05.03.2013 Aufrufe

Unterrichtsmaterial für die Tour de Müll (pdf, 2.5

Unterrichtsmaterial für die Tour de Müll (pdf, 2.5

Unterrichtsmaterial für die Tour de Müll (pdf, 2.5

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ein neues Zeitalter <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Abfallwirtschaft<br />

Arbeitsblatt 11, Sek I<br />

VON JOACHIM WILLE (FRANKFURT A. M.)<br />

"Guck nur", sagt Achmed Günay, "was wie<strong>de</strong>r alles<br />

drin ist." Ein altes Kofferradio purzelt aus <strong>de</strong>r Trommel<br />

seines <strong>Müll</strong>autos heraus, garniert mit Kartoffelschalen<br />

und einer aufgerissenen Win<strong>de</strong>l. Tüten aus Plastik mit<br />

un<strong>de</strong>finierbarem Inhalt, ein Kunststoff-Kanister, ein<br />

leerer Apfelsaft-Karton mit <strong>de</strong>m grünen Punkt drauf.<br />

Rasenschnitt, ein zerknautschter Joghurtbecher und<br />

Zeitungspapier. Günay springt hinauf in <strong>de</strong>n Führerstand<br />

seines <strong>Müll</strong>-Lkw. "Ich muss ihn ein bisschen vorziehen",<br />

sagt er. "Da kommt noch mehr." Der Frankfurter<br />

<strong>Müll</strong>fahrer gibt Gas, <strong>die</strong> Trommel rotiert, und <strong>de</strong>r Berg<br />

hinter seinem Lkw wird größer und größer. Zehn Tonnen<br />

hat er dabei, aus einer Hochhaus-Siedlung. Da, sagt er<br />

aus Erfahrung, muss man auf alles gefasst sein. Auch mal<br />

eine alte Autobatterie, mal ein halbvoller Farbeimer,<br />

dazwischen organisches Material, zumeist Küchenabfälle<br />

- stinkend, halb verrottet. Szenen, wie <strong>die</strong>se auf <strong>de</strong>r<br />

Deponie Wicker, auf halber Strecke zwischen Frankfurt<br />

und <strong>de</strong>r hessischen Lan<strong>de</strong>shauptstadt Wiesba<strong>de</strong>n gelegen,<br />

wird es vom 1. Juni an nicht mehr geben.<br />

Grund <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Deponiestopp ist ein harmlos klingen<strong>de</strong>s<br />

Behör<strong>de</strong>nkürzel, das es in sich hat: "Tasi". Es steht <strong>für</strong><br />

"Technische Anleitung Siedlungsabfall", stammt noch aus<br />

Zeiten <strong>de</strong>s vielgerühmten Bun<strong>de</strong>sumweltministers Klaus<br />

Töpfer (CDU) und verkün<strong>de</strong>te bereits 1983 - also vor vollen<br />

22 Jahren - das endgültige Aus <strong>für</strong> das ökologisch unhaltbare<br />

Ex-und-Hopp-Verfahren per Stichtag 1. Juni 2005.<br />

Nicht gera<strong>de</strong> kurzfristig, könnte man meinen. Trotz<strong>de</strong>m<br />

ist knapp vor <strong>de</strong>r Deadline vielerorts in <strong>de</strong>r Republik<br />

enorme Hektik ausgebrochen. Haushalte und Gewerbebetriebe<br />

produzieren jährlich rund 23,5 Millionen Tonnen<br />

Restmüll. Vom 1. Juni an darf <strong>die</strong>ser nach <strong>de</strong>n Vorschriften<br />

<strong>de</strong>r Technischen Anleitung Siedlungsabfall (Tasi) nicht<br />

mehr unbehan<strong>de</strong>lt auf Deponien gekippt wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Vorbehandlung geschieht dann entwe<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n<br />

75 <strong>Müll</strong>verbrennungsanlagen o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n 50<br />

neuen mechanisch-biologischen Anlagen (MBA). Die<br />

Kapazitäten reichen laut einer Stu<strong>die</strong> <strong>de</strong>s Marktforschungsinstitut<br />

Prognos nur <strong>für</strong> 22,3 Millionen Tonnen,<br />

das sind 1,2 Millionen weniger als nötig. Viele <strong>de</strong>r rund<br />

170 Deponiebetreiber haben allerdings bei <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn<br />

Ausnahmegenehmigungen beantragt, um doch weiter<br />

<strong>Müll</strong> annehmen zu können. Erlaubt ist <strong>die</strong> "Zwischenlagerung"<br />

laut Tasi aber nur <strong>für</strong> maximal ein Jahr. Spätestens<br />

dann muss <strong>de</strong>r Abfall weiterverarbeitet wer<strong>de</strong>n. Experten<br />

erwarten, dass <strong>die</strong> Hälfte <strong>de</strong>r Deponien in <strong>de</strong>n nächsten<br />

Jahren schließt. Die Gebühren <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Hausmüll dürften<br />

durch <strong>die</strong> Tasi kaum steigen, da <strong>die</strong> meisten Kommunen<br />

<strong>die</strong> Zusatzkosten bereits an <strong>die</strong> Haushalte weitergereicht<br />

haben. Spürbar teurer wird es allerdings <strong>für</strong> viele<br />

Gewerbebetriebe, <strong>die</strong> ihren Abfall bisher oft billig <strong>de</strong>ponieren<br />

konnten.<br />

Kurz hinter <strong>de</strong>m kleinen Ort Singhofen in Rheinland-<br />

Pfalz kann man sehen, wie eine MBA funktioniert. Der<br />

Betriebsleiter erläutert das Prinzip seiner neuen Anlage:<br />

Lkw karren <strong>de</strong>n Restmüll heran, eine Sortieranlage trennt<br />

ihn, und zwar in erstens wie<strong>de</strong>rverwertbare Materialien<br />

wie Metalle und Holz, zweitens <strong>die</strong> "heizwertreiche<br />

Fraktion" (Plastik, Papier, Pappe) - sowie drittens <strong>de</strong>n<br />

gären<strong>de</strong>n Rest. Das Plastik-Zellstoff-Gemisch wird zu "Ersatzbrennstoff"<br />

aufgearbeitet und en<strong>de</strong>t in Kraftwerken<br />

o<strong>de</strong>r Zementöfen. Der Betriebsleiter: "Brennt so gut wie<br />

Erdöl o<strong>de</strong>r Kohle." Der Sortierrest aber, jetzt nur noch<br />

knapp <strong>die</strong> Hälfte <strong>de</strong>r ursprünglichen Tonnage, wan<strong>de</strong>rt<br />

auf einem För<strong>de</strong>rband hinüber zur "Intensivrotte". Rotte,<br />

das liegt nahe, kommt von verrotten. Intensiv-Rotte<br />

be<strong>de</strong>utet: Es geht alles schnell. In <strong>de</strong>r Tat: Die "Rotte" ist<br />

das eigentliche Herzstück <strong>de</strong>r Singhofener Anlage, <strong>die</strong><br />

wie ähnliche <strong>de</strong>rzeit in Deutschland an rund 50 Standorten<br />

gera<strong>de</strong> fertig gebaut o<strong>de</strong>r zum Produktionsstart<br />

am 1. Juni vorbereitet wer<strong>de</strong>n. In Singhofen gibt es<br />

künftig 28 "Rotteboxen" aus Stahlbeton, sie sind zum<br />

Beispiel fünf Meter breit, fünf Meter hoch und 15 Meter<br />

tief. Ein Schaufelbagger kippt <strong>de</strong>n <strong>Müll</strong>rest halbhoch<br />

hinein, <strong>die</strong> Tür geht zu, und <strong>de</strong>r Zersetzungsprozess<br />

beginnt. Bis zu 70 Grad wird <strong>de</strong>r <strong>Müll</strong>mix dabei heiß,<br />

wobei frische Luft unten zugeführt und <strong>die</strong> Faulgase<br />

oben zwecks Verbrennung aufgefangen wer<strong>de</strong>n. Nach<br />

einer Woche ist <strong>de</strong>r <strong>Müll</strong>berg <strong>de</strong>utlich geschrumpft. Doch<br />

<strong>die</strong> dampfen<strong>de</strong> Abfall-Melange wird noch viermal im<br />

Wochenrhythmus herausgeholt, umgesetzt und in eine<br />

neue Box gepackt. Dann schaffen <strong>die</strong> <strong>Müll</strong>werker alles<br />

nach draußen, auf eine abgedichtete Nachrottefläche.<br />

Weitere neun Wochen später folgt <strong>die</strong> Ablagerung auf<br />

einem neuen Abschnitt in <strong>de</strong>r alten Deponie.<br />

Bei Leipzig zum Beispiel wird <strong>de</strong>rzeit <strong>die</strong> größte<br />

<strong>de</strong>utsche MBA fertiggestellt. Kapazität: 300 000 Tonnen<br />

pro Jahr - eine Menge, <strong>für</strong> <strong>die</strong> man früher im Westen <strong>de</strong>r<br />

Republik meist <strong>Müll</strong>verbrennungsanlagen baute. Dass<br />

das MBA-Konzept in <strong>de</strong>n 90er Jahren gegen <strong>de</strong>n erbitterten<br />

Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>r "Feuer-Lobby" entwickelt wur<strong>de</strong>,<br />

spielt heute bei seinen Verfechtern praktisch keine Rolle<br />

mehr. Thomas Grundmann, Chef <strong>de</strong>r MBA-Betreibervereinigung<br />

sagt: "Bei<strong>de</strong>s hat seinen Platz." Da, wo noch<br />

gesicherte Deponieflächen vorhan<strong>de</strong>n sind - meist auf<br />

<strong>de</strong>m Land und schwerpunktmäßig im Osten <strong>de</strong>r Republik<br />

- seien <strong>die</strong> mechanisch-biologischen Anlagen das<br />

Richtige. Ansonsten halt <strong>die</strong> <strong>Müll</strong>öfen.<br />

Quelle: Frankfurter Rundschau 25.5.2005<br />

Fragen:<br />

1. Warum hat am 1. Juni 2005 ein neues Zeitalter<br />

in <strong>de</strong>r Abfallwirtschaft begonnen?<br />

2. Wie ist das Funktionsprinzip einer Mechanisch-<br />

Biologischen Anlage (MBA)?<br />

3. Diskutiert <strong>die</strong> Vor- und Nachteile bei<strong>de</strong>r<br />

Verfahren.<br />

Herausgeber:<br />

Umweltbetrieb Bremen, Eigenbetrieb <strong>de</strong>r Stadtgemein<strong>de</strong> Bremen, Willy-Brand-Platz 7, 28215 Bremen<br />

Im Auftrag <strong>de</strong>s Senators <strong>für</strong> Umwelt, Bau, Verkehr und Europa<br />

<strong>Tour</strong> <strong>de</strong> <strong>Müll</strong><br />

33

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!