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Unterrichtsmaterial für die Tour de Müll (pdf, 2.5

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Station 1<br />

Bremer Meilensteine Sortierbetriebe <strong>de</strong>r Abfallgeschichte<br />

Infoblatt 1<br />

Abfall- und Abwasserentsorgung sind in <strong>de</strong>r Gegenwart<br />

durch <strong>die</strong> Bremer Entsorgungsbetriebe und hanse-<br />

Wasser bestens geregelt. Zwei unabhängige Einrichtungen<br />

garantieren heute <strong>de</strong>n hohen Stand <strong>de</strong>r Entsorgungstechnik.<br />

In <strong>de</strong>r mittelalterlichen Stadt und noch Jahrhun<strong>de</strong>rte<br />

später gab es nur ein Entsorgungssystem und<br />

es bedurfte vieler Entwicklungsschritte bis zum Erreichen<br />

<strong>de</strong>s heutigen Niveaus. An einigen zentralen Meilensteinen<br />

lässt sich <strong>die</strong> Entwicklung <strong>de</strong>r bremischen Abfallwirtschaft<br />

festmachen.<br />

Noch bis in <strong>die</strong> Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts trug <strong>die</strong><br />

bremische Städtereinigung mittelalterliche Züge. Bauern<br />

aus <strong>de</strong>r Umgebung waren <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung zuständig.<br />

<strong>Müll</strong>eimer, wie man sie heute kennt, gab es nicht. In <strong>de</strong>n<br />

meisten Fällen lan<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r „Unrath“, wie man <strong>de</strong>n Abfall<br />

damals nannte, in offenen hölzernen Eimern, <strong>die</strong> dann<br />

abends vor <strong>de</strong>n Häusern abgestellt wur<strong>de</strong>n. Da es zu <strong>de</strong>r<br />

Zeit auch noch keine Stadtentwässerung gab, kamen<br />

sämtliche Haushaltsabfälle in <strong>die</strong>se Eimer: Fäkalien, Ofenasche,<br />

Küchenreste. Dazu kam <strong>de</strong>r Straßenkehricht, <strong>de</strong>n<br />

je<strong>de</strong>r Bürger vor seinem Haus zusammenzufegen hatte<br />

und <strong>de</strong>r zu einem großen Teil aus Pfer<strong>de</strong>kot bestand.<br />

Pfer<strong>de</strong> waren nun mal jahrhun<strong>de</strong>rtelang <strong>die</strong> Säulen <strong>de</strong>s<br />

städtischen Transportsystems. Zeitgenossen berichten,<br />

dass <strong>die</strong> Abfuhr <strong>de</strong>r Eimer durch <strong>die</strong> Bauern mehr<br />

schlecht als recht funktionierte. Kurzum: Es muss in <strong>de</strong>r<br />

Stadt bestialisch gestunken haben und <strong>die</strong> hygienischen<br />

Verhältnisse waren problematisch.<br />

Die Klagen häuften sich und <strong>die</strong> Stadt war zum Han<strong>de</strong>ln<br />

gezwungen. Ein erster Meilenstein war <strong>die</strong> Bestellung<br />

eines Generalunternehmers <strong>für</strong> Stadtreinigung und<br />

Abfuhr. Damit war <strong>de</strong>r Grundstein <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgerkarriere<br />

von Heinrich Alfes, <strong>de</strong>r später unter <strong>de</strong>r volkstümlichen<br />

Bezeichnung „Schieten-Alfes“ berühmt und<br />

reich wur<strong>de</strong>, gelegt. Alfes war ein kluger Organisator, <strong>de</strong>r<br />

ein ausgeklügeltes System aus Pfer<strong>de</strong>n, Gespannen,<br />

Kutschern und Hilfskräften aufbaute. Einen Teil <strong>de</strong>r Aufgaben<br />

<strong>de</strong>legierte er an <strong>die</strong> bisherigen bäuerlichen<br />

Pächter als Subunternehmer. Für seinen Aufwand bei <strong>de</strong>r<br />

Gassenreinigung erhielt Alfes das Monopol <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Leerung <strong>de</strong>r ungefähr 4000 Latrinen aus <strong>de</strong>n wohlhaben<strong>de</strong>n<br />

Haushalten. Heute rümpft man <strong>die</strong> Nase. Aber <strong>die</strong><br />

Holzlatrine hinterm Haus war ein kleiner Gewinn an<br />

Lebensqualität. Kein Bauer durfte fortan <strong>die</strong>sen Dünger<br />

abholen. An <strong>de</strong>r Entsorgung ver<strong>die</strong>nte nun allein Alfes.<br />

Die Verträge mit ihm wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Folgezeit mehrmals<br />

verlängert. Bürger und Senat waren mit <strong>de</strong>m neuen<br />

System zunächst zufrie<strong>de</strong>n.<br />

Mit <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r bürgerlichen Gesellschaft<br />

entstan<strong>de</strong>n neue Lebensstile, Moral- und Wertvorstellungen.<br />

Dieser Wan<strong>de</strong>l verlangte nach grundsätzlichen<br />

Neuorientierungen. Die Bürger waren nicht mehr bereit,<br />

<strong>die</strong> Straßen zu kehren und <strong>die</strong> sanitären Verhältnisse<br />

wur<strong>de</strong>n als unzumutbar empfun<strong>de</strong>n. Zusätzliche Argumente<br />

kamen von <strong>de</strong>n Medizinern, <strong>die</strong> nach und nach<br />

<strong>de</strong>n Zusammenhang zwischen Stadthygiene und Gesundheit<br />

erkannten. Die Eimer stellten zwar ein Ärgernis<br />

dar. Am gefährlichsten waren aber <strong>die</strong> Latrinengruben,<br />

weil sie das Grundwasser und damit <strong>die</strong> Trinkwasserversorgung<br />

gefähr<strong>de</strong>ten. Bis es zu durchgreifen<strong>de</strong>n<br />

Lösungen kam, vergingen noch viele Jahre mit heftigen<br />

Debatten und Fehlschlägen. Obwohl einige Städte in<br />

<strong>die</strong>ser Zeit mit <strong>de</strong>m Bau von Schwemmkanalisationen<br />

begannen und dabei gute Erfahrungen machten, wagten<br />

<strong>die</strong> Bremer <strong>die</strong>sen Schritt noch nicht. Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r<br />

Diskussion stan<strong>de</strong>n hier <strong>die</strong> Investitionen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Kanalbau<br />

und <strong>die</strong> privaten Folgekosten. Statt eines großen<br />

Schrittes nach vorn, investierte man hier in <strong>die</strong> Optimierung<br />

<strong>de</strong>s alten Systems und führte <strong>die</strong> angeblich<br />

Schon 1854 machte <strong>die</strong> Satirezeitschrift „Klad<strong>de</strong>radatsch“ <strong>de</strong>n stinken<strong>de</strong>n Bremer „Unrath-Eimer“ zum Thema und überliefert auf <strong>die</strong>se<br />

Weise ein eindrucksvolles Alltagsbild jener Zeiten.<br />

geruchslose Fäkalientonne ein. Damit erhielten <strong>die</strong><br />

Bremer ihr erstes <strong>Müll</strong>trennungssystem. Die Fäkalien<br />

kamen in <strong>die</strong> Tonne, <strong>de</strong>r übrige Restmüll lan<strong>de</strong>te weiter<br />

im Eimer. Ein echter Fortschritt war <strong>die</strong>s jedoch nicht.<br />

Organisiert wur<strong>de</strong> das neue System wie<strong>de</strong>r von<br />

Heinrich Alfes. Die Tonnen und ihr Abtransport mit eigens<br />

da<strong>für</strong> konstruierten Wagen stellten letztlich doch keine<br />

Lösung dar. Wohin mit <strong>de</strong>n Inhalten? Die Stadt wuchs<br />

sprunghaft und ein mittelalterliches Entsorgungssystem<br />

war nicht mehr zeitgemäß. Die Weiterverarbeitung zu<br />

Dünger in <strong>de</strong>r so genannten Poudrette-Fabrik erzeugte<br />

Herausgeber:<br />

Umweltbetrieb Bremen, Eigenbetrieb <strong>de</strong>r Stadtgemein<strong>de</strong> Bremen, Willy-Brand-Platz 7, 28215 Bremen<br />

Im Auftrag <strong>de</strong>s Senators <strong>für</strong> Umwelt, Bau, Verkehr und Europa<br />

<strong>Tour</strong> <strong>de</strong> <strong>Müll</strong><br />

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