MITTEILUNGEN und BERICHTE - Staatliche Museen zu Berlin
MITTEILUNGEN und BERICHTE - Staatliche Museen zu Berlin
MITTEILUNGEN und BERICHTE - Staatliche Museen zu Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Der dramatisierte Raum wird hier als performatives Element eingesetzt, wie<br />
sonst in Film, Theater oder Oper. Er ist eine Antwort auf die Frage nach dem Ort<br />
<strong>und</strong> seiner Verwandlungsfähigkeit unter Einsatz der Zeit als Gestaltungsfaktor,<br />
<strong>und</strong> der sich dadurch verändernden Wahrnehmung des Milieus hinsichtlich einer<br />
intendierten Wirkung auf die Rezipienten unter Inanspruchnahme ihres Reflexi-<br />
onspotentiales.<br />
Beim Projekt »Grenzen (er)leben« für die Arteplage in Biel, Schweiz auf der Ex-<br />
po.02 war nicht nur das Thema, sondern der ganze Gestaltungsprozess eine<br />
grenzwertige Angelegenheit. Den Kulturvertretern der acht Grenzkantone ging es<br />
nicht darum, physische, politische oder gesellschaftliche Grenzerfahrungen dar-<br />
<strong>zu</strong>stellen – so wie von uns im Wettbewerb vorgeschlagen – sondern um die Aus-<br />
einanderset<strong>zu</strong>ng mit sperrigen, individuellen, schicksalhaften Grenzerfahrungen<br />
aus den Randbereichen der Gesellschaft.<br />
Glücklicherweise hatte die Expo.02 im Vergleich <strong>zu</strong>r Expo Hannover einen we-<br />
sentlich höheren künstlerischen Anspruch formuliert, so dass durchwegs an-<br />
spruchsvolle Themen – staatlich subventioniert – interpretiert <strong>und</strong> diese künstle-<br />
risch umgesetzt werden konnten.<br />
Wie sollte man nun Gewalt in der Familie, Working Poor, Cloning, Invalidität oder<br />
Transsexualität auf einer Expo, einem Publikum anbieten, das mit Kind <strong>und</strong> Kegel<br />
eine Menge Eintritt bezahlt, um kurzweilig <strong>und</strong> abwechslungsreich unterhalten <strong>zu</strong><br />
werden? Dies funktioniert mittels Codierung tatsächlicher Geschichten als Hör-<br />
spiele <strong>und</strong> einer Entindividualisierung der Potagonisten.<br />
Im zentralen, 12 x 14 m großen Innenraum eines in einem Wald von Schlag-<br />
bäumen schwebenden Kubus mit einer Gr<strong>und</strong>fläche von ca. 20 x 20 m wurde ei-<br />
ne 360°-Panoramaprojektion auf transluzenter Folienhaut gezeigt. Hinter dem<br />
Projektionsraum, durch Schlitze in der Membran betretbar, konnten die Besucher<br />
in 28 Kabinen sieben verschiedene Hörspiele in vier verschiedenen Sprachen ver-<br />
folgen <strong>und</strong> gleichzeitig die synchronisierten Projektionssilhouetten der da<strong>zu</strong>gehö-<br />
rigen Protagonisten betrachten.<br />
Der Innenraum wurde <strong>zu</strong>m dramatischen Erzählraum. Der Betrachter konnte mit<br />
seinem Standort zwischen dem individuellen Schicksal in den Kabinen <strong>und</strong> des-<br />
sen öffentlicher Relevanz, dargestellt in der Ganzraum-Projektion, wählen, womit<br />
121