Republik 1
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Spurensuche<br />
ohne „Schema F“<br />
TV-Serien wie „CSI Miami“ und „Dexter“ haben die Tatortarbeit in<br />
der breiten Masse populär gemacht. Doch anders als im TV schlägt<br />
organisches Beweismaterial in der echten Kriminaltechnik den Ermitt-<br />
lern auf den Magen. REPUBLIK hat österreichischen Forensikern und<br />
Tatortermittlern bei ihrer täglichen Arbeit über die Schulter geschaut.<br />
„Niemand kann nachempfinden, was<br />
in einem vorgeht, wenn man die unheimliche<br />
Wohnung des Briefbombers Franz<br />
Fuchs betritt“, erzählt Andrea Raninger,<br />
Leiterin der Abteilung Forensik und Technik<br />
im Bundeskriminalamt. Die zarte Frau<br />
mit dem toughen Job meint weiter: „Und<br />
niemand kann anhand weich gezeichneter<br />
TV-Bilder verstehen, was es bedeutet,<br />
wenn man an Tatorten mit abgerissenen<br />
Gliedmaßen oder dem Geruch von verbranntem<br />
Fleisch konfrontiert wird.“<br />
Gemütlich vor dem Fernseher sitzend<br />
bleibt einem die geruchstechnische Facette<br />
einer abgebrannten Leiche erspart.<br />
Expertenwissen gefragt<br />
Begleiten die weich gezeichneten TV-<br />
Ermittler ihre Mordfälle von A bis Z, also<br />
vom Auffinden der Opfer bis zum Ziel, der<br />
Verhaftung der Mörder, so sieht die Realität<br />
ganz anders aus. Ranningers Mitar-<br />
beiter haben unterschiedliche Jobdescriptions:<br />
Dazu zählen Chemiker und Biologen,<br />
Physiker und Mediziner, Psychologen<br />
und IT-Experten. Teile dieses Teams<br />
untersuchten die handgeschriebenen<br />
Baupläne von Franz Fuchs´ Briefbom-<br />
ben auf Hinweise nach Komplizen, die<br />
anderen durchforsteten das Kellerverlies<br />
von Natascha Kampusch nach DNA-<br />
Resten von Mitwissern. Generalisten<br />
wären hier fehl am Platz. Expertenwissen<br />
ist gefragt.<br />
„CSI Miami hat nicht unbedingt viel<br />
mit der Wirklichkeit zu tun“, weiß auch<br />
Chefinspektor Friedrich Unger, Leiter der<br />
Tatortgruppe 2 in der Wiener Kriminaldirektion<br />
3. „Aber sie verhelfen dem Laien<br />
zu einem breiten Bild unserer Arbeit.“<br />
Die Detailtreue der TV-Serien macht die<br />
Spurenlage für Kriminalisten allerdings<br />
manchmal dünn – nämlich dann, wenn<br />
Täter die Sendungen als „Lehrfilme“ für<br />
die Vermeidung von Spuren betrachten.<br />
Tatsächlich sind die Beamten bereits an<br />
Tatorten gewesen, wo sie den Eindruck<br />
hatten, dass hinter der Spurenbeseitigung<br />
durch die Täter reichlich Spezialwissen<br />
steckt. Und dennoch: Es ist unmöglich<br />
einen Tatort ohne Spur zu verlassen. Das<br />
perfekte Verbrechen ist durch Forensik<br />
und die moderne Kriminaltechnik mittlerweile<br />
wie der Beginn und das Ende<br />
eines Regenbogens – kaum auffindbar.<br />
„Der Täter muss nur einmal unabsichtlich<br />
niesen und schon haben wir einen handfesten<br />
Hinweis“, sagt Raninger.<br />
Jeder Tatort erzählt eine Geschichte<br />
Kriminalpsychologe Thomas Müller<br />
gehört zu den Stars der internationalen<br />
Profiler-Szene. Sein Statement zur<br />
Tatortanalyse: „Diese Methode versucht<br />
zunächst, das Gesamtverhalten aufzudröseln,<br />
einem Schiffstau gleich, um schlussendlich<br />
die einzelnen kleinen Fasern zu<br />
erhalten, die in ihrer Gesamtheit das Verbrechen<br />
charakterisieren.“<br />
Konzentriertes Arbeiten hat in jedem<br />
Kriminalfall oberste Priorität. Unger<br />
betont, wie wichtig es sei, den Tatsachen<br />
mit Ruhe ins Auge zu blicken: Liebe zum<br />
Detail und starke Nerven seien die notwendige<br />
Grundlage. „Ich lasse den Tatort<br />
auf mich wirken, versuche meine Antennen<br />
aufmerksam aufzustellen und möglichst<br />
alles in mich aufzunehmen.“ <br />
Schwerpunkt<br />
Öffentliche Sicherheit<br />
Friedrich Unger,<br />
Wiener Kriminaldirektion<br />
„CSI hat nicht viel<br />
mit der Wirklichkeit<br />
zu tun.“<br />
Jänner/Februar 10 2