Das Evangelische Rheinland - Archiv der Evangelischen Kirche im ...
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„Bil<strong>der</strong> zur Bibel" des Malers Hans Lietzmann<br />
Herausgegeben von <strong>der</strong> Preußischen Hauptbibelgesellschaft, Berlin<br />
Eine grundsätzliche Beurteilung von Bibelillustrationen überhaupt<br />
ie Preußische Hauptbibelgesellschaft<br />
^ den Berliner Maler Hans Lietzmann<br />
beauftragt, Illustrationen des Bibel«<br />
texteS zu schaffen, die sie in Bildelbibeln,<br />
Postkarten, Wandbil<strong>der</strong>n usw. mit Hilfe<br />
einer umfangreichen Werbung verbreitet.<br />
Man darf die Wichtigkeit dieses Schrittes<br />
nicht verkennen. Seine Bedeutung wirkt sich<br />
auf sehr verschiedenen Gebieten aus: zunächst<br />
in <strong>der</strong> Region religiösen Erlebens<br />
als christliche Anschauungsbildung, die für<br />
das innere Verhältnis zu Jesus und <strong>der</strong><br />
heiligen Geschichte von unwägbarer Aktivität<br />
ist. Aber auch auf dem volksbildnerischen<br />
Gebiet <strong>der</strong> Geschmackskultur und<br />
Stellung des Volkes zu künstlerischer Formgebung.<br />
Und endlich <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> entscheidungsvollen<br />
Frage nach <strong>der</strong> Stellung<br />
<strong>der</strong> <strong>Kirche</strong> zur Kunst und zum kulturellen<br />
Schaffen <strong>der</strong> Gegenwart.<br />
Aber <strong>der</strong> Hinweis auf diese Weitenwirkung<br />
eines <strong>der</strong>artigen Werkes sollte nicht notwendig<br />
sein, um den ganzen Ernst <strong>der</strong> Aufgabe<br />
in Erinnerung zu bringen. Es genügt<br />
völlig, sich einmal die Frage nach dem Sinn<br />
<strong>der</strong> Bibelillustration vorzulegen. Illustration<br />
ist ein sehr schönes Wort. Im Bild<br />
soll <strong>der</strong> Sinn des gelesenen Wortes „aufleuchte<br />
n". Sein Verborgenes soll <strong>im</strong><br />
Licht des Bildes Erscheinung werden <strong>Das</strong><br />
kann abernur g e sch e h e n, w e n n<br />
<strong>im</strong> Bild gestaltet wird, was<br />
<strong>im</strong> Worte gesprochen wird. <strong>Das</strong><br />
Hörbare soll sichtbar werden, <strong>der</strong> gelesene<br />
Bericht verwandelt werden in die angeschaute<br />
Gestalt, die durch die Augen in die<br />
Seele eintritt und dort zur lebendigen Vorstellung<br />
wird. Es kann sich also nicht<br />
darum handeln, durch das Bild die biblische<br />
Geschichte zu erklären und auszulegen, ste<br />
populär und spannend mit Stift o<strong>der</strong> Pinsel<br />
noch einmal zu erzählen, sie durch allerhand<br />
Beiwerk auszuschmücken und interessant<br />
zu machen. Son<strong>der</strong>n die Verkündigung<br />
des Wortes soll<br />
wie<strong>der</strong>holt werden in <strong>der</strong> Verkündigung<br />
<strong>der</strong> Gestalt. Der<br />
Künstler übersetzt die Bibel in<br />
seine Sprache. Er schreibt sie<br />
von neuem. Und wir wissen, daß dazu<br />
mehr gehört als ein technisches Können —<br />
sei es in philologischer Sprachbeherrschung,<br />
sei es in künstlerischer Darstellungsfähigkeit.<br />
Es gehört Inspiration dazu, ein Moment<br />
des Prophetischen — jenes Unwägbare,<br />
das die Bibel Martin Luthers für<br />
alle Zeit zum kultischen Buch des evangelischen<br />
Deutschen machen wird, selbst wenn<br />
sie aus lauter Übersetzungsfehlern bestünde.<br />
Dieses Moment gestalten<strong>der</strong> Umwandlung<br />
26<br />
des Bibelwortes fehlt den Bil<strong>der</strong>n Lietzmanns<br />
gänzlich. Sie sind die Erzeugnisse<br />
eines Erzählers, <strong>der</strong> nicht mit dem Mund,<br />
son<strong>der</strong>n mit den Händen redet. Und seine<br />
bildlichen Erzählungen reden viel ausführlicher,<br />
viel beteiligter, viel liebevoller von<br />
den glühenden Farben des Morgenlandes,<br />
von den phantastischen Gewän<strong>der</strong>n seiner<br />
Bewohner, von <strong>der</strong> märchenbunten Szenerie<br />
<strong>der</strong> Umwelt, als von dem Heiland und seinem<br />
Werk. Wo Lietzmann eine Handlung<br />
Jesu beson<strong>der</strong>s wirksam zum Ausdruck bringen<br />
will, verfällt er in Posenhaftigkeit. Entrückung<br />
visionären Erlebens wird unter<br />
seinem Pinsel zur Schauspielerm<strong>im</strong>ik, die<br />
Schwarmgeistigkeit mit Offenbarung verwechselt.<br />
Im übrigen die übliche „Idealisierung"<br />
des Heilandshauptes: Pagenkopf<br />
mit Madonnenscheitel, eine süßliche „Schönheit"<br />
schematisch regelmäßiger Züge in<br />
einem geistlosen Gesicht — ganz so, wie<br />
dank solcher „christlicher Kunst" sich 99 A<br />
aller Christen das Aussehen ihres göttlichen<br />
Erlösers vorstellen. Was haben<br />
diese „Illustrationen" zu schaffen<br />
mit <strong>der</strong> Gewalt und herben<br />
Größe, mit <strong>der</strong> erschreckenden<br />
Unnahbarkeit des BibelworteS?<br />
Sie sind nichts als ein Beweis, wie<br />
gänzlich wir verlernt haben, die Bibel zu<br />
lesen und zu verstehen.<br />
Lietzmann weiß etwas davon, daß ein Engel<br />
an<strong>der</strong>s aussieht wie ein Mensch, und daß<br />
<strong>der</strong> verklärte Leib des Auferstandenen von<br />
seinem irdischen Körper unterschieden werden<br />
muß. Es weiß es. Aber ihm fehlt die<br />
künstlerisch-religiöse Kraft, seine versiandeSmäßige<br />
Erkenntnis umzuprägen in gestaltete<br />
Verkörperung. Er greift wie<strong>der</strong> zu einem<br />
l Was ein Künstler erlebte<br />
„Mittelchen". Er stellt das jenseitige Wesen<br />
als Lichterscheinung dar. Im übrigen aber<br />
mit allen Attributen ungeistiger „Idealisierung"<br />
menschlicher Körperhaftigkeit.<br />
Vom Wun<strong>der</strong> desLichtS alsErscheinung<br />
jenseitiger Geistigkeit,<br />
die freilich auch in Gestalt und<br />
Zügen aufstrahlen will, ist nichts zum<br />
Ausdruck gekommen.<br />
Dafür aber um so mehr Detailmalerei, die<br />
<strong>der</strong> Realistik des Geschehens eine romantisch<br />
gefühlvolle und deshalb „interessante"<br />
Darstellung verleihen möchte. Aber ist damit<br />
etwas gewonnen? Wir berauben uns<br />
gewaltsam des göttlichen Segens, <strong>der</strong> uns<br />
<strong>im</strong> Abstand <strong>der</strong> Jahrtausende und <strong>im</strong> Dunkel<br />
des Mythus geschenkt ist. Warum zerren<br />
wir gewaltsam die heilige Geschichte in<br />
den Bereich des Irdischen und Diesseitigen<br />
herab? <strong>Das</strong> Moment des Geschichtlichen in<br />
<strong>der</strong> Offenbarung kann für uns nur den<br />
Sinn verwirklichen<strong>der</strong> Erscheinung des<br />
Ewigen haben. Aber nicht den Sinn naturalistischer<br />
Sichtbarkeit und Tastbarkeit <strong>der</strong><br />
Außenseite. Gott sei Dank, daß die Evangelien<br />
sich so wi<strong>der</strong>sprechen, daß alle Bibelphilologie<br />
aus ihnen niemals historische Zuverlässigkeit<br />
gewinnen wird! Der Mythus in<br />
<strong>der</strong> Geschichte, die Weissagung vom Ewigen<br />
<strong>im</strong> Bericht menschlichen Geschehens, das<br />
allein ist Offenbarung. <strong>Das</strong> ist die Darstellungsaufgabe<br />
einer wirklichen<br />
B i bel i l lustrat i o n und<br />
nicht morgenländische Kostümund<br />
LandschllftSsilldien. Und<br />
darüber sollten alle, die sich nicht nur die<br />
quantitative Verbreitung <strong>der</strong> Bibel, son<strong>der</strong>n<br />
vor allem ihre wesenhafte Einwurzelung<br />
<strong>im</strong> Seelenleben des gegenwärtigen<br />
Menschen zur Aufgabe setzen, einmal mit<br />
ganzem Ernst und Verantwortungsbewußtsein<br />
nachdenken. Erst dann kommen die<br />
gewiß sehr schwierigen, sehr wichtigen, aber<br />
doch gänzlich peripheren Fragen nach dem<br />
Verständnis für die kleinen Leute und dem<br />
geschäftlichen Erfolg. Paul Girkon,<br />
Professor Rudolf Koch, <strong>der</strong> bekannte Leiter <strong>der</strong> Offenbacher Kunstschule, hat dem „Tag"<br />
für eine Umfrage über „Bücher in meinem Leben" folgendes geantwortet: „Ich bin be<strong>im</strong> Lesen<br />
vieler und mancherlei Bücher in jungen Jahren mit <strong>der</strong> Zeit an ein Buch gekommen — da hat<br />
da« Lesen nicht mehr ausgereicht. <strong>Das</strong> war so mächtig, da mußte ich tiefer eindringen und länger<br />
verweilen, als es be<strong>im</strong> Lesen möglich war, und ich begann, es abzuschreiben. Es war die<br />
Bibel. Aber das Abschreiben war mir auch nicht genug, das Buch war <strong>im</strong>mer noch zu mächtig.<br />
Da habe ich mir in vieler, jahrelanger Mühe schöne große Buchstaben eingeübt, um jedem Wort<br />
auch fichtbar die Bedeutung zu geben, die es mir zu haben schien. Von diesem Schreiben her<br />
hat dann alle« in meinem Leben ein neues Gesicht bekommen. Ich habe die Kunst des Schreibens<br />
auch an<strong>der</strong>e gelehrt und viele Hun<strong>der</strong>te darin unterrichtet, ja das gesamte Schriftwesen hat einen<br />
Gewinn daraus gezogen. Mancherlei Druckschriften erstanden in <strong>der</strong> Folge, die wie<strong>der</strong> zum<br />
Teil geschaffen sind <strong>im</strong> Gedanken an einen Nbeldruck. — Und doch schien das alles noch nicht<br />
dauernd genug. Die Worte wollten noch mehr Gewicht. Da begann ich sie in Metall zu<br />
meißeln, in Holz zu schneiden und in großen Wandteppichen zu sticken und zu weben, sie wurden<br />
in Fresko gemalt und in Bronze gegossen, und es ist <strong>im</strong>mer noch kein Ende. Denn diese Worte<br />
durchdringen den <strong>im</strong>mer tiefer, <strong>der</strong> einmal von ihnen erfaßt ist, ja er wird völlig<br />
verwandelt davon. <strong>Das</strong> Leben findet seinen Sinn, und <strong>der</strong> Tod verliert seinen Schrecken."