Der Islam 1 - Neue Erde
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Bei Türken und Pakistanern findet dort, wo Neuankömmlinge in<br />
größeren Gemeinden untergebracht werden häufig eine derart starke<br />
Abkapselung gegen das Leben des Gastlandes statt, dass es zu einer<br />
Aufweichung der bisherigen Lebensform gar nicht kommt, mitunter<br />
nicht einmal zu Anfechtungen. Besonders orthodoxe türkische Gemeinden<br />
neigen dazu, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Mitglieder<br />
keineswegs das Gefühl haben, in der Diaspora zu leben. Im Gegenteil,<br />
die Bundesrepublik wurde gerade für die Konservativsten unter ihnen<br />
zum gelobten Land, in dem sich all das anstellen ließ, was zur Zeit der<br />
ersten Einreisewelle in der kemalistischen Türkei noch schwer durchzuführen<br />
war. So kam es dazu, dass wir in Deutschland türkische Gastarbeiter<br />
haben, die türkischer und islamistischer sind, als die Türken in<br />
ihrem Heimatland.<br />
Kemal Atatürk<br />
(Aus: <strong>Der</strong> <strong>Islam</strong> in der Gegenwart S.212)<br />
Für den Republikgründer Kemal Atatürk trug der <strong>Islam</strong> die Hauptschuld<br />
am Machtverfall des einstigen Großreichs, in ihm sah er den wesentlichen<br />
Hemmschuh für die Einführung politisch-sozialer, zivilisatorischer und<br />
technischer <strong>Neue</strong>rungen. (Anderseits muss man sagen, dass das osmanische<br />
Großreich nicht zuletzt auf grund des islamischen Expansionsdranges<br />
entstanden ist. d. Verf.)<br />
In der Tat war im Osmanischen Reich der Hauptwiderstand gegen die<br />
Übernahmen westlicher Elemente von der islamischen Geistlichkeit<br />
ausgegangen. <strong>Der</strong> seyh-ül-islam (arab. shaikh aI-islam) als oberster<br />
Rechtsgutachter konnte sich beispielsweise erst Anfang des<br />
18.Jahrhunderts entschließen, in Istanbul eine Druckerei zuzulassen.<br />
Eisenbahnprojekte und andere „unislamische― Erfindungen stießen lange<br />
Zeit auf dasselbe Hindernis.<br />
Auch auf politischem Gebiet machte Atatürk den <strong>Islam</strong>, repräsentiert<br />
durch die Institutionen Sultanat und Kalifat, für die Rückständigkeit des<br />
Reiches im Vergleich zu Europa verantwortlich. Obwohl es seit dem<br />
15.Jahrhundert geographisch und politisch Bestandteil Europas war, hatte<br />
das Osmanische Reich die westliche Entwicklung in der politischen Philosophie<br />
nicht mitgemacht Die Konstitutionen der sogenannten Reformepoche<br />
(ab 1839) hatten - wenn sie auch liberal und säkular klangen - die<br />
Bindung der osmanischen Staatsordnung an den <strong>Islam</strong> nicht gelöst.<br />
<strong>Islam</strong> und Scharia regelten weiterhin alle Aktivitäten des Staates, die<br />
gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Strukturen,<br />
das gesamte Rechtswesen und das Verhältnis des Individuums zum Staat.<br />
In dieser dominierenden Stellung des <strong>Islam</strong> gründeten auch die Schwierigkeiten<br />
bei dem Versuch, die Türkei zu einem Nationalstaat europäischen<br />
Musters zu machen. Das Konzept des Nationalstaats ist dem islamischen<br />
Recht fremd, da dieses die islamische Ökumene als politische Einheit<br />
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