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284<br />

BERNHARD JUSSEN<br />

mittelalter agnatisch ersche<strong>in</strong>en. 32) Bei den von Jack Goody angeregten Forschungen<br />

stehen eher die praktischen Operationen <strong>der</strong> <strong>Verwandtschaft</strong> im Vor<strong>der</strong>grund, wie Besitztransmissionen<br />

und Heiratsstrategien. Aus dieser Sicht wirkt <strong>Verwandtschaft</strong> bilateral.<br />

Zweifellos, sobald man nicht auf die Generalisierungsversuche <strong>in</strong> den Synthesen<br />

sieht, son<strong>der</strong>n auf die Details, die Nebensätze und die konkreten Forschungsdiskussionen,<br />

werden die Differenzen viel kle<strong>in</strong>er. Aber Details und <strong>in</strong>dividuelle Nuancierungen<br />

s<strong>in</strong>d nur so nützlich wie ihr E<strong>in</strong>bau <strong>in</strong> größere Argumente. Insofern ist es entscheidend,<br />

wie die Details unter Leitfragen subsumiert und zu Gesamtbil<strong>der</strong>n zusammengefügt<br />

werden.<br />

Forschungskulturen und -traditionen<br />

Entscheidend für die unterschiedliche wissenschaftliche Entwicklung waren, das dürfte<br />

schon deutlich geworden se<strong>in</strong>, unterschiedliche Forschungskulturen und unterschiedliche<br />

Forschungstraditionen:<br />

(1) Außerhalb Deutschlands mußte man sich nicht mit e<strong>in</strong>er verfassungsgeschichtlichen<br />

Tradition ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen, <strong>als</strong>o nicht so viel Energie <strong>in</strong> die Diskussion um die<br />

Struktur <strong>der</strong> Sippen <strong>in</strong>vestieren. In Deutschland hat die Mediävistengeneration, die sich<br />

gegen die Tradition <strong>der</strong> Verfassungsgeschichte gestemmt hat, diese Tradition augensche<strong>in</strong>lich<br />

<strong>als</strong> e<strong>in</strong>e Art dauerpräsenten Gegner zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong>sofern weitergeschleppt, <strong>als</strong><br />

die Aufmerksamkeit <strong>in</strong>tensiv von manchen <strong>in</strong>ternationalen Diskussionen abgezogen<br />

wurde. (2) Die meisten deutschen Mediävisten haben <strong>in</strong> den 1980er und 1990er Jahren<br />

e<strong>in</strong>en methodologischen Grundwortschatz gepflegt, <strong>der</strong> sich von dem <strong>der</strong> franko- und<br />

anglophonen Forschung deutlich unterschieden hat. Während dort Vertreter <strong>der</strong> Gegenwartssoziologie<br />

ihre – zum<strong>in</strong>dest term<strong>in</strong>ologischen – Spuren h<strong>in</strong>terlassen haben (Diskurs,<br />

Habitus, Praktiken, Feld, symbolisches Kapital usw.), hat jene deutsche Mediävistik,<br />

<strong>der</strong>en Synthesen gegenwärtig gültig s<strong>in</strong>d, eher auf die kulturwissenschaftlichen Klassiker<br />

aus <strong>der</strong> ersten Jahrhun<strong>der</strong>thälfte rekurriert. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>art unterschiedliche konzeptuelle<br />

Verankerungen mußte wohl, selbst wenn die empirischen E<strong>in</strong>sichten oft ähnlich s<strong>in</strong>d, zu<br />

deutlich verschiedenen spezifischen Leistungen führen – <strong>in</strong> Deutschland zur gruppensoziologischen<br />

Konzentration auf kontraktuelle mittelalterliche Vergesellschaftungsformen<br />

jenseits <strong>der</strong> <strong>Verwandtschaft</strong>, <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en westlichen Län<strong>der</strong>n eher zu e<strong>in</strong>er<br />

sozial anthropologischen <strong>Verwandtschaft</strong>sforschung.<br />

32) Schon Morsel hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rezension zu Spieß’ Familie und <strong>Verwandtschaft</strong> (<strong>in</strong>: Francia 23<br />

[1996], S. 317–320) darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß Spieß die Praktiken untersucht habe und daß e<strong>in</strong> Blick auf<br />

die diskursive Seite zu an<strong>der</strong>en Ergebnissen geführt hätte.<br />

68715_Umbr_VuF71_neu.<strong>in</strong>dd 284 16.09.09 12:48

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