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Das Evangelische Rheinland - Archiv der Evangelischen Kirche im ...

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Konzentration von Fächern und Lehrpersonen<br />

jede unnötige Bildung von Fachbrettern<br />

und Schranken, und ein ganzer<br />

Mensch wächst in seiner „Totalität", wie<br />

dag Modewort sagt, heran. Der Arbeitsunterricht<br />

lehrt ihn die „neue Sittlichkeit"<br />

kennen, die Sittlichkeit des überindividuellen<br />

Wollens. Statt „bilde dich" „bildet euch".<br />

Erst von dieser ethischen Wertung geht uns<br />

die volle Bedeutung des Arbeitsunterrichts auf.<br />

Erziehungsziele<br />

Arbeitete früher Bürger und Bauer für<br />

sich und damit <strong>im</strong> Dienste eines größeren<br />

Ganzen, so ist es jetzt fast umgekehrt. Es<br />

gilt jetzt, für ein Ganzes zu arbeiten und<br />

damit für sich, etwa wie auf einem Schiffe,<br />

o<strong>der</strong> wie <strong>im</strong> Heere. Heraus aus <strong>der</strong> Selbstgenügsamkeit,<br />

heraus zum Ganzen, wie<br />

Diesterweg schon seiner Generation zurief.<br />

Allerdings sind dabei eben nicht Vereine<br />

und Verbände gemeint, nicht Gewerkschaften<br />

und Parteien, son<strong>der</strong>n Gemeinde und damit<br />

Volk. — Ideal gesprochen, wird man einwenden.<br />

Ja, gerade <strong>der</strong> Idealismus, gerade<br />

<strong>der</strong> ist es, den unsere höhere Schule vermitteln<br />

soll. In ihm steckt soviel Ehrfurcht<br />

vor <strong>der</strong> Bibel und dem Christentum, daß<br />

wir hier die beste Waffe haben gegen jene<br />

Skepsis und Blasiertheit, von <strong>der</strong> in Artikeln<br />

in <strong>der</strong> „Erziehung" ') jüngst die Rede<br />

war. Was nun die pädagogische Akademie<br />

an weiterem Rüstzeug dem zukünftigen<br />

Lehrer mitgibt, um ihn weiter zum VolkSerzieher<br />

zu bilden, bleibe hier unerwähnt. Es<br />

') „Die Erziehung", ä. Jahrgang, Heft 4 und<br />

5. Verlag oon Quelle K Meyer, S. 252 ff.<br />

und S. 301 ff.<br />

ist eine alte Erfahrung, daß lange<br />

und schwere Kriege eine allgemeine<br />

und tiefgehende Entsittlichung zur Folge haben.<br />

Man denke nur an das grauenhafte<br />

Sittenelend, welches die Kreuzzüge zur Folge<br />

hatten. Sehr schl<strong>im</strong>m sah es in dieser Hinsicht<br />

auch nach dem 30jährigen Kriege auS.<br />

So berichtet Ave-Lallement in seiner Geschichte<br />

des Deutschen Gaunertums (Nrockhaus<br />

4862), daß ein Lübecker Patriziersohn<br />

ein lie<strong>der</strong>liches Frauenz<strong>im</strong>mer, welches daS<br />

Rostocker Brandmal trug, als Gattin he<strong>im</strong>führen<br />

durfte, ohne son<strong>der</strong>lichen Wi<strong>der</strong>spruch<br />

bei seiner Sippe zu finden — ein Zeichen,<br />

wie verworren die sittlichen Begriffe in jener<br />

Zeit geworden waren. Nebenbei bemerkt,<br />

hat die Schund- und Schmutzliteratur <strong>der</strong><br />

Gegenwart ihre Wurzeln in den pikarischen<br />

Romanen, welche damals nach dem 30jährigen<br />

Kriege verschlungen wurden, und<br />

<strong>der</strong>en Helden Verbrecher aller Art bildeten.<br />

<strong>Das</strong> Gaunerstück mußte gelingen, und die<br />

Geschädigten stellte man als G<strong>im</strong>pel und<br />

Bösewichte dar — ganz so, wie eS heute bei<br />

den Verfassern <strong>der</strong> Schund- und Schauer-<br />

ist noch genug zu tun, auch wenn die höhere<br />

Schule ihre Aufgabe erfüllt hat. Diese sehe<br />

ich also erstens in <strong>der</strong> Vermittlung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Kenntnisse an Volkskunde, He<strong>im</strong>atkunde<br />

usw., zweitens aber in <strong>der</strong> Charakterbildung,<br />

in <strong>der</strong> Erziehung zum Dienst<br />

an einem größeren Ganzen.<br />

Als größte Gefahr erscheint da ein neuer<br />

„Humanismus" in einem ganz best<strong>im</strong>mten<br />

Sinne: „Mensch" in seiner Isolierung von<br />

Gott, in seiner Genügsamkeit am Menschen<br />

und in seinem „Reichtum". Der zukünftige<br />

Volkserzieher glaube nicht, das Volk z u<br />

seiner Bildung hinaufheben zu können, da<br />

ja die äußere Bedingung, das Abiturientenzeugnis<br />

und die akademische Bildung vorhanden<br />

sei. — So war es vielleicht doch<br />

nicht nur ein Mangel, wenn <strong>der</strong> junge Lehrer<br />

alter Zeit „Lücken" in seiner Bildung entdeckte,<br />

die er dann in seiner einfachen Klause,<br />

voll Begeisterung über den unsterblichen<br />

Dichtwerken erglühend, auszufüllen stiebend<br />

sich bemühte. Es ist eben nicht wahr, daß<br />

die gerade Linie <strong>im</strong>mer die kürzeste ist. Gewiß<br />

werden Irrwege und Umwege vorkommen!<br />

Aber ein festes Ziel, einen festen<br />

Plan wird <strong>der</strong> Volkserzieher haben müssen.<br />

Er wird ergriffen sein von Goethes Wort:<br />

„Warum sucht ich den Weg so sehnsuchtsvoll,<br />

wenn ich ihn nicht den Brü<strong>der</strong>n zeigen<br />

soll."<br />

Vor allem soll <strong>der</strong> zukünftige Erzieher des<br />

Volkes seine volkserzieherische Aufgabe und<br />

sein Führertum betätigen in steter Harmonie<br />

mit seiner Hauptaufgabe, nämlich<br />

<strong>der</strong> Erziehung <strong>der</strong> deutschen Jugend zum<br />

deutschen Volke.<br />

Studienrat Richard Hahn, Mors.<br />

Die Sexualnot <strong>der</strong> Gefangenen<br />

romane und ihren Lesern beliebt ist. Man<br />

prüfe nur die Erzeugnisse <strong>der</strong> neuesten<br />

Schundliteratur, wozu auch gewisse Kr<strong>im</strong>inalzeitungen<br />

und eine nicht min<strong>der</strong> nichtsnutzige<br />

Sensationspresse gehörten. Und was<br />

ist <strong>der</strong> tiefere Sinn dieser Sensationspresse?<br />

Nichts weiter als Geldmachen. Auf wessen<br />

Kosten? Ob auf Kosten von Volk und<br />

Vaterland, von Ehre und Anstand, von<br />

Zucht und Sitte, ob auf Kosten von Menschenseelen<br />

—, das ist jenen völlig gleichgültig.<br />

Aber so ganz leicht haben es die<br />

„Schriftstellers!) dieser Art doch nicht.<br />

„Ein Königreich für einen unbenagten<br />

Knochen, den man <strong>der</strong> sensationslüsternen<br />

Menge hinwerfen kann!"<br />

Ein solcher Knochen ist die sogenannte<br />

Sexualnot <strong>der</strong> Gefangenen<br />

Der Ausdruck „Sexualnot" ist nicht ungeschickt<br />

gewählt. Ein wenig Latein ziert den<br />

ganzen Menschen. Dazu verhüllen die beiden<br />

ersten Silben prüde etwas ganz Natürliches<br />

und geben <strong>der</strong> letzten Silbe eine beson<strong>der</strong>e<br />

Note.<br />

Sexualnötc, l). h. geschlechtliche Nöte, sind<br />

so alt wie das Menschengeschlecht. Ordentliche,<br />

fleißige, charakterfeste Menschen werden<br />

damit fertig; unordentliche, faule, charakterlose<br />

Menschen wissen sich jenen Nöten<br />

zu entziehen, so o<strong>der</strong> so, als Weichlinge o<strong>der</strong><br />

als Knabenschän<strong>der</strong> o<strong>der</strong> als Hurer. Es ist<br />

schändlich, davon zu reden. Eine Verschärfung<br />

<strong>der</strong> Sexualnöte bringt selbstverständlich<br />

eine lange Gefangenschaft mit sich. Kriegsgefangene<br />

wissen davon ein Lied zu singen,<br />

namentlich solche, welche „schwarze Franzosen",<br />

d. h. halbwilde Marokkaner u. a.<br />

als Wächter über sich dulden mußten. Aber<br />

haben nicht auch Hun<strong>der</strong>ttausende unserer<br />

Krieger viele Monate hindurch <strong>im</strong> Felde<br />

gestanden, siegreich nicht nur gegenüber dem<br />

Erbfeind, son<strong>der</strong>n auch gegenüber jenen Versuchern<br />

in <strong>der</strong> Etappe, denen durch den Unverstand<br />

und die Leichtfertigkeit gewisser<br />

hoher „verantwortlicher" Stellen die Arbeit<br />

nur zu leicht gemacht wurde?<br />

Wenn eS jetzt „mo<strong>der</strong>n" geworden ist, von<br />

<strong>der</strong> sexuellen Not <strong>der</strong> Gefangenen zu schreiben,<br />

zu reden und zu filmen, so denkt man<br />

dabei nicht an die Kriegsgefangenen, son<strong>der</strong>n<br />

man meint die Strafgefangenen. Man<br />

glaubt alles zu verstehen, und man verzeiht<br />

alles — selbstverständlich nur den<br />

Parteigenossen und solchen, die es vielleicht<br />

noch werden könnten. Nur diesen — wohlverstanden!<br />

— den an<strong>der</strong>n nicht. Man sei<br />

doch ausnahmsweise einmal ehrlich! Ehrliche<br />

Spartakusmänner (sie meinten es ehrlich,<br />

sie waren verhetzt und handelten nach bestem<br />

Wissen) wollten eine Fürsorgeerziehungsanstalt<br />

räumen. Sie meinten allen Ernstes,<br />

die Zöglinge würden zu Unrecht festgehalten.<br />

Die beherzte Oberin <strong>der</strong> Ansialt gab den<br />

Führern <strong>der</strong> Bande Einblick in die Akten<br />

<strong>der</strong> Mädchen. Und als die Spartakusmänner<br />

auch nur etliche Gerichtsbeschlüsse<br />

durchgelesenhatten, sagte <strong>der</strong>Anführer: „Frau<br />

Oberin, behalten Sie die Mädchen hier!"<br />

Vei näherer Ueberlegung würde sich mancher<br />

Leser jener sensationell und ein wenig sent<strong>im</strong>ental<br />

aufgemachten Artikel über Sexualnot,<br />

würde sich mancher Beschauer des<br />

Sexualfilms „<strong>Das</strong> Geschlecht in Fesseln"<br />

an den Kopf fassen und sich fragen: „Habe<br />

ich denn nicht von diesem und jenem Burschen<br />

schon irgendwo etwas gelesen? Ach ja — in<br />

<strong>der</strong> Zeitung stand eS ja, <strong>der</strong> eine hat die<br />

Sparkasse um 500 000 Mark geschädigt,<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e hat einen Lustmord begangen,<br />

<strong>der</strong> dritte hat wer weiß wie viele Mitmenschen<br />

ins Unglück gestürzt usw. <strong>Das</strong><br />

Gericht hat diese Verbrecher mit Recht zu<br />

Freiheitsstrafen verurteilt. Nun sitzen sie<br />

ihre Strafe ab; nun freilich: — Sexualnot?<br />

— Unsinn! Auf die schändlichen Verbrechen<br />

gehört eine wirksame Strafe! — Manche<br />

Artikelschreiber und Filmregisseure rechnen<br />

mit <strong>der</strong> Vergeßlichkeit des Publikums. <strong>Das</strong><br />

Publikum ist doch manchmal recht dumm,<br />

sonst würde eS sich nicht so jämmerlich anführen<br />

lassen.

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