Republik 1
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immer Zeit. Daher „wird es beim EU-Parlament<br />
sicher einen Lernprozess geben“,<br />
sagt Mandl. Auch der Nationalrat habe<br />
noch in den 1990er Jahren einsehen müssen,<br />
dass er Mandate für österreichische<br />
Minister, die auf EU-Ebene verhandeln,<br />
nicht zu eng fassen dürfe. Denn das könne<br />
die eigenen Interessen konterkarieren.<br />
Weniger „emotionale Kritik“<br />
„Wir werden mehr zu tun haben, müssen<br />
seriöser werden und nicht nur emotional<br />
kritisieren“, umreißt Swoboda die<br />
mit der Kompetenz gestiegene Verantwortung<br />
des EU-Parlaments. Das betrifft auch<br />
den größeren Einfluss auf das Budget, der<br />
sich vor allem durch ein gestärktes Mitentscheidungsrecht<br />
bei der Erstellung der<br />
jährlichen Budgets und die neue Zuständigkeit<br />
für den mit gut 50 Mrd. Euro pro<br />
Jahr größten Posten der Agrarförderungen<br />
manifestiert.<br />
Diplomaten, die nicht namentlich<br />
genannt werden wollen, halten diesen<br />
Punkt im Lissabonner Vertrag für eine<br />
Fehlentwicklung: Es sei absurd, dass die<br />
Mitgliedstaaten weiterhin für die Einnahmen,<br />
das EU-Parlament aber für die Ausgaben<br />
zuständig sei, monieren sie. Und<br />
bisher stets gescheiterte Überlegungen<br />
für eine etwaige neue Eigenmittelquelle –<br />
Stichwort „EU-Steuer“ – sollen frühestens<br />
im Laufe des Februars erst einmal in einer<br />
Mitteilung der Kommission erläutert werden.<br />
Also in einem unverbindlichen Strategiepapier.<br />
Gelbe Karte<br />
Für den Nationalrat bedeute die neue<br />
EU-Rechtsgrundlage eine „komplette<br />
Umstellung“, sagt WKO-Mann Mandl.<br />
Denn die nationalen Parlamente dürfen<br />
künftig eine so genannte Subsidiaritäts-<br />
prüfung von EU-Gesetzesprojekten durchführen.<br />
Fallen diese nicht in die Kompetenz<br />
der Union sondern vielmehr der<br />
Nationalstaaten oder gar Bundesländer,<br />
kann der Kommission innerhalb von acht<br />
Wochen eine Rüge erteilt werden. Diese<br />
ist allgemein als „Gelbe Karte“ bekannt,<br />
kann aber von Brüssel nur durch eine<br />
umfangreiche Begründung entkräftet<br />
werden. Für die Rüge muss sich ein Drittel<br />
der Parlamente zusammenschließen.<br />
Jedes einzelne kann bei Verdacht auf Verstoß<br />
gegen das Subsidiaritätsprinzip aber<br />
auch vor dem Europäischen Gerichtshof<br />
(EuGH) klagen.<br />
Dafür sei künftig eine systematische<br />
Prüfung der EU-Vorschläge innerhalb des<br />
vorgegebenen Zeitraums notwendig, so<br />
Mandl. Die Folge sei, dass sich der Nationalrat<br />
schon im Frühstadium mit EU-<br />
Gesetzesprojekten befassen müsse. Das<br />
fördere die Expertise und das Verständnis<br />
bei den Abgeordneten, die sich bisher oft<br />
erst mit der Umsetzung der EU-Vorgaben<br />
in nationales Recht beschäftigt hätten. „Die<br />
Ausrede, davon nichts gewusst zu haben,<br />
geht dann nicht mehr.“ Die WKO erwarte<br />
im Übrigen, wie auch Gewerkschaft,<br />
Arbeiter- und Landwirtschaftskammer, in<br />
die Subsidiaritätsprüfung einbezogen zu<br />
werden.<br />
Die bisherige Praxis des EU-Unterausschusses<br />
im Nationalrat und des EU-Ausschusses<br />
im Bundesrat bezeichnet Mandl<br />
bloß als „Testlauf“. Die neue Subsidiaritätsprüfung<br />
werde daher wohl nicht so<br />
rasch genutzt, weil noch nicht klar sei,<br />
wie sie funktionieren soll. Auch Swoboda<br />
hält sie für einen „langwierigen Prozess“.<br />
Er hofft jedoch, dass ihre schiere Existenz<br />
die Kommission im Vorfeld vorsichtiger<br />
sein und manche Vorschläge verwerfen<br />
lassen könnte.<br />
Thema<br />
Europäische Union<br />
„Der Nationalrat<br />
muss sich frühzeitig<br />
mit EU-Gesetzes-<br />
projekten befassen.“<br />
Christian Mandl, WKO<br />
Petra Spiola<br />
Jänner/Februar 10 5