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Die Krankenschwesterfiguren im frühen Werk Thomas Manns unter ...

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<strong>Die</strong> <strong>Krankenschwesterfiguren</strong> <strong>im</strong> <strong>frühen</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Manns</strong><br />

<strong>Thomas</strong> Sprecher AI<br />

Kulturkritik dar: Das haben zweitausend Jahre Christentum angerichtet;<br />

oder aber eine Christentumskritik: Es ist für die Zukurzgekommenen. Nie<br />

lacht, nie lächelt sie. Man darf sie wohl nicht fragen, ob sie das Kreuz mit<br />

einem Busen vertauschen wollte.<br />

Durch die Negation »keine Venus« wird die Schwester <strong>im</strong>plizit Gegenpol<br />

zu der Venus-Inkarnation des Romans, zu Mme Chauchat. <strong>Die</strong>se steht für<br />

eros, der Schwester bleibt die Liebesform der Caritas. Der fehlende Busen<br />

(»Oberweite«) weist <strong>im</strong> übrigen auf das Unten, den Unterleib. <strong>Die</strong> Schwester<br />

ist keine »Ernährerin«, ihr »Stillen« zielt auf das Sterben.<br />

Nachdem Castorp über Settembrinis Spruch gelacht hat, erfährt er, dass<br />

Frau von Mylendonk mit Vornamen Adriatica heisst. Er antwortet: »>Hören<br />

Sie, das ist merkwürdig! Von Mylendonk und dann Adriatica. Es klingt, als<br />

müsste sie längst gestorben sein. Geradezu mittelalterlich mutet es an.Ich für meine Person bin überzeugt, dass unser Rhadamanth einzig und allein aus<br />

künstlerischem Stilgefühl dieses Petrefakt zur Oberaufseherin seines Schreckenspa-<br />

26 Heinrich von Eicken: Geschichte und System der mittelalterlichen Weltanschauung, Stuttgart:<br />

Cotta 1887, S. 440 f. Und übrigens erinnert die bei Eicken wiedergegebene Sage auch an das<br />

in »Fülle des Wohllauts« bedachte Ende des Liebespaares inAida (III, 896). Denn: »Als Adriatica<br />

gestorben war und man sie in den Sarg ihres Gatten legen wollte, da rückten die schneeweiss<br />

gebleichten Gebeine des letzteren von selbst zur Seite und winkten ihr grüssend entgegen.«<br />

(Eicken, S. 441)<br />

27 Siegmar Tyroff: Namen bei <strong>Thomas</strong> Mann in den Erzählungen und den Romanen »Buddenbrooks«,<br />

»Königliche Hoheit«, »Der Zauberberg«, Bern: Herbert Lang; Frankfurt/Main:<br />

Peter Lang 1975 (= Europäische Hochschulschriften, 1/102), S. 189.<br />

28 Der Name Mylendonk geht auf niederdeutsch My(h)l, My(h)le, westfälisch mü(e)len (mit<br />

gebrochenem üe), »Mühle« (neben sonstigem niederdt. Möl[l]e, -n) zurück, wird aber mit langem<br />

ü ausgesprochen. Das niederrheinisch-niederländische »Donk« bedeutet »kleine, zwischen<br />

Wassergräben liegende Bodenerhebung«. Mylendonk kann daher als »Mühlenberg, Erhebung,<br />

auf der eine Mühle steht«, verstanden werden. Zu denken ist an Windmühlen, welche am Niederrhein<br />

und in den Niederlanden vorzugsweise die Funktion von Wasserpumpen haben. Am<br />

Flusse Niers <strong>im</strong> westlichen Westfalen, aber auch <strong>im</strong> angrenzenden südniederländischen Gebiet<br />

sind Namen auf -donk reich verbreitet. Auch für diese Auskunft schulde ich Prof. Sonderegger<br />

Dank.

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