich<br />

daher in vertikaler Hinsicht auf den Markt für die Belieferung von regionalen und lokalen<br />

Weiterverteilern mit Erdgas aus. In horizontaler Hinsicht ergeben sich keine Überschneidungen,<br />

da weder Enovos Deutschland und ESW Gasvertrieb, noch Pfalzgas und ESW<br />

Gasvertrieb auf den selben relevanten, netzbezogen abgegrenzten Märkten für die Belieferung<br />

von RLM- bzw. SLP-Kunden mit Erdgas tätig sind. Auf keinem der betroffenen<br />

Märkte sind durch den geplanten Zusammenschluss horizontale oder vertikale Auswir-


- <strong>11</strong> -<br />

kungen zu erwarten, die zu einer nach § 36 Abs. 1 GWB untersagungsfähigen Ver-<br />

schlechterung der Wettbewerbsverhältnisse führen.<br />

1. Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern mit Erdgas<br />

a) Sachliche Marktabgrenzung<br />

(31) In sachlicher Hinsicht ist zunächst innerhalb der vertikal gegliederten Verteilungskette in<br />

der Gaswirtschaft zwischen der Belieferung von Weiterverteilern und Endkunden von<br />

Erdgas zu unterscheiden.<br />

(32) Im Bereich Erdgas orientiert sich die sachliche Marktabgrenzung im Wesentlichen an<br />

den unterschiedlichen Vertriebsstufen (vgl. Abb. in Anhang 2): Auf der Importstufe beliefern<br />

aus- und inländische Produzenten überregionale Ferngasgesellschaften mit Erdgas.<br />

Auf einer der Importstufe nachgelagerten ersten Stufe beliefern überregionale Ferngasunternehmen<br />

regionale Ferngasgesellschaften und sonstige große Weiterverteiler, aber<br />

auch industrielle Letztverbraucher und Kraftwerksbetreiber. Diese zwei Vertriebsstufen<br />

sind nicht von dem vorliegenden Zusammenschlussvorhaben betroffen. Mit ihrer sachlichen<br />

und räumlichen Marktabgrenzung hat sich die <strong>Beschlussabteilung</strong> im Rahmen des<br />

Fusionskontrollverfahrens Gazprom/VNG (<strong>B8</strong>-<strong>11</strong>6/<strong>11</strong>, Beschluss vom 31. Januar<br />

2012 21<br />

) eingehend befasst. Auf einer zweiten Vertriebsstufe liefern die regionalen Ferngasgesellschaften<br />

und die von den überregionalen Ferngasgesellschaften belieferten<br />

großen Weiterverteiler Erdgas an regionale und lokale Weiterverteiler, in der Regel<br />

Stadtwerke, aber auch an industrielle Letztverbraucher. Auf der dritten Stufe beliefern<br />

regionale und lokale Weiterverteiler Letztverbraucher mit Erdgas.<br />

(33) Diese aus Sicht der Anbieter vorgenommene mehrstufige Marktabgrenzung ist<br />

erforderlich, um zu ermitteln, welchen Wettbewerbskräften die Unternehmen auf den<br />

jeweiligen Stufen ausgesetzt sind. Der Bundesgerichtshof hat in der<br />

„Staubsaugerbeutelmarkt“-Entscheidung angenommen, dass eine Marktabgrenzung<br />

fehlerhaft ist, wenn sie dazu führt, dass Erzeuger und Weiterverkäufer auf eine Handelsstufe<br />

gestellt werden, obwohl die gesamt gehandelte Ware von den Erzeugern in den<br />

22<br />

Verkehr gebracht worden ist. So verhält es sich auch vorliegend in der Gaswirtschaft.<br />

Die insgesamt für Weiterverteiler zur Verfügung stehende Erdgasmenge wird durch die<br />

21 http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Fusion/Fusion12/<strong>B8</strong>-<strong>11</strong>6-<strong>11</strong>.pdf?navid=83<br />

22 BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004, BGHZ 160, 321, 325 f. – Staubsaugerbeutelmarkt.


- 12 -<br />

überregionalen Ferngasunternehmen, die Erdgas selbst produzieren oder importieren,<br />

bestimmt. Daraus folgt, dass die auf der zweiten Stufe tätigen regionalen Ferngasgesell-<br />

schaften und die von den überregionalen Ferngasgesellschaften belieferten großen Wei-<br />

terverteiler nur Erdgas an regionale und lokale Weiterverteiler, insbesondere Stadtwerke,<br />

liefern können, das sie zuvor von den überregionalen Ferngasgesellschaften eingekauft<br />

haben. Gleiches gilt für die auf der letzten Stufe tätigen regionalen und lokalen<br />

Weiterverteiler. Auch diese können nur Erdgas an Endkunden liefern, das sie zuvor von<br />

den regionalen Ferngasgesellschaften und den von den überregionalen Ferngasgesellschaften<br />

belieferten großen Weiterverteilern eingekauft haben.<br />

(34) Aus diesen Gründen grenzt die <strong>Beschlussabteilung</strong> entsprechend diesen Marktstufen in<br />

ständiger Entscheidungspraxis 23<br />

einen Markt für die Belieferung von regionalen und lokalen<br />

Weiterverteilern mit Erdgas durch regionale Ferngasgesellschaften und von den<br />

überregionalen Ferngasgesellschaften belieferte große Weiterverteiler ab, auf dem sich<br />

Ferngasunternehmen ohne eigene Erdgasproduktionskapazitäten und ohne eigenen<br />

Erdgasimport und die von den überregionalen Ferngasgesellschaften belieferten großen<br />

Weiterverteiler als Anbieter betätigen. Nachfrager des Erdgases auf dieser Stufe sind<br />

regionale Weiterverteiler und lokale Weiterverteiler, beispielsweise Stadtwerke.<br />

b) Räumliche Marktabgrenzung<br />

(35) In räumlicher Hinsicht hat die <strong>Beschlussabteilung</strong> die sachlich relevanten Gasmärkte in<br />

ständiger Entscheidungspraxis 24<br />

nach den etablierten Vertriebsgebieten der Ferngasunternehmen,<br />

Regionalversorger und Stadtwerke abgegrenzt, wobei diese Gebiete regelmäßig<br />

durch das jeweilige Netzgebiet der mit dem betroffenen Gasversorger verbundenen<br />

Netzgesellschaft abgebildet werden.<br />

(36) Die räumliche Marktabgrenzung bestimmt sich nach den tatsächlichen Ausweichmög-<br />

25<br />

lichkeiten der Marktgegenseite. Kleinere, räumlich begrenzte Märkte sind zu bilden,<br />

wenn die Austauschmöglichkeiten der Nachfrager aus objektiven Gründen begrenzt<br />

sind. Hierfür können neben wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten auch recht-<br />

23 u.a. <strong>B8</strong>-109/09, Beschluss vom 30. April 2010 - RWE/SW Lingen/SW Radevormwald; <strong>B8</strong>-107/09,<br />

Beschluss vom 30. November 2009 - Integra/Thüga und <strong>B8</strong>-67/09, Beschluss vom 15. Mai 2009 -<br />

EnBW/VNG.<br />

24<br />

ebd.<br />

25<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. November 2009, WuW/E DE-R 2477 (2487) – Phonak/Re<br />

Sound.


- 13 -<br />

liche Schranken ursächlich sein. Solche rechtlichen Schranken bestanden in der Vergangenheit<br />

im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Gas. Mit der Novelle des<br />

Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vom 24. April 1998 und der darin verankerten Öffnung<br />

der Gasmärkte wurden diese rechtlich zwar beseitigt, doch wirkten parallel bestehende<br />

wirtschaftliche und technische Hürden für den Marktzutritt fort.<br />

(37) In einer weiteren Novellierung des EnWG vom 13. Juli 2005 wurde der Zugang zu<br />

Gasnetzen durch den Gesetzgeber neu geregelt. Auf Entscheidung der Bundesnetzagentur<br />

vom 17. November 2006 wurde das bis dahin von den Netzbetreibern eingesetzte<br />

Einzelbuchungsmodell, bei dem Transportkunden entlang eines fiktiven Gastransportpfades<br />

Entgelte für jedes passierte Transportnetz entrichten mussten, untersagt,<br />

da es nicht mit den gesetzlichen Vorgaben der EnWG-Novelle vereinbar gewesen<br />

war. Zum 1. Oktober 2007 wurde das Einzelbuchungsmodell ersetzt durch ein Zweivertragsmodell,<br />

das innerhalb eines so genannten Marktgebietes den Gasnetzzugang auf<br />

der Basis von nur noch zwei Verträgen möglich macht (Zweivertragsmodell). Im Zweivertragsmodell<br />

bucht der Transportkunde innerhalb eines Marktgebietes Kapazitätsrechte<br />

an Ein- und Ausspeisepunkten, wobei die Entgelte für die Einspeisung (Entry) und<br />

Ausspeisung (Exit) unabhängig von der Länge eines konkreten oder fiktiven Transportpfades<br />

sind. Die Regulierung der Gasnetze und hier insbesondere die Einführung des<br />

Zweivertragsmodells und die zunehmende Verringerung der Marktgebiete sollen die<br />

Entwicklung eines funktionsfähigen Großhandels ermöglichen. Ein Marktgebiet ist eine<br />

Verknüpfung von Netzen/Teilnetzen verschiedener miteinander verbundener Netzbetreiber,<br />

in denen ein Transportkunde gebuchte Kapazitäten an Ein- und Ausspeisepunkten<br />

flexibel nutzen kann. Die Anzahl der Marktgebiete hat sich seit dem 1. Mai 2006 bis<br />

zum 1. Oktober 20<strong>11</strong> von 28 Marktgebieten auf zwei Marktgebiete, Gaspool und<br />

NetConnect Germany, verringert. Dass die Netzbetreiber innerhalb eines Marktgebietes<br />

zum Zwecke des Transports von Erdgas kooperieren und der Transport von Gas innerhalb<br />

eines Marktgebietes nach diesem Zweivertragsmodell organisiert ist, lässt jedoch<br />

für sich genommen noch keinen Rückschluss auf die räumliche Abgrenzung der für die<br />

wettbewerbliche Beurteilung relevanten Absatzmärkte zu. Denn der aufgrund des Zweivertragsmodells<br />

vereinfachte Netzzugang führt nicht automatisch dazu, dass die aus der<br />

Zeit der Demarkation stammende Abschottung der Absatzmärkte als aufgebrochen betrachtet<br />

werden kann. Hierfür bedarf es vielmehr einer eigenständigen Beurteilung.<br />

(38) Die <strong>Beschlussabteilung</strong> hat die netzbezogene Marktabgrenzung in den vergangenen<br />

drei Jahren in den Verfahren EnBW/VNG (<strong>B8</strong>-67/09, Beschluss vom 15. Mai 2009),


- 14 -<br />

Integra/Thüga (<strong>B8</strong>-67/09, Beschluss vom 30. November 2009) sowie zuletzt in RWE/SW<br />

Lingen/SW Radevormwald (<strong>B8</strong>-109/09, Beschluss vom 30. April 2010) vor dem Hinter-<br />

grund der zwischenzeitlich erfolgten Regulierung der Gastransportnetze und der zu-<br />

nehmenden Verringerung der Marktgebiete überprüft. Dabei ist die <strong>Beschlussabteilung</strong><br />

jeweils zu dem Ergebnis gelangt, dass eine allgemein gültige Feststellung dahingehend,<br />

dass sich auf der Basis der Marktöffnungsmaßnahmen von Bundesnetzagentur und<br />

<strong>Bundeskartellamt</strong> auf den inländischen Gasmärkten ein „Durchleitungsmechanismus“ in<br />

einem Umfang entwickeln wird, der eine netzübergreifende oder gar bundesweite<br />

Marktabgrenzung zulassen würde, noch nicht getroffen werden kann.<br />

(39) Im Jahr 2010 hat die <strong>Beschlussabteilung</strong> die Vertragssituation bei der Belieferung von<br />

lokalen und regionalen Weiterverteilern durch überregionale und regionale Ferngasunternehmen<br />

erneut analysiert und hat ihre Ergebnisse in dem „Bericht über die Evaluierung<br />

der Beschlüsse zu langfristigen Lieferverträgen“ 26<br />

vom 15. Juni 2010 veröffentlicht.<br />

In diesem Bericht kommt die <strong>Beschlussabteilung</strong> zu den nachfolgend aufgeführten Feststellungen:<br />

(40) „Bei der Gesamtschau der allgemeinen Indikatoren für die Marktentwicklung seit Erlass<br />

der Verfügungen zu langfristigen Gaslieferverträgen sowie der aktuellen Befragungsergebnisse<br />

zeigt sich eine erhebliche Veränderung der Wettbewerbsbedingungen im Bereich<br />

des Gasvertriebs. Es wurden Möglichkeiten zur Diskriminierung nicht vertikal integrierter<br />

Gasversorger durch vertikal integrierte Energieversorger verringert, die Durchleitung<br />

durch mehrere Netze erleichtert, der Wechsel des Lieferanten durch den Abnehmer<br />

erleichtert, der Handel verstärkt und durch alle diese Maßnahmen zugleich auch die<br />

Marktzutrittsschranken für neue Anbieter gesenkt.“<br />

(41) „Diese allgemeinen Marktentwicklungen zeigen sich auch in den Ergebnissen der<br />

Marktbefragung. Die verbesserten Möglichkeiten zur Durchleitung über mehrere Netze<br />

26 In der Zeit von 2006 bis 2008 führte das <strong>Bundeskartellamt</strong> Verfahren gegen 15 deutsche überregionale<br />

und regionale Ferngasunternehmen wegen einer Marktabschottung auf dem Markt für die Belieferung<br />

von regionalen und lokalen Weiterverteilern infolge langfristiger Gaslieferverträge (<strong>B8</strong>-<strong>11</strong>3/03-1 bis <strong>B8</strong>-<br />

<strong>11</strong>3/03-12 und <strong>B8</strong>-<strong>11</strong>3/03-15). Gegen E.ON Ruhrgas wurde ein Musterverfahren geführt, die erlassene<br />

Verfügung wurde durch das Oberlandesgereicht Düsseldorf und den Bundesgerichtshof bestätigt. Alle<br />

weiteren Verfahren konnten mit Verpflichtungszusagen beendet werden, die vor allem Vorgaben für die<br />

zulässige Vertragsdauer in Abhängigkeit von der Bezugsquote (vier Jahre bei einer Bezugsquote über<br />

50% bis einschließlich 80%, zwei Jahre bei einer Bezugsquote von über 80%) enthielten. Vgl. Bericht<br />

über die Evaluierung der Beschlüsse zu langfristigen Gaslieferverträgen vom 15. Juni 2010, abrufbar<br />

unter http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/<br />

download/pdf/Stellungnahmen/100615_Bericht_ueber_die_Evaluierung_der_Beschluesse_zu_<br />

langfristigen_Gasliefervertraegen.pdf.


- 15 -<br />

oder gar über die Grenze zwischen Marktgebieten manifestieren sich darin, dass die<br />

befragten Lieferanten lokale und regionale Weiterverteiler in durchschnittlich drei der<br />

derzeit sechs Marktgebieten beliefern und sich lediglich fünf befragte Lieferanten auf ein<br />

einziges Marktgebiet beschränken. Die verbesserten Möglichkeiten, ganz oder teilweise<br />

den Lieferanten zu wechseln und im Fall eines teilweisen Wechsels die Beschaffung zu<br />

diversifizieren, tragen bei zu der drastisch gesunkenen Vertragsdauer und Liefer- bzw.<br />

Bezugsmenge je Vertrag. Die Marktbefragung demonstrierte anhand der Vielzahl der<br />

durch die Abnehmer angefragten bzw. der durch die Lieferanten abgegebenen Angebote<br />

im Vorfeld eines Vertragsabschlusses auch die stetig zunehmende Bereitschaft zum<br />

Wechsel des Lieferanten bzw. zur Erweiterung des Kreises der Lieferanten. Die stetige<br />

Zunahme insbesondere des börslichen Handels wurde erkennbar an den von den Abnehmern<br />

zunehmend nachgefragten und von den Lieferanten zunehmend angebotenen<br />

Produkten, die über die Börse gehandelt werden. Auch das zunehmend breitere Produktportfolio<br />

ist im Übrigen Ausdruck von intensiverem Wettbewerb, lässt es doch das<br />

Bemühen der Anbieter erkennen, den Bedürfnissen der Abnehmer mit individuell passenden<br />

Produkten gerecht zu werden. Dass all diese Entwicklungen nicht nur verbesserte<br />

wettbewerbliche Bedingungen für aktuelle Anbieter bedeuten, sondern zugleich auch<br />

die Marktzutrittsschranken für potentielle Anbieter verringern, wird deutlich durch die in<br />

der Zeit seit dem Erlass der Verfügungen zu langfristigen Gaslieferverträgen tatsächlich<br />

erfolgten Marktzutritte. So sind eine ganze Anzahl an Anbietern, darunter insbesondere<br />

die Unternehmen Centrica, DONG, EconGas, GDF, goldgas und natGAS, erfolgreich als<br />

Lieferanten für lokale und regionale Weiterverteiler in den Markt eingestiegen.“<br />

(42) Mittlerweile hat sich die Zahl der Marktgebiete, nach dem Beitritt des Thyssengas-<br />

Marktgebiets zum NetConnect-Marktgebiet zum 1. April 20<strong>11</strong> und der zum 1. Oktober<br />

20<strong>11</strong> erfolgten Zusammenlegung der Marktgebiete Gaspool und Aequamus, auf zwei<br />

Marktgebiete, nämlich NetConnect Germany und Gaspool, verringert. Die <strong>Beschlussabteilung</strong><br />

hat im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Frage der räumlichen Marktabgrenzung<br />

erneut vertieft untersucht und ist dabei zu folgenden Ergebnissen gelangt:<br />

(43) Was den Markt für Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern von Erdgas<br />

betrifft, so sind zwar die institutionellen Rahmenbedingungen für einen bundesweiten<br />

Wettbewerb geschaffen (dazu unter den Rn. (54) ff.). Die <strong>Beschlussabteilung</strong> sieht sich<br />

jedoch nach wie vor zu einer zurückhaltenden Prognose veranlasst und hält eine endgültige<br />

Festlegung der zukünftigen Marktabgrenzung noch für verfrüht, da noch immer<br />

Wettbewerbsschranken in Form einer hohen Loyalität der regionalen und lokalen Wei-


- 16 -<br />

terverteiler gegenüber dem traditionellen Vorlieferanten bestehen (dazu unter den Rn.<br />

(43) ff.). Die Frage der räumlichen Marktabgrenzung kann im vorliegenden Verfahren<br />

auch offen gelassen werden, da die wettbewerbliche Würdigung sowohl unter netzbezo-<br />

gener, als auch bundesweiter Marktabgrenzung zum selben Ergebnis führt (dazu unter<br />

Rn. (60) ff.).<br />

aa) Beschaffungsverhalten der regionalen und lokalen Weiterverteiler<br />

(44) Seit Beginn der Liberalisierung des Erdgasmarktes hat sich die Palette an Erdgasbe-<br />

schaffungsprodukten für Weiterverteiler und Stadtwerke stetig erweitert. Neben einem<br />

offenen Liefervertrag zur Vollversorgung können Energieversorgungsunternehmen mitt-<br />

lerweile im Rahmen einer strukturierten Beschaffung zwischen verschiedenen Stan-<br />

dardprodukten (Bänder), flexiblen Bändern, Tranchen und Residualliefermengen wäh-<br />

len. Darüber hinaus besteht für jedes Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit,<br />

sich kurzfristig an verschiedenen Handelsplätzen am Spotmarkt einzudecken.<br />

(45) Die einfachste Beschaffungsalternative für ein Stadtwerk oder einen Weiterverteiler ist<br />

die klassische Vollbedarfsdeckung in Form eines offenen Liefervertrages. Für eine klassische<br />

Vollversorgung sind nur geringe organisatorische und personelle Änderungen<br />

vonnöten, Prognose- und Mengenrisiken können auf den Vorlieferanten übertragen<br />

werden. Die Bilanzierung der Ein- und Ausspeisungen erfolgt üblicherweise über ein<br />

Subbilanzkonto im Bilanzkreis des Vorlieferanten. Mit der Vollversorgung bindet sich ein<br />

Stadtwerk oder Weiterverteiler jedoch über einen längeren Zeitraum an einen Preisindex<br />

27 und einen einzigen Vorlieferanten und kann daher kaum flexibel und schnell auf<br />

geänderte Marktsituationen reagieren. Die Vertragslaufzeit eines Vollversorgungsvertrags<br />

war in Folge des vom <strong>Bundeskartellamt</strong> in den Jahren von 2006 bis 2008 durchgeführten<br />

Verfahrens wegen einer Marktabschottung infolge missbräuchlich langfristiger<br />

Gaslieferverträge bis zum 30. September 2010 auf zwei Jahre beschränkt. 28<br />

(46) Während das Erdgas im Rahmen einer klassischen Vollversorgung von einem einzigen<br />

Lieferanten bezogen wird, können die lokalen und regionalen Weiterverteiler innerhalb<br />

einer strukturierten Beschaffung Produkte von verschiedenen Lieferanten beschaffen.<br />

Ihre Bezugsdauer liegt in der Regel je nach Produktart zwischen einem Monat und einem<br />

Jahr, so dass das beschaffende Unternehmen relativ zeitnah und flexibel auf Ände-<br />

27<br />

Gängige Preisindizes sind etwa der HEL (Heizöl extra leicht) oder der HSL (schweres Heizöl).<br />

28<br />

s. Ausführungen in Fußnote 24.


- 17 -<br />

rungen im Markt reagieren kann. Der wirtschaftliche Erfolg einer strukturierten Beschaf-<br />

fung und das erfolgreiche Führen eines eigenen Bilanzkreises setzen jedoch einen ho-<br />

hen organisatorischen Aufwand, ein umfangreiches Know-How der zuständigen Mitar-<br />

beiter, sowie anfängliche Investitionen, z.B. in für die Abwicklung benötigte Soft- und<br />

Hardware, voraus. Zunächst muss im Rahmen einer strukturierten Beschaffung der<br />

kurz- und mittelfristige Gasbedarf kontinuierlich ermittelt werden, da der Bilanzkreisver-<br />

antwortliche gem. KoV IV Anlage 4 § 12 29<br />

die zu übertragenden stündlichen Gasmengen<br />

am virtuellen Handelspunkt jeweils bis 14.00 Uhr des Vortrages der Lieferung beim<br />

Marktgebietsverantwortlichen zu nominieren hat. Der Bilanzkreisverantwortliche ist zum<br />

Einen gem. § 22 Abs. 3 GasNZV verpflichtet, innerhalb einer Bilanzierungsperiode, die<br />

einem Gastag entspricht, für eine ausgeglichene Bilanz zu sorgen (Tagesbilanzierung).<br />

Zum Anderen sollen im Rahmen eines untertätigen Ausgleichsystems die Einspeisun-<br />

gen für jede Stunde den Ausspeisungen entsprechen, um Instabilitäten im Netz zu verhindern.<br />

Für eine nach der Saldierung und Anwendung der gewährten Toleranzen verbleibende<br />

Über- oder Unterspeisung innerhalb des Stundenrasters hat der Bilanzkreisverantwortliche<br />

an den Marktgebietsverantwortlichen einen Strukturierungsbeitrag zu<br />

zahlen (§ 17 Anlage 4 KoV IV). Benötigt der Marktgebietsverantwortliche externe Regelenergie,<br />

um physische Differenzen zwischen Ein- und Ausspeisung auszugleichen, und<br />

reichen die Erlöse aus positiver Ausgleichsenergie und Strukturierungsbeiträgen nicht<br />

aus, um die Kosten für negative Ausgleichsenergie zu decken, werden die verbleibenden<br />

Kosten auf die Bilanzkreisverantwortlichen im Marktgebiet umgelegt (§ 29 S. 2<br />

GasNZV).<br />

(47) Da insbesondere kleinere Stadtwerke den hohen personellen und organisatorischen<br />

Aufwand, den eine strukturierte Beschaffung erfordert, nicht leisten können, bieten über-<br />

regionale und regionale Ferngasgesellschaften, darunter auch die Enovos Deutschland,<br />

Dienstleistungen und 24/7-Services für lokale und regionale Weiterverteiler an, etwa die<br />

Bedarfsanalyse und die Entwicklung einer Beschaffungsstrategie, Prognoseerstellungen<br />

des Tagesbedarfs, Portfoliomanagement, die Bestellung von Speicheranlagen, die<br />

Überwachung der Abweichungen zwischen Ist-Verbrauch und Prognosewerten oder ein<br />

komplettes Bilanzkreismanagement. Durch die Inanspruchnahme dieser Dienstleistun-<br />

gen erhalten lokale und regionale Weiterverteiler die Möglichkeit, mit einem realisierba-<br />

ren Aufwand an den Entwicklungen der Gasmärkte zu partizipieren, da sie beispielswei-<br />

29 Kooperationsvereinbarung zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen<br />

vom 30. Juni 20<strong>11</strong> (KoV IV), Anlage 4 – Geschäftsbedingungen für den Bilanzkreisvertrag.


- 18 -<br />

se einzelne Produkte von verschiedenen Lieferanten beziehen oder kurzfristig auf dem<br />

Spotmarkt beschaffen und gleichzeitig die Bilanzkreisführung auf einen der Vorlieferan-<br />

ten übertragen können.<br />

(48) Ähnliche Vorteile bietet den regionalen und lokalen Weiterverteilern auch eine moderne<br />

Vollversorgung in Tranchen. Dabei fixieren Weiterverteiler und Vorlieferant die<br />

Tranchenprodukte entweder im Vorfeld in einem festen Rhythmus, wobei der Preis der<br />

Tranchen einem mengengewichteten Mischpreis aus der Fixierung gleicht. Alternativ<br />

kann der lokale oder regionale Weiterverteiler die Beschaffungszeitpunkte und Volumina<br />

des Erdgases unter Berücksichtigung der Marktpreisentwicklungen auch selbst determi-<br />

nieren. In diesem Fall wird der Gasbezugspreis bestimmt durch den Zeitpunkt und den<br />

Umfang der platzierten Tranchen innerhalb des Beschaffungszeitraums. Vor allem bei<br />

der zweiten Vorgehensweise erfordert eine moderne Vollversorgung in Tranchen folglich<br />

eine kontinuierliche Marktbeobachtung durch den Weiterverteiler. Die Bilanzierung er-<br />

folgt in der Regel über ein Subbilanzkonto des Vorlieferanten, bei dem auch das Men-<br />

genrisiko der Erdgaslieferung verbleibt.<br />

(49) Die <strong>Beschlussabteilung</strong> hat im Rahmen ihrer Ermittlungen 46 Stadtwerke im südlichen<br />

Rheinland-Pfalz und im Saarland und neun außerhalb des Saarlands und der Pfalz nach<br />

ihrem Beschaffungsverhalten befragt.<br />

(50) Hinsichtlich der nachgefragten Produkte ergibt sich folgende Verteilung (vgl. Abb. 1). 40<br />

der befragten Stadtwerke in Rheinland-Pfalz und im Saarland und ein Stadtwerk außer-<br />

halb des Saarlands und der Pfalz haben im Jahr 2010 eine Vollversorgung nachgefragt,<br />

das entspricht einem Anteil von 78%. Davon beschafften zwei Unternehmen ihr Erdgas<br />

im Rahmen einer modernen Vollversorgung. Vier der befragten Stadtwerke in Rheinland<br />

Pfalz und im Saarland und sechs der befragten Stadtwerke außerhalb des Saarlands<br />

und der Pfalz haben strukturiert beschafft. Was die Beschaffungsmengen betrifft, haben<br />

32 der insgesamt befragten Stadtwerke eine Beschaffungsmenge von bis zu 500 GWh,<br />

davon 17 eine Beschaffungsmenge von weniger als 200 GWh, neun haben eine Beschaffungsmenge<br />

von mehr als 500 GWh aber weniger als 1000 GWh und zehn haben<br />

eine Beschaffungsmenge von mehr als 1000 GWh. Von den insgesamt 41 Stadtwerken,<br />

die eine Vollversorgung nachgefragt haben, haben 31 eine Beschaffungsmenge von bis<br />

zu 500 GWh, davon 17 eine Beschaffungsmenge von weniger als 200 GWh, fünf haben<br />

eine Beschaffungsmenge von mehr als 500 GWh aber weniger als 1000 GWh und fünf<br />

eine Beschaffungsmenge von mehr als 1000 GWh. Bei den insgesamt zehn Stadtwer-


- 19 -<br />

ken, die strukturiert beschaffen, hat nur eines eine Beschaffungsmenge von weniger als<br />

500 GWh, während die verbleibenden neun Beschaffungsmengen von mehr als 500<br />

GWh haben.<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

17<br />

14<br />

5<br />

0 bis 200 GWh<br />

200 bis 500 GWh<br />

500 bis 1.000 GWh<br />

mehr als 1.000 GWh<br />

5 5<br />

4<br />

Vollversorgung strukturierte Beschaffung<br />

Abb. 1: Bezugsprodukte nach Beschaffungsmenge in GWh.<br />

(51) 32 der befragten Stadtwerke, die eine Vollversorgung nachfragen, haben eine<br />

Ausschreibung durchgeführt. Bei […] der Stadtwerke, die eine Ausschreibung durchge-<br />

führt haben, kam als Ergebnis der Ausschreibung ein Vollversorgungsvertrag mit<br />

Enovos zustande. Das entspricht einem Anteil von […]% der ausgeschriebenen Vollversorgungsverträge.<br />

Die Befragung der Stadtwerke und Weiterverteiler ergab weiterhin,<br />

dass ein Großteil der Vollversorgungsverträge mit einer Laufzeit von zwei Jahren ausgestattet<br />

ist, nur wenige Verträge sind mit geringeren Laufzeiten vereinbart worden. Fünf<br />

der 41 Unternehmen, die im Rahmen einer Vollversorgung beschaffen, haben einen<br />

Vollversorgungsvertrag mit einer Laufzeit zwischen einem und zwei Jahren vereinbart.<br />

36 Unternehmen beschaffen Erdgas im Rahmen eines Vollversorgungsvertrags mit einer<br />

Laufzeit von zwei Jahren.<br />

(52) Die <strong>Beschlussabteilung</strong> geht auf der Grundlage dieser Auswertung davon aus, dass<br />

insbesondere kleinere Stadtwerke aufgrund des geringen personellen und organisatori-<br />

1


- 20 -<br />

schen Aufwandes eine Präferenz für eine Vollversorgung mit einer Laufzeit von zwei<br />

Jahren ohne eigene Bilanzkreisführung besitzen, während vor allem Stadtwerke und<br />

Energieversorger in größeren Städten die traditionelle Vollversorgung durch eine struk-<br />

turierte Beschaffung mit eigener Bilanzkreisführung ersetzt haben. Die Zurückhaltung<br />

der befragten regionalen Weiterverteiler und Stadtwerke beim Wechsel in die strukturier-<br />

te Beschaffung dürfte daher vor allem auf die Siedlungsstruktur innerhalb des Creos-<br />

Netzgebietes zurückzuführen sein. Das Saarland ist strukturell geprägt durch eine hohe<br />

Anzahl kleinerer Gemeinden, deren Einwohnerzahl jeweils weniger als 30.000 beträgt.<br />

Ausnahmen bilden die Landeshauptstadt Saarbrücken mit rund 175.000 Einwohnern,<br />

sowie Völklingen (39.600 Einwohner), Neunkirchen (47.400 Einwohner), Saarlouis<br />

(37.100 Einwohner), Homburg (43.800 Einwohner) und St. Ingbert (37.300 Einwohner).<br />

30<br />

Auch das südliche Rheinland-Pfalz weist ähnliche strukturelle Bevölkerungsmerkmale<br />

auf.<br />

(53) Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Wahl des Erdgasbeschaffungsprodukts direkte<br />

Auswirkungen auf das Wechselverhalten der regionalen und lokalen Weiterverteiler bezüglich<br />

ihres Erdgaslieferanten hat. Während bei der strukturierten Beschaffung Produkte<br />

von verschiedenen Lieferanten bezogen werden können und die Bezugsdauer in der<br />

Regel je nach Produktart zwischen einem Monat und einem Jahr liegt, bindet sich ein<br />

Stadtwerk oder ein Weiterverteiler mit einem klassischen oder modernen Vollversorgungsvertrag<br />

an einen einzigen Vorlieferanten. Die Ergebnisse der Abfragen zeigen<br />

zwar, dass die kleineren Stadtwerke und Weiterverteiler zum großen Teil ihre Vollversorgung<br />

ausgeschrieben oder Abfragen bei verschiedenen Lieferanten durchgeführt<br />

hatten (rund 90%), die meisten von ihnen die Vollversorgung jedoch letztendlich wieder<br />

mit dem traditionellen Vorlieferanten abschlossen (90%).<br />

(54) Die <strong>Beschlussabteilung</strong> kommt daher zu dem Schluss, dass auf dem Markt, auf dem<br />

Enovos regionale und lokale Weiterverteiler beliefert, nach wie vor<br />

Marktzutrittsschranken in der Form von Kundenpräferenzen existieren. Aus diesen<br />

Gründen sieht sich die <strong>Beschlussabteilung</strong>, im Einklang mit der Rechtsprechung 31<br />

, nach<br />

wie vor zu einer zurückhaltenden Prognose veranlasst und hält es noch für verfrüht, eine<br />

endgültige Einschätzung zur Frage der zukünftigen Marktabgrenzung bei der Belieferung<br />

von Weiterverteilern abzugeben. Im Ergebnis kann die Frage der räumlichen<br />

30 http://www.saarland.de/dokumente/thema_statistik/staa_FB3<strong>11</strong>210.pdf.<br />

31<br />

vgl. ausführliche Darstellung bei Becker/Zapfe, Energiekartellrechtsanwendung in Zeiten der<br />

Regulierung, ZWeR 2007, 419, 428-433.


- 21 -<br />

Marktabgrenzung vorliegend auch offen bleiben. Denn die wettbewerbliche Würdigung<br />

führt auch bei weiterer als netzbezogener Marktabgrenzung zu keinem anderen Ergebnis.<br />

bb) Institutionelle Rahmenbedingungen für einen bundesweiten Wettbewerb<br />

(55) Die alternative räumliche Marktabgrenzung zur netzbezogenen Marktabgrenzung ist<br />

bundesweit, nicht marktgebietsbezogen vorzunehmen. Eine marktgebietsbezogene Abgrenzung<br />

des Marktes für die Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern<br />

mit Erdgas im Vergleich zu einer bundesweiten Marktabgrenzung ist dann geboten,<br />

wenn die Austauschmöglichkeiten der Nachfrager aus objektiven Gründen auch nur auf<br />

das Marktgebiet beschränkt wären. Solche Schranken könnten in diesem Fall entweder<br />

in Engpässen bei Marktgebietsübergangskapazitäten, oder in der Anhäufung von Entryund<br />

Exitentgelten, die für jedes Marktgebiet anfallen („Pancaking“), bestehen.<br />

(56) Vertragliche Engpässe an Marktgebietskopplungspunkten sind jedoch zum heutigen<br />

Zeitpunkt nicht mehr ersichtlich. Sie entstanden in der Vergangenheit dann, wenn die<br />

Kapazitäten über einen längeren Zeitraum ausgebucht waren, ohne dass die Marktgebietsübergangspunkte<br />

physisch voll ausgelastet sein mussten. Mittlerweile ist die Vergabe<br />

von Ein- und Ausspeisekapazitäten an Marktübergangs- und Grenzübergangspunkten<br />

durch die Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) vom 3. September 2010 und<br />

die Festlegung in Sachen Kapazitätsregelungen und Auktionsverfahren im Gassektor<br />

(KARLA Gas) 32 der Bundesnetzagentur vom 24. Februar 20<strong>11</strong> jedoch neu geregelt worden.<br />

33<br />

Gem. § 12 Abs. 1 GasNZV sind Fernleitungsnetzbetreiber seit dem 1. August<br />

20<strong>11</strong> dazu verpflichtet, für die Vergabe von Ein- und Ausspeisekapazitäten eine gemeinsame<br />

Plattform einzurichten, über die die Kapazitäten in Auktionen versteigert werden.<br />

Diese Primärkapazitätsplattform wird von der TRAC-X Transport Capacity Exchange<br />

GmbH (nachfolgend: TRAC-X) mit dem Namen „TRAC-X primary“ betrieben. Auf der<br />

Primärkapazitätsplattform sollen gebündelte Kapazitäten, das heißt eine Ausspeisung<br />

aus einem Marktgebiet mit gleichzeitiger Einspeisung in ein weiteres Marktgebiet, mit<br />

32<br />

abrufbar unter http://www.bundesnetzagentur.de/cln_1931/DE/DieBundesnetzagentur/<br />

Beschlusskamern/BK7/Kapazitaetsmanagements_Gasmarkt/Kapazitaetsmanagement_uebersicht_Nav_<br />

node.html.<br />

33<br />

Die Regelungen zu Marktübergangspunkten und Grenzübergangspunkten unterscheiden sich in<br />

wenigen Punkten. Da die Regelungen zu den Grenzübergangspunkten bei der Frage der marktgebietsbezogenen<br />

oder bundesweiten Marktabgrenzung keine Relevanz besitzen, wird im Folgenden lediglich<br />

auf die Kapazitätsregelungen an den Marktübergangspunkten genommen.


- 22 -<br />

standardisierter Laufzeit in Form von Jahres-, Quartals-, Monats- und Day-Ahead-<br />

Produkten angeboten werden. Alle Auktionen starten zu definierten Zeitpunkten, die in<br />

einem online verfügbaren Auktionskalender hinterlegt sind. Nutzen Transportkunden von<br />

ihnen gebuchte Kapazitäten nicht, sind sie nach § 16 Abs. 1 GasNZV verpflichtet, diese<br />

unverzüglich als Sekundärkapazitäten auf der Sekundärkapazitätsplattform, die unter<br />

dem Namen „TRAC-X secondary“ ebenfalls von TRAC-X betrieben wird, anzubieten<br />

(Use-it-or-sell-it-Verfahren) oder dem Fernleitungsnetzbetreiber zur Verfügung zu stel-<br />

len, der diese wiederum als Primärkapazität vermarktet. Durch diese Regelungen ist es<br />

Transportkunden folglich nicht mehr ohne Weiteres möglich, langfristig Kapazitäten an<br />

Marktübergangspunkten zu reservieren, ohne diese in Anspruch zu nehmen. Somit kann<br />

die Lücke zwischen vertraglichen und physischen Engpässen zu einem großen Teil ge-<br />

schlossen werden.<br />

(57) Physische Engpässe an den Marktübergangspunkten sind nach Ansicht der Monopol-<br />

kommission nicht vorhanden. 34 Physische Engpässe an den Marktübergangspunkten<br />

entstünden, wenn Transportkunden mehr Erdgas von einem Marktgebiet in ein anderes<br />

speisen wollten, als technisch realisierbar wäre. Sollten tatsächlich Netzengpässe auf-<br />

treten, gleichen die Netzbetreiber diese durch geeignete Maßnahmen, etwa durch eine<br />

Flussverschiebung durch den Abruf von Lastflusszusagen, aus, so dass zumindest aus<br />

Sicht der Transportkunden kein Engpass vorliegt. 35<br />

(58) Auch das sogenannte „Pancaking“ stellt nach Ansicht der <strong>Beschlussabteilung</strong> aufgrund<br />

der Reduzierung der Marktgebiete auf Gaspool und NetConnectGermany kein solch<br />

starkes Wettbewerbshemmnis mehr dar, das eine Trennung des räumlichen Marktes für<br />

die Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern in verschiedene Marktgebiete<br />

rechtfertigen könnte. Zu einem „Pancaking“, also einer Aufsummierung von Entry- und<br />

Exitentgelten kommt es in einem Zweivertragsmodell dann, wenn das zu transportierende<br />

Gas eines Transportkunden mehrere Marktgebiete passieren muss. Dabei müssen<br />

die Netzbetreiber die Nämlichkeit des Gases nicht gewährleisten (§ 8 Abs. 1 S. 2<br />

GasNZV), so dass der über mehrere Marktgebiete hinweg festgelegte Transportpfad in<br />

der Regel fiktiver Natur ist. Das Pancaking führt dazu, dass ein Transport in fremde<br />

Markgebiete teurer ist als ein Transport innerhalb eines Marktgebietes. Es wirkt umso<br />

stärker als Handelshemmnis zwischen den Marktgebieten, je größer die Zersplitterung<br />

34<br />

Monopolkommission 20<strong>11</strong>, Sondergutachten 59 „Energie 20<strong>11</strong>: Wettbewerbsentwicklung mit Licht und<br />

Schatten“, Rn. 200 u. 202.<br />

35<br />

ebd.


- 23 -<br />

der Marktgebietslandschaft ist. Seit dem 1. Oktober 20<strong>11</strong> gibt es in Deutschland jedoch<br />

nur noch zwei Marktgebiete, so dass ein Transportkunde für einen Erdgastransport in-<br />

nerhalb des Bundesgebietes höchstens jeweils zwei Entry- und Exitentgelte zu entrich-<br />

ten hat. Die Behinderung einer gegenseitigen Marktgebietsdurchdringung durch eine<br />

Aufsummierung von Entry- und Exitentgelten bei zwei Marktgebieten ist nach Einschät-<br />

zung der <strong>Beschlussabteilung</strong> zu schwach, um eine räumliche Trennung des Marktes in<br />

zwei Marktgebiete zu rechtfertigen.<br />

(59) Eine marktgebietsbezogene Abgrenzung des relevanten Marktes würde darüber hinaus<br />

zu einer verzerrten Abbildung der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse führen, da die<br />

heutige Ausdehnung der Marktgebiete das Ergebnis freiwilliger Kooperationen zwischen<br />

Fernnetzbetreibern und nicht etwa vorhandener Netzengpässe ist. § 6 Abs. 4 GasNZV<br />

i.d. Fassung vom <strong>8.</strong> November 2006 bis <strong>11</strong>. August 2008 ließ für die Ferngasgesell-<br />

schaften, die zur Bildung von Marktgebieten kooperieren sollten, als Marktgebietsab-<br />

grenzungskriterium ausschließlich technisch begründete Kapazitätsengpässe zu. Dennoch<br />

richteten sich die Grenzen eines Marktgebietes in der Vergangenheit vorrangig<br />

nach den Eigentumsgrenzen der Netze. 36 Die rasche Zusammenlegung von Marktgebieten<br />

in den letzten Jahren (von 28 Marktgebieten am 1. Mai 2006 auf 2 Marktgebiete am<br />

1. Oktober 20<strong>11</strong>) legt ebenfalls nahe, dass die technischen Kapazitätsengpässe nur<br />

kurzfristig oder gar eine untergeordnete Rolle spielten. 37<br />

Die heutige Ausdehnung der<br />

Marktgebiete NetConnect Germany und Gaspool ist das Ergebnis dieser auf Unternehmensentscheidungen<br />

beruhenden Kooperationen. Da nach Ansicht der <strong>Beschlussabteilung</strong><br />

weder durch physische oder vertragliche Engpässe, noch durch die Aufsummierung<br />

der Netzentgelte erhebliche Wettbewerbshemmnisse zwischen den beiden Marktgebieten<br />

existieren und auch keine weiteren Handelsschranken identifiziert werden können,<br />

würde eine Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes nach Marktgebieten zu einem<br />

verzerrten Bild der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse führen. Die <strong>Beschlussabteilung</strong><br />

kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Markt für die Belieferung von regionalen und<br />

lokalen Weiterverteilern mit Erdgas alternativ zum traditionellen Liefergebiet des vertikal<br />

integrierten Energieversorgungsunternehmens, welches durch dessen Netz abgebildet<br />

wird, bundesweit abgegrenzt werden muss.<br />

36<br />

Monopolkommission 2007, Sondergutachten 47 „Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und<br />

zögerliche Regulierung“, Rn. 491.<br />

37 ebd.


- 24 -<br />

(60) Eine marktgebietsbezogene oder bundesweite Marktabgrenzung wirft auch die Frage<br />

nach einer sachlichen Trennung von L- und H-Gas-Gebieten 38 auf. Eine solche Trennung<br />

hält die <strong>Beschlussabteilung</strong> jedoch nicht für geboten. Zwar sind die H-Gas- und L-<br />

Gas-Netze in Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch voneinander separiert, so<br />

dass kein physischer Transport von konvertiertem H-Gas in ein L-Gas-Gebiet (etwa das<br />

ehemalige Aequamus-Gebiet) möglich ist. 39 Durch die Eingliederung der L-Gas-Netze in<br />

die bestehenden Marktgebiete NetConnect Germany und Gaspool können die verschiedenen<br />

Gasqualitäten jedoch zumindest virtuell gegeneinander substituiert werden. Die<br />

virtuelle Konvertierung des Erdgases in eine andere Qualität erfolgt dabei über die Bilanzierung<br />

der Ein- und Ausspeisungen von H- und L-Gas und betrifft lediglich deren<br />

Saldo. Physische Ungleichgewichte in den L- und H-Gas-Gebieten werden durch den<br />

Einsatz von Regelenergie ausgeglichen. Da dem Marktgebietsverantwortlichen durch<br />

die virtuelle Konvertierung der verschiedenen Gasqualitäten ein erhöhter Aufwand entsteht,<br />

ist dieser zumindest vorläufig von der Bundesnetzagentur verpflichtet worden, ein<br />

Konvertierungsentgelt zu erheben. 40 Dieses Konvertierungsentgelt ist nach den Vorgaben<br />

der Bundesnetzagentur so zu bemessen, dass lediglich die Kosten der Konvertierung<br />

gedeckt werden. Da der qualitätsübergreifende Handel nicht von vornherein unterbunden<br />

werden soll, darf das Konvertierungsentgelt darüber hinaus nicht größer sein als<br />

die Differenz der Handelspreise von L- und H-Gas. Das Konvertierungsentgelt darf auch<br />

nicht die Differenz der Preise für Regelenergie von L- und H-Gas übersteigen, um Anbietern<br />

von Regelenergie keine Anreize zu bieten, die Salden der L- und H-Gas-Gebiete<br />

durch Konvertierungen in die Höhe zu treiben. 41<br />

Auf dieser Grundlage nimmt die <strong>Beschlussabteilung</strong><br />

in dieser Entscheidung alternativ zur netzbezogenen Marktabgrenzung<br />

38 In Deutschland wird zwischen hochkalorischem Gas (H-Gas) und niederkalorischem Gas (L-Gas)<br />

unterschieden. L-Gas weist einen geringeren Methangehalt und damit einen geringeren Brennwert als H-<br />

Gas auf. L-Gas und H-Gas sind physisch nicht substituierbar. Technisch bestünde jedoch die Möglichkeit,<br />

H-Gas durch Beimischung von Stickstoff in L-Gas zu konvertieren.<br />

39 KEMA, Konzeptstudie zur Integration von H- und L-Gas-Marktgebieten, Endbericht vom 6. August<br />

2010, abrufbar unter http://www.bundesnetzagentur.de/cln_1932/DE/DieBundesnetzagentur/<br />

Beschlusskammern/BK7/Marktgebiete/Öffentliche Konsultation zur Bildung qualitätsübergreifender<br />

Marktgebiete/Konsultation_Nav_node_v05.html.<br />

40 Beschlusskammer 7 der BNetzA, Beschluss vom 24. Februar 20<strong>11</strong>, Vorläufige Festlegung zur<br />

Bestimmung eines Konvertierungsentgelts für das qualitätsübergreifende Marktgebiet NetConnect<br />

Germany, Beschluss vom 24. August 20<strong>11</strong>, Vorläufige Festlegung zur Bestimmung eines Konvertierungsentgelts<br />

für das qualitätsübergreifende Marktgebiet Gaspool.<br />

41 Beschlusskammer 7 der BNetzA, Eckpunktepapier zur Festlegung eines Konvertierungsentgeltsystems<br />

vom 29. Mai 20<strong>11</strong>, abrufbar unter http://www.bundesnetzagentur.de/DE/DieBundesnetz<br />

agentur/Beschlusskammern/1BK-Geschaeftszeichen-Datenbank/BK7-GZ/20<strong>11</strong>/20<strong>11</strong>_001bis100/BK7-<br />

<strong>11</strong>002_BKV/Eckpunktepapie_Konvertierungsentgelts_dld.pdf?__blob=publicationFile.


- 25 -<br />

einen bundesweiten Markt für die Belieferung von regionalen und lokalen Weitervertei-<br />

lern an, der sowohl H-Gas, als auch L-Gas umfasst.<br />

c) Keine Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen<br />

(61) In vertikaler Hinsicht ist der Markt für die Belieferung von regionalen und lokalen<br />

Weiterverteiler mit Erdgas vom Zusammenschlussvorhaben betroffen. Das Zusammen-<br />

schlussvorhaben führt weder bei einer bundesweiten, noch einer netzbezogenen räumli-<br />

chen Marktabgrenzung des Marktes für die Belieferung von regionalen und lokalen Wei-<br />

terverteilern mit Erdgas zu einer Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden<br />

Stellung.<br />

aa) Bundesweite räumliche Marktabgrenzung<br />

(62) Unter einer bundesweiten räumlichen Marktabgrenzung des Marktes für die Belieferung<br />

von regionalen und lokalen Weiterverteilern mit Erdgas führt das Zusammenschlussvorhaben<br />

nicht zu einer Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung.<br />

(63) Die <strong>Beschlussabteilung</strong> hat im Rahmen des Fusionsverfahrens VNG/Gazprom (<strong>B8</strong>-<br />

<strong>11</strong>6/<strong>11</strong>, Beschluss vom 31. Januar 2012) und im Rahmen des vorliegenden Fusionsverfahrens<br />

die in Deutschland tätigen überregionalen Ferngasgesellschaften und regionalen<br />

Ferngasgesellschaften jeweils nach ihren Absätzen an Weiterverteiler verschiedener<br />

Lieferstufen und RLM-Kunden befragt und aus den Ermittlungsergebnissen das Volumen<br />

des bundesweiten Marktes für die Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern<br />

mit Erdgas ermittelt. Auf Grundlage dieser Ergebnisse verfügt Enovos<br />

Deutschland auf diesem Markt über einen Marktanteil von rund [0-10]%.<br />

(64) Eine Abschottung des Marktes von Kunden seitens Enovos Deutschland ist durch das<br />

Zusammenschlussvorhaben unter einer bundesweiten räumlichen Marktabgrenzung<br />

daher nicht zu erwarten. Insbesondere mangelt es an der Möglichkeit der Anmelderin,<br />

eine Marktabschottung zu erreichen. Denn Enovos Deutschland beliefert lediglich [0-<br />

10]% des Marktes. Auch handelt es sich bei der ESW Gasvertrieb nicht um einen unentbehrlichen<br />

Nachfrager, da sie deutlich weniger als [0-10]% der bundesweit an regionale<br />

und lokale Weiterverteiler abgesetzten Menge Erdgas nachfragt. Trotz des Zusammenschlusses<br />

werden den Wettbewerbern daher noch Kunden in ausreichendem Umfang<br />

zur Verfügung stehen, so dass es bei einer bundesweiten räumlichen Abgrenzung des


- 26 -<br />

Marktes für die Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern mit Erdgas<br />

durch den Zusammenschluss weder zu einer Entstehung, noch zu einer Verstärkung<br />

einer marktbeherrschenden Stellung kommen wird.<br />

bb) Netzbezogene räumliche Abgrenzung<br />

(65) Auch bei netzbezogener räumlicher Marktabgrenzung des Marktes für die Belieferung<br />

von regionalen und lokalen Weiterverteilern mit Erdgas führt die von Enovos Deutschland<br />

beabsichtigte Mehrheitsbeteiligung an der ESW Gasvertrieb trotz eines hohen<br />

Marktanteils und mehreren Beteiligungen der Enovos Deutschland an lokalen Weiterverteilern<br />

(dazu unter den Rn. (65) ff.) nicht zu einer untersagungsfähigen strukturellen Verschlechterung.<br />

Insbesondere kommt es innerhalb des fusionskontrollrechtlichen<br />

Prognosezeitraums durch das vorliegende Zusammenschlussvorhaben nicht zu einer<br />

Erhöhung der Möglichkeiten für Enovos Deutschland, den Markt von aktuellen oder potentiellen<br />

Wettbewerbern abzuschotten. Zunächst sorgen bereits zum heutigen Zeitpunkt<br />

die durch die Liberalisierung geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen durch potentielle<br />

und aktuelle Wettbewerber die Spot- und Terminmärkte der Börse für einen<br />

steigenden Preisdruck auf die im Creos-Netzgebiet etablierte Lieferantin Enovos<br />

Deutschland, wodurch ihre Marktmacht beschränkt wird (dazu unter den Rn. (70) ff). Vor<br />

allem aber ist zu erwarten, dass die gegenseitige Durchdringung der Gaslieferungen in<br />

den etablierten Netzgebieten weiter voranschreitet und sich somit die Wettbewerbsbedingungen<br />

weiter verbessern, so dass, bezogen auf den fusionskontrollrechtlichen<br />

Prognosezeitraum, eine strukturelle Verschlechterung durch das Zusammenschlussvorhaben<br />

nicht zu erwarten ist (dazu unter den Rn. (75) ff.).<br />

(i) Marktstellung<br />

(66) Unter netzbezogener Marktabgrenzung betrifft der Markt für die Belieferung von<br />

regionalen und lokalen Weiterverteilern mit Erdgas beim vorliegenden Zusammenschlussvorhaben<br />

räumlich das Erdgastransportnetz der Creos. Das Transportnetz erstreckt<br />

sich in Ost-West-Ausdehnung von der luxemburgischen Grenze bis nach Ludwigshafen,<br />

sowie in Nord-Süd-Ausdehnung von Bitburg und Alf-Buley bis zur französischen<br />

Grenze. An das Creos-Netz sind 43 lokale Verteilnetze angeschlossen. 42<br />

Im Jahr<br />

2010 wurden im Gastransportnetz der Creos insgesamt 32.235 GWh Erdgas ausge-<br />

42 http://www.creos-net.de/index.php?id=146.


speist. 43<br />

- 27 -<br />

Davon entfielen laut den im Rahmen des Monitorings 20<strong>11</strong> durch die Bundesnetzagentur<br />

durchgeführten Ermittlungen […] GWh auf die Ausspeisung an regionale<br />

Weiterverteiler und Stadtwerke.<br />

(67) Enovos Deutschland belieferte im Jahr 2010 im Creos-Netzgebiet rund […] Stadtwerke<br />

und lokale Weiterverteiler mit Erdgas. Sie setzte im selben Jahr insgesamt […] GWh<br />

Erdgas an Stadtwerke und lokale Weiterverteiler im Creos-Netzgebiet ab und erreichte<br />

somit auf dem Markt für die Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern einen<br />

Marktanteil von [60-70]%. Enovos Deutschland hält außerdem an zwölf lokalen oder<br />

regionalen Energieversorgungsunternehmen mit Gasversorgung, deren etabliertes Vertriebsgebiet<br />

sich jeweils auf ein dem Creos-Netz nachgelagertes Ausspeisenetz erstreckt,<br />

Beteiligungen von 10% und mehr. […] der Beteiligungsunternehmen wurden<br />

2010 von Enovos Deutschland vollversorgt […], […] der Unternehmen bezogen eine<br />

Residualmenge von Enovos Deutschland. Die Beteiligungsunternehmen sind im einzel-<br />

44<br />

nen:<br />

Weiterverteiler<br />

Pfalzgas GmbH, Frankenthal 50%<br />

energis GmbH, Saarbrücken 28,06%<br />

Stadtwerke Trier Versorgungs-GmbH, Trier 24,9%<br />

Stadtwerke GmbH Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 24,52%<br />

Stadtwerke Bliestal GmbH, Blieskastel 23,5%<br />

Stadtwerke Völklingen Vertrieb GmbH, Völklingen 17,6%<br />

Stadtwerke Sulzbach/Saar GmbH, Sulzbach 15%<br />

Stadtwerke Lambrecht (Pfalz) GmbH, Lambrecht 15%<br />

Stadtwerke Pirmasens Versorgungs GmbH, Pirmasens 13%<br />

Stadtwerke St. Ingbert GmbH, St. Ingbert 12,55%<br />

Stadtwerke Homburg GmbH, Homburg 10,67%<br />

ESW Gasvertrieb GmbH, Landau 10%<br />

Beteiligungshöhe<br />

Enovos Deutschland<br />

Tab. 1: Beteiligungen in Höhe von 10% oder mehr der Enovos Deutschland an regionalen und<br />

lokalen Weiterverteilern, die Letztverbraucher mit Erdgas beliefern<br />

43 http://www.creos-net.de/index.php?id=163.<br />

44 http://www.enovos.eu/de/index.php?id=95.


- 28 -<br />

(68) Nach der Fusionskontrollpraxis des <strong>Bundeskartellamt</strong>es 45 und der Rechtsprechung 46<br />

können solche Beteiligungen als Instrument zur Absatzsicherung und Marktabschottung<br />

angesehen werden. Selbst eine Minderheitsbeteiligung kann hinsichtlich einer Absatzsicherung<br />

von Vorteil sein, weil damit in aller Regel zumindest ein Sitz im Aufsichtsrat<br />

verbunden ist, der Zugang zu internen Informationen ermöglicht. Der gesellschaftsrechtlich<br />

beteiligte Vorversorger erlangt somit Einblick in die Angebote seiner<br />

Konkurrenten und kann gegebenenfalls bei eigenen Angeboten mit Preissenkungen reagieren,<br />

um das Stadtwerk als Kunden zu halten. Ein Teil des Preisnachlasses der etablierten<br />

Lieferantin fließt als Gewinnbeteiligung wieder an sie zurück. Der Absatz der<br />

Enovos Deutschland an die in Tab. 1 aufgeführten Beteiligungsunternehmen entsprach<br />

im Jahr 2010 einem Anteil von rund [40-50]% der von Enovos Deutschland insgesamt im<br />

Creos-Netzgebiet abgesetzten Menge und einem Anteil von rund [30-40]% der insgesamt<br />

an regionale und lokale Weiterverteiler innerhalb des Creos-Netzes ausgespeisten<br />

Menge Erdgas.<br />

(69) Allerdings kann auch bei Minderheitsbeteiligungen eine Absatzsicherung im Einzelfall<br />

aufgrund besonderer Umstände zu verneinen sein. So ist die <strong>Beschlussabteilung</strong> in dem<br />

47<br />

Verfahren RWE / Stadtwerke Unna (<strong>B8</strong>-94/<strong>11</strong>, Beschluss vom <strong>8.</strong> Dezember 20<strong>11</strong> ) zu<br />

dem Schluss gekommen, dass im Fall der Minderheitsbeteiligung von RWE an Stadtwerke<br />

Unna (im Folgenden: SWU) insbesondere die Möglichkeiten, aber auch die Anreize<br />

der Beteiligten, eine entsprechende Abschottungsstrategie zu verfolgen zu begrenzt<br />

waren, um die marktbeherrschende Stellung von RWE zu verstärken. Es ließ sich bereits<br />

während der ersten Phase der Beteiligung von RWE an SWU ein Wandel im tatsächlichen<br />

Verhalten von SWU gegenüber seinem Minderheitsgesellschafter RWE feststellen.<br />

Die Beurteilung der einzelnen genannten Gründe, die grundsätzlich für eine vertikale<br />

Verstärkungswirkung in einer solchen Konstellation sprechen, wie auch die gebotene<br />

Gesamtwürdigung ergab, dass der vorliegende Beteiligungserwerb keine Verstärkungswirkung<br />

begründete.<br />

(70) Dass Enovos Deutschland bei einem ihrer Beteiligungsunternehmen, […], einen<br />

zwischenzeitlichen Versorgerwechsel im Gaswirtschaftsjahr 2008/09 nicht verhindern<br />

45<br />

u.a. <strong>B8</strong>-109/09, Beschluss vom 30. April 2010 – RWE/SW Lingen/SW Radevormwald; <strong>B8</strong>-163/0<strong>8.</strong><br />

Beschluss vom 5. März 2009 – Saar Ferngas AG/ESW AG; <strong>B8</strong>-93/07, Beschluss vom 23. Oktober 2007 –<br />

RWE/SWKN; <strong>B8</strong>-27/04.<br />

46<br />

BGH, Beschluss vom <strong>11</strong>. November 2008, WuW/E DE-R 2451, 2461 – E.ON/Stadtwerke Eschwege,<br />

Rn. 59.<br />

47<br />

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Fusion/Fusion<strong>11</strong>/<strong>B8</strong>-94-<strong>11</strong>.pdf.


- 29 -<br />

konnte, und dass auch […] Teilmengen teilweise bei Konkurrenten beschaffen, spricht<br />

jedoch nicht gegen den grundsätzlichen Wettbewerbsvorteil, den eine solche Stadt-<br />

werksbeteiligung dem Ferngasunternehmen bietet. Vielmehr belegt die Tatsache, dass<br />

Enovos Deutschland […] nach einem Jahr als Kunden wiedergewinnen konnte, die<br />

Zweckmäßigkeit einer Beteiligung hinsichtlich der Absatzsicherung.<br />

(71) Zwar überschreitet der Marktanteil der Enovos Deutschland auf dem Markt für die<br />

Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern mit Erdgas die Marktanteils-<br />

schwellen der Einzelmarktbeherrschung des § 19 Abs. 3 S. 1 GWB deutlich. Das Über-<br />

schreiten der Marktbeherrschungsschwelle ist jedoch noch kein hinreichendes Kriterium,<br />

um eine starke marktbeherrschende Stellung feststellen zu können. Vielmehr sind für die<br />

Beurteilung der Marktmacht die tatsächlichen Wettbewerbsbedingungen im Rahmen<br />

einer Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen. So hängt die Marktstellung eines Unternehmens<br />

auf dem relevanten Markt beispielsweise auch von rechtlichen und tatsächlichen<br />

Marktzutrittsschranken, potentiellem Wettbewerb, Ausweichmöglichkeiten der<br />

Marktgegenseite oder dem Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten ab. 48<br />

(72) Durch das zum 1. Oktober 2009 von der Bundesnetzagentur eingeführte Zweivertragsmodell,<br />

welches den Gasnetzzugang innerhalb eines Marktgebietes regelt, die Verringerung<br />

der Anzahl der Marktgebiete und die Neuregelung zur Vergabe von Ein- und Ausspeisekapazitäten<br />

an Marktübergangspunkten durch die Gasnetzzugangsverordnung<br />

(GasNZV) vom 3. September 2010 und KARLA Gas der Bundesnetzagentur vom 24.<br />

Februar 20<strong>11</strong> sind die rechtlichen und physischen Wettbewerbsschranken zwischen den<br />

einzelnen Transportnetzen und Marktgebieten vorwiegend beseitigt worden. Aufgrund<br />

des regulierten, diskriminierungsfreien Zugangs zu den Transportnetzen fallen für einen<br />

Gasvorlieferanten bei einer Belieferung eines regionalen oder lokalen Weiterverteilers in<br />

einem anderen Netz als dem traditionellen Liefergebiet in der Regel auch keine relevanten<br />

versunkenen Kosten an. Der Markteintritt eines Lieferanten ist unter der Voraussetzung,<br />

dass genügend Erdgas am Handelspunkt verfügbar ist, prinzipiell jederzeit möglich<br />

und unterliegt keinen physischen Beschränkungen, so dass die institutionellen<br />

Rahmenbedingungen für einen bestreitbaren Markt bereits vorhanden sind.<br />

Marktzutrittsschranken innerhalb des Creos-Netzgebietes bestehen daher nach Einschätzung<br />

des <strong>Bundeskartellamt</strong>es, wie bereits unter den Rn. (34) ff. der räumlichen<br />

Marktabgrenzung erläutert, lediglich in der Loyalität regionaler und lokaler Weitervertei-<br />

48<br />

s. Ruppelt in: Langen/Bunte: Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 10. Aufl. 2010,<br />

Band 1, § 19, Rn. 40.


- 30 -<br />

ler gegenüber ihrem traditionellen Lieferunternehmen. Die <strong>Beschlussabteilung</strong> geht je-<br />

doch davon aus, dass die in einem Netzgebiet etablierten Lieferanten kein rein monopo-<br />

listisches Preissetzungsverhalten durchsetzen können. Da es jedem regionalen und lo-<br />

kalen Weiterverteiler selbst im Rahmen einer klassischen Vollversorgung problemlos<br />

möglich ist, seinen Vorlieferanten zu wechseln, ist davon auszugehen, dass bereits ein<br />

signifikanter Wettbewerbsdruck auf die in den jeweiligen Netzgebieten etablierten Lieferanten<br />

herrscht, so dass diese in ihrem Preissetzungsverhältnis durchaus durch potentielle<br />

Wettbewerber diszipliniert werden, wenn sie ihre Kunden als Abnehmer halten wollen.<br />

(73) Das Einsetzen der gegenseitigen Durchdringung der angestammten Marktgebiete zeigt<br />

sich auch in den Marktanteilsverlusten der Anmelderin. Hatte Enovos Deutschland im<br />

Jahr 2008 noch einen Marktanteil zwischen 80% und 90%, ist ihr Marktanteil im Jahr<br />

2010 bereits auf [60-70]% gesunken. Diese deutlichen Marktanteilsverluste sind bereits<br />

das Ergebnis der aufbrechenden monopolistischen Marktstrukturen und des einsetzenden<br />

Preiswettbewerbs.<br />

(74) Auch durch den Erdgashandel an den Energiebörsen existiert bereits Wettbewerbsdruck<br />

auf die Enovos Deutschland, denn die Börsenpreise für Erdgas stellen Referenzpreise<br />

dar, die Vorlieferanten in ihren Preissetzungsverhalten disziplinieren. Während die<br />

Spotmarktpreise Aufschluss über die aktuellen Bedingungen des Erdgashandels und<br />

damit Angebot und Nachfrage in der kurzen Frist geben, fließen in das Handelsgeschehen<br />

auf dem Terminmarkt, auf dem Produkte für den aktuellen Monat sowie für die folgenden<br />

sechs Monate, sieben Quartale und sechs Kalenderjahre gehandelt werden,<br />

individuelle Erwartungsbildungen in die Preise ein. Sowohl Spot-, als auch Terminmarktpreise<br />

können täglich von jedem Marktteilnehmer, unabhängig davon, ob er selbst als<br />

Händler an der Börse tätig wird, beobachtet werden. Sie eignen sich daher sehr gut als<br />

transparente Preissignale, die einen problemlosen Vergleich zwischen verschiedenen<br />

Beschaffungsbedingungen ermöglichen. 49<br />

(75) Die <strong>Beschlussabteilung</strong> ist daher davon überzeugt, dass zwar ein erheblicher Teil der<br />

regionalen und lokalen Weiterverteiler innerhalb des Creos-Netzes noch eine hohe Präferenz<br />

für eine Vollversorgung durch die etablierte Lieferantin Enovos Deutschland hat,<br />

ihre Marktmacht jedoch stetig zurückgeht. Vielmehr führt die Beseitigung der Marktzu-<br />

49<br />

s. auch Monopolkommission 20<strong>11</strong>, Sondergutachten 59 „Energie 20<strong>11</strong>: Wettbewerbsentwicklung mit<br />

Licht und Schatten“, Rn. 560ff.


- 31 -<br />

trittsschranken durch die Verringerung der Anzahl der Marktgebiete, sowie die Neurege-<br />

lung zur Vergabe von Ein- und Ausspeisekapazitäten an Marktübergangspunkten durch<br />

die GasNZV und KARLA Gas zu potentiellem Wettbewerb, der bereits zum heutigen<br />

Zeitpunkt eine Disziplinierungswirkung dahingehend auf Enovos Deutschland entfaltet,<br />

dass eine Festsetzung monopolistischer Preise durch Enovos Deutschland, vermutlich<br />

sogar bei den Beteiligungsunternehmen, unmittelbar zu Absatzverlusten führen würde.<br />

Dennoch ist der Wettbewerbsdruck von außen, der auf Enovos Deutschland einwirkt,<br />

aufgrund der noch vorherrschenden Loyalität der Weiterverteiler gegenüber dem traditi-<br />

onellen Erdgaslieferunternehmen nicht so stark, dass der Erwerberin gegenwärtig eine<br />

marktbeherrschende Stellung innerhalb des Creos-Netzgebietes abgesprochen werden<br />

kann.<br />

(ii) Keine Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung innerhalb des<br />

Prognosezeitraums<br />

(76) Ein vertikaler Zusammenschluss entfaltet dann eine wettbewerbsbeschränkende<br />

Verstärkungswirkung, wenn er dem Unternehmen ermöglicht, aktuelle oder potentielle<br />

Wettbewerber zu behindern, indem es entweder die Kosten der Wettbewerber erhöht,<br />

ihre Erlösaussichten verringert oder Marktzutrittsschranken schafft. Dabei ist es nicht<br />

notwendig, dass der Erwerber sich durch den Zusammenschluss ausschließlich neue<br />

Verbindungen in den vor- oder nachgelagerten Markt erschließt. Auch eine strukturelle<br />

Absicherung einer bestehenden Geschäftsbeziehung kann zu einer Verringerung des<br />

Wettbewerbs führen. Besonders sorgfältig ist im vorliegenden Zusammenschlussvorhaben<br />

die Möglichkeit der Abschottung von Kunden zu beurteilen, die Wettbewerbern den<br />

Zugang zu einem (nachgelagerten) Markt erschwert oder ihnen sogar gänzlich einen<br />

Absatzweg verschließt. Eine solche Abschottungsstrategie des integrierten Unternehmens<br />

ist umso eher zu erwarten, je besser seine Möglichkeiten zur Abschottung der<br />

Wettbewerber und je größer sein Anreiz sind, diese Strategie zu verfolgen. Zwar muss<br />

die auf eine veränderte Marktstruktur zurückzuführende Verringerung der Wettbewerbsintensität<br />

kein bestimmtes Ausmaß im Sinne einer Spürbarkeit erreichen. 50<br />

Allerdings<br />

muss im jeweiligen Einzelfall überhaupt eine konkrete Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse<br />

zu erwarten sein, durch die sich die Möglichkeiten oder die Anreize<br />

des marktbeherrschenden Unternehmens zur Abschottungsstrategie erhöhen, so dass<br />

50<br />

BGH, Beschluss vom <strong>11</strong>. November 2008, WuW/E DE-R 2451, 2461 – E.ON/Stadtwerke Eschwege,<br />

Rn. 61 m.w.N.


- 32 -<br />

potentielle Wettbewerber hinsichtlich eines Marktzutritts entmutigt und aktuelle Wettbe-<br />

werber von nachstoßendem Wettbewerb abgehalten werden.<br />

(77) In Fällen der Beteiligung marktbeherrschender Energievorlieferanten an ihren<br />

Stadtwerke- und Regionalversorgerkunden, in denen in der bisherigen Praxis von netz-<br />

bezogen abgegrenzten Märkten ausgegangen wurde, ist ein solcher untersagungsfähi-<br />

ger vertikaler Marktverschlusseffekt in der Vergangenheit selbst bei Minderheitsbeteili-<br />

gungen regelmäßig bejaht worden, falls die Beteiligung des Vorlieferanten an einem<br />

regionalen oder lokalen Weiterverteiler erfolgt, deren etabliertes Vertriebsgebiet dem<br />

eigenen nachgelagert ist. 51 Insbesondere wurde in einem solchen Verhalten die Strate-<br />

gie der Vorlieferanten erkannt, mittels zahlreicher Beteiligungen an regionalen und loka-<br />

len Energieversorgungsunternehmen ihre Absatzgebiete langfristig zu sichern und potentiellen<br />

Wettbewerb abzuwehren. 52<br />

Da das etablierte Vertriebsgebiet der Enovos<br />

Deutschland ein dem etablierten Vertriebsgebiet der ESW Gasvertrieb vorgelagertes<br />

Netz ist, und die Enovos Deutschland bereits mehrere Beteiligungen an Stadtwerken mit<br />

Gasversorgung im Creos-Netzgebiet hält, sind auch im vorliegenden Zusammenschlussvorhaben<br />

grundsätzlich die Bedingungen für eine Absatzsicherung durch Enovos<br />

Deutschland erfüllt.<br />

(78) Zumindest kurzfristig resultiert aus dem Zusammenschlussvorhaben auch eine<br />

wesentliche Verstärkung der Möglichkeit einer Absatzsicherung. Zwar hält sie bereits vor<br />

dem Zusammenschluss eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von 10% an der ESW Gasvertrieb,<br />

die auch mit […] im Aufsichtsrat der ESW Gasvertrieb verbunden ist. Damit ist<br />

es der Anmelderin auch gegenwärtig schon möglich, ihre eigenen Interessen im Zielunternehmen<br />

in beschränktem Umfang durchzusetzen und auf Angebote von konkurrierenden<br />

Erdgasvorlieferanten mit Preissenkungen zu reagieren. Der auf die Enovos<br />

Deutschland einwirkende Preisdruck durch aktuelle und potentielle Wettbewerber, sowie<br />

die durch die Börse gebildeten Referenzpreise für Erdgas bewirken jedoch, dass selbst<br />

das Halten eines Beteiligungsunternehmens als Kunden nur durch Preissenkungen erreicht<br />

werden kann. Denn auch die Energieversorger, an denen Enovos Deutschland<br />

beteiligt ist, schreiben ihre Erdgaslieferverträge aus oder holen Konkurrenzangebote<br />

51<br />

BGH, Beschluss vom <strong>11</strong>. November 2008, WuW/E DE-R 2451, 2461 – E.ON/Stadtwerke Eschwege,<br />

Rn. 59; sowie BKartA <strong>B8</strong>-109/09, Beschluss vom 30. April 2010 – RWE/SW Lingen/SW Radevormwald;<br />

<strong>B8</strong>-163/0<strong>8.</strong> Beschluss vom 5. März 2009 – Saar Ferngas AG/ESW AG; <strong>B8</strong>-93/07, Beschluss vom 23.<br />

Oktober 2007 – RWE/SWKN; <strong>B8</strong>-27/04.<br />

52<br />

BGH, Beschluss vom <strong>11</strong>. November 2008, WuW/E DE-R 2451, 2461 – E.ON/Stadtwerke Eschwege,<br />

Rn. 61 m.w.N.


- 33 -<br />

über Direktabfragen ein. Daher ist davon auszugehen, dass eine Minderheitsbeteiligung<br />

zwar unverändert ein geeignetes Mittel zur Absatzsicherung darstellen kann, der durch<br />

die Liberalisierung des Gasmarktes entstehende Wettbewerbsdruck die Profitabilität<br />

einer solchen Strategie im Ergebnis jedoch senkt. Die Mehrheitsbeteiligung an der ESW<br />

Gasvertrieb und die Erlangung der gemeinsamen Kontrolle mit der SH Landau ermöglichen<br />

der Anmelderin, den Absatz an die ESW Gasvertrieb außerhalb des Wettbewerbs<br />

abzusichern.<br />

(79) Das Zusammenschlussvorhaben führt dennoch nicht zu einer untersagungsfähigen<br />

strukturellen Verschlechterung auf dem relevanten Markt, da die Möglichkeiten der Anmelderin,<br />

den netzbezogenen Markt für die Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern<br />

von Wettbewerbern abzuschotten, eher sinken werden. Denn für eine fusionskontrollrechtliche<br />

Beurteilung eines Zusammenschlusses ist auch eine in die Zukunft<br />

gerichtete dynamische Analyse der Marktauswirkungen des Zusammenschlusses vonnöten.<br />

53 Dabei sind nicht nur die strukturellen Änderungen des Marktes, die durch den<br />

Zusammenschluss bewirkt werden, sondern auch für den Wettbewerb relevante Entwicklungen<br />

einzubeziehen. 54 Im vorliegenden Zusammenschlussvorhaben hält die <strong>Beschlussabteilung</strong><br />

einen Prognosezeitraum von maximal drei Jahren für angemessen. 55<br />

Die Verringerung der Anzahl der Marktgebiete auf nunmehr zwei, NetConnect Germany<br />

und Gaspool, und die im letzten Kalenderjahr novellierten Netzzugangsregelungen werden<br />

nach Einschätzung der <strong>Beschlussabteilung</strong> bereits in kurzer Frist (ein bis drei Jahre)<br />

zusätzliche Impulse für den Wettbewerb liefern, so dass der Markt für die Belieferung<br />

von regionalen und lokalen Weiterverteilern mit Erdgas weiterhin einer spürbaren Dynamik<br />

unterliegt. Insgesamt geht die <strong>Beschlussabteilung</strong> von einer signifikanten, vor<br />

allem angebotsseitig induzierten Verschärfung des Wettbewerbs auf dem Markt für die<br />

Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern innerhalb des<br />

Prognosezeitraums aus. Es sind jedoch auch nachfrageseitig Impulse für einen verstärkten<br />

Wettbewerb denkbar.<br />

(80) Angebotsseitig werden für einen zunehmenden Wettbewerb starke Impulse von den im<br />

vergangenen Kalenderjahr vom Gesetzgeber und der BNetzA geschaffenen Regelungen<br />

bezüglich der Netzkapazitäten und Marktgebiete ausgehen. Dies betrifft insbeson-<br />

53<br />

s. Ruppelt in: Langen/Bunte: Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 10. Aufl. 2010,<br />

Band 1, § 36, Rn. 43.<br />

54<br />

ebd, Rn. 44f.<br />

55<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. September 2006, WuW/E DE-R 1835ff - Deutsche Börse/London<br />

Stock Exchange.


- 34 -<br />

dere die Festlegung in Sachen Kapazitätsregelungen und Auktionsverfahren im Gassek-<br />

tor (KARLA Gas) der Bundesnetzagentur vom 24. Februar 20<strong>11</strong>, die Inbetriebnahme der<br />

Primärkapazitätsplattform TRAC-X primary zum August 20<strong>11</strong> sowie die Reduzierung der<br />

Anzahl der Marktgebiete auf nur noch zwei zum 1. Oktober 20<strong>11</strong>. Durch diese Maßnahmen<br />

sind erhebliche physische und vertragliche Kapazitätsengpässe und ökonomische<br />

Schranken („Pancaking“) erst beseitigt worden, die zuvor eine unbeschränkte Belieferung<br />

von regionalen und lokalen Weiterverteilern in fremden Netzgebieten verhindert<br />

hatten. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Erdgasvorlieferanten in neue Marktgebiete<br />

vorstoßen und den etablierten Erdgaslieferanten Konkurrenz machen werden.<br />

Da eine solche Durchdringung der Marktgebiete in den letzten Jahren bereits stattgefunden<br />

hat, ist auch nicht von einer stillschweigenden Koordinierung der etablierten Erdgaslieferanten<br />

auszugehen, die diese an einem Vorstoß in neue Marktgebiete hindern.<br />

(81) Nachfrageseitig könnte eine Intensivierung des Wettbewerbs auf den Letztverbrauchermärkten<br />

dazu führen, dass die Marktmacht der regionalen und lokalen Weiterverteiler<br />

sinkt und ihre Loyalität gegenüber ihrem traditionellen Vorlieferanten zurückgeht. Der<br />

Versorgerwechsel seitens der Letztverbraucher wurde erstmals durch die von der<br />

BNetzA verabschiedete Festlegung einheitlicher Geschäftsprozesse und Datenformate<br />

beim Wechsel des Lieferanten bei der Belieferung mit Gas (GeLi Gas) vom 20. August<br />

2007 ermöglicht. Zwar ist vor allem die Wechselbereitschaft der Haushaltskunden zumindest<br />

gegenwärtig noch recht gering. So wurden im Jahr 2010 nur 6% der Haushaltskunden<br />

von einem anderen Energieversorger als dem Grundversorger mit Erdgas beliefert<br />

56<br />

(s. auch Rn. (92) f.). Allerdings kann eine Tendenz der Grundversorger verzeichnet<br />

werden, ihre Bestandskunden mit preisgünstigeren Sonderverträgen an sich zu binden,<br />

denn bundesweit entfielen im Jahr 2010 69% der abgesetzten Gasmenge an Haushalte<br />

auf die Belieferung durch den Grundversorger innerhalb eines Sondervertrags. 57<br />

Da<br />

Sonderverträge im Vergleich zu Grundversorgungsverträgen aus Letztverbrauchersicht<br />

preisgünstiger sind, dürften die Anreize der Weiterverteiler steigen, ihre Beschaffungskosten<br />

zu senken.<br />

(82) Ebenso wie die Anzahl der Vertragswechsel stieg auch die Anzahl der Lieferantenwechsel<br />

durch die Letztverbraucher in den vergangenen Jahren stetig an. Insgesamt lag die<br />

Anzahl aller Lieferantenwechsel durch Haushalts-, sowie Industrie- und Gewerbekunden<br />

56 ebd., S. 76.<br />

57 ebd., S. 76.


- 35 -<br />

im Jahr 2010 erstmals bei über 900.000 Wechseln (2009: 470.000 Wechsel). 58 Auch die<br />

Anzahl der verfügbaren Anbieter innerhalb eines Netzgebietes ist in den vergangenen<br />

drei Jahren stetig gestiegen. So waren im Jahr 2008 nur 33% der von der BNetzA im<br />

Rahmen des Monitorings befragten Lieferanten in mehr als einem Netzgebiet tätig, wäh-<br />

rend es 2009 schon 50% und im Jahr 2010 sogar rund 60% waren. 59<br />

Die Beschlussab-<br />

teilung geht daher davon aus, dass der Wettbewerb um die Erdgasversorgung von SLP-<br />

und RLM-Kunden zunehmen wird, auch wenn ein Teil der SLP-Kunden über den Ver-<br />

mieter an einen bestimmten Versorger gebunden ist (s. Rn. (98) ) und die Wechselbe-<br />

reitschaft der Letztverbraucher gegenwärtig noch gering ist. Infolgedessen werden die<br />

regionalen und lokalen Energieversorger zunehmend gezwungen sein, günstigere Erd-<br />

gasbeschaffungsverträge abzuschließen, so dass sich eine Intensivierung des Wettbe-<br />

werbs auf der Letztverbraucherstufe auch positiv auf den Wettbewerb im vorgelagerten<br />

Markt auswirken könnte.<br />

(83) Inwieweit die kleineren regionalen und lokalen Energieversorger ihr Beschaffungsverhal-<br />

ten dahingehend anpassen werden, dass sie von einer klassischen Vollversorgung in<br />

eine selbständige, strukturierte Beschaffung wechseln, ist nicht prognostizierbar. Denn<br />

es ist ungewiss, ob sie innerhalb des recht kurzfristigen Prognosezeitraums den für eine<br />

strukturierte Beschaffung notwendigen personellen und organisatorischen Aufwand leis-<br />

ten können. Dem Bericht über die Evaluierung der Beschlüsse zu langfristigen Lieferver-<br />

trägen vom 15. Juni 2010 des BKartA (S. 34) ist zu entnehmen, dass sich zumindest<br />

innerhalb des Berichtzeitraums von 2006 bis 2010 die Anzahl der Vollversorgungsverträge<br />

unter den befragten Unternehmen nicht wesentlich geändert hat.<br />

(84) Wahrscheinlicher hingegen ist es, dass die Stadtwerke in der kurzen Frist zunächst in<br />

einen modernen Vollversorgungsvertrag wechseln oder die Beschaffung von Standardprodukten<br />

im Rahmen von Dienstleistungsverträgen auf ihren Vorlieferanten übertragen<br />

werden. Nach den Ermittlungen der <strong>Beschlussabteilung</strong> beabsichtigt ein Großteil der<br />

derzeit von Enovos Deutschland belieferten Weiterverteiler einschließlich der Beteiligungsunternehmen<br />

der Enovos Deutschland ab dem Gaswirtschaftsjahr 2012/13, ihr<br />

Erdgas […]. In welchem Umfang die Weiterverteiler durch den Wechsel des Beschaffungsmodells<br />

auch einzelne Produkte von anderen als dem traditionellen Lieferanten<br />

beziehen werden, ist im Einzelnen nicht eindeutig feststellbar, da die Beschaffungsmodelle<br />

auch eine kurzfristige und flexible Beschaffung von Erdgasprodukten zulassen. Auf<br />

58<br />

BNetzA, Monitoringbericht 20<strong>11</strong>, S. 75.<br />

59<br />

ebd., S 197.


- 36 -<br />

den Wechsel des Vorlieferanten kommt es in Hinblick auf einen funktionierenden Wett-<br />

bewerb jedoch auch nur bedingt an, denn mittels einer modernen Vollversorgung oder<br />

einer Beschaffung von Standardprodukten im Rahmen von Dienstleistungsverträgen<br />

können die Weiterverteiler auf Grundlage der Entwicklungen an den Spot- und Termin-<br />

märkten die Beschaffungszeitpunkte der einzelnen Produkte selbst bestimmen. Insofern<br />

werden sie zumindest indirekt am Handel mit Erdgas partizipieren können, so dass die<br />

marktbeherrschende Stellung der Enovos Deutschland weiter abschmelzen wird.<br />

(85) Schließlich ist auch davon auszugehen, dass der Handel mit Erdgas selbst (börslich und<br />

OTC) innerhalb des Prognosezeitraums weiter zunehmen wird. Bereits in den vergan-<br />

genen zwei Jahren stieg die Liquidität an den mit den Marktgebieten verknüpften Han-<br />

delspunkten stetig an. Wies der virtuelle Handelspunkt NetConnect Germany im Jahr<br />

2009 im Schnitt eine Churn Rate 60 von 2,5 auf, 61 liegt diese seit April 20<strong>11</strong> kontinuierlich<br />

über 3. 62<br />

Das gehandelte Gasvolumen stieg auf dem Spotmarkt von 1.200 GWh im Jahr<br />

2008 und 3.500 GWh im Jahr 2009 auf 15.000 GWh im Jahr 2010, und auf dem Sekundärmarkt<br />

von 16.300 GWh im Jahr 2008 und <strong>11</strong>.400 GWh im Jahr 2009 auf 31.900 im<br />

Jahr 2010. Angesichts dieser Entwicklungen und aufgrund der Zusammenlegung der<br />

Marktgebiete auf nunmehr zwei, NetConnect Germany und Gaspool, ist ein weiterer<br />

Anstieg des Handelsvolumens und der Liquidität an den virtuellen Handelspunkten zu<br />

erwarten, der den Verhaltensspielraum der Anmelderin weiter einschränken wird.<br />

(86) Zusammenfassend kommt die <strong>Beschlussabteilung</strong> zu dem Ergebnis, dass die bereits<br />

geschwächte marktbeherrschende Stellung der Anmelderin innerhalb des Creos-<br />

Netzgebietes infolge einer fortschreitenden gegenseitigen Durchdringung der Netzgebiete<br />

und einer Intensivierung des Wettbewerbs weiter abnehmen wird. Damit sinkt auch<br />

ihre Möglichkeit, den relevanten Markt gegenüber Wettbewerbern durch eine Absatzsicherung<br />

abzuschotten, so dass keine untersagungsfähige Verstärkung einer marktbeherrschenden<br />

Stellung auf dem Markt für die Belieferung von regionalen und lokalen<br />

Weiterverteilern mit Erdgas durch das vorliegende Zusammenschlussvorhaben abzusehen<br />

ist.<br />

60<br />

Verhältnis von gehandeltem zu physisch geliefertem Volumen<br />

61<br />

Monopolkommission 20<strong>11</strong>, Sondergutachten 59 „Energie 20<strong>11</strong>: Wettbewerbsentwicklung mit Licht und<br />

Schatten“, Rn. 557.<br />

62<br />

http://www.net-connect-germany.de.


- 37 -<br />

2. Belieferung von Letztverbrauchern mit Erdgas<br />

(87) Der Markt für die Belieferung von SLP-Kunden und der Markt für die Belieferung von<br />

RLM-Kunden mit Erdgas durch regionale und lokale Weiterverteiler sind zunächst in<br />

horizontaler Hinsicht vom Zusammenschlussvorhaben betroffen, denn sowohl die ESW<br />

Gasvertrieb, als auch das von Enovos Deutschland und den Pfalzwerken paritätisch<br />

geführte Gemeinschaftsunternehmen Pfalzgas beliefern SLP- und RLM-Kunden mit<br />

Erdgas. Zwar verfügen beide Weiterverteiler in ihrem jeweiligen Netzgebiet über hohe<br />

bis sehr hohe Marktanteile auf den betroffenen Märkten. Das Zusammenschlussvorhaben<br />

führt in horizontaler Hinsicht dennoch nicht zu einer Verstärkung einer marktbeherrschenden<br />

Stellung, da sich aufgrund der netzbezogenen räumlichen Abgrenzung des<br />

Marktes keinerlei Überschneidungen ergeben (dazu unter den Rn. (102) ff.).<br />

(88) Auch in vertikaler Hinsicht sind die Märkte für die Belieferung von SLP-Kunden und<br />

RLM-Kunden mit Erdgas durch regionale und lokale Weiterverteiler vom Zusammenschlussvorhaben<br />

betroffen, denn durch die Verschmelzung der ESW Gasvertrieb auf die<br />

ESW AG entfällt Enovos Deutschland als potentieller Wettbewerber der ESW Gasvertrieb<br />

in ihrem etablierten Vertriebsgebiet. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die bestehende<br />

marktbeherrschende Stellung der ESW Gasvertrieb bei der Belieferung von<br />

letztverbrauchenden RLM- und SLP-Kunden mit Erdgas in ihrem Netzgebiet durch den<br />

Zusammenschluss verstärkt wird (dazu unter den Rn. (105) f.).<br />

a) Sachliche Marktabgrenzung<br />

(89) In sachlicher Hinsicht hat die <strong>Beschlussabteilung</strong> bisher in ständiger Entscheidungspraxis<br />

63<br />

einen Markt für die Belieferung von SLP-Kunden mit Erdgas durch lokale und regionale<br />

Weiterverteiler, sowie einen Markt für die Belieferung von RLM-Kunden mit Erdgas<br />

durch lokale und regionale Weiterverteiler abgegrenzt (vgl. Abb. in Anhang 2). Unter<br />

SLP-Kunden sind dabei solche Letztverbraucher zu verstehen, deren Erdgasverbrauch<br />

mangels registrierender Leistungsmessung auf Basis eines Standardlastprofils abgerechnet<br />

wird. Der Erdgasverbrauch von RLM-Kunden wird hingegen anhand einer registrierenden<br />

Leistungsmessung erfasst.<br />

63 u.a. <strong>B8</strong>-109/09, Beschluss vom 30. April 2010 - RWE/SW Lingen/SW Radevormwald; <strong>B8</strong>-107/09,<br />

Beschluss vom 30. November 2009 - Integra/Thüga und <strong>B8</strong>-67/09, Beschluss vom 15. Mai 2009 -<br />

EnBW/VNG.


) Räumliche Marktabgrenzung<br />

- 38 -<br />

(90) In räumlicher Hinsicht grenzte die <strong>Beschlussabteilung</strong> den Markt für die Belieferung von<br />

SLP-Kunden und den Markt für die Belieferung von RLM-Kunden mit Erdgas durch regi-<br />

onale und lokale Weiterverteiler bisher in ständiger Entscheidungspraxis 64<br />

nach dem<br />

etablierten Vertriebsgebiet des regionalen oder lokalen Weiterverteilers ab, welches<br />

durch das jeweilige Netzgebiet der mit dem betroffenen Gasversorger verbundenen<br />

Netzgesellschaft abgebildet wird. In Bezug auf die strukturellen Gegebenheiten des<br />

Saarlandes und von Rheinland-Pfalz hält die <strong>Beschlussabteilung</strong> diese Abgrenzung zumindest<br />

in dem vorliegenden Fall nach wie vor für die angemessenste Beurteilungsgrundlage.<br />

Zwar sind auch hier seitens des Gesetzgebers und der BNetzA Rahmenbedingungen<br />

geschaffen worden, die Haushalts- und Industriekunden einen problemlosen<br />

Lieferantenwechsel ermöglichen, und ein geringer Teil der Letztverbraucher hat innerhalb<br />

der letzten zwei Jahre auch von seiner Wechselmöglichkeit Gebrauch gemacht<br />

(dazu unter Rn. (91) ff.). Die Stadtwerke und regionalen Weiterverteiler verfügen in den<br />

nach den etablierten Vertriebsgebieten abgegrenzten, netzbezogenen Märkten jedoch<br />

nach wie vor über sehr hohe Marktanteile, während sie außerhalb ihres angestammten<br />

Absatzgebietes nur in untergeordnetem Umfang tätig sind, so dass eine weitere als<br />

netzbezogene Marktabgrenzung die tatsächlichen Marktverhältnisse nicht geeignet wiedergeben<br />

würde (dazu unter den Rn. (97) ff.). Zudem gibt es weitere Marktzutrittsschranken.<br />

(91) Seit der Verabschiedung der Festlegung einheitlicher Geschäftsprozesse und<br />

Datenformate beim Wechsel des Lieferanten bei der Belieferung mit Gas (GeLi Gas)<br />

durch die BNetzA im August 2007 und die Umsetzung der Richtlinien zum 1. August<br />

2008 ist ein Lieferantenwechsel für Letztverbraucher problemlos möglich. Insbesondere<br />

verpflichten die Richtlinien die Netzbetreiber, für die Durchführung eines Lieferantenwechsels<br />

bei einem Letztverbraucher bundesweit einheitliche Verfahren anzuwenden<br />

und geben ein „Rucksackprinzip“ vor, nach dem bei einem Lieferantenwechsel der neue<br />

Lieferant die Übertragung der für die Versorgung des Kunden erforderlichen, vom bisherigen<br />

Lieferanten gebuchten Ein- und Ausspeisekapazitäten verlangen kann, wenn ihm<br />

die Versorgung des neu erworbenen Kunden ansonsten nicht möglich ist (siehe auch §§<br />

41 f. GasNZV).<br />

64 ebd.


- 39 -<br />

(92) Die räumliche Marktabgrenzung bemisst sich jedoch nach den tatsächlichen Ausweichmöglichkeiten<br />

der Marktgegenseite. Entscheidend für die räumliche Abgrenzung des<br />

Marktes ist folglich nicht, ob Erdgasversorger rein rechtlich oder physisch in dem angestammten<br />

Versorgungsgebiet eines regionalen Weiterverteilers oder eines Stadtwerks<br />

tätig werden könnten, sondern danach, ob sie in dem betreffenden Gebiet auch tatsächlich<br />

Tarife für Letztverbraucher anbieten. Laut Monitoringbericht 20<strong>11</strong> der Bundesnetzagentur<br />

(S. 196) waren im Jahr 2010 in mehr als der Hälfte der Netzgebiete 21 Lieferanten<br />

oder mehr tätig. Nur noch sieben der 579 befragten Netzbetreiber gaben an, dass in<br />

ihrem Netzgebiet höchstens fünf Lieferanten Erdgas anbieten. Die Anzahl der verfügbaren<br />

Anbieter innerhalb eines Netzgebietes ist in den vergangenen drei Jahren auch stetig<br />

gestiegen. So waren im Jahr 2008 nur 33% der von der BNetzA im Rahmen des<br />

Monitorings befragten Lieferanten in mehr als einem Netzgebiet tätig, während es 2009<br />

schon 50% und im Jahr 2010 sogar rund 60% waren. 65<br />

(93) Dennoch machten die Letztverbraucher bisher nur in sehr beschränktem Umfang von<br />

einem Lieferantenwechsel Gebrauch. Insbesondere im Vergleich zum Strombereich liegt<br />

die Anzahl der Lieferantenwechsel im Gasbereich deutlich zurück. Im Jahr 2008 lag die<br />

Anzahl der Stromlieferantenwechsel von Letztverbrauchern bei 2,3 Mio., die Anzahl der<br />

Gaslieferantenwechsel hingegen nur bei 384.000. Im Jahr 2009 ergaben sich im Strombereich<br />

2,4 Mio. Wechsel, im Gasbereich hingegen nur rund 472.000. Im Jahr 2010 betrug<br />

die Anzahl der Stromlieferantenwechsel 3,0 Mio., die Anzahl der Gaslieferanten-<br />

66<br />

wechsel nur 921.000.<br />

(94) Vor allem die Haushaltskunden zeigten bislang nur eine schwache Wechselbereitschaft<br />

bezüglich ihres Erdgaslieferanten. Insgesamt wurden laut Monitoringbericht 20<strong>11</strong> der<br />

Bundesnetzagentur (S. 76) im Jahr 2010 nur 6% der an Haushaltskunden abgegebenen<br />

Gasmenge von einem anderen Lieferanten als dem Grundversorger abgesetzt. Zwar ist<br />

der Anteil an Haushaltskunden in der Grundversorgung in den letzten Jahren deutlich<br />

gesunken, denn nur 25% der an Haushaltskunden abgesetzten Menge entfielen im Jahr<br />

2010 auf die Belieferung durch den Grundversorger innerhalb der Grundversorgung,<br />

69% der abgesetzten Gasmenge entfielen hingegen auf die Belieferung durch den<br />

Grundversorger innerhalb eines Sondervertrags. Die hohe Anzahl an Kunden, die im<br />

Rahmen eines Sondervertrags vom Grundversorger beliefert werden, weist jedoch darauf<br />

hin, dass es den in den jeweiligen Netzgebieten etablierten Weiterverteilern gelingt,<br />

65<br />

BNetzA, Monitoringbericht 20<strong>11</strong>, S 197.<br />

66<br />

ebd., S. 47 u. 75.


- 40 -<br />

ihre Kunden mit preisgünstigeren Sonderverträgen über einen längeren Zeitraum, meist<br />

mindestens ein Jahr, an sich zu binden. Diesen Verträgen liegen oftmals Preisanpassungsklauseln,<br />

aber auch Mindestvertragslaufzeiten von einem Jahr oder mehr zu<br />

Grunde. Haushaltskunden, die ihr Erdgas im Rahmen eines Sondervertrags vom Grundversorger<br />

beziehen, ist es somit nicht ohne weiteres möglich, mit einem Wechsel zu einem<br />

anderen Lieferanten als dem Grundversorger auf geänderte Marktstrukturen zeitnah<br />

zu reagieren.<br />

(95) Eine hohe Anzahl an Anbietern in Netzgebieten allein lässt folglich noch keine konkreten<br />

Rückschlüsse auf die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse in den jeweiligen Netzgebieten<br />

zu. Die BNetzA berücksichtigt im Monitoringbericht bei der Ermittlung bezüglich<br />

der Anzahl der Gaslieferanten in den jeweiligen Netzgebieten auch Weiterverteiler, die<br />

selbst Grundversorger in einem Netzgebiet sind. Diese sind zumeist nicht bundesweit,<br />

sondern nur in bestimmten Regionen tätig und bieten in den fremden Netzgebieten oftmals<br />

ihre „heimischen“ Grundversorgungstarife oder auch Sondertarife an, die auf ihr<br />

eigenes etabliertes Vertriebsgebiet abgestimmt sind. Diese Tarife sind jedoch nicht<br />

zwingend günstiger als die Tarife des im jeweiligen Netzgebiet etablierten Erdgasversorgers<br />

und wirken daher nur in sehr beschränktem Umfang wettbewerbsintensivierend.<br />

Eine Abfrage beim Verbraucherportal Verivox 67<br />

zeigt, dass zwar rund 50 Unternehmen<br />

in der Stadt Landau in der Pfalz, in der die ESW Gasvertrieb Grundversorger ist, eine<br />

Belieferung von Letztverbrauchern mit Erdgas anbieten. Von diesen 50 Unternehmen<br />

liefern jedoch nur elf Versorger das Erdgas tatsächlich zu günstigeren Tarifen als die<br />

ESW Gasvertrieb. Zu den insofern maßgeblichen Konkurrenzunternehmen gehören oftmals,<br />

wie auch in der vorliegenden Abfrage für die Stadt Landau, bundesweit tätige Anbieter<br />

wie eprimo, E WIE EINFACH oder Vattenfall.<br />

(96) In den vom Zusammenschlussvorhaben betroffenen Netzgebieten, dem Netzgebiet der<br />

ESW Netz und dem Netzgebiet der Pfalzgas, ist eine gegenseitige Marktdurchdringung<br />

in den vom Zusammenschlussvorhaben betroffenen Netzgebieten bisher auch kaum zu<br />

verzeichnen. Im Rahmen mehrerer Verfahren im Zusammenhang mit Konzessionsübernahmen<br />

erhob die <strong>Beschlussabteilung</strong> für das Jahr 2009 auch die Wechselquoten von<br />

Haushaltskunden i.S.d. § 3 Nr. 22 EnWG weg vom Grundversorger in rund 700 Gemeinden.<br />

Diese lagen in den Verbandsgemeinden, in denen Pfalzgas und ESW Gasvertrieb<br />

67 Abfrage: Gasverbrauch 20.000 GWh/Jahr, Leistung 12,5 kW, Kündigungsfrist „egal“, keine<br />

Berücksichtigung von Tarifen mit Vorauskasse oder Kaution, Kundengruppe „privat“, Vertragslaufzeit bis<br />

zu 12 Monate.


- 41 -<br />

tätig sind, mit einer Ausnahme durchgängig unter [0-10]%. Was die Belieferung von<br />

RLM- und SLP-Kunden außerhalb des angestammten Netzgebietes betrifft, sind<br />

Pfalzgas gar nicht und die ESW Gasvertrieb nur in sehr geringem Umfang 68<br />

tätig.<br />

(97) Der schleppende Prozess der Lieferantenwechsel spiegelt sich auch in den Marktantei-<br />

len der ESW Gasvertrieb und der Pfalzgas wider. Denn die ESW Gasvertrieb setzte im<br />

Netzgebiet der ESW Netz im Jahr 2010 rund [90-100]% des an SLP-Kunden gelieferten<br />

Erdgases und rund [40-50]% des an RLM-Kunden gelieferten Erdgases ab. Die Markt-<br />

anteile der Pfalzgas im Netzgebiet der Pfalzgas entsprachen im Jahr 2010 auf dem<br />

Markt für die Belieferung von SLP-Kunden [90-100]% und auf dem Markt für die Beliefe-<br />

rung von RLM-Kunden mit Erdgas durch regionale und lokale Weiterverteiler [80-90]%.<br />

Insgesamt ist daher festzustellen, dass trotz einer steigenden Anzahl der Lieferanten-<br />

wechsel und einer wachsenden Anbieterzahl in den einzelnen Netzgebieten auf lokaler<br />

oder regionaler Ebene noch immer die etablierten Gasversorger dominieren.<br />

(98) Einen Grund für den vorherrschend schleppenden Wechsel zu anderen Erdgaslieferanten<br />

als dem Grundversorger sieht die <strong>Beschlussabteilung</strong> in der Tatsache, dass ein Teil<br />

der Haushaltskunden nicht über einen eigenen Gaszähler verfügt, sondern der Erdgasverbrauch<br />

über einen gemeinschaftlichen Gaszähler des gesamten Mehrparteienhauses<br />

abgerechnet wird. Nach Schätzungen des Verbraucherportals Verivox trifft dies auf ungefähr<br />

die Hälfte der 20 Mio. Haushalte, die mit Erdgas heizen, zu. 69 Entscheiden die<br />

SLP-Kunden über die Auswahl des Anbieters nicht selbst, sondern trifft der Vermieter<br />

die Auswahl von Tarif und Erdgaslieferant, tritt dieser insoweit an die Stelle der Nachfrager.<br />

70<br />

Da jedoch der Vermieter die Kosten des Erdgasverbrauchs nicht trägt, sondern<br />

diese vom Mieter beglichen werden, dürften seine Anreize zu einem Lieferantenwechsel<br />

eher gering sein.<br />

(99) Auch die aufkommende Tendenz zur Rekommunalisierung der Verteilnetzbetriebe und<br />

die damit einhergehende Fragmentierung der Verteilnetze könnten nach Ansicht des<br />

<strong>Bundeskartellamt</strong>es ein weiterer Grund für den nur zögerlich eintretenden Wettbewerb in<br />

71<br />

den jeweiligen Netzgebieten sein. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 EnWG sind vertikal inte-<br />

68<br />

Die ESW Gasvertrieb setzt bei der Belieferung von SLP-Kunden mit Erdgases [0-10]% der gelieferten<br />

Menge außerhalb ihres etablierten Netzgebietes ab.<br />

69<br />

http://www.verivox.de/nachrichten/gasanbieterwechsel-fuer-mieter-und-vermieter-73966.aspx.<br />

70<br />

BGH, Beschluss vom 3. Juli 1976, WuW/E BGH 1440 – Vitamin B12; BGH, Beschluss vom 27. April<br />

1999, WuW/E DE-R 303, 305 – Taxi-Krankentransporte.<br />

71<br />

<strong>Bundeskartellamt</strong>, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses des<br />

Deutschen Bundestages zur Rekommunalisierung der Energieversorgung vom 24. Januar 20<strong>11</strong>.


- 42 -<br />

grierte Energieversorgungsunternehmen, die sowohl das Verteilnetz betreiben, als auch<br />

Letztverbraucher mit Erdgas beliefern, nicht zu einer rechtlichen Entflechtung verpflich-<br />

tet, soweit an das Verteilnetz weniger als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar<br />

angeschlossen sind. Die Energieversorgungsunternehmen, die aufgrund der geringen<br />

Größe des Netzes rechtlich vertikal integriert sind, könnten dann mittels hoher Netzentgelte<br />

den Bereich des Erdgasvertriebs quersubventionieren und ein geringes Preisniveau<br />

bei SLP- und RLM-Kunden festsetzen. Potentielle Konkurrenten werden dadurch<br />

am Eintritt in das Netzgebiet gehindert, die Möglichkeiten eines Lieferantenwechsels für<br />

Letztverbraucher beschränkt. Eine zunehmende Zersplitterung der Verteilnetze kann für<br />

neue Anbieter zudem eine Marktzutrittsschranke bedeuten, da diese mit einer immer<br />

größeren Zahl von Netzbetreibern Lieferantenrahmenverträge abschließen müssen und<br />

kleinere Netze weniger stark reguliert sind. <strong>Bundeskartellamt</strong> und Bundesnetzagentur<br />

haben deshalb in ihrem gemeinsamen Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen<br />

und zum Wechsel des Konzessionsnehmers darauf hingewiesen, dass Verteilernetze<br />

unterhalb einer gewissen Größenordnung unter bestimmten Bedingungen<br />

Effizienznachteile beim Netzbetrieb und einen erhöhten Regulierungsaufwand nach sich<br />

ziehen können, was zu höheren Kosten für die Netznutzer führen und den Wettbewerb<br />

auf den Vertriebsmärkten hemmen kann. 72<br />

(100) Schließlich könnten auch die im bundesweiten Vergleich sehr hohen Netzentgelte im<br />

Saarland eine zusätzliche Marktzutrittsschranke für neue Anbieter und damit einen möglichen<br />

Grund für die geringe Wechselquote in dem von dem Fusionsvorhaben betroffe-<br />

73<br />

nen Gebiet darstellen. Eine Studie des Verbraucherportals Verivox vom September<br />

2010 belegt, dass vor allem das Saarland von hohen Netzentgelten geprägt ist. Während<br />

die durchschnittlichen Netzentgelte bei der Versorgung von Haushaltskunden im<br />

Bundesdurchschnitt 1,49 Cent/kWh betrugen, entsprachen diese im Saarland 1,96<br />

Cent/kWh. Damit lagen die Netzentgelte um 0,7 Cent/kWh höher als in Niedersachsen,<br />

welches mit 1,26 Cent/kWh die geringsten durchschnittlichen Netzentgelte aufwies. Ähnliche<br />

Unterschiede weisen auch die Netzentgelte bei der Versorgung von RLM-Kunden<br />

mit Erdgas auf. Nach einer Studie des Bundesverbands der Energie-Abnehmer e.V. 74<br />

vom April 20<strong>11</strong> bestehen bundesweit zwischen einzelnen Netzbetreibern Preisdifferen-<br />

72 Gemeinsamer Leitfaden von Bundesnetzagentur und <strong>Bundeskartellamt</strong> zur Vergabe von Strom- und<br />

Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.10.2010, abrufbar unter<br />

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Diskussionsbeitraege/101215_Leitfaden_Konze<br />

ssionsrecht_BNetzA-BKartA.PDF.<br />

73 http://www.verivox.de/presse/starkes-ost-west-gefaelle-bei-kaufkraft-und-netzgebuehren-56696.aspx<br />

74 VEA, Bundesverband der Energie-Abnehmer e.V., Netznutzungsentgeltvergleich Gas I/20<strong>11</strong> für<br />

leistungsgemessene Kunden, Stichtag 1. April 20<strong>11</strong>.


- 43 -<br />

zen von über 620%. So liegen die Netzentgelte für RLM-Kunden mit einem jährlichen<br />

Verbrauch von 5.000 MWh und einer maximalen Stundenmenge von 2,5 MWh in Nie-<br />

dersachsen zwischen 0,36 und 1,09 Cent/kWh, in Rheinland-Pfalz zwischen 0,33 und<br />

1,20 Cent/kWh und im Saarland zwischen 0,45 und 1,36 Cent/kWh. Für Energieversorger<br />

mit bundesweit einheitlichen Tarifen sind die Anreize sehr gering, auch in Gebiete<br />

mit hohen Netzentgelten zu liefern, da ihre Vertriebsmarge erheblich geschmälert wird.<br />

(101) Letztendlich bewirken die erheblichen Preisdifferenzen in den Netzentgelten eine<br />

bundesweit sehr heterogene Anbieter- und Tarifstruktur. Während zu Beginn des Jahres<br />

20<strong>11</strong> in weiten Teilen Deutschlands, vornehmlich in Bayern und Baden-Württemberg, 90<br />

Lieferanten oder mehr tätig waren, waren es in Teilen des Saarlandes maximal 50 Anbieter.<br />

75 Der günstigste lokale Anbieter bei der Erdgasversorgung von Haushaltskunden<br />

im Saarland verlangte laut der Studie des Verbraucherportals Verivox 76<br />

6,46 Ct/KWh,<br />

der in Bremen ansässige preisgünstigste lokale Anbieter nur 5,06 Ct/kWh.<br />

(102) Insgesamt hält die <strong>Beschlussabteilung</strong> es trotz einer positiven Tendenz zu mehr<br />

Wettbewerb in den einzelnen Netzgebieten für geboten, den Markt für die Belieferung<br />

von SLP-Kunden und den Markt für die Belieferung von RLM-Kunden mit Erdgas durch<br />

regionale und lokale Weiterverteiler nach wie vor nach dem etablierten Liefergebiet des<br />

regionalen bzw. lokalen Weiterverteilers abzugrenzen. Denn eine Marktdurchdringung,<br />

die zu einer bundesweit homogeneren Marktstruktur führen und eine weiter als netzbezogen<br />

gefasste Marktabgrenzung rechtfertigen würde, hat nach Einschätzung der <strong>Beschlussabteilung</strong><br />

noch nicht in ausreichendem Maße stattgefunden.<br />

c) Keine Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen<br />

(103) Das Gasverteilnetz der ESW Netz erstreckt sich auf die Stadt Landau in der Pfalz, sowie<br />

die umliegenden Gemeinden. In diesem Netz wurden im Jahr 2010 insgesamt 581 GWh<br />

ausgespeist. 77<br />

Davon entfielen auf die Ausspeisung an SLP-Kunden […] GWh und auf<br />

die Ausspeisung an RLM-Kunden […] GWh. ESW Gasvertrieb selbst lieferte im Jahr<br />

2010 insgesamt […] GWh Erdgas an SLP-Kunden und […] GWh Erdgas an RLM-<br />

Kunden in diesem Netzgebiet. Sie verfügt damit auf dem Markt für die Belieferung von<br />

SLP-Kunden mit Erdgas durch regionale und lokale Weiterverteiler über einen Marktan-<br />

75 Verivox GmbH/Kreutzer Consulting GmbH, Energiemarkt aktuell, Januar 20<strong>11</strong>, S. 47; zitiert nach<br />

Monopolkommission 20<strong>11</strong>, Sondergutachten 59 „Energie 20<strong>11</strong>: Wettbewerbsentwicklung mit Licht und<br />

Schatten“, Abb. 3.10, S. 7<strong>8.</strong><br />

76 http://www.verivox.de/presse/starkes-ost-west-gefaelle-bei-kaufkraft-und-netzgebuehren-56696.aspx<br />

77 http://www.esw-netz.de/de/Netzstrukturdaten1.htm.


- 44 -<br />

teil von [90-100]% und auf dem Markt für die Belieferung von RLM-Kunden mit Erdgas<br />

durch regionale und lokale Weiterverteiler über einen Marktanteil von [40-50]%.<br />

(104) Das Gasverteilnetz der Pfalzgas setzt sich aus rund 180 örtlichen Verteilnetzen in den<br />

Gemeinden rund um Frankenthal zusammen. In diesen Netzen wurden im Jahr 2010<br />

rund 2.254 GWh Erdgas ausgespeist. 78<br />

Davon entfielen auf die Belieferung von SLP-<br />

Kunden mit Erdgas […] GWh und auf die Belieferung von RLM-Kunden mit Erdgas […]<br />

GWh. Pfalzgas selbst setzte in ihren Verteilnetzen insgesamt rund […] GWh Erdgas an<br />

SLP-Kunden und […] GWh an RLM-Kunden ab. Dies entspricht den Marktanteilen von<br />

[90-100]% auf dem Markt für die Belieferung von SLP-Kunden mit Erdgas und [80-90]%<br />

auf dem Markt für die Belieferung von RLM-Kunden mit Erdgas durch regionale und lokale<br />

Weiterverteiler.<br />

(105) Die hohen Marktanteile beider Unternehmen sprechen jeweils für eine marktbeherrschende<br />

Stellung in ihrem jeweiligen etablierten Vertriebsgebiet. Die ESW Gasvertrieb<br />

und Pfalzgas beliefern ihre SLP- und RLM-Kunden jedoch auf räumlich getrennten<br />

Märkten, denn die etablierten Vertriebsgebiete dieser zwei Unternehmen überschneiden<br />

sich nicht. Das Zusammenschlussvorhaben führt in horizontaler Sicht daher nicht zu<br />

einer Verstärkung der jeweils bestehenden marktbeherrschenden Stellungen.<br />

(106) Bei einer vertikalen Betrachtung hat die <strong>Beschlussabteilung</strong> in ihrer bisherigen<br />

Entscheidungspraxis regelmäßig, zuletzt in den Verfahren EnBW/EWE (<strong>B8</strong>-09/08, Beschluss<br />

vom <strong>8.</strong> September 2008) und EnBW/VNG (<strong>B8</strong>-67/09, Beschluss vom 15. Mai<br />

2009) eine Beteiligung des marktbeherrschenden vorgelagerten Netzbetreibers und<br />

Gasvorlieferanten an einem Weiterverteiler aufgrund der netzbezogenen Marktabgrenzung<br />

kritisch eingeschätzt.<br />

(107) Dieser Einschätzung lag die Überlegung zugrunde, dass durch einen solchen<br />

Zusammenschluss der potenzielle Wettbewerb gegenüber den Endversorgern durch<br />

den vorgelagerten Netzbetreiber und Vorlieferanten, der in der Regel als der stärkste<br />

potentielle Wettbewerber des regionalen und lokalen Weiterverteilers angesehen wurde,<br />

abgeschwächt wird. Die zusammenschlussbedingte Dämpfung des von dem vorgelagerten<br />

Netzbetreiber und Vorlieferanten ausgehenden potenziellen Wettbewerbs, der durch<br />

die gesellschaftsrechtliche Beteiligung entfällt, hatte zugleich eine Verstärkung der bestehenden<br />

marktbeherrschenden Stellungen der Endversorger auf ihren lokalen Märkten<br />

78 http://www.pfalzgas.de/netze/grundversorger.html.


- 45 -<br />

zur Folge. Im Fall RWE/Stadtwerke Unna (<strong>B8</strong>-94/<strong>11</strong>, Beschluss vom <strong>8.</strong> Dezember 20<strong>11</strong>)<br />

konnte dagegen eine Verstärkungswirkung bei der Beteiligung eines Vorlieferanten an<br />

einem Abnehmer verneint werden, da RWE weder der dem SWU-Netz vorgelagerte<br />

Gasnetzbetreiber noch Gasvorlieferant der SWU war.<br />

(108) Ein Wegfall potentiellen Wettbewerbs ist jedoch nicht per se wettbewerblich problema-<br />

tisch. Entscheidend ist vielmehr, ob die marktbeherrschende Stellung von ESW bei der<br />

Gasversorgung von SLP- und RLM-Kunden im etablierten Versorgungsgebiet, einen<br />

Wegfall aktuellen und potentiellen Wettbewerbs von Enovos Deutschland als Folge des<br />

Zusammenschlussvorhabens unterstellt, zu einer Verstärkung der Stellung von ESW<br />

führen würde. Dies ist nach Auffassung der <strong>Beschlussabteilung</strong> nicht der Fall. Der Wettbewerbsdruck<br />

um wechselbereite Letztverbraucher geht derzeit vor allem von überregional<br />

tätigen Anbietern wie FlexGas, eprimo, E WIE EINFACH oder Vattenfall aus. Der<br />

von diesen überregionalen Anbietern ausgehende Wettbewerb wird durch das Zusammenschlussvorhaben<br />

jedoch nicht berührt. Deshalb ist vorliegend nicht davon auszugehen,<br />

dass die marktbeherrschende Stellung von ESW in ihrem Versorgungsgebiet durch<br />

den beabsichtigten Zusammenschluss in fusionskontrollrechtlich relevanter Weise verstärkt<br />

wird.<br />

VII. Gebühren<br />

(109) Die Anmeldung eines Zusammenschlusses ist gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GWB<br />

gebührenpflichtig. Ebenso sind Amtshandlungen der Kartellbehörde nach § 40 GWB<br />

gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB gebührenpflichtig. Die Kartellbehörde kann hierfür<br />

Gebühren bis zu 50.000,- Euro, bei besonders großer wirtschaftlicher Bedeutung und<br />

außergewöhnlichem Verwaltungsaufwand bis zu 100.000,- Euro erheben (§ 80 Abs. 2<br />

Satz 2 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 3 GWB). Auf die Gebühr für die Amtshandlung nach<br />

§ 40 GWB ist die Gebühr für die Anmeldung des Zusammenschlusses anzurechnen (§<br />

80 Abs. 1 Satz 4 GWB).<br />

(<strong>11</strong>0) Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der<br />

Kartellbehörde unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Gegenstand<br />

der gebührenpflichtigen Handlung hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 GWB). Von den genannten<br />

Bestimmungsmerkmalen kommt der wirtschaftlichen Bedeutung das größte<br />

Gewicht zu. Sie ergibt sich aus der Höhe der inländischen Umsätze der beteiligten Unternehmen<br />

auf dem vom Zusammenschluss betroffenen Markt, aus dem Interesse der


- 46 -<br />

Beteiligten am Zusammenschluss einschließlich der Auswirkungen des Zusammenschlusses<br />

auf die inländischen Marktverhältnisse sowie aus den zu erwartenden betriebswirtschaftlichen<br />

Vorteilen der künftigen Zusammenarbeit auf dem Inlandsmarkt.<br />

Entspricht die nach diesen Bestimmungsmerkmalen festgestellte wirtschaftliche Bedeutung<br />

dem Durchschnitt, ist grundsätzlich eine mittlere Gebühr angemessen. Diese beträgt<br />

nach dem derzeit geltenden Gebührenrahmen 25.000,- Euro. Von diesem Mittelwert<br />

sind, abhängig von der jeweiligen wirtschaftlichen Bedeutung und dem Arbeitsaufwand,<br />

Zu- oder Abschläge vorzunehmen, deren Höhe im pflichtgemäßen Ermessen der<br />

Kartellbehörde liegt. 79<br />

(<strong>11</strong>1) Dem Zusammenschluss misst die <strong>Beschlussabteilung</strong> eine über dem Durchschnitt<br />

liegende Bedeutung zu. Der sachliche und personelle Aufwand der Kartellbehörde für<br />

die fusionsrechtliche Prüfung entsprach dieser Bedeutung. Demnach ist eine Gebühr in<br />

Höhe von […] Euro angemessen. Nach Anrechnung der gesondert zu erhebenden Gebühr<br />

für die Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens nach § 39 Abs. 1 GWB (§ 80<br />

Abs. 1 Satz 4 GWB) von […] Euro war für die Freigabe noch ein Betrag von […] Euro<br />

festzusetzen. Gebührenschuldner ist nach § 80 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GWB die Beteiligte<br />

zu 3. als Anmelderin.<br />

(<strong>11</strong>2) Die Gebühr ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses unter Angabe des<br />

Kassenzeichens 810600249132 und des Datums des Beschlusses auf das unten aufgeführte<br />

Konto zu überweisen.<br />

Deutsche Bundesbank Filiale Saarbrücken<br />

BLZ: 590 000 00 (für Inlandszahlungen)<br />

Konto-Nr.: 590 010 20<br />

BIC: MARKDEF 1590 (für Auslandszahlungen)<br />

IBAN: DE81 5900 0000 0059 0010 20<br />

(<strong>11</strong>3) Bei Überweisungen aus dem Ausland fallen im Allgemeinen Bankspesen an. In diesen<br />

Fällen ist sicherzustellen, dass dem Konto des <strong>Bundeskartellamt</strong>s die volle Gebühr gutgeschrieben<br />

wird.<br />

(<strong>11</strong>4) Die Auslagen für die erforderliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger werden<br />

gesondert erhoben (§ 43 Nr. 2, § 80 Abs. 1 Satz 3 GWB).<br />

79 vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.04.2000, Az. Kart 2/00 (V) „Tequila“ = WuW/E DE-R 514 ff.;<br />

KG WuW/E OLG 5259 "Kleinhammer", KG WuW/E OLG 5287 "Finanzbeteiligung Gebühr".


- 47 -<br />

Rechtsmittelbelehrung<br />

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich binnen einer mit<br />

Zustellung des Beschlusses beginnenden Frist von einem Monat beim <strong>Bundeskartellamt</strong>,<br />

Kaiser-Friedrich-Straße 16, 53<strong>11</strong>3 Bonn, einzureichen. Es genügt jedoch, wenn sie innerhalb<br />

dieser Frist bei dem Beschwerdegericht, dem Oberlandesgericht Düsseldorf, eingeht.<br />

Die Beschwerde ist durch einen beim <strong>Bundeskartellamt</strong> oder beim Beschwerdegericht<br />

einzureichenden Schriftsatz zu begründen. Die Frist für die Beschwerdebegründung beträgt<br />

zwei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des Beschlusses und kann auf Antrag vom<br />

Vorsitzenden des Beschwerdegerichts verlängert werden. Die Beschwerdebegründung muss<br />

die Erklärung enthalten, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder<br />

Aufhebung beantragt wird, und die – gegebenenfalls auch neuen – Tatsachen und Beweismittel<br />

angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.<br />

Beschwerdeschrift und Beschwerdebegründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet<br />

sein.<br />

Dr. Felix Engelsing Annette Bangard Dr. Nicole Hacker


Anhang 1 – Inhaltsverzeichnis<br />

- 48 -<br />

I. Das Vorhaben .............................................................................................................. 2<br />

II. Vorgeschichte .............................................................................................................. 3<br />

III. Verfahrensgang ........................................................................................................... 4<br />

IV. Beteiligte Unternehmen ............................................................................................... 5<br />

1. ESW AG ..................................................................................................................... 5<br />

2. Enovos Deutschland ................................................................................................... 6<br />

3. SH Landau ................................................................................................................. 9<br />

4. ESW Gasvertrieb ........................................................................................................ 9<br />

V. Formelle Anwendungsvoraussetzungen ................................................................... 10<br />

1. Geltungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ........................ 10<br />

2. Zusammenschlusstatbestand ..................................................................................... 10<br />

VI. Wettbewerbliche Würdigung ....................................................................................... 10<br />

1. Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern mit Erdgas ........................... <strong>11</strong><br />

a) Sachliche Marktabgrenzung ............................................................................... <strong>11</strong><br />

b) Räumliche Marktabgrenzung .............................................................................. 12<br />

aa) Beschaffungsverhalten der regionalen und lokalen Weiterverteiler ..................... 16<br />

bb) Institutionelle Rahmenbedingungen für einen bundesweiten Wettbewerb .......... 21<br />

c) Keine Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen ............... 25<br />

aa) Bundesweite räumliche Marktabgrenzung .......................................................... 25<br />

bb) Netzbezogene räumliche Abgrenzung ................................................................ 26<br />

(i) Marktstellung ...................................................................................................... 26<br />

(ii) Keine Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung innerhalb des<br />

Prognosezeitraums ............................................................................................ 31<br />

2. Belieferung von Letztverbrauchern mit Erdgas ........................................................... 37<br />

a) Sachliche Marktabgrenzung ............................................................................... 37<br />

b) Räumliche Marktabgrenzung .............................................................................. 38<br />

c) Keine Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen ............... 43<br />

VII. Gebühren ...................................................................................................................... 45<br />

Anhang 1 – Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. 48<br />

Anhang 2 – Schaubild zur sachlichen Marktabgrenzung ................................................... 49


Anhang 2 – Schaubild zur sachlichen Marktabgrenzung<br />

- 49 -

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