JENSEITS DES HORIZONTS 34
15 Bronzezeitlicher Hortfund aus Straupitz. Die bronzenen Objekte sind zwischen 2 und 17 cm lang. Straupitz im Spreewald, Brandenburg, 12. Jh. v. Chr., Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin die Geographen Brigitta Schütt und Jonas Berking ergab, dass mehr als vierzig Millimeter pro Quadratmeter innerhalb einer Stunde nötig sind, um den Ha� r mit Wasser zu füllen. Diese tradierte und bewährte Technik wird noch heute in der Region eingesetzt. Allerdings ist die Regelmäßigkeit der Niederschläge, die vor 2000 Jahren den Anbau von Getreide, Hirse und Baumwolle ermöglichte, nicht mehr gegeben. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit, das ergaben die Forschungen der Wissenschaftler, würde das instand gesetzte Reservoir von Naga selbst unter den gegenwärtigen klimatischen Bedingungen zumindest alle zwei Jahre volllaufen. Keine schlechte Aussicht für die Vieh züchtenden Nomaden der Umgegend: Sie müssen mit wenigen, dazu noch sehr tiefen Brunnen auskommen, bei deren Wasser es sich um fossiles, also endliches Grundwasser handelt, das immer weiter absinkt. Die Landschaft wird mit Bedeutung aufgeladen: Hortfunde der Bronzezeit Selten war Europa kulturell geschlossener als in der Bronzezeit, dem Zeitabschnitt zwischen 2300 und 800 v. Chr., in dem man lernte, dem weichen Kupfer durch Zugabe von Zinn eine nie zuvor gekannte Härte zu verleihen. Die Elite der Krieger erfreute sich an den eleganten Schwertern, den festen Helmen, Schilden und Beinschienen, denen das neue Metall seinen schwarzen, ehernen Glanz verlieh. Die schärferen Beile und Sicheln erleichterten den Bauern den Alltag. Haarnadeln, Fibeln, Ringe und Armreifen aus Bronze befriedigten das Bedürfnis, sich zu schmücken. Von Südosteuropa ausgehend, verbreitete sich bis ins ferne Britannien eine ähnliche Sachkultur und die Vorstellung, wie mit diesen Dingen richtig umzugehen sei, unabhängig davon, dass keine politische Einheit, sondern Dutzende lokaler Zentren existierten. Der sich über Tausende von Kilometern erstreckende Raum war durch ein hervorragend funktionierendes Kommunikations- und Handelssystem so miteinander vernetzt, dass landwirtschaftliche Innovationen oder die Kunst der Metallbearbeitung sich mit ebensolcher Schnelligkeit verbreiteten wie Änderungen der Begräbnissitten oder die Anlage befestigter Siedlungen auf Höhen. Ein prägendes Phänomen dieser Zeit sind Horte: in meist geringer Tiefe im Erdreich vergrabene Metallobjekte, deren Spektrum vom repräsentativen <strong>RÄUME</strong> <strong>LESEN</strong>, <strong>RÄUME</strong> <strong>SCHREIBEN</strong> Schwert über eine Vielzahl von bronzenen Gebrauchsgegenständen bis zu winzigen Blechschnipseln reicht. Allein im nördlichen Mitteleuropa wurden bisher mehr als 2200 Horte entdeckt, die bis zu 7000 Einzelstücke umfassen können, aber das Phänomen existiert europaweit. Vermutete man anfangs, dass Schmiede ihren Rohsto� vergraben hätten, Schrotthändler ein Lager angelegt oder infolge kriegerischer Unruhen das wertvolle Metall als Schatz in den Boden gelangte, so ist mittlerweile die Wissenschaft davon überzeugt, es handele sich um Weihegaben, so genannte Votive, wie wir sie auch aus den antiken und christlichen Religionen kennen. Dabei folgt jeder Hort in seiner Zusammenstellung und im Arrangement seiner Stücke strengen Regeln. Dominierten zu Beginn der Bronzezeit Horte, die aus nie benutzten Beilen, Ringen oder Schwertern bestanden, so setzte sich ab dem 14./13. Jahrhundert v. Chr. von Ungarn her kommend die Mode des „Brucherzdepots“ durch. In ihm wurden absichtlich zerbrochene, unbrauchbar gemachte Teile in einer genau festgelegten Ordnung kombiniert. Dabei fällt auf, dass immer nur ein einziges Fragment eines Objektes in den Boden gelangt, sich also die Bruchstücke nicht ergänzen lassen. Wie in anderen archaischen Gesellschaften galt auch in der Bronzezeit das Prinzip des „Do ut des“ – „Ich gebe, damit Du gibst.“ Wichtig war es, die Götter zur Annahme der Gabe zu bewegen, und nichts beeindruckte sie stärker, so der Glaube, als die Zerstörung des Opfergutes als radikalste, weil nicht mehr rückgängig zu machende Form der Schenkung. Umgekehrt ließ sich auf diese Weise der Dank an die Götter abstatten, sei es, dass eine Reise ohne Schaden bewältigt wurde, ein Handel erfolgreich abgeschlossen, ein Kriegszug siegreich gewesen war. Während in der bisherigen archäologischen Forschung die Objekte, ihre Zeitstellung und spezi� - sche Ordnung untersucht wurden, nimmt der neue Ansatz die Fundplätze selbst in den Blick. Bekannt und leicht zu deuten, waren immer die „Orte des Übergangs“ von einer Welt in die andere, seien sie zwischen Land und Wasser in Mooren, Flüssen und Seen oder zwischen Erde und Himmel an markanten Plätzen im Gebirge. Die übrigen, die eigentliche Masse der Horte, liegen an uns heute wenig spektakulär erscheinenden Stellen. Dass sie aber nicht zufällig dort deponiert wurden, sondern eine „bronzezeitliche Raumkonstruktion, eine sakrale Landschaft“ bildeten, erforscht eine Gruppe von 35