RÄUME LESEN, RÄUME SCHREIBEN
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JENSEITS DES HORIZONTS<br />
Während man in Attika den Zusammenhang<br />
zwischen Abholzung und Erosion nicht begri� ,<br />
wurden andernorts Ursachen für Veränderungen<br />
der Umwelt sehr wohl verstanden und man entwickelte<br />
nachhaltige Strategien im Umgang mit den<br />
von Menschen verursachten Problemen. Im Gebiet<br />
des „Fruchtbaren Halbmonds“, insbesondere in Mesopotamien,<br />
dessen landwirtschaftliche Überproduktion<br />
auf Bewässerungsfeldbau beruhte, erkannte man<br />
schon früh das Problem der Versalzung und dessen<br />
Folgen. So verminderten sich beim Anbau von Weizen<br />
im Laufe der Jahre die Ernteerträge dramatisch.<br />
Dies basiert darauf, dass durch intensive Bewässerung<br />
die in der Erde enthaltenen Mineralien<br />
gelöst werden und der Grundwasserspiegel steigt.<br />
Trockenheit und hohe Temperaturen lassen das<br />
Wasser an der Erdober� äche verdunsten, was im<br />
Lauf der Zeit zu einer schleichenden Versalzung<br />
führt. Lässt man den Boden als Brachland unbebaut,<br />
senkt sich der Grundwasserspiegel und das<br />
Salz kann mit überschüssigem Bewässerungswasser<br />
ausgeschwemmt werden (leaching). Die Anwendung<br />
dieser Methode belegen sumerische Texte.<br />
Künstlich angelegte Gräben (Drainagen) ver hindern<br />
den Aufstieg des Grundwassers zur Ober� äche,<br />
das aber im Untergrund – verdunstungsfrei – die<br />
Wurzeln der P� anzen versorgt. Die damit verbundene<br />
harte Arbeit war Gemeinschaftswerk und<br />
musste organisiert werden. Keilschrift-Urkunden<br />
aus der Region Lagasch im südlichen Mesopotamien<br />
dokumentieren eine ganze Reihe von Bodenp�<br />
ege- und Verbesserungsmaßnahmen, die binnen<br />
eines Jahres den Salzbodenanteil (ki-mun) von zwan-<br />
28<br />
10 Keilschrifttafel, Urkunde zur Vergabe<br />
von Feldanteilen.<br />
Altbabylonisch, ca. 2400 v. Chr., Ton,<br />
gebrannt, 15,7 x 15,5 cm, Vorderasiatisches<br />
Museum, Staatliche Museen zu Berlin<br />
zig auf zwei Prozent reduzierten. Ein ähnliches<br />
Zeug nis aktiven ökologischen Landbaus sieht der Altorientalist<br />
Joachim Marzahn in der Tafel VAT 4625<br />
der Berliner Keilschriftsammlung, die es erlaubt,<br />
den Prozess der Bodenverbesserung Schritt für<br />
Schritt nachzuvollziehen und damit gesichert nachzuweisen.<br />
Die von den Sumerern im 3. Jahrtausend<br />
mit Erfolg angewandten Methoden sind die gleichen,<br />
die noch heute die FAO (Food and Agriculture<br />
Organization of the United Nations) in den entsprechenden<br />
Regionen emp� ehlt.<br />
Als Mittel gegen die Verdunstung durch Sonneneinstrahlung<br />
p� anzte man Dattelpalmen als Schattenspender<br />
und Etagenbaum. Unter den weiten<br />
Fächern ihrer Blätter gediehen sowohl Obstbäume<br />
als auch Feldfrüchte. Durch die Wurzeln wurde<br />
mehr Feuchtigkeit im Boden festgehalten, die Biomasse<br />
vergrößerte sich. Diese geglückte Balance<br />
zwischen Ausbeutung und Schonung der landwirtschaftlichen<br />
Ressourcen war die eigentliche Voraussetzung<br />
für die Entwicklung der vorderasiatischen<br />
Hochkulturen. Angesichts der stetig steigenden Bevölkerungszahlen<br />
und des Nahrungs mittel be darfs<br />
der immer zahlreicheren Städte wäre es sonst zu<br />
einem ökonomischen Kollaps gekommen. So aber<br />
erntete man zweimal im Jahr und der Ertrag des<br />
Hauptgetreides Gerste lag um das doppelte und<br />
dreifache über dem der Ernten im Griechenland<br />
der klassischen Zeit. Vergleicht man die Ergebnisse<br />
der alten Sumerer, Assyrer und Babylonier mit der<br />
Moderne, gehen sie eindeutig als Sieger durchs<br />
Ziel: Aktuell hat der Irak die Hälfte seiner landwirtschaftlichen<br />
Flächen durch Versalzung verloren.