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Die Krankenschwesterfiguren im frühen Werk Thomas Manns unter ...

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<strong>Thomas</strong> Sprecher <strong>Die</strong> <strong>Krankenschwesterfiguren</strong> <strong>im</strong> <strong>frühen</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Manns</strong><br />

»blut<strong>unter</strong>laufenen Blauaugen« (III, 741) des Hofrats. Es zieht sich eine Linie<br />

von ihren Augen zu jenen Chauchats (III, 206) und zu jenen Hippes (III,<br />

170). 47<br />

Indem die Allegorie der Kälte »Erkältung« nicht gelten lässt, bestätigt Joach<strong>im</strong><br />

Ziemssens Warnung, dass Erkältungen <strong>im</strong> »Berghof« »nicht recus« seien<br />

(III, 233).<br />

Nach diesem Porträt geht die Szene weiter. Kaum kann man von einem<br />

Dialog sprechen, fast redet nur die Oberin.<br />

>Was ist denn das für eine Erkältung, he?< fragte die Oberin wieder, indem sie ihre<br />

Augen durchdringend zu machen suchte, was aber nicht gelang, da sie abschweiften.<br />

>Wir lieben solche Erkältungen nicht. [...] Wir sollten hier nicht von >Erkältung<<br />

reden, geehrtes Menschenskind, das ist so ein Schnickschnack von unten.< (Das Wort<br />

>Schnickschnack< nahm sich ganz abscheulich und abenteuerlich aus in ihrem Munde,<br />

wie sie es mit der Unterlippe schaufelnd hervorbrachte.) >Sie haben den wunderschönsten<br />

Katarrh der Luftwege, das gebe ich zu, das sieht man Ihnen an den Augen<br />

an. - < (Und wieder machte sie den sonderbaren Versuch, ihm durchdringend in die<br />

Augen zu blicken, ohne dass es ihr recht gelingen wollte.) >[...] es fragt sich nur, ob<br />

eine unschuldige Infektion vorliegt oder eine weniger unschuldige, alles andere ist<br />

Schnickschnacke (Schon wieder das schauderhafte >SchnickschnackIst ja möglich,<br />

dass Ihre Aufnahmelustigkeit mehr zum Harmlosen neigtHaben Sie sich gemessen?^<br />

Castorp verneint. »>Warum nicht?< fragte sie und liess ihre schräg vorgeschobene<br />

Unterlippe in der Luft stehen...« (III, 235)<br />

Castorp verhält sich nun wie in der Schule: »... er hatte sich noch das Verstummen<br />

des Schuljungen bewahrt, der in der Bank steht, nichts weiss und<br />

schweigt.« <strong>Die</strong> Oberin wird zur Lehrerin. <strong>Die</strong>ses Verhältnis wiederholt sich<br />

ter das Tragen eines Gürtels <strong>unter</strong>sagt. Vgl. Lurker, S. 270. Auch Hesse sich der Gürtel als Abglanz<br />

der ritterlichen Rüstung verstehen.<br />

50 Maar betont die Traditionslinien, in denen die Mylendonkschen Augenblicke stehen. Sie<br />

habe »die Kunst der Frau von Rinnlingen und der Schneekönigin, das flackrige Festsehen, [...]<br />

ausdrucksstark weiterenrwickelt« (Maar, S. 306).<br />

51 Zum »penetrierenden Merkur« vgl. Jung, S. 342. - Im Gegensatz dazu steht Schwester<br />

Berta: Ihre Augen »saugen«, »wollen zurückziehen« (III, 152 f.).<br />

52 Maskulin (oder aber zwischen den Geschlechtern stehend; Merkur, chthonischer<br />

Offenbarungsgott und Geist des Quecksilbers, gilt als Hermaphrodit) wirkt die Formenlose<br />

ohnehin (was wohl erst die Hermes-Perspektive zulässt). Wenn man will, kann man auch der<br />

»suchend erhobenen Nase« und dem nach oben gehaltenen Daumen jene phallische Bedeutung<br />

zuschreiben, die unbestreitbar das Thermometer hat, für das die Schwester steht. In Spannung<br />

stehen auch das weibliche Weiss ihrer Kleidung mit dem männlichen Rot der Haare.<br />

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