Kunqu - Jecklin & Co. AG
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Hintergrund<br />
Aspekte wie beispielsweise die in typi-<br />
schen Farben gestalteten Kostüme und<br />
Masken der einzelnen Figuren, ihre Positionen<br />
auf der Bühne oder ihre Bewegungen<br />
strengstens festgelegt.<br />
Besonders die komplizierte, für ein gebildetes<br />
chinesisches Publikum in ihrer<br />
Bedeutung dechiffrierbare Gestensprache<br />
ist fester Bestandteil des Werkcharakters.<br />
Denn die Dichtungen, die einer<br />
<strong>Kunqu</strong>-Oper zugrunde liegen, schreiben<br />
den jeweiligen Körperausdruck des<br />
Darstellers genau vor – sei es eine eher<br />
abstrakte tänzerische Bewegung oder<br />
eine stilisierte Wiedergabe emotionaler<br />
Regungen.<br />
Aufgrund des Respekts, den chinesische<br />
Künstler den minuziös ausgearbeiteten<br />
Regie- und Szenenanweisungen der Kun-<br />
qu-Oper entgegenbringen, bleibt es da-<br />
her keineswegs dem Regisseur überlas-<br />
sen, ob ein Darsteller die Bühne von<br />
rechts oder links betritt und welche Gesten<br />
er in einer Szene ausführt. Ganz undenkbar<br />
ist, dass der Ausstatter einer<br />
<strong>Kunqu</strong>-Oper ein bekanntes Werk wie den<br />
«Pfirsichblütenfächer» in die Gegenwart<br />
versetzt und die Darsteller in Jeans und<br />
Turnschuhe kleidet. Die Werktreue ihrer<br />
6<br />
Interpreten macht das Zürcher Gastspiel<br />
des traditionsreichen <strong>Kunqu</strong>-Ensembles<br />
aus Jiangsu also zu einer spannenden Reise<br />
in eine nicht nur geografisch, sondern<br />
auch historisch entfernte, dennoch<br />
durchaus lebendige Kultur.<br />
… und wechselvolle Geschichte<br />
Die Wiege der <strong>Kunqu</strong>-Oper liegt in der<br />
heute rund 1,3 Millionen Einwohner zählenden<br />
Stadt Kunshan, wo sich die Oper<br />
vor rund 600 Jahren aus einer regionalen<br />
Ausprägung des frühen chinesischen<br />
Musiktheaters entwickelte. Hier erdachte<br />
ein aus den nördlichen Provinzen zugereister<br />
Sänger, der bereits Erfahrungen<br />
in älteren chinesischen Theaterformen<br />
gesammelt hatte, zusammen mit einem<br />
bekannten Instrumentenbauer eine neue<br />
Art von szenisch-musikalischer Interaktion.<br />
Das betraf nicht nur die Gliederung<br />
der <strong>Kunqu</strong>-Oper in meist solistische<br />
Gesänge und Tänze, sondern auch ein<br />
neuartiges Instrumentarium sowie eine<br />
spezifische, vom Klang des örtlichen Dialekts<br />
geprägte Singweise. Im Verbund<br />
mit einem gefeierten Bühnenautor entstand<br />
so die erste, von der legendären<br />
Schönheit einer Frau aus mythologischer<br />
Vorzeit berichtende <strong>Kunqu</strong>-Oper. Damit<br />
war nicht nur die Popularität der neuen<br />
Kunstform, sondern auch ihr hoher literarischer<br />
Anspruch begründet. Zahlreiche<br />
Meisterwerke der chinesischen literatur<br />
wurden im laufe der Jahrhunderte ursprünglich<br />
für die <strong>Kunqu</strong>-Oper geschrieben.<br />
Über die Provinzen Jiangsu und Zhejiang<br />
im Südosten Chinas breitete sich die <strong>Kunqu</strong>-Oper<br />
schon bald bis nach Peking aus,<br />
wo sie sich bei allen gesellschaftlichen<br />
Schichten grosser Beliebtheit erfreute.<br />
Eine grundlegende Reform der Gattung<br />
fand im 17. Jahrhundert statt, als ihre<br />
immer noch im regionalen Dialekt von<br />
Kunshan verankerte Singweise der chinesischen<br />
Wu-Sprache angepasst wurde,<br />
die mit 77 Millionen Sprechern neben<br />
Kantonesisch heute die meistgesprochene<br />
Sprache Chinas ist.<br />
Obwohl die Wurzeln der <strong>Kunqu</strong>-Oper im<br />
Bereich der populären Unterhaltung liegen,<br />
hat sie sich im weiteren Verlauf ihrer<br />
Entwicklung zu einer zunehmend elitäreren<br />
Kunstform entwickelt. Mit ihrer oft<br />
schwer verständlichen literarischen Sprache,<br />
der Tendenz zu einer extremen Verlangsamung<br />
des musikalischen und dramatischen<br />
Tempos, weit ausladenden, zu<br />
zahlreichen nebensträngen führenden