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RÄUME LESEN, RÄUME SCHREIBEN

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15 Bronzezeitlicher<br />

Hortfund aus Straupitz.<br />

Die bronzenen Objekte<br />

sind zwischen 2 und<br />

17 cm lang.<br />

Straupitz im Spreewald,<br />

Brandenburg,<br />

12. Jh. v. Chr., Museum<br />

für Vor- und Frühgeschichte,<br />

Staatliche<br />

Museen zu Berlin<br />

die Geographen Brigitta Schütt und Jonas Berking<br />

ergab, dass mehr als vierzig Millimeter pro Quadratmeter<br />

innerhalb einer Stunde nötig sind, um den<br />

Ha� r mit Wasser zu füllen.<br />

Diese tradierte und bewährte Technik wird<br />

noch heute in der Region eingesetzt. Allerdings ist<br />

die Regelmäßigkeit der Niederschläge, die vor<br />

2000 Jahren den Anbau von Getreide, Hirse und<br />

Baumwolle ermöglichte, nicht mehr gegeben. Doch<br />

mit großer Wahrscheinlichkeit, das ergaben die<br />

Forschungen der Wissenschaftler, würde das instand<br />

gesetzte Reservoir von Naga selbst unter den<br />

gegenwärtigen klimatischen Bedingungen zumindest<br />

alle zwei Jahre volllaufen. Keine schlechte<br />

Aussicht für die Vieh züchtenden Nomaden der<br />

Umgegend: Sie müssen mit wenigen, dazu noch<br />

sehr tiefen Brunnen auskommen, bei deren Wasser<br />

es sich um fossiles, also endliches Grundwasser<br />

handelt, das immer weiter absinkt.<br />

Die Landschaft wird mit Bedeutung<br />

aufgeladen: Hortfunde der Bronzezeit<br />

Selten war Europa kulturell geschlossener als in<br />

der Bronzezeit, dem Zeitabschnitt zwischen 2300<br />

und 800 v. Chr., in dem man lernte, dem weichen<br />

Kupfer durch Zugabe von Zinn eine nie zuvor gekannte<br />

Härte zu verleihen. Die Elite der Krieger<br />

erfreute sich an den eleganten Schwertern, den<br />

festen Helmen, Schilden und Beinschienen, denen<br />

das neue Metall seinen schwarzen, ehernen Glanz<br />

verlieh. Die schärferen Beile und Sicheln erleichterten<br />

den Bauern den Alltag. Haarnadeln, Fibeln,<br />

Ringe und Armreifen aus Bronze befriedigten das<br />

Bedürfnis, sich zu schmücken. Von Südosteuropa<br />

ausgehend, verbreitete sich bis ins ferne Britannien<br />

eine ähnliche Sachkultur und die Vorstellung, wie<br />

mit diesen Dingen richtig umzugehen sei, unabhängig<br />

davon, dass keine politische Einheit, sondern<br />

Dutzende lokaler Zentren existierten. Der<br />

sich über Tausende von Kilometern erstreckende<br />

Raum war durch ein hervorragend funktionierendes<br />

Kommunikations- und Handelssystem so miteinander<br />

vernetzt, dass landwirtschaftliche Innovationen<br />

oder die Kunst der Metallbearbeitung<br />

sich mit ebensolcher Schnelligkeit verbreiteten wie<br />

Änderungen der Begräbnissitten oder die Anlage<br />

befestigter Siedlungen auf Höhen.<br />

Ein prägendes Phänomen dieser Zeit sind Horte:<br />

in meist geringer Tiefe im Erdreich vergrabene Metallobjekte,<br />

deren Spektrum vom repräsentativen<br />

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Schwert über eine Vielzahl von bronzenen Gebrauchsgegenständen<br />

bis zu winzigen Blechschnipseln reicht.<br />

Allein im nördlichen Mitteleuropa wurden bisher<br />

mehr als 2200 Horte entdeckt, die bis zu 7000 Einzelstücke<br />

umfassen können, aber das Phänomen<br />

existiert europaweit. Vermutete man anfangs, dass<br />

Schmiede ihren Rohsto� vergraben hätten, Schrotthändler<br />

ein Lager angelegt oder infolge kriegerischer<br />

Unruhen das wertvolle Metall als Schatz in<br />

den Boden gelangte, so ist mittlerweile die Wissenschaft<br />

davon überzeugt, es handele sich um Weihegaben,<br />

so genannte Votive, wie wir sie auch aus den<br />

antiken und christlichen Religionen kennen. Dabei<br />

folgt jeder Hort in seiner Zusammenstellung und<br />

im Arrangement seiner Stücke strengen Regeln.<br />

Dominierten zu Beginn der Bronzezeit Horte, die<br />

aus nie benutzten Beilen, Ringen oder Schwertern<br />

bestanden, so setzte sich ab dem 14./13. Jahrhundert<br />

v. Chr. von Ungarn her kommend die Mode<br />

des „Brucherzdepots“ durch. In ihm wurden absichtlich<br />

zerbrochene, unbrauchbar gemachte Teile in<br />

einer genau festgelegten Ordnung kombiniert. Dabei<br />

fällt auf, dass immer nur ein einziges Fragment<br />

eines Objektes in den Boden gelangt, sich also die<br />

Bruchstücke nicht ergänzen lassen.<br />

Wie in anderen archaischen Gesellschaften galt<br />

auch in der Bronzezeit das Prinzip des „Do ut des“<br />

– „Ich gebe, damit Du gibst.“ Wichtig war es, die<br />

Götter zur Annahme der Gabe zu bewegen, und<br />

nichts beeindruckte sie stärker, so der Glaube, als<br />

die Zerstörung des Opfergutes als radikalste, weil<br />

nicht mehr rückgängig zu machende Form der<br />

Schenkung. Umgekehrt ließ sich auf diese Weise<br />

der Dank an die Götter abstatten, sei es, dass eine<br />

Reise ohne Schaden bewältigt wurde, ein Handel<br />

erfolgreich abgeschlossen, ein Kriegszug siegreich<br />

gewesen war.<br />

Während in der bisherigen archäologischen Forschung<br />

die Objekte, ihre Zeitstellung und spezi� -<br />

sche Ordnung untersucht wurden, nimmt der neue<br />

Ansatz die Fundplätze selbst in den Blick. Bekannt<br />

und leicht zu deuten, waren immer die „Orte des<br />

Übergangs“ von einer Welt in die andere, seien sie<br />

zwischen Land und Wasser in Mooren, Flüssen<br />

und Seen oder zwischen Erde und Himmel an markanten<br />

Plätzen im Gebirge. Die übrigen, die eigentliche<br />

Masse der Horte, liegen an uns heute wenig<br />

spektakulär erscheinenden Stellen. Dass sie aber<br />

nicht zufällig dort deponiert wurden, sondern eine<br />

„bronzezeitliche Raumkonstruktion, eine sakrale<br />

Landschaft“ bildeten, erforscht eine Gruppe von<br />

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