Kunqu - Jecklin & Co. AG
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Hintergrund<br />
Musiktheater<br />
aus dem Reich der Mitte<br />
Die laufende Konzertsaison des ZKO steht unter dem Motto «Kontraste»<br />
– und findet mit dem Gastspiel eines chinesischen Opernensembles sowie einer<br />
konzertanten Aufführung von Haydns «l’isola disabitata» Anfang Juni einen<br />
ungewöhnlichen Höhepunkt.<br />
Das ZKO hat sich unter seinem neuen<br />
Chefdirigenten und Künstlerischen leiter<br />
Muhai Tang einiges vorgenommen.<br />
Den Zürchern zum Ausklang der Saison<br />
nun eine chinesische Oper zu präsentieren,<br />
bedarf aber schon einer gehörigen<br />
Portion Mut. Denn obwohl wir uns daran<br />
gewöhnt haben, dass Musiker wie die in<br />
dieser Saison auch beim ZKO gastierenden<br />
Pianisten lang lang und Yundi li<br />
oder der Cellist Jian Wang Spitzenleistungen<br />
auf dem Gebiet der europäischen<br />
Klassik vollbringen, wissen wir in der<br />
Regel herzlich wenig über die Musik im<br />
Reich der Mitte – ein Versäumnis, das es<br />
nach Meinung der ZKO-leitung dringend<br />
nachzuholen gilt.<br />
Und eben dazu gibt die erste schwei-<br />
zerische Aufführung einer chinesischen<br />
<strong>Kunqu</strong>-Oper, die mit ihrer 600-jährigen<br />
Geschichte eine der ältesten heute noch<br />
gepflegten Theaterformen überhaupt<br />
darstellt, am 9. Juni in der Zürcher Tonhalle<br />
Gelegenheit. Bei einem Kinderkonzert<br />
am folgenden Tag können dann die<br />
Jüngsten erste spielerische Erfahrungen<br />
mit der Musik und den Instrumenten<br />
Chinas machen. Und für all jene, die ihre<br />
Kenntnisse der europäischen Oper auffrischen<br />
möchten, um einen direkten<br />
Vergleich mit dem chinesischen Musiktheater<br />
zu wagen, lädt das ZKO am<br />
4<br />
8. Juni zu einer halb-szenischen, von<br />
einem hochkarätigen Sängerensemble<br />
getragenen Aufführung der 1779 entstandenen<br />
Haydn-Oper «l’isola disabitata»<br />
in den grossen Saal der Tonhalle ein.<br />
Es ist also ein breit gefächertes und wirklich<br />
kontrastreiches Programm, mit dem<br />
das ZKO zur Auseinandersetzung mit<br />
der Oper in Ost und West einlädt.<br />
nur keine Berührungsängste!<br />
Als Wanderer zwischen den musikalischen<br />
Welten sieht Muhai Tang dem Zürcher<br />
Gastspiel eines der traditionsreichsten<br />
<strong>Kunqu</strong>-Ensembles aus der im Süd-<br />
osten Chinas gelegenen Provinz Jiangsu<br />
ebenso freudig wie gelassen entgegen.<br />
nur zu gut erinnert er sich nämlich noch<br />
an das «Schockerlebnis», das der Monte-<br />
verdi-Zyklus am Opernhaus Zürich in<br />
den 1970-er-Jahren bei ihm auslöste. «Ich<br />
wollte gar nicht glauben, wie wesensver-<br />
wandt die frühe barocke Oper und unser<br />
traditionelles chinesisches Theater<br />
sind», erläutert der in Schanghai gebore-<br />
ne Dirigent. «Die hochgradig stilisierte<br />
Sprache und Musik der Barockoper, ihr<br />
artifizieller, oft sehr hoher und reich ver-<br />
zierter Gesang, die starken Typisie-<br />
rungen der Figuren sowie die pracht-<br />
vollen Kostüme und Masken, aber auch<br />
die oft in ferner Vergangenheit angesie-<br />
delten, um liebe und Macht kreisenden<br />
Themen oder die Art und Weise, wie eine<br />
Geschichte auf der Bühne in einem eige-<br />
nen Tempo mit Raffungen und Deh-<br />
nungen von Zeitverläufen erzählt wird –<br />
all das sind Elemente, die auch im<br />
chinesischen Theater zu finden sind.»<br />
Am meisten überraschte ihn aber, dass<br />
in der europäischen Oper männliche Figuren<br />
manchmal von Frauen gesungen<br />
werden. «So etwas wie die ‹Hosenrolle›<br />
gibt es im chinesischen Theater nämlich<br />
nicht», erklärt Muhai Tang, «im Gegenteil:<br />
Wie im Drama der griechischen Antike<br />
oder vielen aussereuropäischen<br />
Theaterformen wurden bis ins 20. Jahrhundert<br />
hinein bei uns alle Rollen von<br />
Männern gespielt.» Mittlerweile begegnet<br />
man in der <strong>Kunqu</strong>-Oper aber auch<br />
weiblichen Darstellern, und so glaubt<br />
Muhai Tang fest daran, dass sich die<br />
Zürcher genauso von dem Theater seiner<br />
Heimat begeistern lassen werden wie er<br />
sich seinerzeit von den Bühnenwerken<br />
Monteverdis.<br />
Davon geht im Übrigen auch Chandler<br />
Cudlipp aus. Beim Besuch einer <strong>Kunqu</strong>-<br />
Oper in China hatte der Geschäftsleiter<br />
des Zürcher Kammerorchesters kürzlich<br />
die Möglichkeit, beide Traditionen aus<br />
der anderen Perspektive miteinander zu