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RÄUME LESEN, RÄUME SCHREIBEN

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er männliche und weibliche Attribute von Fülle<br />

und Wohlstand. Blau war seine Haut, wie das Wasser,<br />

und seinen Kopf schmückten die „Wappenp�<br />

anzen“ Unter- und Oberägyptens, Papyrus und<br />

Binse, die der Nil aus dem fernen Süden mit sich<br />

führte. In den Vatikanischen Museen kann man<br />

eine Kolossalstatue der Gottheit bewundern, majestätisch<br />

hingelagert und von sechzehn Knaben<br />

umspielt, die fröhlich auf seinem Leib herumklettern.<br />

Deren Zahl ist kein Zufall. Die Au� ösung � ndet<br />

sich in Plinius’ „Naturgeschichte“: „Die richtige<br />

Höhe der Nil� ut beträgt 16 Ellen (1 Elle = 0,52 m).<br />

Niedrigere Wasserstände bewässern nicht alles,<br />

höhere sind hinderlich durch das langsamere Ab-<br />

� ießen. Diese verzögern durch den nassen Boden<br />

die Saatzeit, jene lassen sie durch den trockenen Boden<br />

nicht zu. Bis zu einem Wasserstand von 12 Ellen<br />

leidet Ägypten Hunger, bei 13 herrscht auch<br />

noch Mangel, 14 Ellen bringen Heiterkeit, 15 Sorglosigkeit<br />

und 16 Üppigkeit“ (Naturkunde 5,11,58).<br />

Die Nilometer in Assuan sind Teil von zwei<br />

Tempelanlagen. In der einen wurde der widderköp-<br />

<strong>RÄUME</strong> <strong>LESEN</strong>, <strong>RÄUME</strong> <strong>SCHREIBEN</strong><br />

� ge Gott Chnum verehrt, der Wächter der Nilquelle<br />

und Herr des Kataraktgebiets. Sein Nilometer,<br />

ein rechteckiges Becken, ist durch einen gedeckten<br />

Zu� ussschacht mit dem Nil verbunden. Nördlich<br />

davon lag der Tempel seiner Gattin Satet, der Göttin<br />

von Elephantine, die mit einem Pfeilschuss die<br />

Quelle des Nil ö� nete und damit die alljährliche<br />

Überschwemmung auslöste. Ihr Nilometer ist als<br />

geschlossener Treppengang konstruiert, der zum<br />

Fluss hinunterführt. An den Wänden beider Nilometer<br />

� nden sich Messskalen. Sie belegen die exakte,<br />

jährliche Erfassung der Flutmaxima und dokumentieren<br />

die Pegelstände der Vergangenheit.<br />

Dabei kam es, wie die Forschungen des Ägyptologen<br />

Stephan Seidlmayer über historische und<br />

moderne Nilstände ergaben, nicht in erster Linie<br />

darauf an, den höchsten Stand der Nil� ut zu erfassen,<br />

sondern jenen untersten Schwellenwert, der<br />

dem Land wenigstens das elementare Auskommen<br />

garantierte. Erst wenn auf den Skalen der Nilometer<br />

dieser Punkt, in griechisch-römischer Zeit als<br />

semeion bezeichnet, abzulesen war, galt die Nil� ut<br />

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