Sprachhilfe nach dem Denkendorfer Modell - tandemMEDIA
Sprachhilfe nach dem Denkendorfer Modell - tandemMEDIA
Sprachhilfe nach dem Denkendorfer Modell - tandemMEDIA
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
SPRACHHILFE<br />
<strong>nach</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong><br />
kontakt@sprachhilfe-bw.de, www.sprachhilfe-bw.de<br />
Titelbild © Sergey Lavrentev - Fotolia.com
Inhalt<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong><br />
1 Grußwort<br />
3 Vorwort<br />
4 <strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> - Sprechen ist Handeln<br />
6 Grundprinzipien der vorschulischen Sprachförderung<br />
7 Ganzheitliche Sprachförderung<br />
10 Sprache und Wirklichkeit im Spracherwerb<br />
11 Stufen des Zweitspracherwerbs<br />
12 Die Kleingruppe<br />
13 <strong>Sprachhilfe</strong> von Anfang an<br />
14 <strong>Sprachhilfe</strong> ist interkulturell<br />
17 Struktureller Aufbau einer <strong>Sprachhilfe</strong>stunde<br />
18 „Meine Hände, deine Hände“ - Praxisbeispiel Kindergarten<br />
22 „Meine Hände, meine Finger“ - Praxisbeispiel Kindergarten<br />
26 „Wochentage“ - Praxisbeispiel Kindergarten<br />
30 Grundprinzipien der schulischen Sprachförderung<br />
31 Die Kleingruppe<br />
32 Zusammenarbeit mit der Schule<br />
34 Förderung des Lesesinnverständnisses<br />
36 Ermunterung zu eigenen Sätzen und Texten<br />
37 Emanzipierende Sprachförderung<br />
38 Interesse und Akzeptanz für die jeweiligen Herkunftssprachen<br />
40 „Jede Blume ist anders“ - Praxisbeispiel Schule<br />
44 Die Dativ - Präpositionen „zu“, „bei“ und „mit“ - Praxisbeispiel Schule<br />
50 Anhang „Lieder und Verse“<br />
52 Organisation<br />
53 Service - Adressenverzeichnis<br />
© An7lion - fotocase.de
Die Macht der Sprache erfahren<br />
Sprache ist soziales Handeln, dient der Informationsvermittlung<br />
und spiegelt die Struktur der Welt wieder.<br />
Beherrsche ich die Sprache meiner Mitmenschen nicht,<br />
habe ich Schwierigkeiten mit ihnen in Kontakt zu treten,<br />
mit ihnen erfolgreich zu kommunizieren. Ich kann weder<br />
meine Gedanken und Gefühle ihnen mitteilen noch kann<br />
ich ihre Welt betreten.<br />
Kindliche Neugier und das Bedürfnis von Kindern, sich<br />
über die alltäglichen Dinge ihrer Erlebenswelt auszutauschen,<br />
ist der Ansatzpunkt der Sprachförderung. Das Interesse<br />
für die Erstsprache und die Kultur der Kinder gehört<br />
zu den grundlegenden Förderprinzipien. Es werden<br />
gleichermaßen Kinder mit Migrationshintergrund und<br />
deutsche Kinder mit besonderem Sprachförderbedarf<br />
einbezogen. Das alltägliche Lebensumfeld der Kinder<br />
wird genutzt, um die deutsche Sprache für die Kinder<br />
attraktiv zu machen und bei ihnen Spracherwerbsstrategien<br />
zu aktivieren. Damit dieses Vorhaben gelingen<br />
kann, setzen sich viele Menschen kontinuierlich ein: Ehrenamtliche<br />
SprachhelferInnen, Fachleute aus Pädagogik<br />
und Linguistik und die Eltern der Kinder.<br />
Das <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> der <strong>Sprachhilfe</strong> ist bereits<br />
in den 70iger Jahren aus den Anforderungen der Praxis<br />
bei der Erziehung und Förderung von Kindern mit<br />
nichtdeutscher Erstsprache entstanden. Es gehört zu<br />
den Pionierprojekten, die eine Mehrzahl von Kindern<br />
bei Entdeckung und Erwerb der deutschen Sprache<br />
stets konsequent und effektiv unterstützen und begleiten.<br />
Über die Jahre hinweg wurde die Grundkonzeption<br />
weiterentwickelt und den praktischen Erfordernissen<br />
inhaltlich und wissenschaftlich angepasst. Somit ist ein<br />
bewährtes Vorbild entstanden, das seit fast 40 Jahren<br />
zeigt, wie Kinder mit Migrationshintergrund, aber auch<br />
deutsche Kinder mit besonderem Sprachförderbedarf,<br />
sprachlich handlungsfähig werden und am Kindergarten,<br />
an der Schule und an der Gemeinschaft erfolgreich<br />
teilhaben können. Die Kinder werden in kleinen Gruppen<br />
ganzheitlich und handlungsorientiert gefördert. Durch<br />
Singen, Malen und Bewegungsspiele, durch Erzählen,<br />
Vorlesen und Schreiben erweitern sie ihren Wortschatz,<br />
entdecken und erwerben grammatische und syntaktische<br />
Strukturen der deutschen Sprache und erleben<br />
„die Macht der Sprache“. Denn Sprache durch Sprechen<br />
zu lernen ist motivierender als ein pauschales Sprachlernprogramm<br />
zu durchlaufen, bei <strong>dem</strong> der individuelle<br />
Lebensweltbezug fehlt.<br />
Ich erachte das <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> als einen wichtigen<br />
Beitrag in der aktuellen Debatte um Sprachförderung von<br />
Kindergarten- und Schulkindern mit nichtdeutscher oder<br />
deutscher Muttersprache. Hier besteht ein funktionierendes<br />
Konzept, das es wert ist, wissenschaftlich wahrgenommen<br />
und über die Grenzen Baden-Württembergs<br />
hinaus bekannt zu werden.<br />
Mit dieser Broschüre ist der Grundstein gelegt, dass<br />
möglichst viele Menschen das <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> in<br />
seiner Konzeption kennen lernen.<br />
Dr. Vassilia Triarchi-Herrmann, Forschungsinstitut für<br />
Sprachtherapie und Rehabilitation, Ludwig-Maximilians-<br />
Universität München<br />
1
Vorwort<br />
Diese Broschüre gibt Auskunft über die sprachwissenschaftlichen<br />
und pädagogischen Grundlagen der<br />
„<strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong>“. Seit <strong>dem</strong><br />
Beginn der Arbeit, die 1973 als „<strong>Sprachhilfe</strong> für ausländische<br />
Kinder“ anfing, hat diese Form der Sprachförderung<br />
für Kindergarten- und Schulkinder sich gewandelt,<br />
weniger, was die inhaltliche Arbeit mit den Kindern angeht,<br />
als in den Rahmenbedingungen, unter denen sie<br />
stattfindet.<br />
So haben die Arbeitsgemeinschaften es 1991 durchgesetzt,<br />
dass auch Kinder aus Aussiedlerfamilien in die<br />
<strong>Sprachhilfe</strong>gruppen aufgenommen werden konnten,<br />
und seit <strong>dem</strong> Jahr 2006 werden auch deutschsprachige<br />
Kinder gefördert, wenn Bedarf besteht.<br />
Mit Bedauern mussten die SprachhelferInnen allerdings<br />
hinnehmen, dass sie seit <strong>dem</strong> Schuljahr 2006 HauptschülerInnen<br />
nur noch bis zur sechsten Klasse begleiten<br />
und ihnen nicht mehr zu einem besseren Schulabschluss<br />
verhelfen dürfen.<br />
Inhaltlich hat sich die pädagogische Konzeption der <strong>Denkendorfer</strong><br />
Sprachförderung im Laufe von Jahrzehnten<br />
durch die Zusammenführung von aktuellen sprachwissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen mit den Erfahrungen aus<br />
der praktischen Arbeit präzisiert und ausdifferenziert.<br />
Wo zunächst nur die Erfahrungen aus der kompensatorischen<br />
Spracherziehung in den USA und <strong>dem</strong> bilingualen<br />
Aufwachsen von Kindern in sprachlich gemischten Ehen<br />
für die <strong>Sprachhilfe</strong> fruchtbar gemacht werden konnten,<br />
kamen im Laufe der Zeit auch wissenschaftliche Untersuchungen<br />
zur Situation zweisprachiger Kinder in<br />
Deutschland hinzu und konnten in die Konzeption, aber<br />
auch in die Fortbildung der SprachhelferInnen in der<br />
Fortbildungsstätte Kloster Denkendorf einfließen.<br />
Deshalb war es im Laufe der Zeit immer wieder nötig,<br />
die theoretischen Grundlagen der Sprachförderung<br />
<strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> neu zu formulieren und<br />
den Entwicklungen anzupassen. Die hier vorgelegte<br />
Broschüre ist die fünfte schriftliche Fixierung der Grundprinzipien.<br />
Sie soll für alle Interessenten – Träger, SchulleiterInnen,<br />
LehrerInnen, ErzieherInnen, SprachhelferInnen,<br />
Kirchengemeinden, Einwandererfamilien u.a. - Einblick<br />
geben in die Grundlagen und Praxis unserer Arbeit in<br />
Kindergarten und Schule.<br />
Diese Sprachförderung kann nur beispielhaft dargestellt<br />
werden. Denn sowohl im Kindergartenbereich als auch<br />
bei der Förderung von Schulkindern ist es die Aufgabe<br />
der SprachhelferIn in enger Vernetzung mit Kindergarten<br />
und Schule und ihren spezifischen Bildungsplänen<br />
zu arbeiten, aber auch die individuellen Bedürfnisse der<br />
Kinder im Auge zu haben.<br />
Für diese Arbeitsweise kann es keinen allgemein gültigen<br />
Lehrplan geben, wohl aber Grundsätze, Anregungen<br />
und Beispiele.<br />
3
4<br />
Sprechen ist Handeln<br />
in der <strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong><br />
Jede ganzheitliche Sprachförderung zielt darauf ab, die<br />
Sprachlerner – gleich welchen Alters – sprachfähig und<br />
damit handlungsfähig zu machen in ihrer jeweiligen Lebenswelt.<br />
Denn Sprachfähigkeit ist Handlungsfähigkeit.<br />
Sie schafft die Möglichkeit zur Teilhabe, zur Kommunikation<br />
mit anderen Menschen und zur Mitgestaltung von<br />
Situationen.<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> hat das Ziel<br />
Kinder aus Einwandererfamilien, aber auch deutschsprachige<br />
Kinder durch Förderung in der deutschen<br />
Sprache zu gleichberechtigter Teilhabe in Kindergarten<br />
und Schule zu befähigen.<br />
Die folgende Auflistung von Sprachhandlungen benennt<br />
und definiert eine Vielzahl von sprachlichen Aktivitäten,<br />
in denen sich Sprachkompetenz erweist. Die Liste ist<br />
beileibe nicht vollständig, deckt aber nicht nur Alltagssituationen<br />
ab, sondern auch fortgeschrittene Anforderungen.<br />
Sie will dazu anregen, alle sozialen Interaktionen<br />
bewusst zur Sprachförderung zu nützen. Für den Erfolg<br />
einer so verstandenen Sprachförderung ist es wichtig<br />
genau zu beobachten, wie die Kinder die mit diesen<br />
Handlungen verbundenen sprachlichen Anforderungen<br />
meistern. Dabei ist das Alter natürlich zu berücksichtigen,<br />
aber prinzipiell gelten diese Anforderungen für alle<br />
Altersstufen.<br />
Auch das Kindergartenkind kann schon Sprach- und<br />
Handlungskompetenz zeigen, in<strong>dem</strong> es andere Kinder<br />
begrüßt, um etwas bittet, ein Erlebnis erzählt u. a.. Bei<br />
Kindern im Vorschulalter erweist sich diese Sprachkompetenz<br />
natürlich zunächst nur in der mündlichen Kommunikation.<br />
Trainingsfeld für die angestrebte Sprach- und Handlungskompetenz<br />
ist aber nicht nur die kurze Zeit der<br />
Sprachförderung, sondern der gesamte Kindergarten-<br />
bzw. Schulalltag.
Liste möglicher Sprachhandlungen<br />
begrüßen/<br />
verabschieden -<br />
den Beginn oder das Ende<br />
eines Treffens sprachlich<br />
markieren<br />
fragen -<br />
sich erkundigen,<br />
Informationen einholen<br />
danken -<br />
Dankbarkeit für eine<br />
erbrachte Leistung ausdrücken,<br />
die Erledigung eines<br />
Auftrags bestätigen<br />
ermahnen -<br />
jemanden in eine<br />
erwünschte Richtung<br />
beeinflussen<br />
sich entschuldigen -<br />
das Bedauern über eigenes<br />
Fehlen oder eine eigene<br />
Fehlleistung ausdrücken<br />
berichten -<br />
Vorgänge oder<br />
Sachverhalte mitteilen<br />
ansprechen -<br />
sprachlich mit jeman<strong>dem</strong><br />
Kontakt aufnehmen<br />
antworten -<br />
Informationen, geben,<br />
Sachverhalte darstellen,<br />
berichten, beschreiben<br />
gratulieren -<br />
Teilnahme an der Freude<br />
des anderen ausdrücken<br />
trösten -<br />
jeman<strong>dem</strong> sein Mitgefühl<br />
ausdrücken und ihm helfen<br />
etwas Bedauerliches zu<br />
überwinden<br />
sich verabreden -<br />
eine Absprache treffen für<br />
ein gemeinsames Tun<br />
beschreiben -<br />
Gegenstände, Vorgänge,<br />
Personen zum Erkennen<br />
genau schildern<br />
einladen -<br />
jemanden zu einer<br />
Gemeinsamkeit auffordern<br />
bitten -<br />
eine Leistung erbitten,<br />
etwas bestellen, anfordern<br />
klagen, beklagen -<br />
einen Vorgang oder<br />
Zustand bedauern<br />
streiten -<br />
einen Interessen- oder<br />
Meinungskonflikt unter<br />
starker Gefühlsbeteiligung<br />
austragen<br />
sich unterhalten -<br />
informell Meinungen,<br />
Informationen, Erlebnisse<br />
und Gefühle austauschen<br />
argumentieren -<br />
Sachfragen ausführlich<br />
erörtern<br />
befehlen, anweisen -<br />
jemanden mit Nachdruck<br />
veranlassen etwas zu tun<br />
auf-, ermuntern -<br />
jemanden mit Worten in<br />
eine positive Stimmung<br />
versetzen<br />
sich versöhnen -<br />
eine Auseinandersetzung<br />
mit <strong>dem</strong> Willen zur<br />
Gemeinsamkeit beenden<br />
erzählen -<br />
Erlebnisse und/oder<br />
Geschichten mitteilen<br />
referieren -<br />
Sachverhalte<br />
zusammenhängend vor<br />
anderen darlegen<br />
5
6<br />
Grundprinzipien der vorschulischen Sprachförderung<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong><br />
1. Die Sprachförderung im Kindergarten erfolgt ganzheitlich<br />
im Handeln und Sprechen in altersgerechten<br />
Spiel- und Lernsituationen unter Beteiligung aller Sinne.<br />
2. Damit Kinder mit einer anderen Familiensprache<br />
und deutschsprachige Kinder mit besonderem sprachlichen<br />
Förderbedarf möglichst rasch im deutschen Kindergarten<br />
und in der neuen Sprache heimisch werden,<br />
ist eine regelmäßige Förderung in der Kleingruppe und<br />
zwar vom Beginn der Kindergartenzeit an erforderlich.<br />
Die Kleingruppe bietet den nötigen Schonraum<br />
für die Anfänge in der deutschen Sprache. Sie gibt die<br />
Möglichkeit, dass die Kinder individuell angesprochen,<br />
ermutigt und aufmerksam angehört werden können und<br />
dass sie ausreichend zu Wort kommen.<br />
3. Die regelmäßige Förderung in der Kleingruppe erfolgt<br />
in enger Zusammenarbeit mit den ErzieherInnen<br />
und inhaltlich in enger Vernetzung mit der Themenarbeit<br />
der Gesamtgruppe. Die <strong>Sprachhilfe</strong> greift, wenn<br />
möglich, deren Themen in vereinfachter Form auf und<br />
gibt den Kindern Gelegenheit zur Aneignung durch eigene<br />
sprachliche Aktivität.<br />
4. <strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> ist interkulturell<br />
ausgerichtet. Die SprachhelferIn akzeptiert,<br />
dass die Kinder zu Hause eine andere Sprache sprechen<br />
und versucht dies in ihre Arbeit mit einzubeziehen.<br />
Sie zeigt Interesse an Herkunftssprache und –kultur<br />
und ermutigt die Eltern intensiv mit ihren Kindern in ihrer<br />
Sprache zu sprechen. Die <strong>Sprachhilfe</strong> wie auch der<br />
Kindergarten können die Familiensprache der Kinder<br />
nicht fördern.<br />
Zu den fettgedruckten Leitbegriffen gibt es im Folgenden<br />
ausführlichere Erläuterungen.
Ganzheitliche Sprachförderung<br />
für Kinder mit Migrationshintergrund und deutsche Kinder<br />
mit besonderem Förderbedarf<br />
Sprachförderung <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> spricht<br />
vielfältige Entwicklungsbereiche der Kinder an. Sprache<br />
wird nicht nur durch Hören und Sprechen erworben,<br />
sondern in konkreten Handlungssituationen, die sich an<br />
den Bedürfnissen, Interessen und Wünschen der Kinder<br />
orientieren. Dadurch wird ein Lernen über viele Sinne mit<br />
emotionaler Beteiligung ermöglicht. Sprache wird durch<br />
das Einbeziehen von Mimik, Gestik und Körpersprache<br />
in ihrem ganzen Reichtum erlebt. Die Bedeutung von<br />
Sprache wird so vielseitig erfahren.<br />
Ein Beispiel aus der Praxis kann das verdeutlichen:<br />
Wenn Kinder eine Walnuss betrachten, an ihr riechen<br />
und sie betasten; wenn sie selbst eine Walnuss spielen,<br />
die vom Baum fällt oder auf <strong>dem</strong> Boden rollt; wenn<br />
sie entdecken und ausprobieren, welche Geräusche<br />
man mit Nüssen und Nussschalen machen kann und<br />
wenn sie dann noch probieren, wie sie schmeckt, bekommen<br />
Kinder eine Vielzahl unterschiedlicher Wahr-<br />
nehmungsreize zu diesem Begriff Walnuss. Diese<br />
sinnlichen Erfahrungen eröffnen ein Feld von Bedeutungen,<br />
die nun weiter erkundet werden können. Werden<br />
Augen, Ohren, Geruchs-, Tast- und Geschmackssinn<br />
angesprochen, dann fällt es <strong>dem</strong> Kind besonders<br />
leicht, sich neue Worte zu merken. Lustvolle und<br />
kreative Wiederholungen geben den Kindern Sicherheit,<br />
weil sie an Bekanntem und Vertrautem anknüpfen<br />
und gewährleisten ein langfristiges Behalten der<br />
neuen Begriffe.<br />
„Je jünger die Kinder sind, umso mehr brauchen sie Aktivitäten<br />
und Dialoge in denen die gesprochene Sprache<br />
mit den nichtrationalen Ausdrucksmitteln und ebenso<br />
mit Sinneswahrnehmungen, Bewegungs- und Handlungserfahrungen<br />
verknüpft werden.“ 1<br />
1 Sander und Spanier: Kindergarten heute spezial.<br />
Sprachentwicklung und Sprachförderung.<br />
Herder Verlag<br />
7
8<br />
Wichtige Voraussetzungen für die<br />
Sprachentwicklung<br />
Auditive Wahrnehmung: Gut und differenziert hören;<br />
Laute unterscheiden; Klangrichtungen und Tonhöhen<br />
erfassen; Sprachmelodie und Sprachrhythmus wahrnehmen...<br />
Visuelle Wahrnehmung: Die Mundstellung und die<br />
Sprechbewegungen des Erwachsenen sehen; Mimik,<br />
Gestik und Körpersprache beobachten; Farben und Formen<br />
wahrnehmen; die Umgebung entdecken...<br />
Taktile Wahrnehmung: Dinge ertasten, fühlen und spüren;<br />
die eigene Kraft wahrnehmen; kleinste Unterschiede<br />
beim Sprechen fühlen...<br />
Grobmotorik: Krabbeln, laufen, hüpfen, springen; die<br />
Muskulatur trainieren; Bewegungsabläufe üben; den interessanten<br />
Dingen zuwenden...<br />
Feinmotorik: greifen, festhalten, bewegen, malen, basteln,<br />
schneiden; Feinabstimmung von komplizierten Bewegungsabläufen...<br />
„Ein Kind lernt nur dann richtig sprechen, wenn die Bewegungs-<br />
und Sinneskoordination voll ausgebildet ist“. 2<br />
2 Siebers und Fuchs: Sprachförderung von Anfang an.<br />
Sozialpädagogisches Institut NRW 2002<br />
Methoden der ganzheitlichen<br />
Sprachförderung<br />
Vielfältige Angebote in Grob- und Feinmotorik, mit Partner<br />
oder in der Gruppe und mit unterschiedlichen Medien<br />
gehören zu einer ganzheitlichen Sprachförderung.<br />
Durch kreative Verknüpfungen ermöglichen wir den Kindern,<br />
ihre Erfahrungen mit Sprache auf verschiedenen<br />
Wahrnehmungsebenen zu intensivieren und ein dichtes<br />
Assoziationsnetz aufzubauen.<br />
Bilderbücher sind ein fester Bestandteil der Sprachförderung.<br />
Beim Vorlesen lernen die Kinder eine gehobenere<br />
Sprache als die Alltagssprache kennen. Beim dialogischen<br />
Lesen wird das Bilderbuch als Medium genutzt<br />
um mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. Angeregt<br />
durch Bilder und Geschichten können die Kinder ihre<br />
eigenen Ideen, Vorstellungen, Erfahrungen und Fantasien<br />
mitteilen und somit ihre sprachlichen Fähigkeiten<br />
ausprobieren und erweitern. Dadurch kann die SprachhelferIn<br />
viel über das einzelne Kind erfahren. Während<br />
der Bilderbuchbetrachtung entsteht häufig nicht nur<br />
körperliche sondern auch persönliche Nähe, die dazu<br />
beiträgt, dass die SprachhelferIn und das einzelne Kind<br />
eine intensive und vertrauensvolle Beziehung aufbauen<br />
können.<br />
Spielmaterial oder Alltagsgegenstände, auf die sich<br />
die SprachhelferIn und das Kind beim Sprechen beziehen,<br />
unterstützen das Sprachverständnis.
Singen, Klatschen und Musizieren machen Spaß,<br />
vermitteln den Kindern ein gutes Gemeinschaftsgefühl<br />
und beeinflussen positiv das soziale Verhalten untereinander.<br />
Im Vergleich zur gesprochenen Sprache<br />
haben Lieder einen besonderen Rhythmus und unterstützen<br />
und fördern so die Sprachentwicklung und den<br />
Sprechfluss.<br />
Spiellieder ermöglichen Bewegungserfahrungen allein,<br />
zu zweit oder in der Gruppe. Hier sind die Kinder, die<br />
sich sprachlich noch nicht so gut einbringen können<br />
in die Aktivitäten der Kindergartengemeinschaft eingebunden<br />
und erleben ein Gefühl der Zugehörigkeit und<br />
Sicherheit. Besonders geeignet sind Lieder, in denen<br />
von Strophe zu Strophe nur ein Wort oder wenige Worte<br />
ausgewechselt werden oder in denen Bewegungsvokabeln<br />
wie z.B. stampfen, klatschen, drehen, hüpfen... als<br />
Variable eingesetzt werden. Wir tanzen was wir singen!<br />
(„Rundherum im Kreise“, Seite 50)<br />
Spiel und Tanz sind international und helfen Kinder mit<br />
unterschiedlichen Familiensprachen und geringen deutschen<br />
Sprachkenntnissen zusammenzuführen.<br />
Bewegungsangebote und Bewegungsspiele tragen<br />
dazu bei die Freude am Sprechen zu aktivieren. Über<br />
die Bewegungen und das Experimentieren mit Gegenständen<br />
machen die Kinder viele neuen Erfahrungen,<br />
durch die ihr Wortschatz erweitert wird. Sprache wird<br />
erlebt, wenn z.B. die Begriffe „hoch, tief, gerade, schief“<br />
mit <strong>dem</strong> ganzen Körper räumlich dargestellt werden<br />
(siehe Anhang Seite 51).<br />
„So werden durch das Handeln gewonnene Erfahrungen<br />
in Verbindung mit der Sprache zu Begriffen.“ 3<br />
Bei Finger- und Handgestenspielen wird das Tun mit<br />
<strong>dem</strong> Sprechen verbunden. Auch wenn die Kinder die Bedeutung<br />
der Verse, Geschichten und Reime noch nicht<br />
ganz verstehen, können sie mit Unterstützung weniger<br />
und klarer Gesten sofort mitmachen und die richtigen<br />
Hypothesen bilden.<br />
Eine deutliche Aussprache und eine gute Sprachmelodie<br />
der SprachhelferIn wecken die Aufmerksamkeit der<br />
Kinder für die sprachliche Form und erleichtern den Kindern<br />
das Erlernen der deutschen Sprache.<br />
3 Zimmer: Handbuch der Bewegungserziehung.<br />
Herder Verlag 2009<br />
9
10<br />
Sprache und Wirklichkeit<br />
im Spracherwerb<br />
Bei kindlichen Anfängern in der deutschen Sprache ist<br />
ein didaktischer Zusammenhang von Sprechen und<br />
Handeln zu beachten.<br />
Wie in der Grafik über die „Stufen des Spracherwerbs<br />
im Vorschulalter“ dargestellt, ist es bei den Sprachanfängern<br />
für den Aufbau von Bedeutungen in der neuen<br />
Sprache wichtig, dass jeder Gegenstand, mit <strong>dem</strong> die<br />
Kinder sich in der <strong>Sprachhilfe</strong> beschäftigen, deutlich benannt,<br />
dass jede Handlung mit einfacher, aber korrekter<br />
Sprache begleitet wird: „Ich nehme den blauen Stift.“<br />
„Ekrem baut einen Turm.“<br />
Die <strong>Sprachhilfe</strong> für Sprachanfänger im Kindergarten<br />
kann hier viel von den Techniken der Sprachvermittlung<br />
beim Erstspracherwerb lernen, wie beispielsweise das<br />
Wiederholen und Bestätigen der kindlichen Äußerungen,<br />
das Nachfragen und Erweitern: „Du hast Recht,<br />
das Auto ist blau. Siehst du auch ein rotes Auto?“<br />
Auch in der zweiten Sprachstufe setzt sich die Versprachlichung<br />
des Alltagshandelns fort, wobei allerdings<br />
das Sehen als Verstehenshilfe allmählich zugunsten des<br />
Hörens zurücktritt.<br />
In der dritten Sprachstufe erreicht das Verhältnis<br />
von Sprache und Wirklichkeit eine neue Dimen-<br />
sion. Jetzt kann Sprache in ihrer eigentlichen Leistung<br />
genutzt werden: Aus <strong>dem</strong> situativen Kontext gelöst,<br />
kann sie durch Vorlesen und Erzählen eine zweite<br />
Wirklichkeit schaffen.
Stufen des Zweitspracherwerbs<br />
im Vorschulalter und angemessene altersgerechte Schwerpunkte<br />
der Sprachförderung<br />
Grundsatz:<br />
DIE WELT IN DER<br />
SPRACHE<br />
Allmähliche Ablösung der Sprache vom<br />
situativen Kontext<br />
Grundsatz: Verlagerung<br />
vom Sehen auf<br />
HÖREN UND VERSTEHEN<br />
Ausbau der sprachlichen Kommunikation in<br />
Frage und Antwort<br />
Ausbau der sprachlichen Handlungskompetenz in<br />
verschiedensten sozialen Situationen durch Spiele<br />
Grundsatz: Der Aufbau<br />
von Bedeutung<br />
SEHEN UND VERSTEHEN<br />
Kennenlernen: ich - du - wir<br />
Vertrautwerden mit der deutschen Sprache durch<br />
Rhythmus, Reim, Melodie und Bewegung in kollektivem<br />
Sprechen, Singen und Spielen<br />
Erzählen und Zuhören in<br />
natürlichen<br />
Erzählsituationen:<br />
Geschichten und Rollenspiele,<br />
Reden über Bilder,<br />
Bildergeschichten,<br />
Geschichten, Umgang mit<br />
Büchern, Nachahmung guter<br />
Sprachvorbilder<br />
Anleitung zur Versprachlichung<br />
des Alltagshandelns,<br />
der Wahrnehmung,<br />
der eigenen Gefühle und<br />
Wünsche:<br />
Ausbau des Wortschatzes durch<br />
reichhaltige Umwelterfahrung:<br />
Tageszeiten, Jahreszeiten,<br />
Natur, Tiere, Technik, kleine<br />
Spielgeschichten<br />
2. Stufe<br />
Wörtersammler, Vertrautheit mit <strong>dem</strong> Kindergarten, passives Sprachverständnis<br />
Umgang mit den realen<br />
Dingen der kindnahen Umwelt<br />
in deutscher Sprache:<br />
Räume und Ausstattung des<br />
Kindergartens, Spielmaterial,<br />
aber auch Körper und<br />
Bewegung, Kleidung, Essen<br />
und Trinken<br />
Kognitiver Bereich:<br />
z.B. zeitliche Orientierung:<br />
jetzt – später,<br />
gestern – heute - morgen,<br />
am Anfang – da<strong>nach</strong> –<br />
zum Schluss...<br />
3. Stufe<br />
Fortgeschrittene, gute Verständigungsmöglichkeiten, abweichender Satzbau<br />
Kognitiver Bereich:<br />
z.B. räumliche Orientierung:<br />
in, auf, unter, neben,<br />
hinter, vor,<br />
oben - unten,<br />
drinnen - draußen…<br />
Kognitiver Bereich:<br />
Erste Ordnungssysteme:<br />
z.B. Farben<br />
Variable kurze Satzmuster:<br />
„Das ist“, „Möchtest du?“<br />
„Gib mir bitte...“, „Ich heiße…“,<br />
„Ich will …“<br />
1. Stufe<br />
Sprachanfänger, oft mit Eintritt in den Kindergarten<br />
11
12<br />
Die Kleingruppe<br />
Nähe und Zusammengehörigkeit erleichtern das Sprechen<br />
Die Kleingruppe gehört von Anfang an zu den Grundpfeilern<br />
der <strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong>,<br />
denn Sprechen lernt man nur durch Sprechen, d.h.<br />
durch eigene Sprachaktivität. Dies kann nur in einer<br />
Gruppe mit überschaubarer Kinderzahl gewährleistet<br />
werden. Und „Kleingruppe“, das bedeutet eine wirklich<br />
kleine Gruppe von vier bis sechs Kindern.<br />
Die Kleingruppe kann zunächst dazu beitragen, dass<br />
die Kinder schnell im Kindergarten heimisch werden.<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> befürwortet<br />
die Sprachförderung in der Kleingruppe gleich mit <strong>dem</strong><br />
Eintritt der Kinder in den Kindergarten.<br />
Wie beim Erwerb der Erstsprache so ist auch beim frühen<br />
Zweitspracherwerb räumliche Nähe und ungehinderter<br />
Blickkontakt zwischen <strong>dem</strong> Kind und <strong>dem</strong> erwachsenen<br />
<strong>Modell</strong>sprecher nötig. Nicht zu unterschätzen ist<br />
die Kleingruppe als Schonraum für die ersten Versuche<br />
in der neuen Sprache. Hier ist sichergestellt, dass<br />
auch der langsame und zögernde Sprecher unterstützt<br />
und gehört und dass niemand ausgelacht wird. Viele<br />
SprachhelferInnen berichten, dass die ersten Worte und<br />
Sätze oft in der Kleingruppe gesprochen werden. Auch<br />
deutschsprachigen Kindern mit besonderem Sprachförderbedarf<br />
tut es gut, wenn sie in der Kleingruppe mehr<br />
Raum und Zeit und ungeteilte Aufmerksamkeit für ihr<br />
Sprechen bekommen.<br />
Auch später, wenn die wachsende Sprachfertigkeit<br />
Gruppengespräche möglich macht und wenn die Kinder<br />
anfangen ihre Erlebnisse zu erzählen, brauchen sie aus-<br />
reichend Sprechzeit und vor allem die Aufmerksamkeit<br />
und das interessierte Nachfragen eines einfühlsamen<br />
erwachsenen Zuhörers, der es auch versteht, die anderen<br />
Kinder in der Gruppe für die erzählte Geschichte zu<br />
interessieren.<br />
Für den inhaltlichen Zusammenhang zwischen der<br />
<strong>Sprachhilfe</strong>arbeit und der Kindergartenarbeit muss eine<br />
gute Zusammenarbeit aller Beteiligten sorgen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
der Kinder kann gestärkt<br />
werden, wenn die Sprachförderung ab und zu in der Gesamtgruppe<br />
stattfindet.<br />
Denn eins ist klar: Die Effektivität einer Sprachförderung<br />
in der Kleingruppe muss sich in der wachsenden Kommunikationsfähigkeit<br />
der Kinder in der Gesamtgruppe<br />
erweisen. Ziel der <strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong><br />
<strong>Modell</strong> ist und bleibt die volle Teilhabe der geförderten<br />
Kinder am gesamten Kindergartenleben.
<strong>Sprachhilfe</strong> von Anfang an<br />
Die Konzeption der <strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong><br />
<strong>Modell</strong> sieht für die Kinder aus Einwandererfamilien<br />
Sprachförderung in der Kleingruppe vom Beginn ihrer<br />
Kindergartenzeit vor. So sollen sich die Kinder von Anfang<br />
an willkommen und beachtet fühlen. Die Sprachförderung<br />
in der Kleingruppe soll vor allem rasch zur<br />
aktiven Teilhabe der Kinder an den Angeboten des Kindergartens<br />
führen, damit die Kinder maximal von ihrer<br />
Kindergartenzeit profitieren und auf diese Weise ihre<br />
Zweitsprache Deutsch bis zum Schulstart ausreichend<br />
entwickeln können.<br />
Aber auch Kinder mit deutscher Familiensprache, deren<br />
Sprache beim Eintritt in den Kindergarten nicht<br />
altersgemäß entwickelt ist, können durch die regelmäßige<br />
ganzheitliche Förderung in der Kleingruppe<br />
ihre Kindergartenzeit intensiv zur Erweiterung ihrer<br />
Sprachkompetenzen nutzen.<br />
Zusammenarbeit und Vernetzung<br />
Damit die <strong>Sprachhilfe</strong> in der Kindergartengruppe möglichst<br />
eng mit <strong>dem</strong> Kindergartenleben der Kinder verbunden<br />
ist und die Interessen und Beschäftigungen der<br />
Kinder in die Sprachförderung einfließen, ist eine Vertrautheit<br />
der SprachhelferIn mit <strong>dem</strong> Kindergarten erforderlich,<br />
eine offene Zusammenarbeit mit den ErzieherInnen<br />
und wo immer es möglich ist, eine Vernetzung mit<br />
den Themen der Kindergartenarbeit. Die Kinder sollen<br />
erleben, dass die Sprache, mit der sie in der Kleingruppe<br />
vertraut werden, ihr Verstehen in der Gesamtgruppe<br />
ständig erweitert und so ihr Mitmachen ermöglicht.<br />
Natürlich ist auch der Kindergarten selber – seine Räume,<br />
seine Aussenanlagen, sein Inventar, vor allem das<br />
Spiel- und Beschäftigungsmaterial – Inhalt und Gegenstand<br />
der Sprachförderung in der Kleingruppe.<br />
13
14<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> ist interkulturell<br />
Sprachförderung <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> versteht<br />
sich als ein Element der interkulturellen Erziehung<br />
im Kindergarten. Die konkreten Lebenswelten der Kinder<br />
und ihrer Familien mit ihren unterschiedlichen Kulturen,<br />
Traditionen, Religionen und Sprachen werden wertgeschätzt.<br />
Diese Vielfalt wird als Bereicherung gesehen.<br />
Ein wichtiges Ziel der <strong>Sprachhilfe</strong> ist es, bei Kindern das<br />
Interesse an anderen Kulturen zu wecken. Sie sollen<br />
lernen diese Andersartigkeit zu akzeptieren und ihr mit<br />
Toleranz und Offenheit zu begegnen.<br />
Die Vielfalt der Sprachen und Kulturen wird auch durch<br />
die Auswahl der Themen, Materialien und Medien zur<br />
Gestaltung der Sprachförderung sichtbar und hörbar<br />
gemacht. Einige Möglichkeiten dafür sind: Begrüßen<br />
und Verabschieden der Kinder in ihrer Herkunftssprache;<br />
Lieder, Verse, Reime und Bücher in verschiedenen<br />
Sprachen oder auch Puppen, Spielfiguren und Fotos von<br />
Menschen, die verschiedene Nationalitäten darstellen.<br />
Eltern sind Experten für Migrationserfahrung, Herkunftssprache<br />
und –kultur. Die SprachhelferIn bemüht sich<br />
mit den Eltern ins Gespräch zu kommen, sie über die<br />
<strong>Sprachhilfe</strong>arbeit zu informieren und mit einzubeziehen.<br />
Die Eltern werden ermuntert und unterstützt in der<br />
Familie intensiv ihre Muttersprache zu sprechen, denn<br />
die Muttersprache spielt für die kindliche Entwicklung<br />
in vielfacher Hinsicht eine wichtige Rolle: zur Entwicklung<br />
und Stärkung der interkulturellen Identität, als<br />
Kommunikationsmittel innerhalb der Familie und anderer<br />
nationaler Bezugsgruppen und als Grundlage<br />
für das Erlernen der zweiten Sprache. Der Erfolg beim<br />
Erwerb der Zweitsprache hängt wesentlich von der<br />
Qualität der Erstsprache ab.
Struktureller Aufbau einer <strong>Sprachhilfe</strong>stunde<br />
Der Verlauf einer <strong>Sprachhilfe</strong>stunde ist strukturiert und<br />
rhythmisch. Die SprachhelferIn bereitet ein Thema vor,<br />
trotz<strong>dem</strong> werden die individuellen Bedürfnisse und<br />
Wünsche der Kinder berücksichtigt. Das verlangt von<br />
der SprachhelferIn ein hohes Maß an Flexibilität und<br />
Kreativität. In der <strong>Sprachhilfe</strong> wechseln sich Phasen der<br />
Entspannung und Anspannung sowie der Stille und Bewegung,<br />
des Zuhörens und des Sprechens ab.<br />
Ein klar strukturierter Ablauf gibt den Kindern Sicherheit<br />
und Orientierung und erleichtert das Verstehen.<br />
Die <strong>Sprachhilfe</strong> beginnt mit der Begrüßung und einem<br />
Anfangsritual. Das kann ein Lied, ein Vers oder ein<br />
Spiel sein. Das Ritual signalisiert den Kindern, dass die<br />
Stunde beginnt und schafft einen gemeinsamen Anfang.<br />
Durch die häufige Wiederholung können die Kinder sehr<br />
schnell mitmachen und mitsprechen und somit Erfolg<br />
erleben.<br />
Im Hauptteil der <strong>Sprachhilfe</strong>einheit werden neue sprachliche<br />
Inhalte eingeführt und geübt, bereits Gelerntes wird<br />
wiederholt. Durch den Einsatz vielseitiger Materialien<br />
zur Sprachförderung wird die Stunde abwechslungsreich<br />
und interessant. Unterschiedliche Methoden ermöglichen<br />
ein Lernen über verschiedene Sinneskanäle.<br />
Der Abschluss wird ebenfalls bewusst gestaltet und in<br />
Ruhe durchgeführt. Auch hier kann ein Ritual eingesetzt<br />
werden, um das Ende der <strong>Sprachhilfe</strong> anzukündigen.<br />
Zum Schluss werden alle Kinder verabschiedet.<br />
17
18<br />
Praxisbeispiel Kindergarten<br />
„Meine Hände, deine Hände“<br />
Für Kinder mit geringen Deutschkenntnissen in der<br />
Eingewöhnungsphase<br />
PraxiSbEiSPiEl<br />
KindErgartEn<br />
„MEinE händE,<br />
dEinE händE“<br />
Alter und Sprachstand Kinder mit sehr geringen Deutschkenntnissen in der<br />
Eingewöhnungsphase<br />
Gruppengröße und Rahmenbedingungen Vier Kinder, <strong>Sprachhilfe</strong>raum<br />
Inhalte Kontakt zu den Kindern aufbauen und die Beziehung<br />
unter den Kindern stärken<br />
Sprachziele Grundwortschatz aufbauen: z.B. „meine Hände, deine<br />
Hände“, einfache Satzmuster erwerben: z.B. „hier sind<br />
meine Hände“<br />
Aktivitäten Fingerspiel, singen, Handabdrücke machen<br />
Material Fingerfarbe, Papier<br />
Anhang Lied: „Zu zweit“<br />
Dauer Zwei <strong>Sprachhilfe</strong>einheiten von jeweils 20-30 Minuten<br />
Datum, Autorin<br />
Mai 2009, Elke Rosemarie Gompf
VorübErlEgungEn<br />
© Tolchik - fotolia.com<br />
In den ersten Wochen im Kindergarten strömen viele neue Eindrücke auf die Kinder ein. In dieser Zeit haben es<br />
Kinder mit Migrationshintergrund und geringen Deutschkenntnissen besonders schwer. Sie verstehen die anderen<br />
Kinder und die Erwachsenen meist nicht, können keine Fragen stellen oder ihre Bedürfnisse äußern. Wir helfen<br />
den Kindern in dieser Eingewöhnungszeit, wenn wir mit Singen, Körpersprache, Mimik und Gestik unser Sprechen<br />
unterstützen. Ebenso ist die Gestaltung der Beziehung zwischen den Kindern und der SprachhelferIn für die Sprachentwicklung<br />
bedeutend, denn nur wenn die Kinder positive Erfahrungen machen, entwickelt sich die Kommunikationsbereitschaft.<br />
Hände sind im Kontakt und im Handeln etwas Elementares, deshalb gehört dieses Thema in die<br />
Anfangsphase der Sprachförderung.<br />
ablauF dEr SPrachhilFEEinhEit<br />
begrüßung<br />
Die SprachhelferIn begrüßt jedes Kind mit Namen und per Händedruck.<br />
Einstimmung<br />
Wahrnehmen der Kinderhände: SprachhelferIn: „Du hast ja ganz kalte Hände!“ „Oh, deine sind warm!“ „Meine<br />
Hände sind auch warm.“ „Welche Hände sind noch warm?“ „Ja, die Hände von Sinan sind auch ganz warm. Sinan<br />
hat warme Hände.“<br />
thema<br />
Die SprachhelferIn und die Kinder betrachten gemeinsam ihre Hände und vergleichen sie. „Meine Hände sind groß<br />
und deine Hände sind klein.“ „Meine Hände sind warm, oh, deine Hände sind jetzt auch warm.“<br />
19
20<br />
Praxisbeispiel Kindergarten<br />
„Meine Hände, deine Hände“<br />
Fingerspiel oder lied<br />
Die Kinder sitzen im Kreis und haben die Hände auf <strong>dem</strong> Rücken versteckt. Die SprachhelferIn singt je<strong>dem</strong> Kind<br />
zu. „Sinan, Wo sind deine Hände?“ zeigen: „Hier und hier!“ „Elfi, Wo sind deine Hände?“ zeigen: „Hier und hier!“<br />
Wenn alle Kinder ihre Hände gezeigt haben, singen und klatschen alle zusammen. „Zwei Hände, zwei Hände,<br />
zwei Hände haben wir.“ „Wir haben alle zwei Hände, wir haben alle zwei warme Hände.“ Zur Wiederholung und<br />
Unterstützung kann auch noch das bekannte Lied: „Meine Hände sind verschwunden“ aus der Kindergartengruppe<br />
gesungen werden.<br />
Kreatives gestalten<br />
Die Kinder machen Handabdrücke mit Fingerfarben. Sie tauchen die Hände in einen Teller mit verdünnter Fingerfarbe<br />
und drücken sie dann mit gespreizten Fingern sorgfältig auf ein großes Papier. Dabei spricht die SprachhelferIn<br />
handlungsbegleitend: „Jetzt kommt Sinan dran. Sinan, drück deine Hände fest in die Farbe. Erst die eine Hand,<br />
dann die andere Hand, und jetzt drück deine Hände auf das Papier. Seht mal! Das sind die Hände von Sinan.“ Wenn<br />
alle Hände, auch die der SprachhelferIn auf <strong>dem</strong> Papier zu sehen sind, dann gehen alle gemeinsam die Hände waschen.<br />
Das gibt den Kindern die Gelegenheit die gelernten Wörter zu wiederholen. Die SprachhelferIn spricht und<br />
singt handlungsbegleitend: „Jetzt waschen wir uns alle die Hände. Dann trocknen wir sie ab. Erst die eine Hand,<br />
dann die andere Hand. Zwei Hände, zwei Hände, zwei Hände haben wir...“<br />
ausklang<br />
Die SprachhelferIn und die Kinder setzen sich um das Gemeinschaftsbild mit den Handabdrücken und betrachten<br />
es zusammen. „Elfi, sind das deine Hände? Nein? Wo sind deine Hände?“ Die SprachhelferIn singt mit den Kindern<br />
noch einmal das Lied: „Wo sind deine Hände? Hier und hier...“ und die Kinder zeigen dabei erst ihre Hände und<br />
dann auf ihre Handabdrücke. Zum Schluss geben sich alle die Hände, bilden einen Kreis und hüpfen um das große<br />
Bild herum.<br />
Schlussritual<br />
Ein kleines Schlussritual gibt der Einheit einen vertrauten Rahmen und vermittelt den Kindern Sicherheit und<br />
Geborgenheit. (Siehe Anhang Seite 51)
EFlExion<br />
© Abe Mossop - fotolia.com © Wojciech Gajda - fotolia.com<br />
In dieser ersten Einheit kamen wenig sprachliche Äußerungen, aber einzelne Kinder haben versucht schon mitzusingen.<br />
Die Kinder waren sehr aufmerksam, haben gerne mitgemacht, den Blickkontakt gehalten und zugehört. Die<br />
kreative Einheit mit Fingerfarben hat ihnen besonders viel Spaß gemacht. Wichtig ist es in den nächsten Stunden<br />
die Lieder zu wiederholen, damit sie in den aktiven Sprachgebrauch übergehen.<br />
anhang<br />
3<br />
&<br />
& c œ œ œ œ œ œ<br />
Wo<br />
Wo<br />
Wo<br />
sind<br />
sind<br />
sind<br />
eu<br />
eu<br />
eu<br />
re<br />
re<br />
re<br />
Hän<br />
Oh<br />
Au<br />
œ œ œ œ œ œ<br />
Hän<br />
Oh<br />
Au<br />
-<br />
-<br />
-<br />
de,<br />
ren,<br />
gen,<br />
zwei<br />
zwei<br />
zwei<br />
-<br />
-<br />
-<br />
Hän<br />
Oh<br />
Au<br />
-<br />
-<br />
-<br />
Zu zweit<br />
de,<br />
ren,<br />
gen,<br />
-<br />
-<br />
-<br />
de?<br />
ren?<br />
gen?<br />
zwei<br />
zwei<br />
zwei<br />
œ œ œ ‰ j<br />
œ<br />
Hier<br />
Hier<br />
Hier<br />
und<br />
und<br />
und<br />
hier!<br />
hier!<br />
hier!<br />
œ œ œ œ œ<br />
Hän<br />
Oh<br />
Au<br />
-<br />
-<br />
-<br />
de<br />
ren<br />
gen<br />
ha<br />
ha<br />
ha<br />
-<br />
-<br />
-<br />
ben<br />
ben<br />
ben<br />
Elke Rosemarie Gompf<br />
wir!<br />
wir!<br />
wir!<br />
Œ<br />
Zwei<br />
Zwei<br />
Zwei<br />
.<br />
21
22<br />
Praxisbeispiel Kindergarten<br />
„Meine Hände, meine Finger“<br />
Für Kinder mit geringen Deutschkenntnissen in der<br />
Eingewöhnungsphase<br />
PraxiSbEiSPiEl<br />
KindErgartEn<br />
„MEinE händE, MEinE<br />
FingEr“<br />
Alter und Sprachstand Kinder mit sehr geringen Deutschkenntnissen in der<br />
Eingewöhnungsphase<br />
Gruppengröße und Rahmenbedingungen Vier Kinder, <strong>Sprachhilfe</strong>raum<br />
Inhalte Kontakt zu den Kindern aufbauen und die Beziehung<br />
unter den Kindern stärken<br />
Sprachziele Grundwortschatz vertiefen und erweitern; einfache Satzstrukturen<br />
wiederholen<br />
Aktivitäten Fingerspiel, singen, Handabdruck machen<br />
Material Korb, Kamm, gelbe Fingerfarbe, Seife, Papier,<br />
Küchentücher<br />
Anhang Lied: „Meine kleinen Hände“<br />
Dauer 20-30 Minuten<br />
Datum, Autorin Mai 2009, Elke Rosemarie Gompf
VorübErlEgungEn<br />
© luisa - Fotolia.com<br />
In dieser Einheit werden Begriffe, Satzmuster und Aktivitäten der vorangegangenen <strong>Sprachhilfe</strong>einheit wiederholt,<br />
vertieft und weiter geführt. Aktivitäten wie Haare kämmen, Hände waschen und Bilder malen sind den meisten Kindern<br />
wahrscheinlich vertraut. Häufig fehlt ihnen der Wortschatz, um diese Tätigkeiten zu versprachlichen. Durch das<br />
gemeinsame Tun, handlungsbegleitendes Sprechen und den Einsatz von Mimik und Gestik erleichtern wir ihnen<br />
den entsprechenden Wortschatz zu erwerben.<br />
ablauF dEr SPrachhilFEEinhEit<br />
begrüßung und Einstimmung<br />
Die SprachhelferIn begrüßt jedes Kind mit Namen und per Händedruck. Wahrnehmen der Kinderhände: SprachhelferIn:<br />
„Heute sind ja eure Hände ganz warm! Aber meine Hände, die sind ganz kalt! Draußen ist es auch kalt und es<br />
scheint keine Sonne.“<br />
thema<br />
Die SprachhelferIn streicht je<strong>dem</strong> Kind über die Handinnenfläche und die Finger und spricht dazu: „Das ist die Hand<br />
von Anton und das sind die Finger von Anton. Das ist die Hand von Elfi und das sind die Finger von Elfi ...und das<br />
sind meine Finger.“ Die SprachhelferIn tippt jeden Finger an: „Zehn Finger haben wir. Wir haben zehn Finger.“ Alle<br />
betrachten und vergleichen miteinander Hände und Finger. „Anton, hast du auch zehn Finger? ...Ja, Anton hat auch<br />
zehn Finger. Hände und Finger können viele Sachen. Sie können Haare kämmen, ...Bilder malen, ...Hände waschen.“<br />
Die SprachhelferIn begleitet alles mit Handgesten und lässt den Kindern Zeit, die Gesten mitzuvollziehen.<br />
Fingerspiel oder lied<br />
Jetzt kann die SprachhelferIn das Lied „Meine kleinen Hände“ (siehe Seite 25) einführen, in<strong>dem</strong> sie das Singen<br />
mit Handgesten begleitet. Die Sprachhelferin hat drei Gegenstände in einem zugedeckten Korb mitgebracht. Zuerst<br />
holt sie einen Kamm heraus. „Elfi, was kannst du damit machen?“ Elfi zeigt, dass sie sich damit die Haare<br />
kämmen kann.<br />
23
24<br />
Praxisbeispiel Kindergarten<br />
„Meine Hände, meine Finger“<br />
„Genau, du kannst dir damit die Haare kämmen. Schaut, Elfi kämmt sich die Haare.“ Elfi darf in der Mitte sitzen<br />
und sich selber die Haare kämmen und die SprachhelferIn singt mit den Kindern dazu: „Meine kleinen Hände, mit<br />
zehn Fingern dran, können Haare kämmen, schaut euch das mal an...“ Jedes Kind darf einmal in der Mitte sitzen.<br />
Jedes Mal singen die anderen den Liedvers dazu. Die SprachhelferIn hat für jedes Kind einen Kamm dabei und alle<br />
kämmen sich und singen gemeinsam. Haben sich alle Kinder gründlich gekämmt, dann legen sie den Kamm wieder<br />
in den Korb.<br />
Kreatives gestalten<br />
Malen mit Fingerfarben: Jetzt holt die SprachhelferIn einen Topf gelbe Fingerfarbe aus <strong>dem</strong> Korb. Dieses Mal gestalten<br />
die Kinder mit ihren Händen und Fingern eine Sonne. „Wir malen mit unserer Hand und unseren Fingern!“ Die<br />
Kinder tauchen die ganze Handfläche in einen Teller mit verdünnter gelber Fingerfarbe. Dann drücken sie die Hand<br />
mit gespreizten Fingern sorgfältig auf ein großes Papier. Die SprachhelferIn dreht das Papier für jeden neuen Druck<br />
solange im Kreis herum, bis eine wunderschöne Sonne entsteht. Auch dazu spricht und singt die SprachhelferIn<br />
handlungsbegleitend: „Meine kleinen Hände mit zehn Fingern dran... können Bilder malen“. Die SprachhelferIn hat<br />
für jedes Kind ein Papierküchentuch bereit, damit es sich <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> Malen die Hände abwischen kann. Dann, wenn<br />
alle Kinder eine Sonne gemalt haben, ist wieder das Händewaschen dran. Aus <strong>dem</strong> Korb holt die SprachhelferIn nun<br />
den dritten Gegenstand, eine besonders gut riechende Seife. Alle Kinder dürfen daran schnuppern. „Die Seife riecht<br />
aber gut.“ Das Händewaschen gibt uns Gelegenheit zu sprachlichen Wiederholungen. Alle gehen gemeinsam zum<br />
Waschraum und waschen sich mit dieser Seife die Hände. Dazu singen wir: „Meine kleinen Hände mit zehn Fingern<br />
dran können Hände waschen, schaut euch das mal an... Erst die eine Hand, dann die andere Hand… zwei Hände,<br />
zwei Hände, zwei Hände haben wir...“ „Ah, jetzt riechen unsere Hände aber gut!“<br />
ausklang<br />
Die SprachhelferIn und die Kinder setzen sich wieder in den Stuhlkreis und betrachten ihre Sonnenbilder. „Das<br />
haben unsere Hände mit den zehn Fingern gemacht.“ Sie unterstützt diese Aussage wieder mit Handgesten.<br />
„Unsere kleinen Hände, mit zehn Fingern dran, können eine schöne gelbe Sonne malen.“ Lied: „Meine kleinen<br />
Hände... können eine Sonne malen, schaut euch das mal an...“. „Wir schauen aus <strong>dem</strong> Fenster, ob draußen auch die<br />
Sonne scheint!“
© Garry - Fotolia.com © Brebca - Fotolia.com<br />
Schlussritual<br />
Ein kleines Schlussritual gibt der Einheit einen vertrauten Rahmen und vermittelt den Kindern Sicherheit<br />
und Geborgenheit.<br />
rEFlExion<br />
Die Kinder waren wieder sehr aufmerksam. Die Begrüßung und das anschließende „Finger zählen“ verfolgten sie<br />
gespannt. Man konnte spüren, dass jedes Kind Zeit zum Ankommen braucht. Es ist wichtig, dass sie diese Zeit<br />
auch bekommen. Neugierig verfolgten sie, was alles im Korb versteckt war. Sie haben es sehr genossen in der Mitte<br />
zu sitzen und die Haare zu kämmen, während die SprachhelferIn und vereinzelt Kinder dazu sangen. Aber vor allem<br />
das Hände waschen mit der feinen Seife war für die Kinder sehr eindrücklich und es kamen von den Kindern dazu<br />
schon Äußerungen wie „riecht gut“ oder „Hände riecht gut“ und „Hände waschen“.<br />
anhang<br />
3<br />
& b c œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ Œ .<br />
1.Mei ne<br />
kön nen klei<br />
Haa nen<br />
re Hän<br />
1. - -<br />
- - käm<br />
de<br />
men,<br />
4 Marina Palmen, Ludger Edelkötter:<br />
7 Hallo, du im Nachbarhaus – Spiellieder. Bergmoser Höller Verlag GmbH<br />
-<br />
-<br />
14<br />
mit<br />
schaut zehn<br />
euch Fing<br />
das<br />
ern<br />
mal dran, -<br />
an. ,<br />
& b . œ œ œ œ œ œ œ œ œ Œ .<br />
5<br />
& b<br />
& b<br />
9<br />
& b<br />
kön<br />
kön<br />
-<br />
-<br />
nen<br />
nen<br />
Meine kleinen Hände<br />
käm<br />
käm<br />
-<br />
-<br />
men,<br />
men,<br />
schaut<br />
schaut<br />
euch<br />
euch<br />
das<br />
das<br />
mal<br />
mal<br />
an.<br />
an.<br />
<br />
<br />
<br />
Ludger Edelkötter<br />
2. Meine kleinen Hände mit zehn Fingern dran, können Bilder malen, schaut euch das mal an,<br />
können malen, schaut euch das mal an, können malen, schaut euch das mal an.<br />
25
26<br />
Praxisbeispiel Kindergarten<br />
„Wochentage“<br />
PraxiSbEiSPiEl<br />
KindErgartEn<br />
„WochEntagE“<br />
Alter und Sprachstand Vier- bis fünfjährige Kinder<br />
Gruppengröße und Rahmenbedingungen Vier bis sechs Kinder, <strong>Sprachhilfe</strong>raum<br />
Inhalte Zeitliche Orientierung: sieben Tage, eine Woche im<br />
Kindergarten, Wochentage als Signalwörter<br />
Sprachziele Namen und Reihenfolge der Wochentage lernen<br />
Aktivitäten Verschiedene Gegenstände den Wochentagen zuordnen,<br />
singen und tanzen<br />
Material Pappe, Stühle, Gruppenfoto der <strong>Sprachhilfe</strong>gruppe,<br />
sieben Reifen, verschiedene Gegenstände aus <strong>dem</strong><br />
Kindergartenalltag, Strohhut und gelbes Krepppapier<br />
Anhang Lied: „Wochentagelied“<br />
Dauer Ca. 40 Minuten<br />
Datum, Autorin Mai 2009, Elke Rosemarie Gompf
VorübErlEgungEn<br />
Viele SprachhelferInnen beobachten, dass die Kinder Schwierigkeiten haben die Namen und die Abfolge der Wochentage<br />
zu lernen. Deshalb greifen sie dieses Thema auf. Das erste Lernziel ist die Bedeutung des Wortes „Tag“<br />
sicher zu stellen. Dies können Kinder am besten erfahren, in<strong>dem</strong> sie einen Tagesablauf – vom Aufstehen bis zum<br />
Schlafen gehen – <strong>nach</strong>spielen. Wenn diese Bedeutung sicher gestellt ist, kann man die Namen und die Reihenfolge<br />
der Wochentag erarbeiten.<br />
ablauF dEr SPrachhilFEEinhEit<br />
begrüßung und Einstimmung<br />
Die SprachhelferIn begrüßt jedes Kind mit Namen. „Wer weiß, welcher Tag heute ist?“ Lena weiß es schon und<br />
antwortet: „Mittwoch“ SprachhelferIn: „Ja, heute ist Mittwoch, jeder Tag hat einen Namen.“ Die SprachhelferIn legt<br />
für jeden Wochentag einen Reifen nebeneinander auf den Boden und spricht dabei handlungsbegleitend: „Das ist<br />
der Reifen für Montag, der ist für den Dienstag...“<br />
thema<br />
Die SprachhelferIn fragt die Kinder „Wer hat aufgepasst? Wo ist der Mittwoch – Reifen? Am Mittwoch ist immer<br />
<strong>Sprachhilfe</strong>, das ist unser <strong>Sprachhilfe</strong>tag.“ In diesen Reifen legen wir ein Gruppenfoto der <strong>Sprachhilfe</strong>kinder. „Und<br />
wo ist der Donnerstag?“ Auf diesen Reifen werden Trommelstöcke gelegt. „Und wo ist der Reifen für den Sonntag?“<br />
Die Kinder sprechen mit der SprachhelferIn noch einmal alle Wochentage und zeigen wieder von einem Reifen zum<br />
nächsten. „Der letzte Reifen! Der letzte Tag der Woche ist der Sonntag.“ Auch diesen können die Kinder mit einer<br />
Sonne aus gelbem Papier oder einem gelben Tuch kennzeichnen. Die Kinder finden für jeden Tag einen symbolischen<br />
Gegenstand: Turnschuhe für den Tag, an <strong>dem</strong> die Kindergartengruppe in die Sporthalle geht und Spielsachen<br />
für den Freispieltag. „Wie viele Tage hat nun eine Woche?“ Katharina kann schon zählen und zählt erst in deutsch<br />
und dann in ihrer Familiensprache russisch. Sie zeigt zusammen mit den Kindern <strong>nach</strong>einander von einem Reifen<br />
zum nächsten und nennt die Namen der Wochentage.<br />
27
28<br />
Praxisbeispiel Kindergarten<br />
„Wochentage“<br />
Fingerspiel oder lied<br />
Jetzt singen wir das Wochentage-Lied (siehe Seite 29). Zwei Kinder stehen sich gegenüber. Bei „Montag“ klatschen<br />
die Kinder jeweils in die rechte Hand des gegenüber stehenden Kindes, bei „Dienstag“ in die linke Hand, bei<br />
„Mittwoch“ in beide Hände des gegenüber stehenden Kindes... Bei „Donnerstag“ muss es natürlich „donnern“, also<br />
stampfen alle drei Mal „Don-ners-tag“ mit den Füßen auf den Boden. Bei „Freitag“ patscht jedes Kind sich selber auf<br />
die Oberschenkel, bei „Samstag“ klatscht es in die eigenen Hände, und bei „Sonntag“ machen alle einen großen<br />
Armkreis (wie eine große Sonne). Bei „sieben Tage“ fassen sich die beiden Kinder bei den Händen und tanzen<br />
rundherum bis das Lied zu Ende ist und fangen gleich wieder von vorne an.<br />
Kreatives gestalten<br />
Die SprachhelferIn hat einen Strohhut mitgebracht. Zusammen mit den Kindern schmückt sie diesen mit gelben<br />
Bändern. „Das ist der Hut für das Sonntagskind.“<br />
ausklang<br />
Die Kinder stehen im Kreis und singen zum Abschluss noch einmal das Wochentage-Lied. Ein Kind fängt an und<br />
klatscht bei „Montag“, das nächste bei „Dienstag“, das dritte Kind klatscht für den „Mittwoch“, das Donnerstagskind<br />
stampft, „Freitag“ und „Samstag“ werden wieder geklatscht. Das Sonntagskind macht einen großen Armkreis und<br />
bekommt schnell von der SprachhelferIn den Sonntagshut auf den Kopf gesetzt. Bei “sieben Tage“ fassen sich alle<br />
Kinder bei den Händen und hüpfen im großen Kreis. Jetzt fängt das Lied wieder an und das Sonntagskind beginnt,<br />
singt und klatscht: „Montag“. Das Lied wird so oft wiederholt, bis alle den gelben Sonnenhut einmal tragen durften.<br />
Schlussritual<br />
Ein kleines Schlussritual gibt der Einheit einen vertrauten Rahmen und vermittelt den Kindern Sicherheit<br />
und Geborgenheit.
EFlExion<br />
© Yvonne Bogdanski - Fotolia.com<br />
Die Kinder waren mit Freude dabei. Mit Singen, <strong>dem</strong> Einsatz von Körperinstrumenten, <strong>dem</strong> eingängigen Rhythmus<br />
und mit dieser leichten Tanzform konnten die Wochentage leicht gelernt werden. Um das Thema weiterzuführen<br />
und zu vertiefen, bringt die SprachhelferIn bei der nächsten <strong>Sprachhilfe</strong>einheit verschiedene Kalender mit.<br />
anhang<br />
5<br />
&<br />
œ<br />
&8 6<br />
œ<br />
j<br />
œ œ<br />
j<br />
œ œ<br />
œ<br />
J<br />
œ<br />
œ œ œ œ<br />
J<br />
Mon -tag, Diens -tag, Mitt - woch, Don-ners-tag, Frei -tag, Sams -tag, Sonn - tag.<br />
j<br />
œ<br />
œ<br />
Wochentage<br />
J œ œU .<br />
œ<br />
œ<br />
J<br />
œ<br />
j<br />
œ<br />
œ . œ.<br />
Sie - ben Ta - ge, ja und dann: - fängt die Wo - che von vor - ne an!<br />
œ<br />
J œ œ œ œ<br />
Elke Rosemarie Gompf<br />
œ<br />
j<br />
œ œ.<br />
.<br />
29
30<br />
Grundprinzipien der<br />
schulischen Sprachförderung<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong><br />
1. Die <strong>Sprachhilfe</strong> findet schulbegleitend in der Kleingruppe<br />
statt, außerhalb der Schulstunden in einem<br />
Umfang bis zu vier Wochenstunden, in der Regel in den<br />
Räumen der Schule.<br />
2. Grundvoraussetzung für eine effektive Sprachförderung<br />
ist eine offene vertrauensvolle Atmosphäre, in der<br />
die Fragen und Probleme der SchülerInnen thematisiert<br />
werden können.<br />
3. Die <strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> verfolgt<br />
kein vorgegebenes Sprachförderprogramm, sondern<br />
richtet sich <strong>nach</strong> den individuellen Bedürfnissen<br />
der SchülerInnen und versucht eine Brücke zu schlagen<br />
zu den Anforderungen der Schule. Dies geschieht in<br />
enger Zusammenarbeit mit der Schule.<br />
4. Die Bewältigung des schulischen Alltags und später<br />
ein erfolgreicher Schulabschluss sind ohne differenzierte<br />
Lesekompetenz nicht möglich. Die <strong>Sprachhilfe</strong> versucht<br />
die Lust am Lesen durch anregende Lektüre und Hilfen<br />
zum Leseverständnis zu fördern.<br />
5. Ebenso wichtig ist die Fähigkeit Sachverhalte<br />
angemessen schriftlich auszudrücken. Die Fähigkeit zu<br />
eigenen Sätzen und Texten wird an wachsenden Aufgabenstellungen<br />
unterschiedlichster Art geübt, wobei<br />
auf korrekte Schreibung zwar geachtet wird; auf der<br />
Rechtschreibung liegt aber nicht der Schwerpunkt beim<br />
Schreiben in der <strong>Sprachhilfe</strong>. Das Hauptinteresse gilt<br />
der Ermunterung zu eigenen Sätzen und Texten.<br />
6. Leitender Gedanke der <strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Die<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> versteht sich als eine emanzipierende<br />
Sprachförderung, die die SchülerInnen zu selbständigem<br />
Arbeiten anleitet, ihnen Lernstrategien vermittelt<br />
und ihnen Methoden und Hilfsmittel zur Erweiterung<br />
ihrer Sprachkompetenz zeigt.<br />
7. Die SprachhelferIn zeigt Interesse und Akzeptanz<br />
für die jeweilige Herkunftssprache und Herkunftskultur<br />
und ermuntert die Familien die eigene Sprache<br />
zu pflegen.<br />
Zu den fettgedruckten Leitbegriffen gibt es im Folgenden<br />
ausführlichere Erläuterungen.
Die Kleingruppe<br />
Es gibt mehrere Gründe, warum die Sprachförderung<br />
von SchülerInnen wirksam nur in der Kleingruppe geschehen<br />
kann. Da sind vor allem die sehr unterschiedlichen<br />
Biographien der Kinder, die ihre deutschen<br />
Sprachkenntnisse geprägt haben: bei Kindern aus Einwandererfamilien<br />
ihre Familiensprache, der Zeitpunkt<br />
der Einwanderung, die Sprachpflege und Sprachförderung<br />
im Kindergarten, etwaige ältere Geschwister, das<br />
Sprachumfeld in der Freizeit und mögliche Förderung in<br />
den bisherigen Schuljahren. Das alles sind die Faktoren,<br />
die für die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder bisher in<br />
sehr unterschiedlicher Weise bestimmend waren.<br />
Seit auch förderbedürftige deutschsprachige Kinder an<br />
der <strong>Sprachhilfe</strong> teilnehmen, sind die Unterschiede in den<br />
Sprachniveaus der Kinder nicht geringer geworden.<br />
Deshalb ist zunächst sehr genaues Hinhören und Hinschauen<br />
von Seiten der SprachhelferIn nötig und da<strong>nach</strong><br />
eine stark von den unterschiedlichen Bedürfnissen<br />
geprägte Sprachförderung. Das geht nur in der Kleingruppe.<br />
Denn die erste Notwendigkeit einer Sprachför-<br />
derung ist, dass jedes Gruppenmitglied in jeder Förderstunde<br />
viel sprechen kann.<br />
Bei der Sprachförderung durch Lesen kommt es darauf<br />
an, dass alle Unklarheiten auf den Tisch kommen,<br />
dass die Lesetexte Satz für Satz verstanden, bearbeitet<br />
und diskutiert werden. Viel zu oft begnügen sich SchülerInnen<br />
im Schulunterricht damit, dass sie nur „so ungefähr“<br />
verstehen, worum es geht. Das darf sich in der<br />
Sprachförderung nicht fortsetzen. Dringend erforderlich<br />
ist die individuelle Vorgehensweise aber vor allem bei<br />
den Schreibübungen, <strong>dem</strong> schwierigsten Übungsfeld in<br />
der deutschen Sprache. Hier muss jede Anstrengung<br />
mit einer individuellen Rückmeldung belohnt werden:<br />
Was ist schon gelungen, was kann noch verbessert<br />
werden? Außer<strong>dem</strong> müssen auch die zugrunde<br />
liegenden Defizite in Grammatik und Satzbau<br />
festgestellt und durch Übungen behoben werden.<br />
Das erfordert Geduld, Zeit und eine kleine<br />
Fördergruppe.<br />
31
32<br />
Zusammenarbeit mit der Schule
Die <strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> will<br />
durch ihre Arbeit zum Schulerfolg der geförderten SchülerInnen<br />
beitragen. Damit das gelingt, braucht sie die<br />
Unterstützung der Schule, die Möglichkeit in den Räumen<br />
der Schule zu arbeiten und die schuleigenen Lernmaterialien<br />
mitzubenutzen. Vor allem aber braucht die<br />
SprachhelferIn das Gespräch mit den Lehrerinnen und<br />
Lehrern.<br />
Diese enge Zusammenarbeit mit der Schule kann aber<br />
im Sinne des <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong>s nicht dazu führen,<br />
dass die SprachhelferIn auf Anweisung der LehrerInnen<br />
arbeitet oder dass in der <strong>Sprachhilfe</strong> vor allem Hausaufgaben<br />
gemacht werden. Denn Hausaufgabenhilfe allein<br />
ist auf Dauer kein Ansatz die Sprachkompetenz <strong>nach</strong>haltig<br />
zu verbessern. Schwierigkeiten bei den Hausaufgaben<br />
können anzeigen, wo Lücken sind, die in der<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> geschlossen werden können. So kann z.B. in<br />
der <strong>Sprachhilfe</strong> der Wortschatz des Mathematikbuches<br />
erarbeitet werden, damit Arbeitsanweisungen und Textaufgaben<br />
allmählich selbständig verstanden werden,<br />
oder in abwechslungsreichen spielerischen Übungen<br />
werden die Vergangenheitsformen der unregelmäßigen<br />
Verben eingeprägt, denn Geschichten werden nun mal<br />
meist in der Vergangenheit erzählt.<br />
Natürlich wird keine SprachhelferIn die Kinder ihrer<br />
Gruppe mit Fragen zu den Hausaufgaben im Stich lassen.<br />
Aber der Ansatz in der Förderung durch die <strong>Sprachhilfe</strong><br />
gilt nicht primär den Hausaufgaben im Heft, sondern<br />
geht zunächst von den individuellen Möglichkeiten der<br />
SchülerInnen im Gespräch, im Leseverständnis und im<br />
eigenen Schreiben aus. Diese individuellen Fähigkeiten<br />
gilt es zu erkunden, um die SchülerInnen da abzuholen<br />
und Schritt für Schritt ihre Kompetenzen im Sprechen,<br />
Lesen und Schreiben weiterzuentwickeln.<br />
Dieser Ansatz kann umso besser mit den Erfordernissen<br />
der Schule zusammengebracht werden, je genauer die<br />
SprachhelferIn über das Vorgehen der Schule informiert<br />
ist, durch gelegentliche Gespräche mit den Lehrern<br />
und Lehrerinnen, aber auch durch die Erzählungen der<br />
<strong>Sprachhilfe</strong>kinder selber. An ihren Schilderungen zeigt<br />
sich genau, wo sie Erfolge haben, wo es Schwierigkeiten<br />
gibt und wie man die Lücken zwischen den Anforderungen<br />
der Schule und den Fähigkeiten der Kinder<br />
allmählich schließen kann. Die <strong>Sprachhilfe</strong>gruppe ist oft<br />
der einzige Ort, wo Kinder aus Einwandererfamilien ausführlich<br />
über ihre Schulsituation reden und Rat und Hilfe<br />
bekommen können.<br />
Gespräche mit Lehrern und Lehrerinnen informieren<br />
die SprachhelferIn darüber, welche Maßstäbe an das<br />
Schreiben der Kinder, etwa im Aufsatz, angelegt werden.<br />
Auch kann die Schule über Fortschritte informiert<br />
werden, die sich in der <strong>Sprachhilfe</strong>gruppe oft eher zeigen<br />
als in der Klasse.<br />
33
34<br />
Förderung des<br />
Lesesinnverständnisses
Lesefähigkeit oder Lesesinnverständnis ist eine zentrale<br />
Kompetenz für selbstständiges Lernen im Deutschunterricht<br />
und auch in anderen Fächern. Über das Lesen<br />
wird Wissen erworben, in<strong>dem</strong> Informationen und<br />
Fakten vermittelt werden. Darüber hinaus werden über<br />
das Lesen Ideen, Wertvorstellungen und kulturelle Inhalte<br />
vermittelt. Lesen trägt auch zu einer Erweiterung<br />
der sprachlichen Fähigkeiten, wie z.B. Wortschatz und<br />
Satzstrukturen bei. Die Lesekompetenz entscheidet<br />
wesentlich über den schulischen und beruflichen Erfolg<br />
und beeinflusst das lebenslange Lernen.<br />
Das sinnentnehmende Lesen bereitet nicht nur vielen<br />
Kindern mit Migrationshintergrund, sondern auch deutschen<br />
Kindern häufig große Schwierigkeiten wie die Vergleichsstudien<br />
IGLU und PISA zeigen. Lesefreude trägt<br />
wesentlich zur Entwicklung der Lesekompetenz bei.<br />
Daher ist es Aufgabe der Schulsprachhilfe, bei Kindern<br />
die Lust am Lesen zu wecken und die Neugier auf Geschichten<br />
zu fördern. Die Auswahl der Texte, Zeitschriften<br />
und Bücher bestimmt maßgeblich, ob die Kinder Interesse<br />
am Lesen entwickeln. Der angebotene Lesestoff<br />
sollte Themen aufgreifen, die alters- und entwicklungsentsprechend<br />
sind und beide Geschlechter ansprechen.<br />
Unterschiedliche und abwechslungsreiche Methoden<br />
der Umsetzung und Verarbeitung vermitteln den Kindern,<br />
dass Lesen Spaß und Vergnügen bereitet und ihre<br />
eigenen sprachlichen Möglichkeiten erweitert.<br />
Im Laufe der Schulzeit nimmt die Wissensvermittlung<br />
durch Schriftsprache einen immer größeren Raum<br />
ein und die zu lesenden Texte werden umfangreicher,<br />
anspruchsvoller und komplexer. Verarbeitet werden<br />
müssen Texte, die komplexe Sachverhalte darstellen.<br />
Der Sinn des Gelesenen geht häufig schon durch technische<br />
Probleme beim Lesen verloren. Aber gerade<br />
auch Lücken im Wortschatz führen zu Schwierigkeiten<br />
im Verstehen.<br />
In der <strong>Sprachhilfe</strong> bekommen die Kinder die Möglichkeit,<br />
verschiedene Lese- und Lernstrategien kennen zu lernen<br />
und zu üben, um diese Aufgaben zu bewältigen. Ein<br />
Text bleibt nicht in der „Papierdimension“, sondern wird<br />
z.B. durch Rollenspiele in Handlung umgesetzt.<br />
35
36<br />
Ermunterung zu<br />
eigenen Sätzen und Texten<br />
Viele Kinder, auch solche die sich im Gespräch schon<br />
recht gut ausdrücken können, haben enorme Schwierigkeiten,<br />
wenn sie Sätze zu Papier bringen oder eigene<br />
Texte verfassen sollen. Sie haben wegen der großen<br />
Klassen in ihrem Schulalltag oft zu wenig Gelegenheit,<br />
dies unter Anleitung und mit Hilfestellung zu üben. Die<br />
schriftlichen Hausaufgaben - vielfach Rechtschreibübungen<br />
oder Lückentexte - reichen nicht aus, um den deutschen<br />
Satzbau und die dafür nötigen grammatischen<br />
Strukturen zu erwerben.<br />
Auch beim Aufsatztraining in der Grundschule fällt es den<br />
Kindern schwer, eine produktive Verbindung zwischen<br />
den vorgelesenen Musteraufsätzen und ihren eigenen<br />
Schreibversuchen herzustellen. Ähnliches gilt auch für<br />
die deutschsprachigen Kinder, die an der <strong>Sprachhilfe</strong><br />
teilnehmen.<br />
Natürlich kann in der <strong>Sprachhilfe</strong> kein systematisches<br />
Aufsatztraining betrieben werden. Aber mit kleinen<br />
Schreibimpulsen können die Kinder mit den Anforde-<br />
rungen des Schreibens vertrauter gemacht werden. Sie<br />
können an Sicherheit gewinnen und Erfolg und Freude<br />
an gelungenen Sätzen erfahren. Solche Schreibimpulse<br />
können Postkartengrüße und kleine Briefe sein, Einladungen,<br />
aber auch kleine Kommentare zu Geschichten<br />
oder Beschreibungen von Personen und Sachen.<br />
Es ist bei solchen Übungen wichtig, an der Sprache der<br />
Kinder selber anzusetzen, ihre Formulierungsversuche<br />
aufzugreifen und behutsam zu korrigieren. Durch die<br />
Analyse von häufig wiederkehrenden Fehlern in Satzbau<br />
und Grammatik können die zugrunde liegenden<br />
Schwächen erkannt und durch gezielte Übungen behoben<br />
werden.
Emanzipierende Sprachförderung<br />
Jede pädagogische Arbeit muss darauf abzielen, Kindern<br />
nicht nur wichtige Erfahrungen und Inhalte zu vermitteln,<br />
sondern ihnen gleichzeitig Wege und Methoden zu zeigen,<br />
wie sie sich selber neue Inhalte und Erfahrungen<br />
erschließen können.<br />
In der <strong>Sprachhilfe</strong> ist diese emanzipierende Haltung besonders<br />
wichtig, denn <strong>Sprachhilfe</strong>schülerInnen müssen,<br />
wenn sie voran kommen wollen, auch außerhalb der wenigen<br />
<strong>Sprachhilfe</strong>stunden selber aktiv werden, um ihre<br />
Lücken in der Beherrschung der deutschen Sprache zu<br />
schließen.<br />
Diese Hilfestellung zu eigenständigem Lernen kann in<br />
der <strong>Sprachhilfe</strong> damit beginnen, dass die SchülerInnen<br />
konsequent dazu angehalten werden Arbeitsanweisungen<br />
genau zu lesen und zu bedenken.<br />
In der <strong>Sprachhilfe</strong> muss Zeit zum Nachdenken und zu<br />
eigenen Lösungsversuchen sein. In die <strong>Sprachhilfe</strong>gruppe<br />
gehört auch das Gespräch darüber, wo man sich<br />
Informationen besorgen kann. Insofern hat auch der Besuch<br />
der örtlichen Bücherei und der Umgang mit den<br />
dort verfügbaren Informationsquellen, eventuell auch<br />
das Internet, Raum in der <strong>Sprachhilfe</strong>arbeit.<br />
Am wichtigsten aber ist die Benutzung von Wörterbüchern,<br />
von Kinder- und Jugendlexika, Atlanten und<br />
anderen Nachschlagewerken. Der Gebrauch solcher<br />
Informationsquellen muss über längere Zeit geübt werden.<br />
Nur was leicht von der Hand geht, kann zur Gewohnheit<br />
werden. Wenn es auch nicht möglich ist für<br />
jede <strong>Sprachhilfe</strong>gruppe eigene Wörterbücher und Nachschlagewerke<br />
bereit zu halten, so sollte doch ein Set geeigneter<br />
Hilfsmittel jeder <strong>Sprachhilfe</strong>gruppe von der dritten<br />
Klasse an über eine gewisse Zeit im Schuljahr zur<br />
Verfügung stehen.<br />
37
38<br />
Interesse und Akzeptanz<br />
für die jeweiligen Herkunftssprachen und – kulturen<br />
der SchülerInnen<br />
Im Rahmen der Schulsprachhilfe kommen Kinder mit<br />
unterschiedlichen Herkunftssprachen und - kulturen zusammen,<br />
um gemeinsam und miteinander zu spielen,<br />
zu lernen und zu sprechen.<br />
In der Gruppe sollen die Kinder lernen, der Andersartigkeit<br />
mit Toleranz und Achtung zu begegnen. Die SprachhelferIn<br />
hat hier eine bedeutende Rolle als Vorbild. Auch<br />
das Interesse an den verschiedenen Kulturen und Sprachen<br />
soll bei den Kindern geweckt werden.<br />
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Kulturen<br />
und Sprachen können bewusst als Thema in der<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> erarbeitet werden und durch ein entsprechendes<br />
Angebot an Bild – und Spielmaterialien, Texten<br />
und Büchern veranschaulicht werden.<br />
Darüber hinaus ist es wichtig, Kontakte zu den Eltern zu<br />
knüpfen und sie darin zu bestärken ihre Herkunftskultur<br />
und –sprache in der Familie zu pflegen. Nach wie vor<br />
herrscht hier in vielen Familien eine große Verunsicherung.<br />
Diese Kontakte müssen von der SprachhelferIn<br />
gezielt angebahnt werden, da es im Rahmen des Schulalltags<br />
wenig spontane Begegnungen gibt.<br />
Möglichkeiten der Begegnung zwischen<br />
der SprachhelferIn und den Eltern:<br />
Einzelgespräch in der Schule oder im Rahmen<br />
eines Hausbesuchs<br />
Elternabend<br />
Schulische Veranstaltung wie beispielsweise Schul-<br />
fest oder Projekttage<br />
Teilnahme der Eltern an einer <strong>Sprachhilfe</strong>einheit<br />
Projekte wie z.B. Kochen, Elternkaffee...<br />
Werden Eltern aktiv als Experten für eine bestimmte<br />
Kultur und Sprache eingesetzt, in<strong>dem</strong> sie beispielsweise<br />
den Kindern ein Buch vorlesen oder ein Lied in ihrer<br />
Muttersprache vermitteln, erfahren nicht nur sie, sondern<br />
auch ihre Kinder Aufmerksamkeit und Wertschätzung.
40<br />
Praxisbeispiel Schule<br />
„Jede Blume ist anders“<br />
Für SchülerInnen der zweiten Klasse<br />
PraxiSbEiSPiEl SchulE „JEdE bluME iSt andErS“<br />
Alter und Sprachstand<br />
Sieben Jahre, zweite Klasse<br />
Die Kompetenz in der Umgangsprache ist ordentlich, der<br />
Wortschatz ist wenig ausdifferenziert<br />
Gruppengröße und Rahmenbedingungen Vier bis sechs SchülerInnen<br />
<strong>Sprachhilfe</strong>raum, Garten oder Wiese<br />
Inhalte Frühlingsblumen<br />
Sprachziele Die SchülerInnen sollen die einzelnen Teile von Blumen<br />
benennen können. Sie sollen über Blumen und Pflanzen<br />
sprechen und sie vergleichen können.<br />
Aktivitäten Im Klassenzimmer und im Freien Blumen betrachten,<br />
benennen und beschreiben<br />
Material Einige Frühlingsblumen samt Wurzeln bzw. Zwiebeln<br />
Dauer Ca. 45 –60 Minuten<br />
Datum, Autorin April 2009, Gesine Lumpp
VorübErlEgungEn<br />
Im Schulunterricht hat die zweite Klasse einige Frühlingsblumen durchgenommen, und zwar Garten- und Wiesenblumen:<br />
Schlüsselblume, Tulpe, Osterglocke. Löwenzahn und Gänseblümchen. Die SchülerInnen haben auf einem<br />
Arbeitsblatt die vorgedruckten Silhouetten der Blumen ausgemalt und die Namen darunter geschrieben. Es stellt<br />
sich die Frage, mit welchen sprachlichen Voraussetzungen die <strong>Sprachhilfe</strong>-Kinder an das Thema „Blumen und<br />
Pflanzen“ herangingen. Verfügen sie über einen gewissen Grundwortschatz zum Thema, um z.B. über Blumen zu<br />
sprechen und sie zu vergleichen?<br />
ablauF dEr SPrachhilFEEinhEit<br />
© Marzanna Syncerz - Fotolia.com<br />
Begrüßung: individuell und mit Handschlag. Die Kinder setzen sich an den Tisch, auf <strong>dem</strong> in verschiedenen Gläsern<br />
einige Blumen wie Vergissmeinnicht, Tulpe, Hyazinthe und Schlüsselblume mit Wurzeln, bzw. Zwiebeln mit<br />
etwas Erde zu sehen sind.<br />
Einführung: Die SprachhelferIn knüpft an das schulische Arbeitsblatt an. Sie fragt <strong>nach</strong> den Namen der behandelten<br />
Blumen und will wissen, ob die Kinder einige davon in den Gläsern wieder erkennen. Sie fordert die Kinder<br />
auf die Blumen genau anzuschauen und an ihnen zu riechen, um ihre Erinnerung zu aktivieren. Dann nennt sie die<br />
Namen der unbekannten Blumen.<br />
Thema I: Die SprachhelferIn lenkt die Aufmerksamkeit der Kinder auf die vergleichbaren, aber unterschiedlichen<br />
Teile der Blumen. Dazu werden die Blumen herausgenommen und genau angeschaut. Gemeinsam werden die<br />
Pflanzenteile benannt: Zwiebel oder Wurzeln, Stiel oder Stängel, Blatt und Blätter, Blüte und Knospe. Die Kinder<br />
diktieren der SprachhelferIn bei einer Wiederholung diese Wörter.<br />
Thema II: Da<strong>nach</strong> werden vor allem die Blätter verglichen und die Unterschiede mit Adjektiven benannt: rund, spitz,<br />
oval, lang, gezackt, glatt, wellig. Auch diese Wörter werden notiert. Anschließend geht die Gruppe ins Freie und<br />
sucht auf einer Wiese bekannte und weitere unbekannte Blumen und beschreibt ihre besonderen Merkmale.<br />
Abschluss: Alle setzen sich noch einmal an den Tisch und die SchülerInnen diktieren Ergänzungen der Wörterliste.<br />
Da<strong>nach</strong> werden die Kinder verabschiedet.<br />
41
42<br />
Praxisbeispiel Schule<br />
„Jede Blume ist anders“<br />
rEFlExion<br />
Die Blumennamen des schulischen Arbeitsblattes waren nicht mehr alle präsent; insofern war ein Anknüpfen<br />
und damit eine Wiederholung sinnvoll. Vom zentralen Thema der <strong>Sprachhilfe</strong>stunde, den Namen der einzelnen<br />
Teile von Pflanzen und Blumen, waren nur die Wörter „Wurzeln“ und „Zwiebel“ und „Blatt“ und „Blätter“ geläufig.<br />
Relativ unbekannt waren die Wörter „Stiel“ bzw. „Stängel“, völlig unbekannt waren „Blüte“ und „Knospe“.<br />
Das Thema der Stunde hat den Kindern viel Spaß gemacht, vor allem der Vergleich der Blattformen hat sie sehr<br />
angeregt und ihre Wahrnehmungsfreude aktiviert. Eine Fortsetzung mit Wiederholung und Weiterführung ist<br />
notwendig.<br />
MÖglichE FortSEtZungEn<br />
Alle Wörter, die die SprachhelferIn in der letzten Stunde notiert hat, werden den Kindern vorgelegt, und zwar ohne<br />
Artikel. Die SchülerInnen lesen die Wörter und setzen den bestimmten Artikel davor. Nach Abbildungen versuchen<br />
sie sich an die Namen der Blumen zu erinnern. Sie malen ihre Lieblingsblume und beschreiben sie mit Worten. Alternativ<br />
könnten die Kinder auch interessante Blattformen abmalen und beschreiben, ein gemeinsames Plakat zum<br />
Thema Blumen gestalten, ein Quiz erstellen, vielleicht auch eine Gärtnerei oder ein Blumengeschäft besuchen.
43<br />
© NG - Fotolia.com
44<br />
DIE DATIV - PRÄPOSITIONEN<br />
„zu“, „bei“ und „mit“<br />
Für SchülerInnen der dritten oder vierten Klasse<br />
PraxiSbEiSPiEl<br />
SchulE<br />
diE datiV - PräPoSitionEn<br />
„Zu“, „bEi“ und „Mit“<br />
Alter und Sprachstand SchülerInnen von der dritten bis zur sechsten Klasse, die<br />
mit den korrekten Formen <strong>nach</strong> den Präpositionen noch<br />
Schwierigkeiten haben<br />
Gruppengröße und Rahmenbedingungen Vier bis sechs SchülerInnen, <strong>Sprachhilfe</strong>raum<br />
Inhalte Einüben der korrekten Formen <strong>nach</strong> den Präpositionen<br />
„zu“, „bei“ und „mit“ in schriftlichen und mündlichen<br />
Übungen, jeweils zu Beginn der <strong>Sprachhilfe</strong>einheit<br />
Sprachziele Die SchülerInnen sollen die Regeln der Dativbildung <strong>nach</strong><br />
den Präpositionen „zu“, „bei“ und „mit“ erkennen und die<br />
richtigen Formen lernen<br />
Aktivitäten Ein Arbeitsblatt gemeinsam erstellen, Übungen mit<br />
Wortkärtchen<br />
Material Schreibpapier und Stifte, Wortkärtchen mit<br />
Verwandtennamen<br />
Dauer Jeweils 15 Minuten<br />
Datum, Autorin April 2009, Gesine Lumpp
VorübErlEgungEn<br />
Wenn <strong>Sprachhilfe</strong>-Kinder aus ihrem Alltag erzählen, dann benutzen sie oft die Präpositionen „zu“, „bei“ oder „mit“,<br />
um von ihren sozialen Kontakten und Aktivitäten zu berichten. Sollten bei SchülerInnen der dritten oder vierten<br />
Klasse im Sprechen oder Schreiben noch Formen vorkommen wie „zu meine Freund“, „bei meine Oma“ und „mit<br />
meine Bruder“, dann ist es höchste Zeit, die korrekten Dativ-Formen <strong>nach</strong> diesen Präpositionen so zu üben, dass<br />
sie automatisiert werden können. Entsprechendes gilt natürlich auch für höhere Klassen.<br />
Die notwendigen Übungen werden aufgeteilt in kurze Übungssequenzen von jeweils 10 bis 15 Minuten zu Beginn<br />
der <strong>Sprachhilfe</strong>. Den inhaltlichen Schwerpunkt der Einheit kann ein anderes für die SchülerInnen wichtiges Thema<br />
bilden, eine spannende Geschichte, ein interessantes altersgerechtes Sachthema oder Ähnliches. Die Übungen<br />
beginnen mit Wendungen mit <strong>dem</strong> Possessivpronomen wie „zu meinem Großvater“, denn in dieser Form taucht das<br />
grammatische Phänomen in der Sprache unserer Zielgruppe auf. Die schriftliche Form des Übens wird zum Einstieg<br />
gewählt, denn gerade beim Schreiben werden die unterschiedlichen Endungen deutlich sichtbar. Wenn das Problem<br />
den SchülerInnen einmal bewusst geworden ist, kann die Festigung dann auch in mündlichen Übungen erfolgen.<br />
ablauF dEr SPrachhilFEEinhEit<br />
Nach der persönlichen Begrüßung erhält jedes der Kinder ein liniertes DIN A 4 Blatt, auf das zunächst die Überschrift<br />
„Verwandtenbesuche“ und darunter links oben der Satzanfang „Ich gehe zu“ geschrieben wird. Nun schlagen die<br />
SchülerInnen <strong>nach</strong>einander die Verwandten vor, die besucht werden, wobei der Satzanfang immer gleich bleibt: „Ich<br />
gehe zu meiner Oma.“, „Ich gehe zu meinem Onkel.“ usw. Es ist wichtig, das beim Ausfüllen des Blattes der ganze<br />
Satz und dabei vor allem die Endung des besitzanzeigenden Fürworts deutlich gesprochen werden, damit sich die<br />
korrekten Formen auch akustisch einprägen können. Wenn den Kindern keine Verwandtenbezeichnungen mehr<br />
einfallen, werden die Sätze noch einmal vorgelesen, wobei der jeweils letzte Buchstabe des Possessivpronomens<br />
rot unterstrichen wird: das „r“ und das „m“, das sind die Kennbuchstaben des Dativs. Auf die Frage, ob sie in <strong>dem</strong><br />
Wechsel zwischen „r“ und „m“ eine Regelhaftigkeit erkennen können, werden die Kinder schnell feststellen, dass bei<br />
einem Mann der letzte Buchstabe des Possessivpronomens ein „m“ ist, bei einer Frau aber ein „r“.<br />
45
46<br />
DIE DATIV - PRÄPOSITIONEN<br />
„zu“, „bei“ und „mit“<br />
Die SprachhelferIn weist die SchülerInnen auf die Lösung bei Pluralformen hin: „Ich gehe zu meinen Großeltern.“<br />
Kennbuchstaben „-en“. Das ist der Einstieg in eine Folge von grammatischen Übungseinheiten jeweils am Beginn<br />
der <strong>Sprachhilfe</strong>. Da<strong>nach</strong> folgen inhaltlich relevante Beschäftigungen, je <strong>nach</strong> Altersstufe.<br />
rEFlExion<br />
Das zeitlich begrenze Grammatiktraining am Anfang einer <strong>Sprachhilfe</strong>einheit macht den SchülerInnen meistens<br />
Spaß und weckt ihren Ehrgeiz, denn innerhalb der Übungen sehen sie sehr schnell Erfolge. Schwieriger ist es, die<br />
erkannten Regeln dann auch im spontanen, freien Sprechen anzuwenden. Aber auch da ergeben sich mit der Zeit<br />
Fortschritte und die SchülerInnen korrigieren sich selber gegenseitig. Bei der gemeinsamen schriftlichen Übung am<br />
Anfang ist genau zu beobachten, wie schwer es den einzelnen SchülerInnen und Schülern fällt die richtigen Lösungen<br />
zu finden. Da<strong>nach</strong> richtet sich das Maß der variierenden Wiederholungen in den Folgestunden.<br />
MÖglichE FortSEtZungEn<br />
Wiederholungen und Fortsetzungen mit den Präpositionen „bei“ und „mit“<br />
Von einem verdeckten Stapel mit Wortkärtchen, auf<br />
denen die Bezeichnungen für Verwandte stehen,<br />
ziehen die SchülerInnen <strong>nach</strong>einander je eine Karte<br />
und bilden mit <strong>dem</strong> gezogenen Wort einen Satz. Als<br />
Satzeinleitung können sie variieren:<br />
Eine weitere Übung kann mit <strong>dem</strong> bestimmten Artikel<br />
durchgeführt werden und den geläufigeren Kurzformen<br />
wie zum Großvater, zur Großmutter:<br />
Ich gehe ... Ich reise ... Ich fahre ...<br />
Ich renne ... Ich fliege ...<br />
Ich fahre<br />
zu <strong>dem</strong><br />
Großvater, ...<br />
Ich fahre<br />
zu der<br />
Großmutter, ...<br />
Ich fahre<br />
zum<br />
Großvater, ...<br />
Ich fahre<br />
zur<br />
Großmutter, ...
die Präposition „zu“ wird aber nicht nur im Zusammenhang mit Personen benutzt.<br />
Auch bei Dingen gilt die Regel:<br />
Hierbei kann die Schwierigkeit der SchülerInnen darin<br />
bestehen, dass sie den richtigen Artikel, also das<br />
grammatische Geschlecht nicht kennen. Zur Übung<br />
eignen sich Wortkärtchen:<br />
Die SchülerInnen wählen zunächst den richtigen Artikel<br />
und bilden dann einen Satz:<br />
der Bahnhof Ich gehe zum<br />
Bahnhof.<br />
die Haltestelle Ich gehe zur<br />
Haltestelle.<br />
das<br />
Schwimmbad<br />
Ich gehe zum<br />
Schwimmbad.<br />
Schule Bücherei Rathaus<br />
Strand<br />
Bäckerei Bach<br />
Sportplatz Turnhalle Stadion<br />
Supermarkt<br />
Fernsehturm<br />
Bahnhof Marktplatz<br />
Friedhof<br />
der Bahnhof Ich gehe zum<br />
Bahnhof, um<br />
meine Oma<br />
abzuholen.<br />
47
48<br />
DIE DATIV - PRÄPOSITIONEN<br />
„zu“, „bei“ und „mit“<br />
Da<strong>nach</strong> kann die erste Übung kombiniert werden mit<br />
den entsprechenden Übungen der Präposition „bei“:<br />
Die Präposition „mit“ erfordert die gleichen grammatischen<br />
Strukturen. Hier eignet sich ein Frage- und<br />
Antwortspiel als Übungsform:<br />
Bei dieser Übung ergeben sich oft angeregte Gespräche<br />
über Freundschaften, Familiensituationen,<br />
Zuneigung oder Abneigung, so dass aus einem formalen<br />
Grammatik-Training unversehens eine intensive<br />
<strong>Sprachhilfe</strong>einheit mit starkem Engagement der<br />
SchülerInnen werden kann.<br />
Weiterführende übung<br />
Ich gehe zu<br />
meinem<br />
Großvater.<br />
Ich fahre zu den<br />
Großeltern.<br />
Mit wem<br />
frühstückst du?<br />
Mit wem gehst du<br />
in die Schule?<br />
Mit wem arbeitest<br />
du in der Schule<br />
zusammen?<br />
Mit wem isst du<br />
zu Mittag?<br />
Mit wem machst<br />
du deine Hausaufgaben?<br />
Mit wem spielst<br />
du Fußball?<br />
Ich bin (bleibe)<br />
lange bei meinem<br />
Großvater.<br />
Ich bleibe zwei<br />
Wochen bei den<br />
Großeltern.<br />
mit meiner<br />
Schwester<br />
mit meinen<br />
Geschwistern<br />
mit meinem<br />
Nebensitzer<br />
mit meiner Familie<br />
mit meinen<br />
Freunden<br />
mit meinem Vater
50<br />
Anhang<br />
Lieder und Verse<br />
liEd<br />
& # 4 4 œ œ œ œ œ œ<br />
tanZbESchrEibung<br />
œ œ œ œ œ œ<br />
œ œ œ œ œ œ<br />
Mit <strong>dem</strong> Kop-fenik- ken, auf die Na-se tip - pen, in die Hän-de klat -schen,<br />
& # 4<br />
œ œ œ œ œ œ .<br />
8<br />
U U<br />
U<br />
U<br />
<br />
œ œ œ œ œ œ<br />
auf die Schen-kel pat -schen. Und jetzt geht es rund-her-umimKrei - se,<br />
& # œ ‰ œ ‰ œ Œ œ œ œ œ œ œ<br />
œ œ œ Œ .<br />
hopp hopp hopp,<br />
Rundherum im Kreise<br />
rund-her -umimKrei - se,<br />
Elke Rosemarie Gompf<br />
und jetzt stopp!<br />
Zuerst stehen wir im Kreis und begleiten mit Gesten was wir singen. Bei „und jetzt geht es“ fassen wir uns an<br />
den Händen und drehen uns in Tanzrichtung. Bei „rundherum im Kreise“ singen wir etwas schneller und laufen<br />
zusammen im Kreis und bei „stopp“ machen alle einen Schlusssprung. Bei der Wiederholung wird die Richtung<br />
gewechselt.
SchluSSritual<br />
Wenn wir auseinander gehen,<br />
sagen wir: „Auf Wiedersehn!“<br />
Wir reichen uns die Hände.<br />
Die <strong>Sprachhilfe</strong> ist zu Ende.<br />
gEdicht<br />
Das Gedicht wird gesprochen oder auf eine einfache Melodie gesungen und mit den entsprechenden<br />
Bewegungen begleitet.<br />
Das ist hoch und das ist tief. strecken und dann bücken<br />
Das ist gerade, das ist schief. gerade und schief stehen<br />
Das ist dunkel, das ist hell. Augen verdecken und wieder öffnen<br />
Das ist langsam, das ist schnell. langsam und dann schnell auf der Stelle gehen<br />
Das ist traurig und das froh.<br />
Das ist mein Bauch und das mein Po.<br />
Das ist auf und das ist zu. Arme auseinander strecken, dann Handflächen zusammenlegen<br />
Das bin ich und das bist du. auf mich und dann auf die anderen zeigen<br />
Das ist laut und das ist leise. „laut“ brüllen und „leise“ flüstern<br />
Das sind Striche und das Kreise. mit den Fingern in die Luft malen<br />
Das sind meine beiden Hände, Hände zeigen<br />
nun ist das Gedicht zu Ende. klatschen<br />
(und nun ist das Lied zu Ende.)<br />
(überliefert)<br />
oder<br />
Wenn wir auseinander gehen,<br />
sagen wir: „Auf Wiedersehn!“<br />
Du und ich und ich und du,<br />
wir winken uns zum Abschied zu.<br />
51
52<br />
Organisation<br />
<strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong><br />
<strong>Sprachhilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong> ist eine auf<br />
kommunaler Ebene organisierte Sprachförderung für Kinder<br />
mit Förderbedarf in der deutschen Sprache, besonders<br />
für Kinder aus Einwandererfamilien. Durchgeführt<br />
wird die Förderung von Frauen aus unterschiedlichen<br />
Berufen, die in die Arbeit eingeführt und von örtlichen<br />
MentorInnen begleitet werden. Die SprachhelferInnen<br />
erhalten ein Stundenhonorar für ihre pädagogische Arbeit.<br />
Geschäftsführungen organisieren die Arbeit vor Ort<br />
in enger Zusammenarbeit mit den kommunalen Verwaltungen,<br />
den Kindergärten und Schulen. Finanziert wird<br />
die Arbeit der <strong>Sprachhilfe</strong> vom Kultusministerium und<br />
den Städten und Gemeinden. Die örtlichen <strong>Sprachhilfe</strong>-<br />
Arbeitsgemeinschaften sind finanziell unabhängig.<br />
Im Verband der Arbeitsgemeinschaften „<strong>Sprachhilfe</strong><br />
<strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong>“ haben sie sich zum<br />
Erfahrungsaustausch, zu gegenseitiger Beratung und<br />
zu gemeinsamer Vertretung in der Öffentlichkeit zusammengeschlossen.<br />
Die „Fortbildung für Gemeinde<br />
und Diakonie“ im Bildungszentrum der evangelischen<br />
Landeskirche in Württemberg bietet weiterführende<br />
Fortbildung für SprachhelferInnen und MentorInnen an.<br />
(Adresse Seite 53)
Service<br />
Adressenverzeichnis<br />
Verband der Arbeitsgemeinschaften <strong>nach</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong><br />
Sybille Ernst (Geschäftsführerin)<br />
Ulrichstr. 24, 73614 Schorndorf<br />
Tel (07181) 713 65<br />
E-Mail kontakt@sprachhilfe-bw.de<br />
Internet www.sprachhilfe-bw.de<br />
Fortbildung für Gemeinde und Diakonie<br />
Grüninger Str. 25, 70599 Stuttgart<br />
Tel (0711) 458 04 - 94 26<br />
Fax (0711) 458 04 - 94 34<br />
E-Mail fgd@elk-wue.de<br />
Internet www.bildungsportal-kirche.de<br />
L-Bank<br />
Hausaufgaben-Sprach- und Lernhilfen (HSL)<br />
Schlossplatz 10, 76131 Karlsruhe<br />
Tel (0721) 150 - 30 63<br />
Fax (0721) 150 - 38 96<br />
E-Mail hsl@l-bank.de<br />
Internet www.L-Bank.de<br />
53
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Verband der Arbeitsgemeinschaften <strong>nach</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong><br />
Verantwortlich i.S.d.P. Sybille Ernst<br />
kontakt@sprachhilfe-bw.de<br />
www.sprachhilfe-bw.de<br />
© 2010 Verband der Arbeitsgemeinschaften <strong>nach</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong>.<br />
Jede Art der Vervielfältigung bedarf der vorherigen<br />
schriftlichen Zustimmung durch den Herausgeber.<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
Redaktion<br />
Im Auftrag des Leitungskreises <strong>nach</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong><br />
Gesine Lumpp,<br />
Dozentin i.R. für interkulturelle Erziehung und<br />
Sprachförderung<br />
Elke Rosemarie Gompf,<br />
Dozentin für musisch-kreative Bildung<br />
Eva Fieweger,<br />
Dozentin für allgemeine und interkulturelle Pädagogik,<br />
Schwerpunkt Sprachförderung<br />
Gestaltung und Satz<br />
Gundula Engl, Tan<strong>dem</strong>MEDIA<br />
Friedrichstraße 29, 72622 Nürtingen<br />
www.tan<strong>dem</strong>media.de<br />
Bild<strong>nach</strong>weis<br />
Die Bildrechte liegen, soweit nicht anders angegeben,<br />
bei Bettina Walter, Ute Köble und Manuela Kautter,<br />
Sprachhelferinnen <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Denkendorfer</strong> <strong>Modell</strong>.<br />
Ausnahmen werden am entsprechenden Bild<br />
ausgewiesen: © www.fotolia.com, © www. fotocase.de.<br />
Druck<br />
studiodruck Brändle GmbH<br />
Talstrasse 68<br />
72622 Nürtingen-Raidwangen<br />
Auflage 5000 Exemplare<br />
Bestellung<br />
Bestellung per E-Mail: bestellung@sprachhilfe-bw.de<br />
Die Broschüre wird gegen eine Schutzgebühr<br />
von 3,00 € plus Porto abgegeben.