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288<br />

BERNHARD JUSSEN<br />

Adoption<br />

Die franko- und anglophone Forschung hat unter dem E<strong>in</strong>druck von Goodys Buch manchen<br />

alten Aspekt <strong>der</strong> Verwandtsc haftsforschung <strong>in</strong> neues Licht getaucht. Jack Goody<br />

hatte erklärt, <strong>der</strong> Term<strong>in</strong>us Adoption sei im 6./7. Jahrhun<strong>der</strong>t von <strong>der</strong> Bezeichnung e<strong>in</strong>er<br />

Erbschaftsstrategie zur Bezeichnung e<strong>in</strong>er Glaubensaussage transformiert worden. Was<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Patristik e<strong>in</strong>e Metapher gewesen sei, die adoptio <strong>der</strong> Christen durch Gott, sei im<br />

frühen Mittelalter zur Kernbedeutung geworden, das Symbol zur eigentlichen Realität.<br />

40) Die Erbschaftsstrategie des römischen Rechts sei ersatzlos verschwunden, e<strong>in</strong>e <strong>der</strong><br />

wenigen Möglichkeiten zur Korrektur <strong>der</strong> Biologie sei durch die Kirche beseitigt worden<br />

und erst im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t wie<strong>der</strong> zurückgekehrt. In <strong>der</strong> deutschen Forschung hielt man<br />

dies kaum für e<strong>in</strong>en diskussionswürdigen Befund, was sicher damit zu tun hatte, daß e<strong>in</strong><br />

anthropologischer Fragenhorizont für die Untersuchung von Rechts<strong>in</strong>stituten kaum etabliert<br />

war. 41) In <strong>der</strong> franko- und anglophonen Forschung aber, <strong>in</strong> <strong>der</strong> anthropologische<br />

Kategorien üblich waren, löste die These breite Anstrengungen um das Verständnis <strong>der</strong><br />

Adoption aus. 42) Inzwischen zeichnen sich zwar Modifikationen von Goodys Thesen zur<br />

Adoption ab, 43) aber zurückweisen lassen sie sich für das Mittelalter wohl nicht. Es gibt<br />

im wesentlichen vier Tendenzen, die zusammenzufügen s<strong>in</strong>d:<br />

Erstens konzentrieren sich e<strong>in</strong>ige, zumeist von Rechtshistorikern verfaßte Stud ien<br />

auf Rechts texte und Juristendiskussionen zur Adoption. Ihnen stehen <strong>in</strong> den ersten poströmischen<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ten e<strong>in</strong>e Handvoll verstreuter Rechtstexte zur Verfügung (wie die<br />

Affatomie-Bestimmungen <strong>der</strong> Lex Salica und ähnliches), über die etwa <strong>in</strong> Deutschland<br />

40) Goody, Development (wie Anm. 2), S. 196.<br />

41) Im S<strong>in</strong>ne Goodys: Bernhard Jussen, Patenschaft und Adoption im frühen Mittelalter: Künstliche<br />

<strong>Verwandtschaft</strong> <strong>als</strong> soziale Praxis (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 98),<br />

Gött<strong>in</strong>gen 1991, S. 47–130; daß sich die Perspektiven <strong>in</strong>zwischen än<strong>der</strong>n, zeigt e<strong>in</strong> Vergleich <strong>der</strong> Artikel<br />

zur Adoption <strong>in</strong> den beiden Auflagen des Handwörterbuchs zur deutschen Rechtsgeschichte von 1971<br />

und 2004: Elisabeth Koch, Adoption, <strong>in</strong>: Handwörterbuch <strong>der</strong> deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1, Berl<strong>in</strong><br />

²2004, Sp. 77–81; gegenüber: Wilhelm D. Wackernagel, Adoption, <strong>in</strong>: Handwörterbuch zur deutschen<br />

Rechtsgeschichte, Bd. 1, Berl<strong>in</strong> 1 1971, Sp. 56–58.<br />

42) Vgl. Mireille Corbier, Adoptés et nourris, <strong>in</strong>: Adoption et fosterage, hg. von Ders. (De l’archéologie<br />

à l’histoire), Paris 1999, S. 5–41 (hier e<strong>in</strong>e umfassende Konzeptualisierung des Problems); ferner Agnès<br />

F<strong>in</strong>e, Adoptions: Ethnologie des parentés choisies (Collections Ethnologie de la France 19), Paris 1998;<br />

Dies., Parents de sang, parents adoptifs: approches juridiques et anthropologiques de l’adoption. France,<br />

Europe, USA, Canada (Droit et société 29), Paris 2000; sowie die Titel <strong>der</strong> folgenden Fußnote.<br />

43) Insofern nicht erst seit dem 18., son<strong>der</strong>n schon seit dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t hier und dort e<strong>in</strong>ige wenige<br />

Adoptionspraktiken gefunden werden; Krist<strong>in</strong> Elizabeth Gager, Blood ties and fictive ties. Adoption<br />

and family life <strong>in</strong> early mo<strong>der</strong>n France, Pr<strong>in</strong>ceton, New Jersey 1996; Krist<strong>in</strong> Elisabeth Gager, Women,<br />

Adoption, and Family Life <strong>in</strong> Early Mo<strong>der</strong>n Paris, <strong>in</strong>: Journal for Family History 22 (1997), S. 5–25;<br />

Dies., Adoption Practices <strong>in</strong> Sixteenth- and Seventeenth-Century Paris, <strong>in</strong>: Adoption et fosterage, hg.<br />

von Mireille Corbier (De l’archéologie à l’histoire), Paris 1999, S. 183–198.<br />

68715_Umbr_VuF71_neu.<strong>in</strong>dd 288 16.09.09 12:48

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