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Sibylle und Venia Pfammatter Abschlussarbeit: Rückenschmerzen? Tanz dich frei!<br />
Wenn jetzt Schmerzen anhalten, wird das Alarmsystem mit der Zeit empfindlicher. Die<br />
Synapsen, die die Gefahr melden, werden leichter erregt und produzieren mehr Sensoren für<br />
erregende Chemikalien. Das Gehirn beginnt, die Neuronenausschüttung von erregenden<br />
Chemikalien am Hinterwurzelganglion zu aktivieren. Die Reaktionssysteme werden stärker<br />
involviert und tragen zunehmend auch selbst zum Problem bei. Gedanken und Einstellungen<br />
werden immer mehr miteinbezogen und beginnen das Problem zu verschärfen. Das Gehirn<br />
passt sich an, in dem es das Schmerzgedächtnis immer besser abrufen kann. Die<br />
Gefahrensensoren in den Geweben tragen immer weniger zu der im Gehirn ankommenden<br />
Gefahrenbotschaft bei. Manchmal können Ereignisse, die schon viele Jahre zurückliegen,<br />
derzeit da sind oder aber erwartet werden, das Gehirn gegenüber Bedrohungen sensibler<br />
machen. Das Gewebe ist somit (nicht mehr) das Hauptproblem.<br />
Einen wichtigen Beitrag zu chronischen Schmerzen bringt Plastizität im somatosensorischen<br />
System durch Lernprozesse. Die Organisation des Kortex kann durch diese verändert werden.<br />
Jahrelanges, intensives Training führt somit zu einer lernabhängigen Ausdehnung der<br />
funktionellen Repräsentation. Ein Klavierspieler z.B., bei dem die Repräsentation der Finger<br />
und der Hände ein deutlich grösseres Areal einnimmt. Eine ähnliche Vergrösserung muss<br />
auch für wiederholte nozizeptive Stimulation angenommen werden. Hier lassen sich<br />
Vergrösserungen der somatosensorischen Repräsentation des schmerzenden Areals<br />
nachweisen. Solche Veränderungen lassen sich auch im Rückenmark und im Thalamus<br />
nachweisen. 11<br />
Verschiedene Faktoren spielen bei der Entstehung von chronischem Schmerz eine<br />
wesentliche Rolle. Vorerfahrungen des Patienten und Konsequenzen des Schmerzverhaltens<br />
sind dabei sehr wichtig. Es handelt sich nicht um Simulation, sondern eher um implizite<br />
Lernprozesse (Lernprozesse, über die sich der Lernende nicht bewusst ist). Diese Faktoren<br />
sollen nun erläutert werden.<br />
1. Priming<br />
Situationen, Wörter etc., die einem kurze Zeit zuvor begegnet sind, werden leichter<br />
erinnert als andere. Nimmt man zum Beispiel eine Liste von Süssigkeiten, so werden diese<br />
schneller erinnert als andere, auch das Konzept Süssigkeit selbst wird automatisch und unbewusst<br />
gebahnt. Menschen, die an chronischen Schmerzen leiden, verfügen über ein<br />
ausgeprägteres Gedächtnis sowohl für Schmerzreize selbst, als auch für kognitivemotionale<br />
Gedächtnisinhalte der Begleitumstände und Situationen, unter denen die<br />
Schmerzen aufgetreten sind. Bei ähnlichen Situationen werden somit auch die<br />
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