2011-3 - Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben
2011-3 - Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben
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Einwände (Heiligkeit des Lebens, Ansprüche<br />
Dritter, Schiefe-Ebene-Argumente<br />
etc.) analysiert und überzeugend<br />
widerlegt. Wer sich näher mit Fragen<br />
der Menschenwürde und des Selbstbestimmungsrechtes<br />
auseinandersetzen<br />
möchte, kann einschränkungslos auf<br />
diese aktuelle Untersuchung zurückgreifen.<br />
Oliver Kautz<br />
Quante, Michael: Menschenwürde und<br />
personale Autonomie. Demokratische<br />
Werte im Kontext der Lebenswissenschaften.<br />
Meiner Verlag, Hamburg<br />
2010, ISBN 978-3787319497, € 14,90.<br />
■ Lob des Alters<br />
Der Herausgeber möchte mit Hilfe<br />
philosophischer Überlegungen <strong>für</strong> ein<br />
besseres Leben im Alter werben und<br />
dem Jugendwahn entgegentreten.<br />
Hierzu werden 15 Texte von antiken<br />
Philosophen wie Platon und Epikur,<br />
aber auch modernen Philosophen wie<br />
Bobbio oder Jonas vorgestellt, die in<br />
fünf Themenkreise (Lebenszeit, Verlust<br />
und Gewinn, <strong>Sterben</strong> und Tod, Lebenssinn<br />
und Lebensglück, Was zu tun ist)<br />
eingeordnet sind. Die Textauszüge stehen<br />
voran und<br />
werden im Anschluss<br />
vom Herausgeberkommentiert<br />
und<br />
miteinander verbunden.<br />
Es geht<br />
Martens nicht um<br />
eine in sich geschlosseneAltersphilosophie,sondern<br />
darum, das<br />
mögliche Glück des Alters hervor zu heben.<br />
Jüngere und Ältere werden gleichermaßen<br />
an diesem philosophischen<br />
Lesebuch Vergnügen haben.<br />
Oliver Kautz<br />
Martens, Ekkehard: Lob des Alters.<br />
Ein philosophisches Lesebuch.<br />
Artemis & Winkler Verlag, Mannheim<br />
<strong>2011</strong>, ISBN: 978-3538073197, € 16,95.<br />
■ <strong>Sterben</strong> dürfen<br />
Am 25. Juni 2010 errang der Münchner<br />
Rechtsanwalt Wolfgang Putz vor dem<br />
Bundesgerichtshof ein Grundsatzurteil<br />
im Fall Erika Küllmer (wir berichteten).<br />
Mit diesem Urteil hat der BGH Rechtsgeschichte<br />
geschrieben: Sterbehilfe<br />
durch Unterlassen, Begrenzen oder Abbruch<br />
lebenserhaltender Maßnahmen<br />
ist nicht strafbar, wenn dies dem Patientenwillen<br />
entspricht. Wolfgang Putz und<br />
Elke Gloor, die Tochter der Patientin,<br />
die über lange Jahre hinweg nicht sterben<br />
durfte, haben zusammen ein Buch<br />
geschrieben, in dem sie ihren Kampf <strong>für</strong><br />
die Durchsetzung des Patientenwillens<br />
von Erika Küllmer eindringlich schildern.<br />
Nicht ausgespart werden dabei<br />
innerfamiliäre Konflikte zwischen dem<br />
Ehemann der Patientin und der Tochter<br />
über die Art der Weiterbehandlung bzw.<br />
deren Einstellung, zumal keine schriftliche<br />
Patientenverfügung vorlag. Lediglich<br />
mündlich hatte sich Erika Küllmer<br />
gegenüber ihrer Tochter, nicht aber<br />
gegenüber ihrem Mann geäußert, dass,<br />
„falls sie sich nicht mehr äußern könne,<br />
wünsche sie keine lebensverlängernden<br />
Maßnahmen, keine künstliche Ernährung<br />
oder Beatmung. Sie wolle nicht an<br />
Schläuche angeschlossen werden. Am<br />
liebsten würde sie zu Hause sterben.“ (S.<br />
32) Nach einer Hirnblutung jedoch war<br />
sie in ein unumkehrbares Koma gefallen.<br />
Anfangsversuche einer Rehabilitation<br />
mussten als erfolglos abgebrochen<br />
werden, Erika Küllmer wurde auf die<br />
Pflegestation eines Altenheimes verlegt<br />
und über eine Magensonde künstlich ernährt.<br />
Dadurch wurde sie fünf Jahre am<br />
<strong>Sterben</strong> gehindert. Zunächst konnte der<br />
Ehemann sie nicht gehen lassen, dann<br />
weigerten sich Pflegeheim, Pflegekräfte<br />
und die gesetzliche Betreuerin, den<br />
Willen der Patientin, auf den die Kinder<br />
immer wieder hinwiesen, umzusetzen.<br />
Schließlich zogen die Angehörigen<br />
Wolfgang Putz zu Rate. Nachdem<br />
schlussendlich die Situation eskaliert<br />
war, weil das Pflegeheim sich weigerte,<br />
einmal getroffene Absprachen, das <strong>Sterben</strong><br />
durch Einstellung der Nahrungsund<br />
Flüssigkeitszufuhr zuzulassen, umzusetzen,<br />
riet Wolfgang Putz seiner Mandantin<br />
Elke Gloor, die Magensonde zu<br />
durchtrennen. Dieser Rat hatte polizeiliche<br />
Ermittlungen und eine Anklage<br />
vor Gericht wegen versuchter aktiver<br />
direkter Sterbehilfe zur Folge. Das<br />
Schwurgericht Fulda<br />
sprach Elke Gloor<br />
seinerzeit frei und<br />
verurteilte Wolfgang<br />
Putz, der in Revision<br />
vor den Bundesgerichtshof<br />
ging und<br />
dort freigesprochen<br />
wurde. Was die Schilderungen<br />
so berührend<br />
und erschütternd<br />
macht, ist der<br />
jahrelange Kampf um die Durchsetzung<br />
des Willens von Erika Küllmer und die<br />
teilweise unsägliche Borniertheit und<br />
Überheblichkeit der auf der Gegenseite<br />
Beteiligten. Wolfgang Putz gelingt es, die<br />
teilweise juristisch komplizierten Argumentationen<br />
auch <strong>für</strong> Laien anhand von<br />
Beispielen gut zu veranschaulichen,<br />
Elke Gloor verdeutlicht die Zerreißproben,<br />
denen die Familie bei ihrem jahrelangen<br />
Kampf ausgesetzt war und die<br />
dazu führten, dass sich ihr Bruder das<br />
Leben nahm. Das Buch ist ein Plädoyer<br />
<strong>für</strong> eine neue Sterbekultur in Deutschland,<br />
eine neue Ars moriendi, die das<br />
<strong>Sterben</strong> in bestimmten Fällen zulassen<br />
kann.<br />
Claudia Wiedenmann<br />
Putz, Wolfgang/Gloor, Elke: <strong>Sterben</strong><br />
dürfen. Verlag Hoffmann und Campe,<br />
Hamburg <strong>2011</strong>,<br />
ISBN 978-3-455-50201-5, € 18,00.<br />
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<strong>Humanes</strong> Leben · <strong>Humanes</strong> <strong>Sterben</strong> <strong>2011</strong>-3 31