Kunqu - Jecklin & Co. AG
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Chinesische Musik<br />
Von Eseln und Beeren<br />
in Ost und West<br />
Obwohl sie auf ähnlichen Prinzipien wie das westliche Tonsystem beruht, klingt<br />
asiatische Musik für unsere Ohren fremd. Warum finden aber gerade Chinesen<br />
scheinbar mühelos Zugang zu europäischer Musik? Mark Schulze Steinen wirft<br />
einen Blick in die chinesische Musikgeschichte …<br />
Wer kennt ihn nicht, den Quintenzirkel,<br />
der Schülern hilft, das europäische Tonartensystem<br />
zu verstehen? «Geh, du alter<br />
Esel …» steht für die ersten Dur-Tonarten,<br />
«Feine Beeren ess und ass ich …» für jene<br />
in Moll.<br />
Mit ähnlichen Eselsbrücken lernen Kin-<br />
der in China die Regeln ihrer etwa 3500<br />
Jahre alten Musik. Denn auch diese basiert<br />
auf der Schichtung von Quintintervallen<br />
und umfasst daher ebenfalls zwölf<br />
verschiedene Töne. Einziger Unterschied:<br />
Während wir Tonleitern aus Halb- und<br />
Ganztönen bilden, halten die Chinesen<br />
an den Quintabständen fest. Deshalb<br />
wird ihre Musik als Pentatonik («Fünftonmusik»)<br />
bezeichnet. Wer einmal nur auf<br />
den schwarzen Tasten des Klaviers spielt,<br />
bekommt in etwa eine Vorstellung davon,<br />
wie das klingt. Doch der tiefste Ton einer<br />
pentatonischen Skala muss nicht unbedingt<br />
die Zielnote der entsprechenden<br />
Tonart sein: Jeder der fünf Töne kann als<br />
Grundton verwendet werden. Das macht<br />
summa summarum nicht weniger als 60<br />
Tonarten. Im laufe der Zeit wurden es<br />
sogar noch mehr …<br />
Kein harmonisches Gefälle<br />
Was uns neben den ungewohnten Klangfarben<br />
chinesischer Instrumente den<br />
Zugang zu dieser Musik erschwert, ist die<br />
8<br />
Tatsache, dass sie kein harmonisches Gefälle<br />
kennt, das in unserem Verständnis<br />
für Spannung sorgt. Ausserdem klingt<br />
chinesische Musik für europäische Ohren<br />
anfänglich immer gleich, weil wir an<br />
die Dichotomie von «heiterem» Dur und<br />
«traurigem» Moll gewöhnt sind.<br />
Die chinesische Musik ordnet hingegen<br />
jedem einzelnen Ton eine Vielzahl von<br />
Bedeutungen und Stimmungen zu. Ein<br />
Chinese verlässt sich beim Hören also<br />
nicht allein auf sein Gefühl, sondern<br />
nutzt in viel stärkerem Masse als wir das<br />
Wissen um die Musiktheorie seiner<br />
Kultur. Und im Gegensatz zu unserem<br />
eng gesteckten musikalischen Horizont<br />
ist die chinesische Kultur schon seit<br />
Jahrhunderten auch bestens mit der<br />
Musik aus anderen Teilen der Welt vertraut.<br />
Musikalische Missionare<br />
Die früheste Bekanntschaft mit europäischer<br />
Musik machten die Chinesen im<br />
5. Jahrhundert, als erste christliche Missionare<br />
nach Asien kamen. Obwohl sich<br />
die neue Religion in verschiedenen Teilen<br />
des landes langfristig behaupten konnte,<br />
blieb ihre Musik zunächst ohne grösseren<br />
Einfluss auf die Kultur Chinas. Das<br />
änderte sich auch nicht, als Ende des<br />
13. Jahrhunderts im Auftrag des Papstes<br />
christliche Kirchen auf chinesischem Boden<br />
gebaut wurden. Die Konzerte, die<br />
ein von Missionaren gegründeter Kirchenchor<br />
am Kaiserhof gab, weckten<br />
aber immerhin das Interesse der Chinesen<br />
an westlicher Musik.<br />
Später waren es vor allem Jesuiten, die<br />
Pionierarbeit im kulturellen Austausch<br />
zwischen China und Europa leisteten.<br />
nachdem sie es sich im 17. Jahrhundert<br />
zur Aufgabe gemacht hatten, grosse<br />
Teile Chinas zu missionieren, genossen<br />
sie als Musiklehrer sogar am Kaiserhof<br />
hohes Ansehen. Ausserdem waren sie die<br />
Ersten, die chinesische Musikliteratur in<br />
europäische Sprachen übersetzten und<br />
Darstellungen der Musikgeschichte Chinas<br />
schrieben. Christoph Willibald<br />
Glucks 1754 in Wien uraufgeführte Oper<br />
«le Cinesi» ist nur ein Beispiel für die<br />
sich anschliessende erste Welle musikalischer<br />
Chinoiserien in Europa. 24 Jahre<br />
später wurde mit niccolò Piccinis «la<br />
Buona Figliola» dann zum ersten Mal<br />
eine italienische Oper am chinesischen<br />
Kaiserhof gespielt.<br />
Austausch oder Adaption?<br />
Obwohl beide Aufführungen Meilensteine<br />
in der Geschichte des musikalischen<br />
Austausches zwischen China und<br />
Europa darstellen, lässt sich ein grund-