Ausgabe herunterladen - Die Wirtschaft - Neue Osnabrücker Zeitung
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DONNERSTAG,21. FEBRUAR2013<br />
LEBEN&LEIDENSCHAFT<br />
Wieaus einer<br />
Architekturzeitschrift:<br />
<strong>Die</strong> neue Service- und<br />
Informationszentrale der<br />
Hochschuleauf dem<br />
CampusWesterberg.<br />
VON CHRISTOPH<br />
LÜTZENKIRCHEN<br />
LINGEN/OSNABRÜCK. Im Wettbewerb<br />
derHochschulen um die<br />
besten Köpfeentscheidet nicht<br />
selten dererste Eindruck.Stimmt<br />
das Ambiente aufdem Campus?<br />
BeiStudierendenund Lehrenden,<br />
dieeineinspirierende Umgebung<br />
schätzen,hat die Hochschule<br />
Osnabrückmit ihren neuen, architektonischreizvollenGebäudenguteChancen.Sie<br />
istdie am<br />
modernsten gestaltete Hochschule<br />
Niedersachsens.<br />
Lingen hat ein neues Herz. Fast 100<br />
Jahre lang gab das riesige Eisenbahnausbesserungswerk<br />
der Stadt<br />
ihren Lebensrhythmus vor. In seiner<br />
historischen Hülle residiert nun<br />
eine Denkfabrik. Gesamtkosten: 33<br />
Millionen Euro. Nach dem Hausin-Haus-Prinzip<br />
entstanden in den<br />
200 Meter langen Hallen Iund II<br />
Institute für bis zu2000 Studenten.<br />
Der „Campus Lingen“ der Hochschule<br />
Osnabrück mit 8000 Quadratmeter<br />
Hauptnutzfläche ist ein<br />
Leuchtturmprojekt in der niedersächsischen<br />
Bildungslandschaft.<br />
Sehen lassen können sich auch<br />
die neuen Hochschulgebäude inOsnabrück.<br />
Insgesamt 70 Millionen investiert<br />
das Land Niedersachsen<br />
dort. Jüngst eröffnet: die neue Mensa<br />
auf dem Campus Westerberg.<br />
Tausend Sitzplätze bietet sie in ihren<br />
beiden Speisesälen –inder al-<br />
ten Mensa fanden lediglich 400 Studenten<br />
Platz. Trotz seiner Größe<br />
wirkt der neue Bau nicht massig<br />
oder überladen. Das verhindern die<br />
behutsamen Unterbrechungen der<br />
Hauptkonturen und die hohen<br />
Fensterfronten. „<strong>Die</strong>ses Haus fügt<br />
sich ein, es spielt sich nicht auf“,<br />
sagte Architekt Heinrich Eustrup<br />
vom Planungsbüro Rohling pbr bei<br />
der Eröffnung imDezember.<br />
Bald schon könnte ein weiteres<br />
Gebäude der Mensa die Schau stehlen.<br />
Inunmittelbarer Nachbarschaft<br />
entsteht derzeit ein Bibliotheksund<br />
Lehrgebäude mit acht großen<br />
und zwei Dutzend mittleren Hörsälen<br />
und Seminarräumen. Ab dem<br />
Sommersemester sollen Ingenieurwissenschaftler,<br />
Informatiker, Wirt-<br />
Altund neu<br />
trefflichverbunden:<br />
Gebäude aufdem<br />
Campus Westerberg,<br />
Fachbereich<br />
Technische Informatik.<br />
Osnabrück:<br />
<strong>Die</strong> neue<br />
Mensa<br />
als Highlight.<br />
Rau um<br />
zum De enken<br />
Künftige Fach- und Führungskräfte F<br />
der<br />
<strong>Wirtschaft</strong> studieren andennWissenschaftsstandorten<br />
Osnabrück und Lingen im Moddernsten,<br />
was Niedersachsens<br />
Hochschularchitekttur<br />
zu bieten hat<br />
Alte Hülle, neue Nutzung: EinästhetischperfektesBild zeigtder Blickindas ausgebaute alte Eisenbahnausbesserungswerk in LLingen.<br />
Fotos:BettinaMeckel,Aileen Rogge(HochschuleOsnabrück), UweLewandowski<br />
schafts- und Sozialwissenschaftler<br />
dort Lehrveranstaltungen besuchen.<br />
Zur Perfektion gebracht haben<br />
die Architekten das Spiel von Alt<br />
und Neu aber im Lingener Bahnausbesserungswerk.<br />
Wer durch einen<br />
der beiden Haupteingänge an<br />
den Giebelseiten im Norden und<br />
Süden eintritt, wähnt sich zunächst<br />
unter einem großen Torbogen. In<br />
fünf Meter Höhe ruhen auf schmalen<br />
Betonriegeln zwei „Kopfbauten“<br />
mit dem Lesesaal der Bibliothek<br />
und Hörsälen. Wenige Schritte weiter,<br />
und der Raum zeigt seine imposante<br />
Größe. Sie zieht den Besucher<br />
hinaus in die helle Weite der fast 15<br />
Meter hohen Halle. Das filigrane<br />
Stahlständerwerk des alten Eisenbahnwerks<br />
baut sich rhythmisch<br />
vom Boden her auf. Massive Träger<br />
und Versteifungen in der ersten<br />
Ebene, schmalere Streben nach<br />
oben hin. Mächtige, schmutziggelbe<br />
Krananlagen sind erhalten geblieben.<br />
Mit ihnen wurden einst tonnenschwere<br />
Dampfloks angehoben.<br />
„Ausgemustert“ steht auf einem der<br />
Kräne; dabei sieht es so aus, als<br />
könnten sich die historischen<br />
Schwerarbeiter gleich wieder ans<br />
Werk machen.<br />
Erst auf den zweiten Blick fallen<br />
die Gebäude des Campus imlinken<br />
und rechten Schiff der Hallen ins<br />
Auge. Jevier stehen dort inReihe.<br />
Wie zurückhaltende Zaungäste wirken<br />
sie und offenbaren ihre Qualitäten<br />
erst bei genauerem Hinschauen.<br />
Damit ist es den <strong>Osnabrücker</strong> Ar-<br />
chitekten Afra Creutz und Werner<br />
Hülsmeier aus dem Büro Plan Concept<br />
gelungen, die Vorgaben des<br />
Denkmalschutzes zu erfüllen: Der<br />
eigentümliche Charakter der Werkhallen<br />
sollte erhalten bleiben. <strong>Die</strong><br />
neue Architektur soll nicht übertönen<br />
und verdrängen, sondern ein<br />
interessantes Spannungsfeld aufbauen.<br />
Zwischen dem rostbraunen<br />
Fachwerk der Stahlkonstruktionen<br />
und den kubisch, klar strukturierten<br />
Fassaden der Campusbauten<br />
entsteht ein reizvoller Kontrast.<br />
Trotz ihrer Strenge spielen die Neubauten<br />
subtil mit unregelmäßigen,<br />
fast chaotischen Strukturen. Besonders<br />
bei der Anordnung von Fenstern<br />
und Türen haben die <strong>Osnabrücker</strong><br />
Planer ihrer Spielfreude freien<br />
Lauf gelassen. Immer neue Variationen<br />
gibt eszuentdecken.<br />
<strong>Die</strong> Architekten haben ihre Mittel<br />
sparsam, aber mit Bedacht eingesetzt.<br />
<strong>Die</strong> Institutsgebäude tragen<br />
einheitlich einen schlichten Putz in<br />
leicht abgetöntem Weiß. In warmem<br />
Rot sind die Eingänge zuden<br />
Gebäuden ausgeführt. Alle Fenster<br />
sind mit Holzrahmen versehen. Zusammen<br />
mit den einzeln und unregelmäßig<br />
in die Freiflächen gesetzten<br />
Magnolienbäumen kontrastiert<br />
hier Organisches mit dem kühlen<br />
Industrieensemble.<br />
Und die Innenräume? Angesichts<br />
des Understatements der kompakten<br />
Bauten überraschen sie. Wer<br />
eintritt, gelangt in ein lichtdurchströmtes,<br />
verglastes Atrium. De-<br />
Lichtdurchflutet: Groß-<br />
zügigerEingangs- und<br />
Aufenthaltsbereich des<br />
Bibliotheks- und Hörsaal-<br />
gebäudes der Hochschu-<br />
le in Osnabrück-Haste.<br />
Lingen: Ein<br />
Ensemble<br />
in schlichter<br />
Formensprache.<br />
ckenhohe schmale Fenster sorgen<br />
dafür, dass das Licht bis indie einzelnen<br />
Räume gelangt. <strong>Die</strong> Glaslamellen<br />
im Dach sehen nicht nur attraktiv<br />
aus, sie erfüllen auch eine<br />
wichtige Funktion als Rauchabzug.<br />
Mindestens die Hälfte des jährlichen<br />
Wärme- und Kältebedarfs will<br />
man über 43 Bohrungen decken, die<br />
99 Meter tief inden Boden reichen.<br />
Jedes Gebäude verfügt über eine eigene<br />
Lüftungsanlage mit Wärmetauscher.<br />
Frischluft wird von außen<br />
angesaugt, die Institute sind unabhängig<br />
von der Hallenlüftung. Simulationsberechnungen<br />
haben ergeben,<br />
dass die Hallen äußere Einflüsse<br />
abdämpfen. Im Winter sollen<br />
sie frostfrei bleiben, im Sommer eine<br />
Weile Schutz vor großer Hitze<br />
29<br />
LEBEN&LEIDENSCHAFT<br />
bieten. Viel Einfallsreichtum war<br />
bei der Beleuchtung gefragt. Sie<br />
sollte die Stahlkonstruktion hervorheben,<br />
keine Blendungen innerhalb<br />
der Gebäude verursachen und die<br />
Verkehrswege ausleuchten. <strong>Die</strong> Architekten<br />
fanden eine wirkungsvolle<br />
und gleichzeitig kostengünstige<br />
Lösung: Als horizontale architektonische<br />
Beleuchtung installierten sie<br />
ein durchgehendes Lichtband auf<br />
der ersten Ebene des Stahltragwerks.<br />
Zusätzliche Strahler auf den<br />
Instituten werfen ihr Licht auf helle<br />
Bimsplatten im Dach. So werden<br />
auch die Räume zwischen den Gebäuden<br />
beleuchtet. Der Hallenraum<br />
bleibt wahrnehmbar. Als unterste<br />
Lichtebene dient die Ausleuchtung<br />
der roten Eingangsportale; sie wird<br />
Mensachic 2013:<br />
Detailaufnahmedes<br />
neuenMensagebäudes<br />
desStudentenwerks<br />
Osnabrück aufdem<br />
CampusWesterberg.<br />
nachts nicht abgeschaltet und<br />
schafft eine ruhige, warme Atmosphäre<br />
im Campus. Das Beleuchtungskonzept<br />
findet imInneren der<br />
Gebäude seine Fortsetzung. Lichtbänder<br />
in den Decken ergänzen das<br />
Tageslicht inden Atrien.<br />
In Lingen ist ein Ensemble entstanden,<br />
dessen zurückhaltende,<br />
schlichte Formensprache wirksam<br />
mit dem mächtigen Industriebau<br />
von 1919 kontrastiert. Bis inDetails<br />
haben die Architekten ihre Gestaltungslinie<br />
durchgehalten. <strong>Die</strong> frei<br />
gestellte Passage dient als zentrale<br />
Begegnungsfläche und als Veranstaltungsort.<br />
Kleinere Freiräume<br />
zwischen den Gebäuden haben intimeren<br />
Charakter, hier laden fest installierte<br />
Bänke zum Verweilen ein.