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Download als PDF - Sozialplattform Oberösterreich

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Dokumentation


Wir bedanken uns bei ...<br />

Das Armutsnetzwerk OÖ bedankt sich bei Herrn Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer,<br />

Herrn Landesrat Josef Ackerl, Herrn Bürgermeister Dr. Franz Dobusch und der AK OÖ für<br />

die großzügige finanzielle Unterstützung, bei allen Referent/innen und Diskutant/innen,<br />

bei der <strong>Sozialplattform</strong> OÖ für die Organisation der Enquete sowie bei allen teilnehmenden<br />

Einrichtungen, die durch zahlreiche Präsentations- bzw. Informationsstände zum Gelingen<br />

der Veranstaltung beigetragen haben.<br />

Impressum:<br />

Armutsnetzwerk OÖ, c/o <strong>Sozialplattform</strong> OÖ, Weingartshofstraße 38, 4020 Linz<br />

0732 - 66 75 94, www.sozialplattform.at.<br />

Sammlung der Texte: Elisabeth Rinnerbauer<br />

Lektorat und Layout: Manuela Mittermayer<br />

Fotos: Heinz Zauner<br />

Motiv Einladung und Cover:<br />

„Sichtbar werden“, Pappfiguren der Armutskonferenz. Überarbeitet von Franz Suess.<br />

Druck: fab proba, Linz


Editorial<br />

4<br />

Jede/r 10. <strong>Oberösterreich</strong>erIn ist armutsgefährdet<br />

Armut ist auch in <strong>Oberösterreich</strong> die Realität vieler Menschen.<br />

Einige konkrete Zahlen:<br />

• 144.000 (10,1%) der <strong>Oberösterreich</strong>erInnen sind armutsgefährdet und haben nur ein<br />

(gewichtetes) Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle von Euro 893,- monatlich<br />

(EU-SILC 2006), inklusive aller Sozialleistungen<br />

• 55.000 (4%) leben in manifester Armut<br />

• 388.000 (28%) der <strong>Oberösterreich</strong>erInnen erfahren materielle Einschränkungen<br />

Über einen zweijährigen Zeitraum betrachtet sind um 50% mehr Menschen von Armut<br />

betroffen. Auch mit einem Einkommen knapp über dieser Schwelle ist kein gutes Leben<br />

möglich.<br />

Arbeitslosigkeit erhöht die Armutsgefährdung auf 19%. Aber auch Erwerbsarbeit schützt in<br />

zunehmenden Maße nicht vor Armut: 6% der Menschen im erwerbsfähigen Alter (20 bis 64<br />

Jahre) sind armutsgefährdet trotz Arbeit, 5% arbeiten sogar Vollzeit.<br />

Pensionsbezug erhöht die Armutsgefährdung auf 14%. Alleinstehende Pensionistinnen sind<br />

zu 28% armutsgefährdet. Krankheit und Armut bedingen einander oft: Vor allem chronische<br />

Krankheit führt zu Armut und Armut macht in vielen Fällen krank!<br />

Armut kann viele Menschen treffen, nur manchmal wird sie sichtbar. Armut erzeugt Schamgefühl.<br />

Oftm<strong>als</strong> bemerken Nachbarn oder Arbeitskolleg/innen nichts von der Armut in ihrer<br />

Umgebung. Tag für Tag haben arme Menschen in <strong>Oberösterreich</strong> schlechtes oder zuwenig<br />

Essen, zuwenig Geld um die Wohnung ausreichend heizen zu können, Zahlungsprobleme bei<br />

unerwarteten Ausgaben wie Reparaturen oder sie können sich keinen Urlaub leisten.<br />

Arm sein heißt, am Rande der Gesellschaft zu leben!<br />

Arm sein heißt, keine Verpflichtungen eingehen zu können, für sich und andere!<br />

Arm sein heißt, Angst vor der Zukunft zu haben!<br />

Arm sein heißt, psychischem Druck ausgesetzt zu sein!<br />

Arm sein heißt, ein erhöhtes Krankheitsrisiko zu haben!<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Bei dieser Enquete am 22. Oktober 2008 kam es zu einem Dialog zwischen Wissenschaft, Politik,<br />

Sozialpartnern, sozialen und kirchlichen Einrichtungen, Förderstellen und dem Armutsnetzwerk<br />

OÖ. Von den Wissenschafter/innen wurden eindrucksvolle Fakten geschildert und<br />

um die Erfahrungen der Expert/innen aus den sozialen Einrichtungen ergänzt. Mit Sozialpartnern<br />

und Politiker/innen wurde die Frage nach der Verantwortung für die Armut in<br />

<strong>Oberösterreich</strong> diskutiert. Im Auftrag des Armutsnetzwerkes OÖ wurden die neuen Armutszahlen<br />

für <strong>Oberösterreich</strong> präsentiert.<br />

Das Armutsnetzwerk OÖ, ein Zusammenschluss vieler sozialer Einrichtungen, fordert zur<br />

Verringerung der Armut mit einem Armutsvermeidungs-ABC konkrete Maßnahmen in drei<br />

zentralen Bereichen unseres Sozi<strong>als</strong>taates:<br />

A Armutsvermeidende finanzielle Leistungen<br />

B Bessere soziale Infrastruktur bei Bildung, Gesundheitsversorgung, Pflege und Kinderbetreuung<br />

C Chancenverbesserung in der Arbeitswelt<br />

Einige konkrete Vorschläge:<br />

• Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes zumindest auf EU-Durchschnitt<br />

von 70%<br />

• Erhöhung des Zuschusses des Bildungskontos vom Land OÖ und Umstellung auf frühere<br />

Auszahlung durch Vorschusszahlungen für Armutsgefährdete<br />

• Krankenversicherung (E-Card) für SozialhilfebezieherInnen<br />

• Besserer Zugang und mehr Angebote für Psychotherapie auf Krankenschein, besonders<br />

für MigrantInnen.<br />

Das große Interesse an dieser Enquete verstehen wir im Armutsnetzwerk OÖ <strong>als</strong> Auftrag für<br />

die Weiterarbeit.<br />

Unser Dank gilt Soziallandesrat Josef Ackerl, Bürgermeister Franz Dobusch, Landeshauptmann<br />

Josef Pühringer und der AK OÖ für die Subventionierung der Veranstaltung.<br />

Dem Vorbereitungsteam, besonders dem organisatorischen Team mit Elisabeth Rinnerbauer,<br />

Irene Dorfer und Pold Ginner für ihren engagierten Einsatz ein herzliches Danke.<br />

Für das Armutsnetzwerk OÖ<br />

Christian Winkler<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 5


Programm<br />

6<br />

9.30 - 10.00 Begrüßung<br />

Elisabeth Rosenmayr (Tagungsmoderation)<br />

im Gespräch mit: Pold Ginner, Maria Krautsieder und Iris Woltran<br />

10.00 - 11.15 Arbeitswelt und Armut<br />

Nikolaus Dimmel (Universität Salzburg)<br />

in Diskussion mit: Erich Gumplmaier (ÖGB OÖ), Roman Obrovski (AMS OÖ),<br />

Susanne Stockinger (Arbeitslose helfen Arbeitslosen)<br />

Iris Woltran (Moderation)<br />

Pause<br />

11.30 - 12.45 Generationen und Armut<br />

Matthias Till (Statistik Austria)<br />

in Diskussion mit: Eva Forster (Expertin), Renate Hackl (Land OÖ, Abteilung Soziales),<br />

Norbert Krammer (Sachwalterschaft, VSP)<br />

Pold Ginner (Moderation)<br />

Mittagspause<br />

14.00 - 15.15 Gesundheit und Armut<br />

Claudia Habl (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen)<br />

in Diskussion mit: (Astrid Braun (pro mente OÖ))<br />

Andreas Krauter (KH Barmh. Schwestern), Felix Hinterwirth (GKK OÖ)<br />

Maria Krautsieder (Moderation)<br />

Pause<br />

15.30 - 16.30 Armut in <strong>Oberösterreich</strong><br />

Wer trägt die Verantwortung? Perspektiven, Lösungen<br />

Josef Ackerl (SPÖ), Bernhard Baier (ÖVP), Doris Eisenriegler (Grüne),<br />

Johann Kalliauer (AK/ÖGB OÖ), Josef Mayr (Kirche), Erhard Prugger (WK OÖ),<br />

Christian Winkler (Armutsnetzwerk OÖ)<br />

Dagmar Andree (Moderation)<br />

Rahmenprogramm: SchülerInnen HLW Auhof und BUCHplus<br />

Buffet: Mahlzeit Vertriebsges.m.b.H.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Inhalt<br />

Spezialauswertung:<br />

Christine Stelzer-Orthofer/Bettina Leibetseder:<br />

Armutsgefährdung, Einkommen und Lebensbedingungen in <strong>Oberösterreich</strong>:<br />

Daten und Fakten aus EU-SILC .......................................................................................................... 8<br />

Referate:<br />

Nikolaus Dimmel:<br />

Arbeitswelt und Armut ..................................................................................................................... 23<br />

Matthias Till:<br />

Generationen und Armut –<br />

Oder: Älter werden ist natürlich, Armut auch? ...........................................................................25<br />

Claudia Habl:<br />

Gesundheit und Armut (Kurzzusammenfassung) ..................................................................... 34<br />

Soziale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung ............................................................... 36<br />

Kurzbiografien .................................................................................................................................... 42<br />

Fotos ...................................................................................................................................................... 45<br />

Fragen und Antworten ..................................................................................................................... 48<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 7


Armutsgefährdung, Einkommen und Lebensbedingungen<br />

in <strong>Oberösterreich</strong>: Daten und Fakten aus EU-SILC<br />

8<br />

Dr in Christine Stelzer-Orthofer/Dr in Bettina Leibetseder<br />

Nach Jahren der Abstinenz fand das Phänomen Armut erst im letzten Jahrzehnt Eingang in die politische<br />

und sozialwissenschaftliche Diskussion. Die Einbeziehung Österreichs in ein europaweit durchgeführtes,<br />

standardisiertes Haushaltspanel (ECHP) sowie in dessen Nachfolgeerhebung (EU-SILC, Survey on Income<br />

and Living Conditions) ermöglicht(e) es seither, Ausmaß und Betroffenheit zu quantifizieren. Obgleich<br />

mittlerweile immer mehr und validere Daten zu nationaler Armutsgefährdung, manifester Armut und<br />

betroffenen Gruppen vorliegen, gibt es de facto kaum regionale Analysen. Die <strong>Sozialplattform</strong> <strong>Oberösterreich</strong><br />

hat daher bei Statistik Austria eine Sonderauswertung für das Bundesland <strong>Oberösterreich</strong> in<br />

Auftrag gegeben, deren wichtigste Ergebnisse nun dargelegt werden. 1<br />

Christine Stelzer-Orthofer - geb. 1959;<br />

Studium der Sozialwirtschaft an der Johannes<br />

Kepler Universität Linz, am Institut<br />

für Gesellschafts- und Sozialpolitik<br />

tätig, Lehrbeauftragte an der Fachhochschule<br />

Linz. Arbeitsschwerpunkte: Armut,<br />

Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt- und<br />

Sozialpolitik.<br />

Bettina Leibetseder - Lektorin und Projektmitarbeiterin<br />

am Institut für Gesellschafts-<br />

und Sozialpolitik der Johannes<br />

Kepler Universität Linz, Lehrbeauftragte<br />

an der Fachhochschule für Soziales,<br />

schrieb ihre Dissertation über einen<br />

Vergleich der Sozialhilfe zwischen Großbritannien<br />

und Österreich. Forschungsschwerpunkte:<br />

Gender, Sozial- und Integrationspolitik.<br />

1 Ausmaß zur Armutsgefährdung in <strong>Oberösterreich</strong><br />

Wissenschaftlich korrekt und notwendig ist es, vorerst den<br />

Begriff Armutsgefährdung, dessen Operationalisierung sowie<br />

methodische Einschränkungen aufgrund der kleineren oberösterreichischen<br />

Stichprobe zu erläutern. Armut wird EU-weit<br />

dahingehend definiert, dass jene <strong>als</strong> verarmt anzusehen sind,<br />

„die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen,<br />

dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in<br />

dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, <strong>als</strong> Minimum annehmbar<br />

ist.“ Als einkommensarmutsgefährdet gelten daher jene, deren<br />

Einkommen 60% des Medianeinkommens im jeweiligen Mitgliedsstaat<br />

unterschreiten. 2006 lag diese Grenze für Alleinstehende<br />

in Österreich bei 10.711 Euro jährlich bzw. bei 893<br />

Euro monatlich. Dementsprechend waren im Jahr 2006 12,6%<br />

der österreichischen Bevölkerung armutsgefährdet. Die oberösterreichische<br />

Stichprobe für 2006 weist - auf Basis der österreichischen<br />

Schwellenwerte - einen Anteil von 10,1% aus,<br />

demnach sind 144.000 <strong>Oberösterreich</strong>er/innen armutsgefährdet.<br />

Sie müssen ihr Dasein mit monatlich weniger <strong>als</strong> 893 Euro<br />

sichern.<br />

1) Für Details siehe Datler, Georg (2008): EU-SILC 2004-2006. Sonderauswertungen<br />

<strong>Oberösterreich</strong>. Statistik Austria. Wien. Georg Datler sei hiermit auch herzlich für die<br />

Berechnungen und Beratung hinsichtlich der Interpretation der Daten gedankt.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Aufgrund der geringeren Fallzahlen sind bundesländerspezifische Auswertungen mit höheren<br />

Schwankungsbreiten behaftet. Daher liegt die statistische Schwankungsbreite der<br />

tatsächlichen Armutsgefährdung in <strong>Oberösterreich</strong> im Jahr 2006 zwischen 8,2% und 12,1%.<br />

Um Schätzungsfehler und Schwankungsbreiten so gering wie möglich zu halten, wird für<br />

die Analyse der oberösterreichischen Daten der einfache Durchschnitt aus den Jahren 2004,<br />

2005 und 2006 ausgewiesen, da somit die Genauigkeit der Schätzung verbessert und eine<br />

validere Datenlage erreicht werden können.<br />

Betrachtet man den Durchschnitt der Armutsgefährdungsquote für diese drei Jahre, so zeigt<br />

sich österreichweit mit 12,6% ein relativ stabiles Bild. Die vergleichbare Armutsgefährdung<br />

in <strong>Oberösterreich</strong> liegt bei deutlich geringeren 9,7% oder 136.000 Personen (Tabelle 1).<br />

Tabelle 1: Armutsgefährdung in <strong>Oberösterreich</strong> und Österreich in Prozent<br />

<strong>Oberösterreich</strong> Österreich<br />

Jahreswerte Durchschnitt Jahreswerte Durchschnitt<br />

2004 9,3<br />

12,8<br />

2005 9,9 9,7<br />

12,3<br />

12,6<br />

2006 10,1 12,6<br />

Quelle: Datler 2008; Statistik Austria 2006, 2007, 2008a; eigene Berechnungen<br />

Methodisch muss dieser positive Befund allerdings dahingehend relativiert werden, dass<br />

sich bei einer konservativen Schätzung des 95%-Konfindenzintervalls die statistisch mögliche<br />

obere Grenze von <strong>Oberösterreich</strong> und die untere Grenze für Österreich überschneiden<br />

(vgl. Statistik Austria 2008a: 31, siehe Tabelle 2). Die tatsächliche Armutsgefährdung in Österreich<br />

liegt diesen Berechungen nach - auf Basis der Konfidenzintervalle für die Stichprobe<br />

2006 - zwischen 11,6% und 13,5%; in <strong>Oberösterreich</strong> aufgrund der kleineren Stichprobe<br />

zwischen 7,7% und 11,6%. Diesen statistisch abgesicherten Berechnungen nach liegt die<br />

Anzahl der Armutsgefährdeten in <strong>Oberösterreich</strong> zwischen 107.000 und 161.000 Personen.<br />

Tabelle 2: Schwankungsbreite der Armutsgefährdungsquote für OÖ und Österreich<br />

untere Grenze Punktschätzer obere Grenze<br />

Österreich 11,6 % 12,6 % 13,5 %<br />

<strong>Oberösterreich</strong> 7,7 % 9,7 % 11,6 %<br />

Quelle: Datler 2008; Statistik Austria 2008a; eigene Berechungen, 95%-Konfidenzintervall<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 9


Armutsgefährdung, Einkommen und Lebensbedingungen in OÖ<br />

10<br />

Neben der Quantifizierung zum Ausmaß ist ein weiterer wichtiger Indikator die Armutsgefährdungslücke,<br />

die Anhaltspunkte darüber zulässt, in welcher Intensität die Gruppe der<br />

Armutsgefährdeten von finanziellen Einschränkungen betroffen ist. In anderen Worten, die<br />

Armutsgefährdungslücke misst die durchschnittliche Abweichung der Medianeinkommen<br />

der Armutsgefährdeten von der Armutsgefährdungsschwelle (60% des Medianeinkommens<br />

der gesamten Bevölkerung) in Prozent. Ein Unterschied zwischen der Armutsgefährdungslücke<br />

in Österreich und <strong>Oberösterreich</strong> zeigt sich im Gegensatz zu den Jahreswerten bei einem<br />

3-Jahres-Durchschnitt nicht. So beträgt die durchschnittliche Armutsgefährdungslücke der<br />

Jahre 2004 bis 2006 sowohl für Österreich <strong>als</strong> auch für <strong>Oberösterreich</strong> 17% (siehe Tabelle<br />

3).<br />

Tabelle 3: Armutsgefährdungslücke für <strong>Oberösterreich</strong> und Österreich<br />

<strong>Oberösterreich</strong> Österreich<br />

Jahreswerte Durchschnitt Jahreswerte Durchschnitt<br />

2004 19<br />

20<br />

2005 14 17<br />

15<br />

17<br />

2006 18 15<br />

Quelle: Datler 2008; Statistik Austria 2006, 2007, 2008a; eigene Berechnungen<br />

2 Einkommen und relativer Lebensstandard in <strong>Oberösterreich</strong><br />

Basis für die Berechnung der Armutsschwelle ist das verfügbare Einkommen, bei Mehrpersonenhaushalten<br />

wird dementsprechend das gesamte Haushaltseinkommen (Arbeitseinkommen,<br />

Sozialleistungen etc.) herangezogen. Ausgehend davon, dass der Lebensstandard<br />

einer Familie von der Größe und der Zusammensetzung des Haushalts bestimmt ist, wird<br />

für das Einkommen eine Gewichtung vorgenommen: Als Fixbedarf wird für die EU-SILC-<br />

Erhebung pro Haushalt ein Gewicht von 0,5 angenommen, weiters erhält jede Person ab 14<br />

Jahre ein Gewicht von 0,5; Kinder unter 14 Jahren werden mit 0,3 gewichtet. Mit diesen<br />

Äquivalenzzahlen wird versucht, unterschiedliche Haushaltsstrukturen vergleichbar zu machen.<br />

So errechnet sich beispielsweise für eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern unter<br />

14 Jahren eine Gewichtung von 2,1, d.h. das Haushaltseinkommen wird durch diesen Faktor<br />

dividiert, um ein äquivalisiertes Einkommen zu erhalten.<br />

Äquivalenzeinkommen stellen somit ein gewichtetes verfügbares Pro-Kopf-Einkommen dar.<br />

Als Grundlage werden die Medianäquivalenzeinkommen für einzelne soziodemografische<br />

Merkmale gezeigt, da die Armutsgefährdung von den zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />

bestimmt wird. Das äquivalisierte Nettohaushaltsmedianeinkommen in <strong>Oberösterreich</strong> beträgt<br />

im Durchschnitt für die Jahre 2004-2006 17.902 Euro pro Person, d.h. die eine Hälfte<br />

der <strong>Oberösterreich</strong>er/innen verdiente weniger und die andere mehr <strong>als</strong> diesen Wert. Im<br />

Gegensatz dazu beträgt das durchschnittliche äquivalisierte Nettohaushaltsmedianeinkommen<br />

für Österreich für denselben Zeitraum 17.605 Euro, lag <strong>als</strong>o etwas niedriger.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Je nach soziodemografischem Merkmal liegt das Äquivalenzeinkommen unter oder über den<br />

17.902 Euro in <strong>Oberösterreich</strong>. So ergeben sich ganz unterschiedliche Medianlebensstandards,<br />

die auf Risikogruppen hinweisen. Besonders augenscheinlich ist der deutlich geringere<br />

mediane Lebensstandard von Personen, die keine österreichische Staatsbürgerschaft<br />

haben und nicht aus der EU oder EFTA kommen (Tabelle 4).<br />

Tabelle 4: Relativer Lebensstandard nach sozialdemografischen Merkmalen für OÖ<br />

Medianlebensstandard<br />

In Euro In %<br />

Insgesamt 17.902 100,0<br />

Männer 18.497 103,3<br />

Frauen<br />

Staatsbürgerschaft<br />

17.310 96,7<br />

Österreich/ EU15/ EFTA 18.139 101,3<br />

Andere 13.635 76,2<br />

Haushalte* mit Pension 16.678 93,2<br />

Haushalte* ohne Pension 18.225 101,8<br />

Haushalte* mit Kindern (ohne<br />

Pension)<br />

Haushalt* mit<br />

16.573 92,6<br />

männlichem Hauptverdiener 18.312 102,3<br />

weiblicher Hauptverdienerin 16.783 93,8<br />

*Personen in Haushalten<br />

Quelle: Datler 2008; Durchschnittliches äquivalisiertes Medianeinkommen (Statistik Austria)<br />

3 Armutsgefährdung nach soziodemografischen Merkmalen in OÖ<br />

Betrachtet man die Armutsgefährdungsquote nach soziodemografischen Merkmalen, so<br />

zeigt sich, dass es für gewisse Gruppen ein erheblich erhöhtes Armutsgefährdungsrisiko gibt.<br />

Andere Gruppen haben wiederum ein sehr niedriges Risiko (siehe Abbildung 1). Aufgrund<br />

der geringen Stichprobengröße sind aber die Ergebnisse für Teilstichproben mit größeren<br />

Schwankungsbreiten behaftet. Sehr wohl kann aber gesagt werden, dass Menschen mit<br />

einer höheren Bildung, Männer, österreichische Staatsbürger/innen (inkl. EU/EFTA) sowie<br />

Mehrpersonenhaushalte mit einem Kind oder mit einem männlichen Hauptverdiener weniger<br />

stark armutsgefährdet sind. Im Gegensatz dazu sind ausländische Staatsbürger/innen<br />

(exkl. EU/EFTA), Mehrpersonenhaushalte mit drei oder mehr Kindern, Ein-Eltern-Haushalte,<br />

alleinstehende Ältere und Frauen eher armutsgefährdet, insbesondere Frauen, die eine Mindestpension<br />

beziehen. Vergleicht man diese Ergebnisse mit den österreichischen, wird sichtbar,<br />

dass es sich dabei um die gleichen Risikogruppen handelt.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 11


Armutsgefährdung, Einkommen und Lebensbedingungen in OÖ<br />

12<br />

Abbildung 1: Armutsgefährdung nach soziodemografischen Merkmalen in OÖ in Prozent<br />

Armutsgefährdung nach soziodemografischen<br />

Merkmalen in OÖ in Prozent<br />

Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind<br />

Lehre/mittl. Schule/Matura/Uni<br />

MPH ohne Kind/ohne Pension<br />

männlicher Hauptverdiener<br />

Männer<br />

öster. Staatsbürgerschaft + EU/EFTA<br />

MPH mit Pension<br />

Einwohnerzahl Region ≤ 10000<br />

Durchschnitt<br />

Großstädte<br />

Frauen<br />

MPH + 3 Kinder<br />

weibliche Hauptverdienerin<br />

max. Pflichtschule<br />

Ein-Eltern-Haushalte<br />

Frauen 65+ Jahre<br />

Alleinstehend mit Pension<br />

ausl. Staatsbürgerschaft (nicht EU/EFTA)<br />

Quelle: Datler 2008, MPH: Mehrpersonenhaushalt (Statistik Austria)<br />

niedriges Risiko<br />

erhöhtes<br />

Risiko<br />

0 5 10 15 20 25 30<br />

4 Armutsgefährdung, Deprivation und manifeste Armut<br />

Armutsgefährdung wird primär über das Einkommen gemessen, darüber hinaus versucht<br />

man, andere Notlagen mit der EU-SILC-Erhebung zu erfassen. Darum wird ebenso nach der<br />

Einschränkung des Lebensstandards und damit auch nach dem beschränkten Zugang zu<br />

gewissen Gütern gefragt. Armutsgefährdung umfasst so den Mangel an finanziellen Ressourcen,<br />

Deprivation den Mangel an Gütern, die notwendig sind, um einen gewissen Lebensstandard<br />

zu erreichen (siehe Tabelle 5 und Abbildung 2).<br />

Tabelle 5: Armutsgefährdung, Deprivation und manifeste Armut in OÖ<br />

Armutsgefährdung nein Nicht-Arm<br />

72%<br />

durch niedriges<br />

Einkommen<br />

Quelle: Datler 2008 (Statistik Austria)<br />

Depriviert<br />

Nein Ja<br />

mangelnde Teilhabe<br />

18%<br />

ja Einkommensarmut manifeste Armut<br />

6%<br />

4%<br />

Rund 10% Armutsgefährdung<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


So sind in <strong>Oberösterreich</strong> rund 4% von manifester Armut betroffen, d.h. diese Gruppe verfügt<br />

weder über ein angemessenes Einkommen noch über alle Güter, die für einen angemessenen<br />

Lebensstandard notwendig sind. Was sind nun solche Güter? Als primäre Benachteilung gilt<br />

etwa, wenn jemand keinen Urlaub machen kann, die Wohnung nicht heizen kann, keine<br />

neue Kleidung kaufen kann, nicht jeden zweiten Tag Fisch oder Fleisch essen kann, unerwartete<br />

Ausgaben von etwa 900 Euro nicht tätigen kann oder mit Zahlungen im Rückstand ist.<br />

Als sekundäre Benachteilung wird der erzwungene Verzicht auf langlebige Gebrauchsgüter,<br />

wie etwa PC oder Geschirrspüler, gesehen, die sich jemand aufgrund von Geldmangel nicht<br />

kaufen kann. Ebenso werden von der Statistik gesundheitliche Einschränkungen, Wohnungsprobleme<br />

(kein Bad oder Schimmel etwa) und Belastungen im Wohnumfeld (etwa<br />

Lärm) erfasst, die einen weiteren Einblick in die Armutsgefährdung geben. Gruppen mit<br />

einem sehr hohen Risiko der manifesten Armut, die zumindest in einer der oben genannten<br />

Dimension einen Mangel ausweisen, sind Menschen, die primär von Sozialleistungen leben,<br />

und Menschen mit Behinderungen.<br />

Etwa 28% der <strong>Oberösterreich</strong>er/innen erfahren materielle Einschränkungen. Davon haben<br />

zwei Drittel keinen Zugang zu allen angemessenen Gütern, das restliche Drittel liegt entweder<br />

unter der Armutsgefährdungsschwelle von 60% des Medianeinkommens oder ist bei<br />

manifester Armut von Armutsgefährdung und mangelnder Teilhabe gleichzeitig betroffen<br />

(siehe Abbildung 2).<br />

Abbildung 2: Armutsgefährdung, Deprivation und manifeste Armut in OÖ<br />

Armutsgefährdung, Deprivation und manifeste Armut in OÖ<br />

Nicht-Arm 72% Einschränkungen 28%<br />

mangelnde Teilhabe<br />

64%<br />

Quelle: Datler 2008; eigene Berechnungen (Statistik Austria)<br />

Einkommensarmut<br />

22%<br />

manifeste<br />

Armut 14%<br />

depriviert<br />

armutsgefährdet<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 13


Armutsgefährdung, Einkommen und Lebensbedingungen in OÖ<br />

14<br />

5 Erwerbstätigkeit und Sozialleistungen<br />

Erwerbstätigkeit schützt noch immer am besten vor Armut. Sozialleistungen reichen in vielen<br />

Fällen nicht aus, das Einkommen über die Armutsgefährdungsschwelle zu heben. Somit<br />

wird <strong>als</strong> ausschlaggebend für das Risiko von Armutsgefährdung immer auf die fehlende oder<br />

zu geringe Beteiligung am Arbeitsmarkt auf individueller oder Haushaltsebene hingewiesen.<br />

Da der Ausgleichszulagenrichtsatz der Pensionen unter der Armutsgefährdungsschwelle<br />

liegt, haben ältere Menschen noch immer ein leicht überdurchschnittliches Risiko. Ungleich<br />

höher liegt das Armutsgefährdungsrisiko für Personen, die primär ihr Einkommen von anderen<br />

Sozialleistungen erhalten, etwa Krankengeld, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe<br />

sowie Sozialhilfe. Menschen, die vor allem von solchen Transferleistungen leben, haben zu<br />

einem Drittel ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle zur Verfügung.<br />

Tabelle 6: Armutsgefährdung nach Haupteinkommensquelle von Haushalten in OÖ<br />

in Prozent<br />

Haupteinkommensquelle Armutsgefährdung<br />

unselbstständige Arbeit 5<br />

selbstständige Arbeit 13<br />

Pensionen 14<br />

Sozialleistungen 34<br />

Quelle: Datler 2008 (Statistik Austria)<br />

So sind Menschen mit einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit mit 5% am wenigstens<br />

armutsgefährdet. Dann kommt es zu einem großen Sprung: Haushalte, die von einem Erwerbseinkommen<br />

aus selbstständiger Tätigkeit leben müssen, sind mit 13% schon ungleich<br />

stärker armutsgefährdet, gefolgt von Haushalten mit Pensionen.<br />

Arbeitslose Menschen haben ebenso ein erhöhtes Armutsgefährdungsrisiko. Zwar reduzieren<br />

Sozialleistungen dieses beträchtlich, aber noch immer sind Menschen, die vor allem<br />

vom Arbeitslosengeld oder von der Notstandshilfe leben, stark gefährdet. Österreichweit<br />

- die Stichprobe für <strong>Oberösterreich</strong> ist zu klein, um noch valide Aussagen treffen zu können<br />

- sind 40% der Langzeitarbeitslosen nach Transferleistungen von Armut betroffen (Statistik<br />

Austria 2008a: 41).<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Tabelle 7: Armutsgefährdung nach Haupttätigkeit vor und nach Sozialleistungen in OÖ<br />

in Prozent<br />

vor Pensionen u.<br />

Sozialleistungen<br />

vor Sozialleistungen<br />

nach Sozialleistungen<br />

Armutsgefährdungslücke<br />

in %<br />

erwerbstätig 17 13 6 21<br />

Pension 80 22 12 15<br />

arbeitslos 58 52 (19) (26)<br />

Haushalt 58 37 17 18<br />

in Ausbildung 33 27 (9) (38)<br />

Quelle: Datler 2008; Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen (Statistik Austria)<br />

Arbeit schützt aber nicht immer vor Armut, in <strong>Oberösterreich</strong> sind rund 6% der Erwerbstätigen<br />

armutsgefährdet, das sind 35.000 Menschen. Statistik Austria (2006: 49) definiert<br />

Menschen <strong>als</strong> Working Poor, „die aktuell erwerbstätig und zwischen 20 und 64 Jahre alt sind<br />

und deren Haushalteinkommen (<strong>als</strong> Summe aller Erwerbs- und sonstiger Einkommen bezogen<br />

auf Haushaltsgröße und Altersstruktur – das heißt äquivalisiert) unter der Armutsgefährdungsschwelle<br />

liegt.“ So kann es einerseits sein, dass das individuelle Erwerbseinkommen<br />

aufgrund einer geringen Arbeitszeit, einer schlecht entlohnten Tätigkeit, unterbrochenen<br />

und unregelmäßigen Arbeitsverhältnissen nicht ausreicht. Andererseits kann es aufgrund<br />

der Haushaltskonstellation zu einem Armutsgefährdungsrisiko kommen, weil das Einkommen<br />

aus der Erwerbstätigkeit mit Transferleistungen aufgrund der Zusammensetzung des<br />

Haushaltes (etwa mehrere Kinder, Alleinerzieher/innen) unter dem Bedarf liegt.<br />

So schützt nicht jede Form der Erwerbstätigkeit gleich vor Armut: Nicht nur Selbstständige<br />

haben ein erhöhtes Armutsgefährdungsrisiko, auch Menschen mit einer niedrigen Bildung<br />

und in einer unqualifizierten Tätigkeit haben oft ein Einkommen unter der Schwelle von 60%<br />

des Medianeinkommens (siehe Tabelle 8). Vor allem auf der Haushaltsebene zeichnet sich<br />

ein geringes Einkommen ab, wenn niemand erwerbstätig ist. Kurzfristige, unterbrochene<br />

Erwerbstätigkeit oder überwiegende Teilzeitbeschäftigung führen ebenso zu einem geringeren<br />

Medianeinkommen. Nur wenn alle erwachsenen Personen zu einem überwiegenden<br />

Teil in Beschäftigung stehen, d.h. 9 Monate im Jahr erwerbstätig sind oder zumindest einer<br />

Drei-Viertel-Beschäftigung nachgehen, kann ein überdurchschnittliches Einkommen erzielt<br />

werden. 1<br />

1 Auf die Darlegung der jeweiligen Armutsgefährdungslücke wird wegen der statistischen Ungenauigkeit verzichtet.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 15


Armutsgefährdung, Einkommen und Lebensbedingungen in OÖ<br />

16<br />

Tabelle 8: Relativer Lebensstandard und Armutsgefährdung nach Erwerbsstatus in OÖ<br />

Medianlebensstandard Armutsgefährdungsquote<br />

In Euro In % In %<br />

Insgesamt 17.902 100 10<br />

Haupttätigkeit (Personen)<br />

Erwerbstätig 20.355 114 6<br />

davon Vollzeit 20.594 115 5<br />

davon Teilzeit 19.482 109 (8)<br />

Pension 17.678 99 12<br />

Arbeitslos 14.342 80 (19)<br />

Haupteinkommensquelle<br />

unselbstständige Arbeit 18.862 105 5<br />

selbstständige Arbeit 19.351 108 13<br />

Sozialleistungen 12.641 71 34<br />

Pensionen 16.904 94 14<br />

Berufliche Stellung<br />

nicht erwerbstätig 16.676 93 26<br />

Hilfsarbeit 17.391 97 9<br />

Facharbeit 19.627 110 (5)<br />

Mittlere Tätigkeit, Meister 21.272 119 (2)<br />

höhere/ hochqualifizierte<br />

Tätigkeit<br />

23.980 134 (4)<br />

Selbstständige 18.050 101 (5)<br />

Höchster<br />

Bildungsabschluss<br />

max. Pflichtschule 15.743 88 16<br />

Lehre/mittlere Schule 19.214 107 6<br />

Matura/ Universität 22.588 126 6<br />

Erwerbsintensität des<br />

Haushaltes<br />

keine Erwerbstätigkeit 14.697 82 22<br />

teilweise Erwerbstätigkeit 16.268 91 12<br />

volle Erwerbstätigkeit 20.942 117 3<br />

Quelle: Datler 2008, Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen (Statistik Austria)<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


6 Risiken: Fremd sein, jung sein, krank sein ...<br />

Neben dem Erwerbsstatus <strong>als</strong> armutsauslösendem Faktor wird noch im Detail auf die Situation<br />

von Zugewanderten, Kindern und Familien sowie Menschen mit einem schlechten<br />

Gesundheitszustand eingegangen.<br />

6.1 Zugewanderte<br />

Die Lebenschancen von Einheimischen und Zugewanderten unterscheiden sich in Österreich<br />

stark. In <strong>Oberösterreich</strong> ist die sozioökonomische Situation der Zugewanderten ebenso<br />

schlechter gestellt. So zeigt sich, dass Menschen, die aus anderen Staaten <strong>als</strong> der EU oder der<br />

EFTA kommen, ein durchschnittliches äquivalisiertes Nettohaushalteinkommen von 13.635<br />

Euro zur Verfügung haben, demnach um ein Drittel bzw. um 4.500 Euro weniger <strong>als</strong> Österreicher/innen<br />

und EU/EFTA-Bürger/innen. Ein solch ungleich niedrigeres Einkommen schlägt<br />

sich nicht nur in der Armutsgefährdungsquote nieder, sondern ebenso bei der Deckung von<br />

Grundbedürfnissen. So geben rund die Hälfte der ausländischen Befragten in <strong>Oberösterreich</strong><br />

an, dass sie es sich nicht leisten können, einen Urlaub zu machen, im Gegensatz zu einem<br />

Viertel der Österreicher/innen. Immerhin 60% der ausländischen Staatsbürger/innen können<br />

nur sehr schwer unerwartete Ausgaben tätigen. Mit diesen finanziellen Einschränkungen<br />

müssen hingegen „nur“ 16% der österreichischen und EU/EFTA-Staatsangehörigen leben.<br />

Jene politischen Köpfe, die uns glauben machen wollen, dass unser System <strong>als</strong> soziale Hängematte<br />

für Migrant/innen dient, werden anhand der Zahlen eindeutig widerlegt. Ausländische<br />

Staatsangehörige profitieren bei weitem weniger von sozialen Transferleistungen: So<br />

sind rund die Hälfte alle Ausländer/innen vor allen Transferleistungen von Armut betroffen<br />

und nach deren Bezug noch knapp über ein Viertel. Somit halbiert sich die Armutsgefährdungsquote.<br />

Im Gegensatz dazu reduziert sich die Armutsgefährdungsquote bei den Öberösterreicher/innen<br />

mit österreichischer bzw. EU/EFTA-Staatsbürgerschaft um drei Viertel<br />

von knapp 40% auf 9%.<br />

Tabelle 9: Armutsgefährdung nach Staatsbürgerschaft vor und nach Sozialleistungen in<br />

OÖ in Prozent<br />

Österreich/<br />

EU15/ EFTA<br />

andere Staatsbürgerschaft<br />

vor Pensionen u.<br />

Sozialleistungen<br />

Quelle: Datler 2008 (Statistik Austria)<br />

vor Sozialleistungen<br />

nach Sozialleistungen<br />

Armutsgefährdungslücke<br />

in %<br />

39 21 8,7 16<br />

48 47 26,0 21<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 17


Armutsgefährdung, Einkommen und Lebensbedingungen in OÖ<br />

18<br />

Kinder und Jugendliche<br />

Kinder und Jugendliche sind österreichweit etwas stärker von Armut betroffen <strong>als</strong> Erwachsene.<br />

Rund 14% der unter 19-Jährigen sind armutsgefährdet, auch in <strong>Oberösterreich</strong> leben<br />

13% dieser Gruppe im Jahr 2006 in Haushalten, wo das Einkommen nicht über der Armutsgefährdungsschwelle<br />

liegt. Betrachtet man die Daten der letzten drei Jahre für <strong>Oberösterreich</strong>,<br />

so verbessert sich der Anteil zwar etwas auf 11%, liegt aber noch im statistischen<br />

Schwankungsbereich.<br />

Ohne Sozialleistungen wäre die finanzielle Situation für Haushalte mit drei oder mehr Kindern<br />

und Alleinerziehenden prekär. Durch die Sozialleistungen wird die Armutsgefährdungsquote<br />

von über 50% auf 14% bei Haushalten mit mindestens drei Kindern und auf 17% bei<br />

Alleinerziehenden gesenkt. Familien mit ein oder zwei Kindern sind a priori nicht so stark<br />

armutsgefährdet, die Sozialleistungen helfen zudem, deren Armutsgefährdungsquote auf<br />

ein Niveau unter der oberösterreichischen durchschnittlichen Armutsgefährdungsquote von<br />

9,7% zu reduzieren.<br />

Tabelle 10: Armutsgefährdungsquote von Haushalten mit Kindern in OÖ in Prozent<br />

vor Pensionen u.<br />

Sozialleistungen<br />

vor<br />

Sozialleistungen<br />

nach<br />

Sozialleistungen<br />

Insgesamt 31 28 9,0<br />

Ein-Eltern-Haushalte 54 51 17,0<br />

Mehrpersonenhaushalt<br />

+ 1 Kind<br />

18 15 6,0<br />

Mehrpersonenhaushalt<br />

+ 2 Kinder<br />

26 24 7,3<br />

Mehrpersonenhaushalt<br />

+ mind. 3 Kinder<br />

52 46 14,0<br />

Quelle: Datler 2008 (Statistik Austria)<br />

Familien müssen sich im Alltag aufgrund der durch Kinder bedingten finanziellen Belastung<br />

etwas mehr einschränken <strong>als</strong> Alleinstehende (o.ä.). Während sich Familien mit ein oder zwei<br />

Kindern kaum vom oberösterreichischen Durchschnitt unterscheiden, zeigt sich bei Ein-<br />

Eltern-Haushalten und Mehrpersonenhaushalten mit mindestens drei Kindern eine andere<br />

ökonomische Situation. Fast die Hälfte der Alleinerziehenden kann es sich nicht leisten,<br />

einen Urlaub zu machen. Ebenso ist es für diese Gruppe schwierig, unerwartete Ausgaben<br />

zu tätigen oder neue Kleidung zu kaufen. Auch Familien mit mehr Kindern haben größere<br />

Probleme, das Geld für einen Urlaub beiseite zu legen oder größere Ausgaben ad hoc zu<br />

tätigen.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Tabelle 11: Finanziell bedingte Einschränkungen bei Grundbedürfnissen bei Familien mit<br />

Kindern in OÖ<br />

.. % können sich<br />

nicht leisten<br />

Urlaub zu<br />

machen<br />

unerwartete<br />

Ausgaben<br />

zu tätigen<br />

jeden<br />

2.Tag<br />

Fleisch,<br />

Fisch zu<br />

essen<br />

neue Kleidung<br />

zu<br />

kaufen<br />

sind mit<br />

Zahlungen<br />

im<br />

Rückstand<br />

die<br />

Wohnung<br />

angemessen<br />

warm<br />

zu halten<br />

Insgesamt 24 18 6 6 2 2<br />

Haushalte mit<br />

Kindern<br />

29 19 7 6 2 3<br />

... Ein-Eltern-<br />

Haushalte<br />

47 39 (19) 16 (4) (5)<br />

…MPH + 1 Kind 25 18 4 4 (1) (3)<br />

…MPH + 2 Kinder<br />

24 14 7 7 (2) (2)<br />

MPH + mind. 3<br />

Kinder<br />

37 23 8 6 (5) (3)<br />

Quelle: Datler 2008, MPH: Mehrpersonenhaushalt, Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen (Statistik Austria)<br />

6.2 Gesundheitszustand<br />

Ein weiterer wichtiger Faktor im Leben eines Menschen, um an einer Gesellschaft partizipieren<br />

zu können, ist der Gesundheitszustand. Menschen, die aufgrund ihrer soziodemografischen<br />

Merkmale mit höherer Wahrscheinlichkeit ein geringes Einkommen zur Verfügung<br />

haben, sind ungleich häufiger auch von gesundheitlichen Problemen betroffen und schätzen<br />

ihren Gesundheitszustand <strong>als</strong> schlechter ein (siehe Tabelle 12) <strong>als</strong> der Bevölkerungsdurchschnitt.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 19


Armutsgefährdung, Einkommen und Lebensbedingungen in OÖ<br />

20<br />

Tabelle 12: Subjektiver Gesundheitsstatus nach ausgewählten Merkmalen für OÖ<br />

sehr gut/gut mittelmäßig schlecht<br />

Insgesamt 79 17 4<br />

Männer 78 18 5<br />

Frauen 79 16 4<br />

Staatsbürgerschaft<br />

Österreichische Staatsbürgerschaft<br />

+ EU/EFTA<br />

79 16 4<br />

ausl. Staatsbürgerschaft 67 24 (9)<br />

Höchster Bildungsabschluss<br />

Max. Pflichtschule 67 26 7<br />

Lehre/mittlere Schule 80 16 5<br />

Matura/ Universität 89 9 (2)<br />

Nach dem Erwerbsstatus<br />

Erwerbstätigkeit 84 14 2<br />

Pension 51 36 14<br />

Arbeitslos 55 (27) (18)<br />

Haushalt 75 18 (6)<br />

In Ausbildung 92 (6) (2)<br />

Quelle: Datler 2008, Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen (Statistik Austria).<br />

Aufgrund der Daten aus der österreichischen Gesundheitsbefragung kann der subjektive<br />

Gesundheitszustand von armutsgefährdeten Menschen <strong>als</strong> durchwegs schlecht bezeichnet<br />

werden: Nur 70% der Menschen mit einem Einkommen unter 60% des Medianeinkommens<br />

sehen ihren Gesundheitszustand <strong>als</strong> sehr gut oder gut an, während 84% der Menschen<br />

mit einem 150%igen Medianeinkommen ihren Gesundheitszustand <strong>als</strong> sehr gut oder gut<br />

einschätzen (Statistik Austria 2008b, 20). Menschen mit einem Einkommen bis zu 80%<br />

des Medianeinkommens sind verstärkt von chronischen Krankheiten und gesundheitlichen<br />

Einschränkungen betroffen. Ebenso nehmen sie weniger die Möglichkeit zu Vorsorgeuntersuchungen<br />

und Impfungen wahr und das gesundheitliche Risiko durch Rauchen und Übergewicht<br />

ist erhöht (Statistik Austria 2008b, 20-34). Arbeitslose sind ebenso verstärkt von<br />

einem subjektiv schlechteren Gesundheitszustand betroffen, so geben 69% der arbeitslosen<br />

Männer und 57% der Frauen ihren Gesundheitszustand <strong>als</strong> sehr gut oder gut an. Im Gegensatz<br />

dazu sehen 88% aller befragten Männer und 85% der Frauen ihren Gesundheitszustand<br />

<strong>als</strong> gut oder sehr gut an (Statistik Austria 2008b: 69).<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


7 Ausblick<br />

Armutsforschung ist immer auch eine politische Forschung, sie ist wichtig und notwendig.<br />

Sie ermöglicht es, den Blick darauf zu lenken, dass Armut kein Einzelschicksal, sondern sozi<strong>als</strong>trukturell<br />

zu verorten ist. Auf Basis solider Forschung ist sie in der Lage, Ausmaß und<br />

Betroffenheit zu quantifizieren, gefährdete Gruppen zu identifizieren, prekäre Lebenslagen<br />

auszumachen und Instrumente zur Armutsvermeidung zu entwickeln. Voraussetzung dafür<br />

ist, dass sie objektiv und seriös betrieben wird. Dazu gehört, transparent zu machen, dass<br />

Armut kein neutraler, sondern ein relativer, mit verschiedenen Ausprägungen behafteter<br />

Begriff ist. Dementsprechend sind Definitionen von Armut, die Festsetzung von Armutsschwellen<br />

und Armutsgrenzen, die Gewichtung der Haushaltsmitglieder und dergleichen<br />

– unabhängig davon, ob sie auf europäischer Ebene oder von den jeweiligen Forscher/innen<br />

vorgenommen werden – kein statistischer Nebenschauplatz, sondern eindeutig politische<br />

Vorannahmen oder Vor-Entscheidungen. Objektive Armutsmessung ist daher gefordert, immer<br />

zu erläutern, auf welcher Vorannahme, auf welcher Basis welche Ergebnisse beruhen.<br />

Wiewohl mittlerweile für mehr <strong>als</strong> zehn Jahre österreichische Armutsgefährdungsquoten<br />

vorliegen, ist es kaum möglich, Aussagen zur Entwicklung und zum Verlauf der Armutsbetroffenheit<br />

vorzunehmen. Zum einen wurde das Erhebungsinstrument von ECHP auf EU-<br />

SILC umgestellt, zum anderen wurde die Operationalisierung der Armutsschwelle geändert<br />

und das Erhebungsverfahren verfeinert. Für regionale kleinere Stichproben stellt sich zudem<br />

das Problem der Validität. Um diesbezügliche Stichprobenfehler gering zu halten, wurde<br />

daher der Durchschnitt der letztvorliegenden Daten der Jahre 2004, 2005 und 2006 berechnet.<br />

Der ursprünglichen Intention der Sonderauswertung, Daten zur oberösterreichischen<br />

Armutsgefährdung zu berechnen und zudem im Zeitverlauf zu analysieren, kann somit hinsichtlich<br />

der Zeitperspektive nicht entsprochen werden.<br />

Ganz generell zeigt sich, dass Personen in <strong>Oberösterreich</strong> vergleichsweise geringer von<br />

Armutsgefährdung betroffen sind. Dennoch ist einschränkend festzuhalten, dass es - rein<br />

statistisch betrachtet - im Bereich des Möglichen liegt, dass die oberösterreichische und<br />

österreichische Armutsgefährdungsquote gleich hoch sind. Insgesamt sind in <strong>Oberösterreich</strong><br />

zwischen 107.000 und 161.000 Personen armutsgefährdet. Die mittlere Variante der<br />

Armutsgefährdungsquote liegt für die drei analysierten Jahre bei 9,7%, dies entspricht<br />

136.000 armutsgefährdeten <strong>Oberösterreich</strong>er/innen. Die Armutsgefährdungslücke, die den<br />

Einkommensabstand der Gruppe der Armutsgefährdeten zum 60%-Medianeinkommen<br />

misst, beträgt in <strong>Oberösterreich</strong> analog zum österreichischen Wert 17%.<br />

Alle Jahre wieder wird in Fachkreisen mit Spannung die Herausgabe der aktuellen Ergebnisse<br />

der EU-SILC-Erhebung erwartet. Veränderungen von Zehntel-Prozentpunkten nach<br />

oben oder unten werden dann zum Teil <strong>als</strong> große Veränderung interpretiert und je nach<br />

politischer Verantwortung und Couleur dramatisiert oder verharmlost. Vor einer derartigen<br />

Fixierung auf Messdaten sei gewarnt, da Statistik und Daten nichts Absolutes sind.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 21


Armutsgefährdung, Einkommen und Lebensbedingungen in OÖ<br />

22<br />

• Zuallererst liegt ein Prozentpunkt innerhalb der statistischen Schwankungsbreite und<br />

kann heißen, dass es Veränderungen gegeben hat oder eben auch keine passierten.<br />

• Zweitens wird dabei oft nur mehr auf die meist ohnehin geringfügigen Veränderungen der<br />

Maßzahlen und Quoten geachtet und dabei vergessen, dass hinter den Zahlen Menschen<br />

stehen, die jeden Tag aufs Neue mit ihrem geringen Einkommen ihr Leben bestreiten<br />

müssen und so nicht an der Gesellschaft in einer für andere selbstverständlichen Art und<br />

Weise teilnehmen können (siehe etwa Stadlmayr & Sonnleitner 2008). Armutsgefährdete<br />

mit ihren unterschiedlichen Lebenslagen und –chancen stellen einen wesentlichen Teil<br />

der Gesellschaft dar, jede/r Zehnte in <strong>Oberösterreich</strong> ist mit solchen finanziellen Einschränkungen<br />

konfrontiert. Ein gutes Viertel der oberösterreichischen Bevölkerung lebt<br />

mit Einschränkungen, die sowohl finanzieller <strong>als</strong> auch sozialer Art sein können.<br />

• Drittens lenkt die Fixierung auf Zahlen davon ab, dass schon jahrelang die gleichen Risikogruppen<br />

armutsgefährdet sind: Mindestpensionist/innen (v.a. Frauen), Alleinerziehende,<br />

Migrant/innen, Arbeitslose, Menschen ohne Ausbildung, etc. Darunter sind viele<br />

Menschen, die hauptsächlich Transferleistungen beziehen. Gegenwärtig ist die Struktur<br />

und Ausgestaltung des österreichischen Sozi<strong>als</strong>taats noch immer nicht armutsfest und<br />

somit ein Feld, das politisches Handeln auf Bundes- und Länderebene erfordert. Eine<br />

Reform der Transferleistungen wird schon lange diskutiert und wurde auch im Konzept<br />

der Bedarfsorientierten Mindestsicherung konkretisiert; durch die vorzeitige Auflösung<br />

der Bundesregierung konnte ein entsprechender, weitgehend akkordierter Beschluss allerdings<br />

nicht mehr umgesetzt werden.<br />

8 Quellennachweis<br />

Datler, Georg (2008): EU-SILC 2004-2006. Sonderauswertung <strong>Oberösterreich</strong>, Wien<br />

Leibetseder Bettina & Weidenholzer Josef (Hg.) (2008): Integration ist gestaltbar. Strategien erfolgreicher<br />

Integrationspolitik in Städten und Regionen, Wien<br />

Stadlmayr, Martina & Sonnleitner, Nicole (2008) Wie Armut lebt. Lebenslagen am finanziellen Existenzminimum<br />

in OÖ, Studie durchgeführt vom Institut für Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung<br />

im Auftrag von Land OÖ – Sozialabteilung, Linz<br />

Statistik Austria (Hg.) (2006): Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Ergebnisse aus EU-SILC<br />

2004, Wien<br />

Statistik Austria (Hg.) (2007): Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Ergebnisse aus EU-SILC<br />

2005, Wien<br />

Statistik Austria (Hg.) (2008a): Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Ergebnisse aus EU-SILC<br />

2006, Wien<br />

Statistik Austria (Hg.) (2008b): Sozio-demographische und sozio-ökonomische Determinanten von<br />

Gesundheit. Auswertung der Daten aus der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2006/2007, erstellt<br />

im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend, Wien<br />

Stelzer-Orthofer, Christine (2008): Armutsberichterstattung in Österreich. Eine kritische Bestandsaufnahme,<br />

In: Knapp, Gerald & Pichler, Heinz (Hg.) Armut, Gesellschaft und Soziale Arbeit. Perspektiven<br />

gegen Armut und soziale Ausgrenzung in Österreich, 33-44<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Arbeitswelt und Armut<br />

1 Arbeitslosigkeit macht arm, Arbeit auch<br />

Der postfordistische Kapitalismus kehrt in seinen Normalzustand<br />

zurück, nämlich die atypische, flexibilisierte Arbeit<br />

auf Subsistenzniveau. Im Fordismus sicherte das Mindestabstandsprinzip<br />

eine relative klare Trennlinie zwischen arbeitenden<br />

Nicht-Armen und nicht-arbeitenden Armen. Der<br />

postfordistische Prozess der Prekarisierung löst diese Trennlinie<br />

schrittweise auf.<br />

2 Armut<br />

Armut wird zu einer allgegenwärtigen Lebenserfahrung,<br />

auch in den Mittelschichten. 28% aller ÖsterreicherInnen<br />

leben unter eingeschränkten Lebensbedingungen. Sie können<br />

etwa verschlissene Kleidung nicht ersetzen (primäre<br />

Benachteiligung), haben keinen PC oder keine Geschirrspülmaschine<br />

(sekundäre Benachteiligung), sind gesundheitlich<br />

eingeschränkt, haben Wohnungsprobleme oder Probleme<br />

im Wohnumfeld. Armutsgefährdete Haushalte leiden unter<br />

relativer Deprivation, <strong>als</strong>o einer Armutsgefährdung durch<br />

niedriges Einkommen. Diese Armutsgefährdung erreicht im<br />

mehrjährigen Schnitt in Ö 12,6%, in OÖ 9,7%. Dabei liegt<br />

die Armutslücke, <strong>als</strong>o der Abstand zwischen Medianeinkommen<br />

und Armuts(gefährdungs)schwelle mehrjährig bei<br />

17%. Manifest arm sind Personen, die sowohl depriviert<br />

<strong>als</strong> auch armutsgefährdet sind. Das sind (Basis 2006) 6%<br />

der Bevölkerung in Österreich, 4% in OÖ. Während die Armutsgefährdung<br />

mehrjährig relativ stabil ist, ist die Quote<br />

der manifesten Armut seit 1999 von 4% auf 6% gestiegen.<br />

Das relative Risiko der Armutsgefährdung lag in Haushalten<br />

mit voller Erwerbstätigkeit bei 33% des Durchschnitts, bei<br />

Haushalten ohne einen Erwerbstätigen beim 7-fachen des<br />

Durchschnitts.<br />

DDr. Nikolaus Dimmel<br />

Nikolaus Dimmel - Studium Jus und Philosophie,<br />

Vorstandsarbeit und Geschäftsführung in<br />

verschiedenen sozialwirtschaftlichen Organisationen,<br />

u. a. im Verein für Bewährungshilfe,<br />

seit 1997 an der Universität Salzburg, seit 1999<br />

Univ. Prof., seit 2006 Leiter des Lehrgangs für<br />

Migrationsmanagement, Kreisky-Preis-Träger<br />

2005 (Anerkennungspreis für „Politische Kultur<br />

in Österreich“)<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 23


Arbeitswelt und Armut<br />

24<br />

3 Niedriglöhne<br />

Österreich kennt kein Mindestlohnregulativ. Der Lohnanteil der Unselbstständigen sank<br />

zwischen 1979 und 2006 von 72% auf 56%. Die 3.772.019 unselbstständig Erwerbstätigen<br />

verdienten 2005 im Mittel 22.320 Euro (brutto). 2006 erreichte das mittlere Einkommen<br />

21.057 Euro brutto (inkl. Sonderzahlungen). Dieser Rückgang hat zwei Ursachen: Atypisierung/Flexibilisierung<br />

der Arbeit und Arbeitslosigkeit. 1% Arbeitslosigkeit mehr bedeutet 1%<br />

Lohnquote weniger (Alois Guger). Die niedrigsten Einkommen waren bei Arbeiterinnen und<br />

Arbeitern zu finden, die 39% der Unselbstständigen stellten und durchschnittlich 16.691<br />

Euro bezogen. 2006 bezog das unterste Fünftel der Erwerbstätigen 2,2% der Lohneinkommen.<br />

1995 waren es noch 2,9% gewesen. Rechnet man die geringfügigen Einkommen hinzu,<br />

steigt der Anteil auf 7,2%. Frauen verdienten im Übrigen 2006 67% der Männereinkommen.<br />

Im Vergleich zu 1996 ist das ein Rückgang um 2%. Die höchsten Niedriglohn-Quoten<br />

finden sich bei personenbezogenen Dienstleistungen, Unterrichts- und Gesundheitswesen,<br />

Beherbergung, Gaststätten, Textilbereich, Bekleidung und Handel.<br />

EUROSTAT zufolge sind in Österreich 16% aller Beschäftigten NiedriglohnempfängerInnen.<br />

Das bedeutet, dass sie weniger <strong>als</strong> 60% des mittleren nationalen Monatslohns verdienen. In<br />

40% der Fälle ist dies ausschließlich auf die Höhe des Entgeltsatzes zurückzuführen. 44%<br />

der Niedriglöhne sind auf nichtvollzeitige Erwerbsverhältnisse zurückzuführen. Der Anteil<br />

von NiedrigentgeltbezieherInnen ist bei Teilzeitbeschäftigten 1,5-mal so hoch wie insgesamt.<br />

4 Arbeitslosigkeit<br />

Mit einer Einkommensersatzquote von 55% liegt das österreichische Arbeitslosengeld (ALG)<br />

am unteren Ende der europäischen Arbeitslosenversicherungssysteme. Damit verschärft das<br />

österreichische System die negativen sozialen Folgen der zunehmenden Beweglichkeit von<br />

Beschäftigungsverhältnissen. Es ist gleichsam „flexi“ ohne „curity“. Folgerichtig sind 60%<br />

der Arbeitslosen armutsgefährdet. Das durchschnittliche ALG beträgt zur Jahresmitte 2008<br />

772,- Euro und liegt damit erheblich unter der Armutsgrenze von 893,- Euro. 178.000 Personen<br />

beziehen ein ALG unterhalb der Armutsschwelle. Die durchschnittliche Notstandshilfe<br />

liegt bei 595 Euro, <strong>als</strong>o 300 Euro unterhalb der Schwelle. Im Vergleich zum 2000er-Wert<br />

entspricht dies einem Kaufkraftverlust in Höhe von 4%. Mitte 2008 müssten Arbeitnehmer/<br />

innen zumindest 2.149 Euro brutto pro Monat verdienen, um bei Jobverlust über der inflationsbereinigten<br />

Einkommensarmutsgrenze zu bleiben. Langzeitarbeitslose hatten 2005 ein<br />

vier mal so hohes Armutsrisiko wie der Durchschnitt. Jede Verringerung von Erwerbschancen<br />

geht mit steigender Armutsrisikobelastung einher. Tendenziell erhöht sich die Armutsgefährung<br />

sowie die manifeste Armut bei Langzeitarbeitslosen. 29% der Bevölkerung sind<br />

während einer 6-Jahres-Periode armutsgefährdet; 7% für einen ununterbrochenen Zeitraum<br />

von drei Jahren. Die Armutsdauer korreliert mit Qualifikation.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


5 Prekarisierung<br />

Der Prozess der Atypisierung/Flexibilisierung der Arbeit führt zu neuartigen sozialen Verwerfungen.<br />

Mit Robert Castel kann man drei Zonen unterscheiden, nämlich jene der „Integration“,<br />

eine rasch anwachsende Zone der „Integrationsdefizite“ bzw. Prekarität sowie<br />

eine Zone des „Ausschlusses“ bzw. der „abgehängten Prekarität“. Soziale Mobilität nach<br />

oben wird zur Ausnahmeerscheinung. In der Zone der Integration finden sich idealtypisch<br />

die obere Mittel- und die Oberschicht. In der Zone der „Integrationsdefizite“ dominiert die<br />

flexible, atypische, zeitlich begrenzte, unregelmäßige, vorläufige oder saisonale Arbeit. Hier<br />

finden sich idealtypisch die untere Mittel- und die obere Unterschicht. Ihr gehen Einkommen,<br />

Sicherheit, Identität, Selbstwert, Perspektive oder Gesundheit sukzessive verloren. In<br />

der Zone des Ausschlusses schließlich liegt eine fraktale Gruppe, die Heinz Bude <strong>als</strong> die<br />

„Überflüssigen“ oder „Nutzlosen“ bezeichnet. Dies ist idealtypisch der Ort der unteren Unterschicht,<br />

der SozialhilfeempfängerInnen und der Langzeitarbeitslosen.<br />

Mehr <strong>als</strong> ein Drittel aller unselbstständig Beschäftigten ist hierzulande zwischenzeitig auf<br />

atypische Weise beschäftigt. Allein 970.000 Frauen arbeiten Teilzeit. Insgesamt sind mehr<br />

<strong>als</strong> 1,2 Mio ArbeitnehmerInnen davon betroffen. Doch nicht jede/r atypisch Beschäftigte<br />

lebt bereits in prekarisierten Lebensbedingungen. Immerhin 13% aller Erwerbstätigen, etwa<br />

410.000 Personen bzw. 30% der atypisch Beschäftigten, gelten <strong>als</strong> prekär beschäftigt, mehr<br />

<strong>als</strong> 60% davon sind weiblich. Menschen mit Migrationshintergrund sind mit einem Anteil<br />

von 15% überproportional von prekärer Beschäftigung betroffen. Die Zahl der prekären<br />

Beschäftigungverhältnisse nahm von 2005 auf 2006 um 1,6% zu, insbesondere bei den<br />

Geringfügigen (5%) und der Leiharbeit (21%). Nicht alle prekär Beschäftigten sind indes<br />

arm. Die Armutsgefährdungsquote unter prekär Beschäftigen ist jedoch mit 18% höher <strong>als</strong><br />

in der Gesamtbevölkerung.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 25


Generationen und Armut – Oder: Älter werden ist natürlich, Armut<br />

auch?<br />

26<br />

Besonders wichtig ist mir, dass unser Bild von Armut für die Schlussfolgerungen, die wir<br />

daraus ziehen, entscheidend ist. Ich versuche das zuzuspitzen und will behaupten, Armut<br />

existiert gar nicht. Jedenfalls nicht ohne eine normative Vorstellung von sozialem Zusammenhalt.<br />

Nichts anderes hat Georg Simmel in seiner soziologischen Definition von Armut<br />

gemeint, <strong>als</strong> dass der Arme erst dann zum Armen wird, wenn man ihm Unterstützung zubilligt.<br />

Armut bzw. die Anerkennung von Bedürftigkeit ist deshalb auch in einem positiven<br />

Sinne ein Spiegel von Solidarität. Ich darf daran erinnern, dass der Begriff der Armut weder<br />

beim ehem. deutschen Bundeskanzler Kohl noch bei Margret Thatcher oder Ronald Reagan<br />

gebraucht wurde. Problemleugnung ist die effektivste Art der Armutsbekämpfung. Im Übrigen<br />

ist Armutsbekämpfung ein Begriff, den ich vehement ablehne.<br />

Matthias Till - bis 2001 Studium am Institut<br />

für Soziologie der Universität Wien<br />

und dort Lehrbeauftragter. Seit 1998 in<br />

der nationalen und europäischen Armuts-<br />

und Sozialberichterstattung tätig. Insbesondere<br />

war er bereits an der Durchführung<br />

des Europäischen Haushaltspanels<br />

(ECHP 1995-2001) in Österreich beteiligt<br />

und ist heute bei Statistik Austria Projektleiter<br />

für EU-SILC. Seit Herbst 2008<br />

leitet er den Analysebereich der Direktion<br />

Bevölkerung. Ausgewählte Publikationen<br />

zum Thema:<br />

Armut und soziale Eingliederung in Österreich,<br />

Sozialbericht 2008, BMSK, erschienen<br />

2008.<br />

Armutslagen in Wien, Institut für Soziologie,<br />

Universität Wien, 2006 (<strong>als</strong> Herausgeber).<br />

Einkommen, Armut und soziale Ausgrenzung:<br />

Zweiter Bericht, Eurostat, 2002<br />

Mag. Matthias Till<br />

Bild und Begriff der Armut sind im Wandel<br />

Mittelalter<br />

Armut trifft Alte und Schwache<br />

Neuzeit<br />

Armut trifft auch Kinder<br />

Armut betrifft alle !<br />

22.10.2008 3<br />

S T A T I S T I K A U S T R I A<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008<br />

n i c h t<br />

a r m u t s g e f ä h r d e t<br />

1 3 %<br />

a r m u t s g e f ä h r d e t<br />

Das Bild der Armut war im Mittelalter geprägt vom Klischee<br />

des armen und alten Mannes, der in der Gestalt des Pauperitas<br />

personifiziert wurde. Massenarmut trat im Zuge von Hungersnöten,<br />

Kriegen und schließlich in Folge der Unberechenbarkeit<br />

der wirtschaftlichen Entwicklung in der Industrialisierung in<br />

das Bewusstsein der Menschen. Es waren dabei immer wieder<br />

die Kinder, die in den Mittelpunkt des Interesses von Wohltätigkeitsorganisationen<br />

rückten. Das Bild von Siechtum und<br />

schwerer Altersarmut und hungernden Kindern ist heute in<br />

Europa selten geworden.


Solche Bilder haben noch immer tief schockierende Wirkung auf uns und werden gerne für<br />

den politischen Diskurs verwendet. Das ist nicht immer für die Wahrnehmung und Lösung<br />

jener Problemen förderlich, die dazu führen, dass Menschen in Armutslagen geraten und<br />

sich soziale Gräben auftun. Ich sehe es deshalb <strong>als</strong> Erfolg an, dass Armut heute in Form von<br />

Statistiken entpersonifiziert und Gegenstand einer modernen und professionellen Sozialverwaltung<br />

geworden ist. Armut ist eine Angelegenheit, die den gesamten sozialen Zusammenhalt<br />

betrifft und persönliches Mitleid kann dabei nur eine geringe Rolle spielen.<br />

In Österreich leben 87% der Menschen neben einer Minderheit von 13%, die armutsgefährdet<br />

sind. Was aber bedeutet das?<br />

Es gibt einen Indikator, der besagt, dass in Österreich rund 1 Million Menschen unter der<br />

sogenannten Armutsgefährdungsschwelle leben. So viele Menschen haben pro Monat weniger<br />

<strong>als</strong> rund 900 Euro zur Verfügung bzw. wenn weitere Erwachsene im Haushalt leben<br />

jeweils 450 Euro mehr, wenn Kinder im Haushalt leben jeweils 290 Euro mehr. Armutsgefährdungsquote<br />

und –schwelle sind keine willkürliche Erfindung unserer Regierung oder<br />

nationaler ExpertInnen, sondern beruhen auf internationalen Normen. Die Europäische Gemeinschaft<br />

hatte <strong>als</strong> zentrales Thema immer die Steigerung und Sicherung des wirtschaftlichen<br />

Wachstums. Dies gilt insbesondere auch für die heutige Union. Erst im Jahr 1997<br />

wurde auch Sozialpolitik im Vertrag von Amsterdam <strong>als</strong> ein gemeinsames politisches Ziel<br />

der Union verankert. Die europäische Beschäftigungsstrategie wurde beschlossen. Wachstum<br />

sollte eben auch Jobs schaffen. In der sogenannten Lissabon-Strategie wird jetzt auch<br />

das Ziel, Armut und Ausgrenzung zu verringern und soziale Eingliederung zu sichern, berücksichtigt.<br />

Im Gipfel von Laeken wurden dafür gemeinsame Indikatoren beschlossen. Eine<br />

gemeinsame Verordnung des Europäischen Parlaments sowie der Kommission wurde im Jahr<br />

2003 erlassen, die für alle Mitgliedsstaaten die Erstellung von harmonisierten Statistiken<br />

über Einkommen und Lebensbedingungen vorsieht. Auf dieser Grundlage wird in Österreich<br />

seit dem Jahr 2003 jährlich die EU-SILC Erhebung durchgeführt und es werden Indikatoren<br />

berechnet.<br />

Die zugrundeliegende Norm stammt aus den 1980er Jahren, <strong>als</strong> die Armutsforschung vor<br />

allem in Großbritannien große Fortschritte machte. Sie kann etwa so formuliert werden,<br />

dass alle Menschen zumindest ebensoviele Ressourcen erhalten sollen, dass sie am sozialen<br />

Leben in ihrem Aufenthaltsland teilnehmen können. Gemeint sind materielle UND immaterielle<br />

Ressourcen wie Bildung, Gesundheit, soziales Kapital etc. Es ist mir wichtig zu betonen,<br />

dass diese Norm ohne jede Bedingung formuliert ist, der Ressourcenzugang sollte <strong>als</strong>o<br />

ermöglicht werden, gleichgültig aus welchem Grund eine Armutslage besteht.<br />

Ob Ressourcen ausreichend sind, ist gar nicht so einfach zu beurteilen. Traditionell wird<br />

dabei dem Einkommen besondere Bedeutung zugemessen. Wenn jemand in einem Haushalt<br />

lebt, der nur über wenig Einkommen verfügt, ist es empirisch wahrscheinlich, dass auch<br />

andere Ressourcen eher bescheiden sind.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 27


Generationen und Armut<br />

28<br />

Nach geltender Konvention wird ab einer Grenze von 60% des standardisierten Medianeinkommens,<br />

dem sogenannten Äquivalenzeinkommen oder fiktiven Pro-Kopfeinkommen<br />

angenommen, dass die Teilhabemöglichkeiten unzumutbar eingeschränkt sind. Diese<br />

Grenzziehung ist durchaus willkürlich gewählt, dürfte aber zumindest für Unselbstständige<br />

und Pensionist/innen in Österreich eine gute Annäherung darstellen. Ich muss aber darauf<br />

hinweisen, dass ein niedriges Einkommen keineswegs zwingend auch eingeschränkte Teilhabemöglichkeiten<br />

bedeutet. Gerade im Zuge der derzeitigen Finanzkrise werden die Vermögenswerte<br />

vieler Menschen dramatisch verringert. Das Einkommen dieser Menschen ist<br />

deshalb in vielen Fällen sogar negativ, ohne dass diese Menschen gleich <strong>als</strong> „Sozialfälle“ zu<br />

sehen wären, nur weil sie ein paar Millionen verloren haben. Umgekehrt ist Vermögen durch<br />

selbstgenutzten Wohnraum oft faktisch nicht verwertbar.<br />

Empirische Definition einer Armutslage<br />

“ Individu<strong>als</strong> , families and groups in the population c an be s aid to<br />

be in poverty when they lac k the res ourc es to obtain the types of<br />

diet, partic ipate in the ac tivities and have the living c onditions and<br />

amenities whic h are c us tomary, or are at leas t widely enc ouraged<br />

or approved, in the s oc ieties in whic h they belong. T heir res ourc es<br />

are s o s erious ly below thos e c ommanded by the average<br />

individual or family that they are, in effec t, exc luded from ordinary<br />

living patterns , c us toms and ac tivities .” (P eter T owns end 1979)<br />

22.10.2008 5<br />

S T A T I S T I K A U S T R I A<br />

Die empirische Definition von Armut in der Europäischen Union wurde im Wesentlichen von<br />

Peter Townsend übernommen. Hervorzuheben ist, dass der Armutsbegriff auf inakzeptablen<br />

Lebensbedingungen, auf einer deprivierten Lebensführung aufbaut, die sich aus einem<br />

Mangel an Ressourcen ergibt. Dieser Mangel ist so schwerwiegend, dass er eine Ausgrenzung<br />

vom normalen Leben bewirkt.<br />

Das klassische Lebenszyklusmodell ( Rowntree ~1900)<br />

Armutsschwelle<br />

Alter<br />

22.10.2008 6<br />

S T A T I S T I K A U S T R I A<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008<br />

Heirat<br />

(25)<br />

Kinder<br />

verdienen (40)<br />

Kinder<br />

heiraten (60)<br />

Erwerbsaktivität<br />

endet (65)<br />

„Kinderarmut“ „Elternarmut“ „Altersarmut“


Es genügt nicht festzustellen, dass Menschen arm sind, wesentlich ist es zu erkennen, warum<br />

und welche Möglichkeiten der Intervention bestehen. Die Frage, die in der Ankündigung<br />

zu dieser Enquete aufgeworfen wird, lautet: Ist Alter ein sicherer Weg in die Armut?<br />

Der Engländer Seebohm Rowntree war um 1900 sehr bemüht, das Vorurteil, bei der Armut<br />

handle es sich um einen moralischen Defekt der Betroffenen empirisch zu entkräften. Er<br />

zeigte, dass Elend bei der Arbeiterklasse eine zwingende Folge mangelnder Ressourcen ist.<br />

Außerdem hat er ein lebenszyklisches Modell der Armut skizziert. Demnach gibt es im Lebensverlauf<br />

drei signifikante Armutsphasen. Die erste beginnt in der Kindheit, wenn nicht<br />

mehr genug Ressourcen da sind, um alle Kinder zu versorgen. Bei Rowntree erreicht dies<br />

im Alter zwischen 10 und 15 Jahren den Gipfel. Nach der Familiengründung wiederholt<br />

sich diese Armutsphase im Alter von 35-40 Jahren. Schließlich gibt es zum Lebensende,<br />

wenn die Erwerbsmöglichkeiten bereits gesundheitlich minimiert sind, nochm<strong>als</strong> eine Phase<br />

der Armut. Ein solches Bild individueller Armutskarrieren scheint auch heute einleuchtend<br />

und wird vielfach zur Begründung einer scheinbaren Dynamik von Armut verwendet. Mein<br />

wesentlicher Kritikpunkt an diesem Modell ist, dass es strukturelle Unterschiede im Lebensverlauf<br />

ausblendet. Bei Rowntree war das erklärte Ziel, Armutslagen in der Arbeiterklasse<br />

zu beschreiben. Der Lebensverlauf in einer, sagen wir, „besitzenden Klasse“, mag in seinen<br />

ökonomischen Höhen und Tiefen ähnlich sein, aber auf einem gänzlich anderen Niveau<br />

ablaufen.<br />

Umgekehrt sind auch soziale Lagen anzunehmen, die zeitlebens benachteiligt sind, wo sich<br />

<strong>als</strong>o die Erhebungen und Vertiefungen der wirtschaftlichen Situation gänzlich unterhalb<br />

oder in der Nähe der Armutsgrenze abspielen. Schließlich kann es sein, dass bestimmte<br />

soziale Gruppen von lebenszyklischen Mustern unberührt bleiben, etwa dann, wenn keine<br />

Familie gegründet wird.<br />

Soweit die theoretische Darstellung, was aber ist der empirische Gehalt der Lebenszyklusthese?<br />

Empirischer Gehalt der Lebenszyklusthese<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

Armutsgefährdungsquote in %<br />

20<br />

10<br />

Armuts gefährdungs quote vor S ozialleis tungen<br />

-<br />

0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80+<br />

Quelle Statistik Austria EU-SILC 2006<br />

Alters k las s e<br />

22.10.2008 7<br />

S T A T I S T I K A U S T R I A<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 29


Generationen und Armut<br />

30<br />

Vorwegzuschicken ist, dass wir bei EU-SILC tatsächlich keine Lebenszyklen beobachten. Wir<br />

vergleichen verschiedene Generationen bzw. Geburtskohorten miteinander. Wir unterstellen,<br />

dass, wenn lebenszyklische Muster vorhanden sind, diese auch in einem Altersvergleich<br />

sichtbar werden. In Wirklichkeit sind die Lebensverläufe älterer Menschen aber vermutlich<br />

deutlich von jenen jüngerer Menschen zu unterscheiden (z.B. Ausbildung, Zeitpunkt der<br />

Familiengründung, Anzahl der Kinder, Erwerbsverläufe usw...)<br />

Wirklich zutreffend scheint die Lebenszyklusthese in Bezug auf die Armutsgefährdungsquote<br />

vor Sozialleistungen. Dargestellt wird der Bevölkerungsanteil, der ein Haushaltseinkommen<br />

hat, das geringer ist <strong>als</strong> die Armutsgefährdungsschwelle, wenn Pensionen und<br />

Sozialleistungen nicht eingerechnet werden. Es zeigt sich ein S-förmiger Verlauf der dem<br />

Schema von Rowntree ähnelt. Es gibt eine Phase der Kinder- und Jugendarmut, eine Phase<br />

der Elternarmut und eine Phase massiver Altersarmut, die zum Teil durch gesetzliche Pensionsregelungen<br />

bedingt ist. Bereits in dieser Darstellung ist aber bereits erkennbar, dass<br />

Armutslagen über alle Altersgruppen hinweg zu beobachten sind. Ohne Sozialleistungen<br />

wären insgesamt etwa 3,5 Millionen Menschen armutsgefährdet.<br />

Umverteilung glättet Armutskarrieren<br />

-<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

Armutsgefährdungsquote in %<br />

20<br />

10<br />

Armuts gefährdungs quote nac h S ozialleis tungen<br />

0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80+<br />

Quelle Statistik Austria EU-SILC 2006<br />

Alters k las s e<br />

22.10.2008 8<br />

S T A T I S T I K A U S T R I A<br />

Diese Darstellung zeigt die<br />

Armutsgefährdungsquote<br />

nachdem sämtliche Einkünfte,<br />

dh. auch Pensionen<br />

und Sozialleistungen, berücksichtigt<br />

wurden. Das<br />

Bild ist jetzt wesentlich<br />

unspektakulärer, und man<br />

braucht eine Vergrößerung,<br />

um die Unterschiede zu erkennen.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen werden durch die staatlichen Umverteilungsmechanismen<br />

deutlich geglättet. In Summe befinden sich jetzt rund 1 Million Menschen<br />

bzw. rund 13% unter der Gefährdungsschwelle. Demnach wurde für 2,5 Millionen Menschen<br />

die Position in Bezug auf die Armutsgefährdungsschwelle verändert. Noch völlig<br />

übereinstimmend mit dem Schema von Rowntree ist die Gefährdung am niedrigsten für die<br />

Bevölkerungsgruppe über 40, wo Kinder bereits nicht mehr im Haushalt leben. Höhepunkte<br />

der Gefährdung werden in der Kindheit und im Alter erreicht.<br />

Deprivierte Lebensführung im Lebensverlauf<br />

-<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

Armutsgefährdungsquote in %<br />

5<br />

F inanzielle Deprivations quote<br />

0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80+<br />

Quelle Statistik Austria EU-SILC 2006<br />

22.10.2008 10<br />

S T A T I S T I K A U S T R I A<br />

Obige Abbildung zeigt nochm<strong>als</strong> eine alternative Darstellung, die sich auf die so genannte<br />

finanzielle Deprivationsquote bezieht. Dieser Indikator zeigt, dass rund 1,2 Millionen Menschen<br />

bzw. 14 % der Gesamtbevölkerung in einem finanziell deprivierten Haushalt leben.<br />

Sie verfügen über so wenig Geld, dass mindestens zwei dieser Dinge nicht leistbar sind: neue<br />

Kleidung zu kaufen; die Wohnung warm zu halten; Miete, Strom rechtzeitig zu zahlen; alle<br />

2 Tage Huhn, Fisch, Fleisch zu essen; unerwartete Ausgaben zu bezahlen; einmal im Monat<br />

Freunde oder Verwandte zum Essen einzuladen; notwendige Arzt- oder Zahnarztbesuche für<br />

alle Personen im Haushalt. Das Bild ist dem vorherigen sehr ähnlich und bestätigt dieselben<br />

schwachen lebenszyklischen Muster: Armut in der Kindheit, Armut von Eltern und Armut im<br />

Alter. Wieder gibt es in allen Lebensphasen Personen, die depriviert sind. Diese Darstellung<br />

zeigt, dass unsere Befunde nicht von der Definition von Armut abhängig sind, auch wenn<br />

es einen zeitlich versetzten Effekt zu geben scheint, bei dem sich geringe Einkommen erst<br />

einige Jahre später in der Lebensführung bemerkbar machen.<br />

Alters klas s e<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 31


Generationen und Armut<br />

32<br />

Strukturelle Benachteiligung von Frauen<br />

-<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

Armutsgefährdungsquote 10<br />

in %<br />

5<br />

Armuts gefährdungs quote von Männern und F rauen<br />

0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80+<br />

Quelle Statistik Austria EU-SILC 2006<br />

22.10.2008 11<br />

S T A T I S T I K A U S T R I A<br />

Geschlechterunterschiede sind bei einer Betrachtung von Haushalten immer schwierig zu<br />

beurteilen. In vielen Fällen leben Männer und Frauen gemeinsam in einem Haushalt. Man<br />

geht implizit davon aus, dass beide Partner denselben Lebensstandard erreichen. Trotzdem<br />

kann man erkennen, dass Frauen in nahezu allen Lebensaltern höhere Gefährdungsquoten<br />

aufweisen <strong>als</strong> Männer. Am deutlichsten ist der Unterschied ausgeprägt bei Pensionistinnen.<br />

Nahezu ein Viertel der Frauen im Pensionsalter, aber nur jeder 10. Mann, hat ein armutsgefährdendes<br />

Einkommen. Es sind dabei besonders Witwen mit einer Ausgleichszulage, die<br />

von Armutsgefährdung im Alter betroffen sind. Hier ist zu bemerken, dass der Unterschied<br />

zwischen Männern und Frauen erheblich größer ist, <strong>als</strong> der Unterschied zwischen älteren<br />

und jüngeren Männern. Dies spricht dafür, dass lebenszyklische Faktoren eine geringere<br />

Rolle spielen <strong>als</strong> sozi<strong>als</strong>trukturelle Einflüsse wie die Position am Arbeitsmarkt. Insbesondere<br />

verweist der große Abstand zwischen Männern und Frauen im Alter auf die Problematik hin,<br />

dass die Erwerbskarrieren von Frauen, vor allem jener der älteren Generationen wenig kontinuierlich<br />

verlaufen sind, diese aber die Voraussetzung für die Absicherung in der Pension<br />

sind.<br />

Die folgende Darstellung belegt, dass neben den lebenszyklischen Risiken vor allem sozi<strong>als</strong>trukturelle<br />

Risiken wirksam sind. Personen, die keine Staatsbürgerschaft eines EU-Landes<br />

besitzen, werden hier gegenübergestellt mit österreichischen Staatsbürger/innen. Unterschiede<br />

der Lebensalter sind bei Migrant/innen freilich auch ein Hinweis auf unterschiedliche<br />

Zuwanderungsgenerationen. Man kann aber klar erkennen, dass in allen Lebensaltern<br />

das Risiko von Migrant/innen mit etwa 20-35% erheblich höher ist <strong>als</strong> das von Österreicher/innen.<br />

Umgekehrt ist der lebenszyklische Verlauf der Gefährdung bei ÖsterreicherInnen<br />

verhältnismäßig flach. Dies soll <strong>als</strong> Hinweis dafür gelten, dass die Eingliederung für<br />

Migrant/innen bereits heute nach einem unterschiedlichen Mechanismus erfolgt <strong>als</strong> für<br />

Inländer/innen. Eine Differenzierung des Sozi<strong>als</strong>ystems nach Staatsbürgerschaft würde die<br />

soziale Kluft <strong>als</strong>o empfindlich verschärfen.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008<br />

A lters k la s s e<br />

Frauen<br />

Männer


Strukturelle Bedeutung von Staatsbürgerschaft<br />

-<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

Armutsgefährdungsquote in %<br />

10<br />

5<br />

Armuts gefährdungs quoten von In- und Aus länderInnen<br />

0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80+<br />

Quelle Statistik Austria EU-SILC 2006<br />

A lters k la s s e<br />

AusländerInnen<br />

ÖsterreicherInnen<br />

22.10.2008 12<br />

S T A T I S T I K A U S T R I A<br />

Ein wesentlicher Grund für die hohe Gefährdung von Migrant/innen dürfte sein, dass Migrant/innen<br />

tendenziell geringe Frauenerwerbsbeteiligung aufweisen. Zudem gehen Zuwanderer<br />

besonders häufig einer Niedriglohnbeschäftigung nach. Bei etwa 7% der erwerbstätigen<br />

Migrantinnen ist der Stundenlohn geringer <strong>als</strong> 5,77 Euro, bei Inländerinnen ist dieser<br />

Anteil etwa halb so hoch.<br />

Resumierende Thesen:<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

Der Begriff der Armut beruht auf einer wandelbaren Unterstützungsnorm.<br />

Die Strukturierung von monetärer Armut durch den Lebenszyklus wird durch sozi<strong>als</strong>taatliche<br />

Umverteilung massiv unterbunden.<br />

Da jede Altersgruppe Gefährdungslagen kennt, ist Armut KEIN ausschließliches Generationenschicksal.<br />

Sowohl bei Familien, <strong>als</strong> auch bei alten Menschen ist die Mehrheit der Bevölkerung<br />

NICHT gefährdet.<br />

Eine einseitige und pauschale Fokussierung auf entweder Alte und/oder Familien kann<br />

deshalb irreführend sein.<br />

Pensionen sind aber für Mindestrentner/innen meist die einzige Grundlage für soziale<br />

Teilhabe.<br />

Erwerbschancen von Frauen haben sowohl bei Kinderarmut <strong>als</strong> auch bei Altersarmut<br />

enorme intervenierende Wirkung.<br />

Geringe Frauenerwerbsbeteiligung und Niedriglohnbeschäftigung sind bei Migrant/innen<br />

oft für erhöhte Risiken im Lebensverlauf verantwortlich.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 33


Gesundheit und Armut<br />

Claudia Habl - Gesundheitsökonomin im<br />

Geschäftsbereich ÖBIG der Gesundheit<br />

Österreich GmbH in Wien. Neben Gesundheits-<br />

und Arzneimittelsystemanalysen<br />

beschäftigt sie sich seit mehr <strong>als</strong> zehn<br />

Jahren auch mit geschlechts- und sozi<strong>als</strong>pezifischen<br />

Aspekten der Gesundheitsversorgung.<br />

Ausgewählte Publikationen<br />

sind beispielsweise: „Soziale Ungleichheit<br />

- Geschlecht – Gesundheit“ (2008) oder<br />

„Soziale Ungleichheit und Gesundheit“<br />

(2003)<br />

34<br />

Mag. a Claudia Habl<br />

Eine im Herbst 2007 erschienene Untersuchung 1 einer schwedischen<br />

Gesundheitsunternehmensberatung spricht dem österreichischen<br />

Gesundheitssystem den „Europameistertitel“<br />

zu. Konkret wurden die europäischen Gesundheitssysteme in<br />

Bezug auf Umfang und Zugänglichkeit des Leistungsangebots<br />

und die Qualität der medizinischen Versorgung bewertet.<br />

Dieses Ergebnis wurde in den Medien viel bejubelt und von so<br />

manchem Entscheidungsträger <strong>als</strong> Zeichen dafür, dass alles in<br />

bester Ordnung ist verstanden. Aber wie sieht es in der Realität<br />

aus? Welches Angebot steht in Österreich Nicht-Versicherten<br />

Personen zu? Achtet das Gesundheitssystem auch auf<br />

die speziellen Bedürfnisse sozial benachteiligter Personen?<br />

Unterscheidet sich die gesundheitliche Situation armer bzw.<br />

armutsgefährdeter Menschen von jener des/der „Durchschnittsösterreichers/-österreicherin“?<br />

Generell gibt es in Österreich, im Vergleich zu anderen Industriestaaten<br />

wie Deutschland, nur wenige Datenquellen, die erlauben<br />

epidemiologische Fragestellungen (Sterblichkeit oder<br />

Krankheitshäufigkeiten) mit sozioökonomischen Aspekten wie<br />

Einkommen oder Schulbildung zu verknüpfen. Des Weiteren<br />

fehlt immer noch bei vielen Akteur/innen des Gesundheitssystems<br />

das Verständnis für die enge Verknüpfung von den Lebensbedingungen<br />

einer Person mit dessen gesundheitlichem<br />

Wohlbefinden. Dennoch lassen auch die österreichischen Daten<br />

Rückschlüsse auf den so genannten „Schichtgradienten“<br />

der Gesundheit zu.<br />

Durch die Forschung renommierter Expertinnen und Experten<br />

(um nur einige zu nennen: Prof. Rosenbrock, Prof. Mielck<br />

(Deutschland), Prof. Whitehead (Großbritannien), Prof. Rieder,<br />

Dr. Stronegger (Österreich)) ist weiters seit beinahe 20 Jahren<br />

1 Euro Health Consumer Index 2007, vgl. www.healthpowerhouse.com/media/Rapport_EHCI_2007.pdf<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


ekannt, dass die Gesundheit des Einzelnen mehr durch seine Lebensweise und die Lebensbedingungen<br />

beeinflusst wird, <strong>als</strong> beispielsweise die biologische Disposition („Veranlagung“),<br />

die nur etwa 20 Prozent ausmacht.<br />

Durch aktives Gesundheitshandeln könnten daher sozial benachteiligte Personen ihren Gesundheitszustand<br />

trotz schlechterer Voraussetzungen verbessern. Daten aus dem In- und<br />

Ausland zeigen jedoch, dass das Gesundheitsverhalten sozial benachteiligter Personen weniger<br />

ausgeprägt <strong>als</strong> jenes der Durchschnittsbevölkerung. So werden kostenlose Angebote<br />

des Gesundheitswesens mit Präventivcharakter (wie z. B. Gesundenuntersuchungen, Screeningmaßnahmen,<br />

Raucherentwöhnprogramme) seltener in Anspruch genommen, und es<br />

zeigt sich ein erhöhtes Risikoverhalten (Rauchen, Straßenverkehr, Ernährung) bzw. speziell<br />

bei Männern ein mechanistisches Körperbild.<br />

Dennoch wird ein Großteil der in Österreich zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit im<br />

Gesundheitswesen eingesetzten Mittel für Verhaltensprävention, <strong>als</strong>o der Förderung erwünschten<br />

Gesundheitshandelns und dem Hintanhalten unerwünschter Lebensweisen gewidmet.<br />

Ebenso wichtig ist aber das Schaffen von gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen<br />

wie die Erhöhung des Bildungsniveaus der Gesellschaft, die Sicherstellung angemessener<br />

Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie einer sauberen Umwelt. Durch diese verhältnisbezogenen<br />

Maßnahmen wird die Gesundheit der Bevölkerung quasi automatisch<br />

positiv beeinflusst.<br />

Diese Aussagen werden beispielsweise durch eine Untersuchung der Wiener Medizinischen<br />

Universität untermauert: In dieser konnte nachgewiesen werden, dass beispielsweise länger<br />

andauernde Arbeitslosigkeit nicht nur – wie bereits bekannt – psychologische Auswirkungen<br />

auf die Gesundheit hat (wie z. B. vermehrtes Auftreten von Depressionen), sondern auch die<br />

physische Befindlichkeit beeinflusst.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 35


Gesundheit und Armut<br />

36<br />

Soziale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung<br />

European Health Consumer Index 2008: Österreich hat das beste Gesundheitssystem<br />

+ -<br />

Genereller Zugang sehr gut Gesundheitsausgabenquote hoch<br />

Private GHA eher niedrig Spit<strong>als</strong>lastigkeit<br />

Viele Spezialist/innen Präventivmaßnahmen<br />

Hohe Zufriedenheit der PatientInnen Übersichtliche Darstellung des GH-<br />

Angebots für Patient/innen<br />

Krebsbehandlung Diabetesversorgung<br />

Aber die Gesundheit ist ungleich verteilt<br />

Sozial Benachteiligte haben<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

ein erhöhtes (vorzeitiges) Sterberisiko<br />

eine höhere Krankheitslast a Unterschiede werden ab dem 40-50. Lebensjahr sichtbar<br />

schlechtere QALYs (Quality Adjusted Life Years)<br />

einen eingeschränkteren Zugang zu gesundheitlichen Ressourcen<br />

eine deutlich geringere Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes insbes. bei Frauen<br />

Sozial Benachteiligte konsumieren andere Leistungen<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

Sie suchen um 20 Prozent seltener Fachärzte/-ärztinnen auf.<br />

Sie erhalten durchwegs billigere Arzneimittel verordnet.<br />

Sie nehmen in einem geringeren Ausmaß an Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen<br />

teil.<br />

Sie verfügen über einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsinformation und profitieren<br />

von üblichen Vorsorgeaktivitäten (Broschüren etc.) in geringerem Maße.<br />

Sie haben eine längere Anreise zu einem Spezialisten/einer Spezialistin, in eine Ambulanz<br />

oder in ein Krankenhaus und warten dort länger auf eine Behandlung.<br />

FAZIT: Ungleichheit zieht sich durch das ganze Leben<br />

Sozial benachteiligte Menschen haben in jedem Lebensalter, von der Wiege bis zur Bahre,<br />

ein ungefähr doppelt so hohes Risiko, ernsthaft zu erkranken oder vorzeitig zu sterben, wie<br />

Menschen mit einer höheren Bildung und/oder sozialem Status.<br />

Mielck, A. 2000, Rosenbrock, R. 2006<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Soziale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung<br />

Fernere Lebenserwartung für 35-Jährige<br />

nach Bildungsebene und Geschlecht<br />

86<br />

84<br />

82<br />

80<br />

78<br />

76<br />

74<br />

72<br />

70<br />

Männer Frauen<br />

Universität o.ä. AHS oder BHS BMS Lehre Pflichtschule<br />

4 22.10.2008<br />

Soziale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung<br />

Subjektiver Gesundheitszustand bezogen auf<br />

Einkommen/EÄ* u. Geschlecht (Alter > 45 J.)<br />

Gesundheitszustand<br />

80<br />

75<br />

70<br />

65<br />

60<br />

55<br />

50<br />

Männer Frauen<br />

< ! 727 ! 727-1.308 ! 1.308-1.890 > ! 1.890<br />

Einkommen<br />

* Netto-Haushaltseinkommen pro Erwachsenenäquivalent nach EU-Skala<br />

5 Freidl/Neuhold/Stronegger 2001<br />

22.10.2008<br />

Soziale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung<br />

Prozent<br />

Regelmäßige Einnahme von Medikamenten<br />

bei Frauen zw. 50 und 64 Jahren<br />

20<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Selbstständige<br />

und Mithelfende<br />

Angestellte<br />

Beamtinnen<br />

6 22.10.2008<br />

Facharbeiterinnen<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 37<br />

sonstige<br />

Arbeiterinnen<br />

Arbeitslose


Gesundheit und Armut<br />

38<br />

Materielle und strukturelle Barrieren<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

Finanzielle Barrieren (Stichwort: Selbstbehalte) bzw. Nichtversichertenstatus (fehlende<br />

e-Card)<br />

Angst vor komplexen oder bürokratischen Abläufen (Chefarztpflicht) wie sie in Gesundheitseinrichtungen<br />

zu finden sind bzw. Unkenntnis von Leistungsansprüchen<br />

Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme mit Gesundheitseinrichtungen<br />

Existenzsorgen, die gesundheitliche Probleme überdecken<br />

Knappes Zeitbudget, speziell bei vorhandener Doppelbelastung von Beruf und Familie<br />

Strukturelle Probleme, wie schlechte Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen<br />

Psychosoziale und soziokulturelle Barrieren<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

Sprach- und Kulturbarrieren bzw. Angst vor dem Ergebnis von Arztbesuchen<br />

„Mechanistisches“ Körperbild verbunden mit erhöhter Symptomtoleranz, Betrachtung<br />

von medizinischen Leistungen <strong>als</strong> Reparaturmedizin<br />

Geringer Stellenwert von Gesundheit verbunden mit einem rein somatischen Krankheitsverständnis,<br />

das heißt einer fehlenden Wahrnehmung von gesundheitlichen Defiziten<br />

Mangelhafte Erziehung bzw. Ausbildung hinsichtlich Hygiene oder eines Gesundheitsbewusstseins<br />

Persönliche Lebensumstände („Lifestyle“)<br />

Geringschätzung potenzieller Hilfe aus dem Bereich institutioneller Versorgung und geringes<br />

Wissen über Krankheit und Behandlung<br />

Armut macht krank, Krankheit macht arm<br />

Menschen mit geringem Einkommen haben unabhängig von ihrem Alter und Geschlecht<br />

mehr gesundheitliche Probleme <strong>als</strong> Durchschnittsösterreicher/innen und nehmen das Gesundheitssystem<br />

daher öfter in Anspruch!<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Interventionsmaßnahmen<br />

Soziale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung<br />

Interventions-Maßnahmen<br />

ÖBIG 2002 nach<br />

Whitehead 1998<br />

Soziale 12 Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung<br />

22.10.2008<br />

Interventionslevel nach Whitehead<br />

13 22.10.2008<br />

Bei welchen Personengruppen soll insbesondere angesetzt werden?<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

Kinder – je früher desto besser<br />

Personen mit geringem Einkommen (Sozialhilfe-Empfänger/innen, subsidiär Schutzberechtigte,<br />

usw.)<br />

Personen mit sehr niedrigem beruflichen Status (z.B. ungelernte Arbeiter/innen)<br />

und/oder sehr niedriger Schulbildung (z.B. Personen ohne Schulabschluss)<br />

Personen, die in sozial benachteiligten Gebieten wohnen (Bsp. Wien Favoriten, Salzburg<br />

Liefering, Grünanger Siedlung Graz)<br />

Langzeitarbeitslose<br />

Personen mit Migrationshintergrund und schlechten Deutschkenntnissen<br />

Alleinerziehende<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 39


Gesundheit und Armut<br />

40<br />

Interventionsansätze<br />

Kindheit<br />

❏ Kinder sind gesund geboren, sind fit, und haben Entwicklungsmöglichkeiten a es ist<br />

das Umfeld, das sie beeinflusst<br />

Berücksichtigung der sozialen Determinanten<br />

❏ Lebensstil, Lebens- und Arbeitsbedingungen - Verringerung des Risikofaktoren-Niveaus<br />

und anderer gesundheitlicher Gefahren<br />

❏ Bedeutung der sozialen Netzwerke<br />

❏ Berücksichtigung der Sozialräume (Settings): Stadt und Nachbarschaft<br />

Gesundheitsangebote<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

Prävention und Gesundheitsförderung vor kurativen und therapeutischen Maßnahmen<br />

Verhältnis- nicht Verhaltensprävention<br />

Angebote müssen an die Bedürfnisse der sozial Schwachen angepasst werden und nicht<br />

umgekehrt<br />

Empowerment<br />

❏ Teilnahme, Meisterung und Kontrolle über die eigene Situation zu vermitteln, um so ein<br />

Gefühl der Nutzlosigkeit zu überwinden a Schaffung von Handlungsfähigkeit<br />

❏ „Betreuer/innen“ müssen lernen, Leute loszulassen und ihnen zu vertrauen<br />

Lösungsansätze - konkret<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

Ausbau von niederschwelligen und zielgruppenorientierten Angeboten (muttersprachliche<br />

Betreuung, Ausweitung der Öffnungszeiten, Gesundheitsmultiplikatoren)<br />

Gewährleisten der Solidaritäts- und Umverteilungsfunktion des Gesundheitssystems<br />

(Rezeptgebührbefreiung, positive Anreize)<br />

Bekämpfung der sozialen Ursachen von Armut (Verbesserung des Bildungsniveaus und<br />

der Wohnsituation, Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung, Reduktion sozialer Ausgrenzung)<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Literatur:<br />

Mielck, A.: Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Einführung in die aktuelle Diskussion (2006)<br />

David, E./Heitzmann, K.: Leistungen der Österreichischen NROs in der Armutsbekämpfung (2006)<br />

Babitsch, B.: Soziale Ungleichheit, Geschlecht und Gesundheit (2005) Zentrum für Geschlechterforschung<br />

in der Medizin http://www.charite.de/gender<br />

Lampert, T./Ziese, T.: Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit (2005) www.rki.de -> GBE-Publikationen<br />

Armutskonferenz: Armut kann ihre Gesundheit gefährden (2003) www.armutskonferenz.at/wissen/<br />

armut-leseheft060303.pdf<br />

BMGFJ: Soziale Ungleichheit und Gesundheit (2003) www.oebig.org/upload/files/CMSEditor/Soziale_Ungleichheit.zip<br />

Internet Portal: „Closing the Gap“ www.health-inequalities.eu<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 41


Kurzbiografien<br />

Spezialauswertung EU-SILC Daten für OÖ<br />

42<br />

Christine Stelzer-Orthofer - geb. 1959; Studium der Sozialwirtschaft an der Johannes<br />

Kepler Universität Linz, am Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik tätig, Lehrbeauftragte<br />

an der Fachhochschule Linz. Arbeitsschwerpunkte: Armut, Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt-<br />

und Sozialpolitik.<br />

Bettina Leibetseder - Lektorin und Projektmitarbeiterin am Institut für Gesellschafts- und<br />

Sozialpolitik der Johannes Kepler Universität Linz, Lehrbeauftragte an der Fachhochschule<br />

für Soziales, schrieb ihre Dissertation über einen Vergleich der Sozialhilfe zwischen Großbritannien<br />

und Österreich. Forschungsschwerpunkte: Gender, Sozial- und Integrationspolitik.<br />

Arbeitswelt und Armut<br />

Nikolaus Dimmel - Studium Jus und Philosophie, Vorstandsarbeit und Geschäftsführung in<br />

verschiedenen sozialwirtschaftlichen Organisationen, u. a. im Verein für Bewährungshilfe,<br />

seit 1997 an der Universität Salzburg, seit 1999 Univ. Prof., seit 2006 Leiter des Lehrgangs<br />

für Migrationsmanagement, Kreisky-Preis-Träger 2005 (Anerkennungspreis für „Politische<br />

Kultur in Österreich“)<br />

Erich Gumplmaier - Elektromechaniker, Sozialakademie der Kammer für Arbeiter und Angestellte<br />

1979–1980, Berufsreifeprüfung 1981, Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften<br />

an der Johannes Kepler Universität Linz, ÖGB Jugendsekretär, ÖGB Bildungssekretär,<br />

seit 1991 Landessekretär des ÖGB <strong>Oberösterreich</strong>. Mitglied des Vorstandes der Kammer<br />

für Arbeiter und Angestellte <strong>Oberösterreich</strong>.<br />

Roman Obrovski - Lehre <strong>als</strong> Buchhändler, Studium Psychologie und Philosophie in Wien.<br />

Seit 1975 in der Arbeitsmarktpolitik tätig. Berater für Maturanten und Akademiker, Abteilungsleiter<br />

für Rehabilitation und Leiter des damaligen Arbeitsamtes Linz. Seit 1987 Leiter<br />

des Landesarbeitsamtes <strong>Oberösterreich</strong>.<br />

Susanne Stockinger - Lehre <strong>als</strong> Großhandelskauffrau, 10 Jahre <strong>als</strong> Bankkauffrau tätig. Seit<br />

2001 in Pension. Gründungsmitglied des Vereins AhA – Arbeitslose helfen Arbeitslosen – in<br />

Linz im Jahre 1999. Im Vorstand des Vereins für Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.<br />

Mitglied im Armutsnetzwerk <strong>Oberösterreich</strong>.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Generationen und Armut<br />

Eva Forster - seit 20 Jahren in der Sozialarbeit tätig, Schwerpunkte Gewalt in der Familie<br />

und Beratung von Familien in existenziellen Krisensituationen, Öffentlichkeitsarbeit zum<br />

Thema Familienarmut und zur Situation Alleinerziehender. Zurzeit Arbeit an einem Konzept<br />

für eine Mutter-Kind-Kur für ausgebrannte Mütter und ihre Kinder, ein Kooperationsprojekt<br />

der pro mente und der GKK.<br />

Renate Hackl - Soziologin, seit 1999 Leiterin der Aufgabengruppe Leistungen für Menschen<br />

mit Beeinträchtigungen, für Wohnungslosenhilfe beim Land <strong>Oberösterreich</strong>. Von 1996 bis<br />

1999 <strong>als</strong> Sozialplanerin für das Land <strong>Oberösterreich</strong> tätig. Wesentlich beteiligt an der Entstehung<br />

des Oö. Chancengleichheitsgesetzes in <strong>Oberösterreich</strong>.<br />

Norbert Krammer - Dipl. Sozialarbeiter und Gesellschaftswissenschafter, Bereichsleiter für<br />

Salzburg und <strong>Oberösterreich</strong> II im Fachbereich Sachwalterschaft. Seit rund fünfzehn Jahren<br />

<strong>als</strong> Vereinssachwalter tätig. Neben dieser konkreten Vertretungsarbeit für psychisch kranke<br />

und geistig behinderte Menschen auch in verschiedenen gemeinsamen Netzwerken tätig<br />

(Österreichische Armutskonferenz, Salzburger Netzwerk gegen Armut und Ausgrenzung;<br />

Forum Wohnungslosenhilfe; Plattform Psychiatrie etc.).<br />

Matthias Till - bis 2001 Studium am Institut für Soziologie der Universität Wien und dort<br />

Lehrbeauftragter. Seit 1998 in der nationalen und europäischen Armuts- und Sozialberichterstattung<br />

tätig. Insbesondere war er bereits an der Durchführung des Europäischen<br />

Haushaltspanels (ECHP 1995-2001) in Österreich beteiligt und ist heute bei Statistik Austria<br />

Projektleiter für EU-SILC. Seit Herbst 2008 leitet er den Analysebereich der Direktion Bevölkerung.<br />

Ausgewählte Publikationen zum Thema:<br />

Armut und soziale Eingliederung in Österreich, Sozialbericht 2008, BMSK, ersch. 2008.<br />

Armutslagen in Wien, Institut für Soziologie, Universität Wien, 2006 (<strong>als</strong> Herausgeber).<br />

Einkommen, Armut und soziale Ausgrenzung: Zweiter Bericht, Eurostat, 2002.<br />

Gesundheit und Armut<br />

Claudia Habl - Gesundheitsökonomin im Geschäftsbereich ÖBIG der Gesundheit Österreich<br />

GmbH in Wien. Neben Gesundheits- und Arzneimittelsystemanalysen beschäftigt sie<br />

sich seit mehr <strong>als</strong> zehn Jahren auch mit geschlechts- und sozi<strong>als</strong>pezifischen Aspekten der<br />

Gesundheitsversorgung. Ausgewählte Publikationen sind beispielsweise: „Soziale Ungleichheit<br />

- Geschlecht – Gesundheit“ (2008) oder „Soziale Ungleichheit und Gesundheit“ (2003)<br />

Felix Hinterwirth - seit 41 Jahren bei der Firma Quelle - Zentralbetriebsratsvorsitzender.<br />

Landes- und Bundesvorsitzender des Wirtschaftsbereiches Handel in der Gewerkschaft der<br />

Privatangestellten. Obmannstellvertreter der OÖ. Gebietskrankenkasse.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 43


Moderation<br />

44<br />

Andreas Krauter - Studium der Humanmedizin an der Med. Fakultät Wien, Ausbildung<br />

zum Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Innere Medizin, 1996 Lehrgang für Krankenhausmanagement<br />

an der Universität Wien, seit 2000 Ärztlicher Direktor des KH der Barmherzigen<br />

Schwestern Linz, seit 2002 Geschäftsführer des KH der Barmherzigen Schwestern<br />

Linz, 2005 Abschluss MBA General Management Limak.<br />

Dagmar Andree – Juristin, seit 2001 Mitarbeiterin der Arbeiterkammer OÖ, bis 2004 Abteilung<br />

Insolvenzrecht, anschließend Rechtsreferentin in der Abteilung Sozialpolitik mit<br />

Schwerpunkt Arbeitslosigkeit und Gesundheit; ehrenamtliche Vorsitzende des Linzer Frauenhauses.<br />

Pold Ginner – Dipl. Krankenpfleger, dann Wechsel in die Sozialarbeit, Diplomstudium Sozialwirtschaft,<br />

von 2004 bis Jänner 2009 Geschäftsführer der <strong>Sozialplattform</strong> OÖ, <strong>als</strong> solcher<br />

Koordinator des Armutsnetzwerks OÖ.<br />

Maria Krautsieder – Dipl. Behindertenpädagogin, div. Zusatzausbildungen, seit 19 Jahren<br />

im psychosozialen Bereich tätig, davon 13 Jahre Exit sozial Krisendienst, seit 10 Jahren<br />

Mitarbeit im Armutsnetzwerk OÖ.<br />

Elisabeth Rosenmayr – Diplomsozialarbeiterin, Supervisorin, angestellt bei Exit sozial;<br />

feministisch/politisch engagiert im autonomen FRAUENzentrum, bei LISA & CO und bei der<br />

LINZER INITIATIVE.<br />

Iris Woltran - Studium Sozialwirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz, 1998 bis<br />

2001 Mitarbeiterin in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (RIFA und IAB), 2001 bis 2005<br />

Sozialexpertin der Volkshilfe Österreich, Bundesgeschäftsstelle Wien, 2005 bis 2007 Sozialreferentin<br />

der Bundesarbeiterkammer/Arbeiterkammer Wien, Abteilung Sozialpolitik, seit<br />

2007 Sozialreferentin der Arbeiterkammer OÖ, Abteilung Sozialpolitik.<br />

Teilnehmer/innen der Podiumsdiskussion<br />

Josef Ackerl, Soziallandesrat, SPÖ<br />

Bernhard Baier, Mitglied des Landesparteivorstandes der ÖVP OÖ<br />

Doris Eisenriegler, Dritte Landtagspräsidentin, Die Grünen<br />

Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer OÖ und des ÖGB OÖ<br />

Josef Mayr, Bischofsvikar für Soziales<br />

Erhard Prugger, Leiter der Abteilung Sozial- und Rechtspolitik der Wirtschaftskammer OÖ<br />

Christian Winkler, Armutsnetzwerk OÖ, Geschäftsführer der Bischöfl. Arbeitslosenstiftung<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Pappfiguren der Armutskonferenz: Diese sind anläßlich des Aktionstages<br />

Sichtbar Werden am 27.10. 2006 am Linzer Taubenmarkt<br />

nach einer Idee der Arbeitsloseninitiative AhA entstanden.<br />

Mehr <strong>als</strong> 260 TagungsteilnehmerInnen verfolgten mit Interesse<br />

die Vorträge und Diskussionen<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 45


46<br />

Diskussionsrunde „Arbeitswelt und Armut“:<br />

v.l.n.r.: Erich Gumplmaier, Susanne Stockinger, Nikolaus Dimmel,<br />

Iris Woltran, Roman Obrovski<br />

Diskussionsrunde „Generationen und Armut“:<br />

v.l.n.r.: Matthias Till, Norbert Krammer, Eva Forster, Pold Ginner, Renate<br />

Hackl<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Diskussionsrunde „Gesundheit und Armut“:<br />

v.l.n.r.: Claudia Habl, Maria Krautsieder, Felix Hinterwirth, Andreas<br />

Krauter<br />

Podiumsdiskussion „Armut in OÖ, Wer trägt die Verantwortung?“<br />

v.l.n.r.: Erhard Prugger, Christian Winkler, Doris Eisenriegler, Dagmar<br />

Andree, Josef Ackerl, Josef Mayr, Johann Kalliauer<br />

(nicht im Bild: Bernhard Baier)<br />

alle Fotos: Heinz Zauner<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 47


Fragen und Antworten<br />

Während der Tagung hatten die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, ihre Fragen an die Diskutant/innen des<br />

Podiums zu formulieren, die Antworten wurden im Anschluss auf www.sozialplattform.at veröffentlicht.<br />

LR Josef Ackerl<br />

48<br />

Es gibt eigentlich sehr viele Interventionsmöglichkeiten zur Bekämpfung der vielfältigen Armut<br />

– es gibt viele Indianerhäuptlinge und es werden immer mehr ... Soll diese Verantwortung nicht<br />

mehr dem Indianervolk übertragen werden – es würde ein echter Strukturwandel entstehen<br />

– wäre das interessant?!<br />

Bei der Armutsbekämpfung – ein weiter Bereich und Begriff – wirken verschiedenste<br />

Gebietskörperschaften, Institutionen und Organisationen zusammen. Angefangen bei der<br />

Pensionsversicherung über das Arbeitsmarktservice (Bund) bis zum letzten sozialen Netz<br />

der Sozialhilfe (Länder/Gemeinden). Unter anderem aus diesem Grund gibt es auch sehr<br />

viele verschiedene Interventionsmöglichkeiten, was grundsätzlich auch den differenzierten<br />

Problemlagen der Betroffenen entspricht. Für <strong>Oberösterreich</strong> kann ich – innerhalb der Kompetenzen<br />

des OÖ Sozialressorts - die These, dass es zu viele „Indianerhäuptlinge“ gibt, nicht<br />

bestätigen: weder bei den NGOs noch auf Seite der Behörden.<br />

Allerdings fehlt in <strong>Oberösterreich</strong> im Bereich der regionalen Träger sozialer Hilfe teilweise<br />

im erheblichen Ausmaß Personal, bspw. SozialarbeiterInnen für dieses Aufgabengebiet in<br />

den Sozialhilfeverbänden. Eine Verbesserung dieser Person<strong>als</strong>ituation würde mit Sicherheit<br />

nachhaltig positive Effekte nach sich ziehen. Einzelne Initiativen in diese Richtung wurden<br />

seitens des OÖ Sozialressorts bereits gesetzt, allerdings verfügen wir nicht über die „direkte“<br />

Zuständigkeit. Auch in diesem Zusammenhang erwarten wir aber mit der Einführung der<br />

Bedarfsorientierten Mindestsicherung – die leider noch immer von Kärnten blockiert wird<br />

– eine massive Verbesserung.<br />

Welche konkreten Schritte wird Ihre Partei setzen<br />

- für eine gerechte Verteilung des Vermögens in Österreich (Verhältnis Durchschnittseinkommen<br />

– Spitzengehälter)<br />

- für eine Erhöhung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung<br />

- für einen gesetzeskonformen Vollzug der Sozialhilfe in OÖ in allen Bezirkshauptmannschaften<br />

und Magistraten?<br />

Thema: Sozialhilfevollzug – Wartezeiten bei Sozialhilfe-Erstanträgen teilweise bis zu 4 Wochen,<br />

Problem: fehlendes Magistratspersonal, warum?<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Es ist alles andere <strong>als</strong> ein Geheimnis, dass die Sozialdemokratie in Österreich für eine (höhere)<br />

Besteuerung des Vermögens – die im europäischen Vergleich so was von hinterherhinkt<br />

- eintritt. Diesbezügliche Initiativen hat beispielsweise zuletzt auf Bundesebene Sozialminister<br />

Buchinger im Zusammenhang mit der Finanzierung der Pflegevorsorge gesetzt.<br />

In einem grundsätzlich marktwirtschaftlichen System wie in Österreich ist es rechtlich gesehen<br />

äußerst schwierig, Gehälter im privat-wirtschaftlichen Bereich zu reglementieren.<br />

Das Verhältnis von Durchschnitts- zu Spitzengehältern ist aus dem Gerechtigkeitsgedanken<br />

heraus schon lange nicht mehr vertretbar, wenn es dies überhaupt jem<strong>als</strong> war. Dieser dringend<br />

notwendige soziale Ausgleich sollte aber über das Steuersystem mit entsprechenden<br />

Spitzensteuersätzen geregelt werden. Im Bereich des Staats ist eine Diskussion über eine<br />

Begrenzung der Managergehälter mehr <strong>als</strong> angebracht.<br />

Die Erhöhung der Nettoersatzrate (wenn auch nicht in aus unserer Sicht ausreichendem<br />

Ausmaß) war und ist mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung paktiert. Auch daher<br />

kann nur eine so rasch <strong>als</strong> mögliche Umsetzung der Mindestsicherung das Ziel sein.<br />

Nicht gesetzeskonformes Handeln der Sozialhilfebehörden sollte mit den entsprechenden<br />

konkreten Unterlagen sofort dem OÖ Sozialressort übermittelt werden, damit dieses auch in<br />

diesen Einzelfällen aktiv werden kann. Das OÖ Sozialressort geht allen Einzelfällen mit den<br />

entsprechenden Konsequenzen nach. Einmal mehr, die Mindestsicherung wird bundesweit<br />

bessere Standards in der Sozialhilfe für die BezieherInnen bringen (leichterer Zugang, höhere<br />

Freibeträge, höhere Richtsätze...). Mit der Einführung sollte auch die zu geringe Personalausstattung<br />

der Behörden diskutiert und nach Möglichkeit natürlich verbessert werden.<br />

In der Mindestsicherung (Art. 15a-Vereinbarung) wurden auch die entsprechenden Fristen<br />

teilweise massiv verkürzt. Unabhängig davon, wann ein Bescheid eintrifft, hat die Sozialhilfebehörde<br />

bereits jetzt bei einer akuten Notlage sofort zu reagieren (Soforthilfe). Falls<br />

dies nicht der Fall ist, ersuche ich auch diese Beispiele meinem Ressort zu übermitteln.<br />

Zudem verweise ich auch hier auf die vorhergehende Beantwortung im Hinblick auf das<br />

notwendige Personal in den Sozialhilfeverbänden und Magistraten.<br />

Wie wichtig ist eine Grundsicherung!?<br />

Auch die Frage der Grundsicherung soll mit der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung<br />

verbessert beantwortet werden. Daneben gibt es in <strong>Oberösterreich</strong> bspw.<br />

auch das subsidiäre Mindesteinkommen für Menschen mit Beeinträchtigungen im noch<br />

jungen Chancengleichheitsgesetz. Eine Grundsicherung ohne die Verpflichtung zum „Bemühen“<br />

halte ich in unserer derzeitigen Gesellschaft für nicht passend und auch nicht realisierbar.<br />

Arbeit ist ein enorm wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft (vor allem aus Sicht<br />

des Normalitätsprinzips), deren Bedeutung von niemandem – vor allem nicht in Richtung<br />

Sinnerfüllung – unterschätzt werden sollte.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 49


Fragen und Antworten<br />

50<br />

Die Banken sind gesichert und die Sparbücher. Wer sichert leistbares Wohnen bei diesen Preisanstiegen?<br />

Um Bezieherinnen und Bezieher von niedrigen Einkommen im Bereich Wohnen finanziell zu<br />

entlasten, haben wir in <strong>Oberösterreich</strong> den Heizkostenzuschuss eingeführt, der einmal jährlich<br />

nach Antragstellung, gleichgültig mit welchem Energieträger geheizt wird, ausbezahlt<br />

wird.<br />

Besonders im letzten Jahr sind die Energiekosten – insbesondere die Preise für Öl und Gas<br />

rasant gestiegen, weshalb der Heizkostenzuschuss für die Wintersaison 2008/2009 auf Euro<br />

350,- angehoben wurde. Damit ist der Heizkostenzuschuss im Bundesländervergleich in<br />

<strong>Oberösterreich</strong> am höchsten.<br />

Zusätzlich wird auf Initiative von Wohnbau-Landesrat Kepplinger die Wohnbeihilfe ab<br />

1.1.2009 erhöht und die derzeit gültige Haushaltseinkommensobergrenze deutlich angehoben.<br />

Als zentraler Armutsfaktor wird immer wieder Erwerbsarbeitslosigkeit genannt. Diese ist häufig<br />

durch Versorgungspflichten bedingt, die Erwerbsarbeit verunmöglichen. Was wird in <strong>Oberösterreich</strong><br />

unternommen, um eine gerechte Verteilung der Versorgungspflichten (Kinderbetreuung,<br />

Pflege) zu fördern?<br />

Für OÖ wäre eine flächendeckende Betreuungsmöglichkeit für Kinder wünschenswert. Jedoch<br />

sollte diese Form der Betreuung auch für die Eltern leistbar sein.<br />

In meinen Zuständigkeitsbereich fallen die Krabbelstuben, <strong>als</strong>o die Kinderbetreuung für<br />

Kinder unter drei Jahren. In diesem Bereich forciere ich schon bereits seit längerem einen<br />

starken Ausbau der Krabbelstuben. Man kann sagen, dass in einem Jahr zwischen 12 - 15<br />

neue Krabbelstuben in <strong>Oberösterreich</strong> eröffnet werden. Damit aber auch Eltern aus finanzieller<br />

Sicht die Möglichkeit haben, diese Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, wurde der<br />

Elternbeitrag sozial gestaffelt.<br />

Weiters fordere ich schon seit längerem einen Gratiskindergarten für alle. Es darf nicht<br />

vergessen werden, dass bereits die Krabbelstube wie auch der Kindergarten Bestandteile<br />

unseres Bildungssystems sind. Ich begrüße die Entwicklung seitens des Bundes, dass das<br />

letzte Kindergartenjahr für Fünfjährige nun gratis ist, sehe dies aber erst <strong>als</strong> einen ersten<br />

Schritt in die richtige Richtung.<br />

Was sagen Sie zu der Tatsache, dass Frauen in Österreich noch immer in den meisten Berufen<br />

weniger verdienen <strong>als</strong> Männer und dass Österreich damit sogar gegen ein Menschenrecht verstößt<br />

(Punkt 23 der Menschenrechtserklärung: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit).<br />

Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist nach wie vor ein zentrales Thema in<br />

unserer Gesellschaft. Leider entspricht es der Realität, dass in diesem Bereich noch sehr viel<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Arbeit auf uns wartet. Bezüglich der Unterschiede beim Einkommen kann ich jedoch sagen,<br />

dass im Zuge einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst bei gleichen Arbeitsagenden keine<br />

Unterschiede bestehen. Ziel ist es, dies auch in der Privatwirtschaft zu erreichen. Weiters<br />

darf ich noch auf das Frauenförderprogramm „Balance – Wege zur Gleichstellung“ aufmerksam<br />

machen, welches bereits im Landesdienst besteht. Ebenso finde ich es begrüßenswert,<br />

dass das Land OÖ eine Gleichbehandlungskommission eingerichtet hat, welche bei<br />

Stellungnahmen zu diversen Gesetzes- und Verordnungsentwürfen und bei der Erstattung<br />

von Gutachten in Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungs- bzw. Frauenfördergebots<br />

miteingebunden wird.<br />

Das neue Chancengleichheitsgesetz sieht vor, dass für Hauptleistungen, z.B. Arbeit in einer Tagesstruktur,<br />

ein Kostenbeitrag von den Betroffenen eingehoben wird, wenn ein Vermögen über<br />

Euro 7.300,- angespart wurde oder wenn ein Pflegegeld bezogen wird. Ist es ein sozialer Fortschritt,<br />

wenn Personen, die aus dem sog. 1. Arbeitsmarkt hinausgedrängt werden, nun für sinnstiftende<br />

Arbeit in Form von Tagesstruktur zahlen müssen?<br />

Die „fähigkeitsorientierte Aktivität“ (Tagesstruktur) stellt eine Form der Hilfeleistung für den<br />

Menschen mit Beeinträchtigungen dar, der einer Tätigkeit nachkommen will, für den jedoch<br />

unter anderem das Angebot des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht geeignet ist.<br />

Sie bietet die Teilnahme und Mitwirkung an einem Arbeitsprozess sowie am Leben in der<br />

Gemeinschaft und schafft eine organisierte Tagesstruktur mit vielfältigen, adäquaten und<br />

<strong>als</strong> sinnvoll empfundenen Tätigkeitsfeldern.<br />

Für die Tätigkeit in der Einrichtung ist für den Menschen mit Beeinträchtigungen eine finanzielle<br />

Abgeltung vorgesehen.<br />

Gleichzeitig sind damit allerdings Kosten, wie z.B. für Infrastruktur, Betreuungspersonal<br />

usw. verbunden.<br />

Richtig ist, dass gemäß § 20 Oö. ChG iVm der Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung<br />

ein Beitrag zu den Kosten der Leistung zu entrichten ist. Auch nach dem Oö. BhG 1991<br />

war für die „Hilfe durch Beschäftigung“ ein Beitrag, abgestuft nach der Pflegegeldstufe, zu<br />

entrichten.<br />

Dieser Beitrag ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen zu entrichten.<br />

Der Beitrag richtet sich:<br />

1. einerseits nach der Höhe des Einkommens und Vermögens und<br />

2. andererseits nach der Frage, ob Anspruch auf Pflegegeld besteht oder nicht.<br />

zu 1.:<br />

Prüfkriterien dafür, ob überhaupt auf Einkommen oder Vermögen zugegriffen wird, sind:<br />

- die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz<br />

- die Gefährdung der Entwicklungsmöglichkeiten sowie<br />

- das Vorliegen besonderer Härten.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 51


Fragen und Antworten<br />

52<br />

Weiters wird der Beitrag begrenzt durch Freibeträge:<br />

- z.B. 7.300 Euro bei verwertbarem Vermögen<br />

- z.B. 1.000 Euro Freibetrag bei Einkommen<br />

- durch das Kostendeckungsprinzip (<strong>als</strong>o höchstens bis zu den tatsächlich entstandenen<br />

Kosten)<br />

zu 2.:<br />

Wenn das vorhandene Einkommen/Vermögen nicht zur Deckung der entstandenen Kosten<br />

ausreicht bzw. wenn kein Einkommen/Vermögen vorhanden ist, dann gilt die Regelung der<br />

Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung:<br />

Pflegegeld : 38 Wochenstunden x vereinbarten Wochenstunden in der Einrichtung<br />

= Monatsbeitrag<br />

Auch hier gibt es Einschränkungen:<br />

- wenn der Mensch mit Beeinträchtigungen keinen Anspruch auf Pflegegeld hat, ist dieser<br />

Beitrag nicht zu entrichten<br />

- die Höhe des Beitrags hängt von der für den Menschen mit Beeinträchtigungen individuell<br />

festgelegten Anzahl der Stunden ab<br />

- die Stunden werden im Leistungsverfahren mittels Bescheid gemeinsam mit den Menschen<br />

mit Beeinträchtigungen vereinbart (in der Assistenzkonferenz; durch Ermittlung<br />

des individuellen Hilfebedarfes)<br />

Ein (fiktives) Beispiel:<br />

Ein Mensch mit Beeinträchtigungen (Pflegegeldbezieher), der in einem Einfamilienhaus lebt<br />

und zusätzlich ein Sparvermögen in Höhe von rund 30.000 Euro besitzt, nimmt die Leistung<br />

„fähigkeitsorientierte Aktivität“ in Anspruch.<br />

Das Wohnhaus dient <strong>als</strong> Wohnform für den Menschen mit Beeinträchtigungen. Es kann<br />

davon ausgegangen werden, dass die angesparten Rücklagen für die Instandhaltung des<br />

Hauses benötigt werden. Daher würde in diesem Fall nicht auf das Vermögen zugegriffen<br />

werden.<br />

Aufgrund des Pflegegeldbezuges wäre höchstens der Beitrag aus dem Pflegegeld nach der<br />

Oö. Beitrags- und Richtsatzverordnung zu entrichten (jedenfalls aber nicht mehr <strong>als</strong> 80%<br />

des Pflegegeldes und nur bis zu den tatsächlichen Kosten).<br />

Hätte er keinen Anspruch auf Pflegegeld, müsste in diesem Fall kein Beitrag entrichtet werden<br />

(weder aus Einkommen, noch aus Vermögen, noch gemäß der Oö. ChG-Beitrags- und<br />

Richtsatzverordnung).<br />

„Arbeit schützt vor Armut nicht“ – Im Sozialbereich wird zunehmend mit dem neuen Kollektivvertrag<br />

angestellt und gleichzeitig niedrig eingestuft (mindere Verwendungsgruppen). Oft<br />

stehen keine Vollzeitarbeitsplätze zur Verfügung – sondern Working Poor-Verhältnisse in der<br />

Sozialarbeit. Ist das der politische Wille in OÖ?<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Sind „Änderungskündigungen“ bei pro mente OÖ „wieder“ angedacht? Seit ca. 2 Jahren gibt es<br />

bei pro mente OÖ immer mehr befristete Arbeitsverträge, immer mehr Teilzeitbeschäftigung,<br />

immer mehr geringfügig Beschäftigte. Die Leistungspreise (Land OÖ) bedeuten für die Beschäftigten<br />

der pro mente: Leistungsverdichtung – Teilzeit – Befristungen – mehr Klienten/Kunden<br />

– mit weniger Personal und die Einführung des Chancengleichheitsgesetzes weit mehr organisatorischen<br />

Aufwand. Immer mehr Beschäftigte erleben Burn out und eine massive Überlastung.<br />

Hat das Land OÖ auch Entlastung für die Beschäftigten der pro mente OÖ vor?<br />

Was tut die Politik, um zu verhindern, dass die Profis, welche täglich mit dem Thema Armut arbeiten<br />

selber in Armut geraten (BAGS)?<br />

Wie gedenkt das Land OÖ die Einhaltung des Arbeitsrechts in den sozialen Diensten – z.B. Personalbemessung<br />

– zu überprüfen?<br />

Dienstverhältnisse sind grundsätzlich Rechtsbeziehungen zwischen ArbeitnehmerInnen<br />

und ArbeitgeberInnen. Seitens des Landes OÖ <strong>als</strong> Auftraggeber wird grundsätzlich davon<br />

ausgegangen, dass von Auftragnehmern des Landes OÖ alle gesetzlichen Bestimmungen<br />

eingehalten werden, dies ist auch in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und<br />

Verordnungen verankert.<br />

Dies gilt auch für die von Ihnen angeführte Anwendung des BAGS-Kollektivvertrages.<br />

Im Zuge der Leistungspreisverhandlungen wurde mit den Trägerorganisationen für den jeweiligen<br />

Leistungsbereich eine personelle Ausstattung vereinbart. Besonders möchte ich<br />

betonen, dass bisher in keinem Leistungsbereich Personalreduktionen erfolgt sind.<br />

Hinsichtlich der erwähnten Teilzeit-Dienstverhältnisse ist anzumerken, dass von den<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Personalvertretungen der Trägerorganisationen<br />

wiederholt die Möglichkeit für Teilzeitarbeitsverhältnisse gefordert wurde.<br />

Generell möchte ich festhalten, dass der BAGS-Kollektivvertrag ohne Einbindung des Kostenträgers<br />

zwischen Arbeitnehmer- und ArbeitgebervertreterInnen ausverhandelt und abgeschlossen<br />

wurde. Trotzdem war ich aber immer bereit, die durch den BAGS-KV entstehenden<br />

Mehrkosten zu tragen, da er für den überwiegenden Teil der ArbeitnehmerInnen in den<br />

sozialen Berufen eine Verbesserung zum Status Quo darstellt.<br />

Auch möchte ich festhalten, dass ich niem<strong>als</strong> Änderungskündigungen angeordnet habe,<br />

sondern gemeinsam mit der Gewerkschaft nach Lösungen gesucht habe.<br />

Dafür würde ich aber vom Finanzreferenten zusätzliche finanzielle Mittel benötigen, da eine<br />

Finanzierung aus dem Sozialbudget einen Ausbaustopp der Angebote für Menschen mit<br />

Beeinträchtigungen bedeuten würde.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 53


Fragen und Antworten<br />

LAbg. Mag. Bernhard Baier (ÖVP)<br />

54<br />

Wenn Männer für die Kinderbetreuung verpflichtet würden, würde es mit dem Kinderbetreuungsgeld<br />

etwas anders ausschauen. Es wäre bedeutend mehr. Was sagen Sie dazu?<br />

Die Rahmenbedingungen sollten so geschaffen werden, dass die Entscheidung für das Kind<br />

mit keinen groben finanziellen Nachteilen verbunden ist. Ich bin daher ein Anhänger davon,<br />

dass man das bestehende Kinderbetreuungsgeld-System um eine weitere Variante erweitert.<br />

Ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld, das dem Elternteil in Karenz 80%<br />

des Nettoeinkommens für 12 Monate gewährt (mind. Euro 1.000,- / max. Euro 2.000,-),<br />

wäre eine richtige Idee. Dieser Vorschlag von der ÖVP im NR-Wahlkampf sieht auch vor,<br />

dass sich die Dauer auf 14 Monate verlängert, wenn sich die Eltern die Karenz teilen.<br />

Wichtig: eine Grundsicherung!?<br />

Die Bundesregierung hat in diesem Bereich bereits ein meiner Ansicht nach sehr gutes Modell<br />

erarbeitet, das leider bisher auf Grund der Ablehnung des Bundeslandes Kärnten noch<br />

nicht in Kraft treten konnte. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung würde eine soziale Lücke<br />

erfolgreich schließen, ohne dass der Anreiz arbeiten zu gehen darunter leidet. Ich hoffe<br />

auf die neue Bundesregierung, dass sie dieses bereits erarbeitete Modell umsetzen kann.<br />

Was sagen Sie dazu, dass Frauen in den meisten Berufen immer noch weniger verdienen <strong>als</strong><br />

Männer?<br />

Das ist ein Umstand, den wir nicht akzeptieren wollen. Dort, wo die Politik aktiv eingreifen<br />

kann, nämlich im öffentlichen Dienst, gilt gleicher Lohn für gleiche Arbeit. In der Privatwirtschaft<br />

sehe ich vor allem die Sozialpartner gefordert, gegen diese Diskriminierung anzukämpfen.<br />

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss eine der zentralen Herausforderungen der<br />

neuen Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern werden.<br />

Wieso wurde soviel Geld in die Wahlkampagnen gesteckt, während parallel dazu Menschen auf<br />

der Straße hausen und am Hungertuch nagen?<br />

Man kann zu den vorgezogenen Neuwahlen stehen wie man will, ich war selbst kein begeisterter<br />

Anhänger der Neuwahl. Demokratie funktioniert nun mal so. Und Grundvoraussetzung<br />

für eine erfolgreiche Politik, wie etwa im Bereich der Armutsbekämpfung, ist eine<br />

funktionierende Demokratie.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Zählen nur mehr die Eliten und die Leader und die Armen bekommen nur mehr einige Almosen<br />

ab?<br />

Die Aufgabe der Politik ist es, gegen Armut aktiv anzukämpfen und dementsprechend ein<br />

dichtes soziales Netz zu spannen. Mit dem realisierten Euro 1.000,- Mindestlohn und einer<br />

bedarfsorientierten Mindestsicherung, die hoffentlich bald umgesetzt wird, wird hier ein<br />

richtiger und wichtiger Schritt getan. Dennoch dürfen wir die Leistungsträger nicht aus den<br />

Augen verlieren, sie sind wesentliche Träger und Stützen unserer Gesellschaft.<br />

Ist der Tenor der Wirtschaftspolitik jener, dass Familien auf Kinder verzichten sollen, weil sie zu<br />

teuer sind? Sind die Familien nicht die Zukunft der Gesellschaft?<br />

Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, die Familien sorgen für die Zukunft unseres Landes.<br />

Familien zu fördern und zu entlasten ist eine zentrale Herausforderung für die künftige<br />

Bundesregierung. Die 13. Familienbeihilfe, die bereits beschlossen wurde, ist ein richtiger<br />

Schritt. In den momentanen Regierungsverhandlungen hoffe ich, dass sich die ÖVP mit<br />

ihren Vorstellungen in der Familienpolitik durchsetzen kann: Das sind unter anderem eine<br />

steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten, ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld<br />

und das letzte Kindergartenjahr kostenlos zu machen.<br />

Welche Schritte wird Ihre Partei setzen, für eine gerechte Verteilung des Vermögens in Österreich<br />

(Durchschnittsgehälter – Spitzenverdiener), für eine effiziente Bekämpfung der Armut<br />

(Grundeinkommen) und zur Bekämpfung des „Casinokapitalismus“?<br />

1) Mit dem Mindestlohn wurde ein wichtiger Schritt umgesetzt, die Entlastung des Faktors<br />

„Arbeit“ muss einen wesentlichen Anteil im Rahmen der nächsten Steuerreform haben.<br />

Spitzengehälter nehmen in manchen Fällen schon wahnsinnige Dimensionen an, in Österreich<br />

sind es in der Privatwirtschaft die Aufsichtsräte, die diese Gehälter verantworten<br />

müssen. Einen Eingriff des Staates in die Gehaltsstrukturen lehne ich aber ab, weil dies<br />

Teil des planwirtschaftlichen Denkens ist, und Planwirtschaften sind auf der ganzen Welt<br />

gescheitert.<br />

2) Als dringende Maßnahme gegen eine Bekämpfung der Armut sehe ich die Umsetzung der<br />

bereits entworfenen bedarfsorientierten Mindestsicherung. Dadurch wird eine soziale<br />

Lücke erfolgreich gestopft, ohne dass die Arbeit an sich an Attraktivität verliert.<br />

3) Leider erleben wir gerade, dass für die Taten einiger Gauner in den Vereinigten Staaten<br />

die ganze Welt bestraft wird. Einige Vorgänge an der Börse sollten grundlegend überdacht<br />

werden, wenn ich zum Beispiel an die umstrittenen „Leerverkäufe“ denke. Eine<br />

Lehre aus der Krise für mich ist, dass wir die Realwirtschaft <strong>als</strong> Wirtschaftsmotor noch<br />

stärker unterstützen müssen.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 55


Fragen und Antworten<br />

56<br />

Wenn 80% des Einkommens für die exorbitant ansteigenden Kosten für Lebensmittel und Wohnungskosten<br />

aufgehen, wie soll man dann über die Runden kommen?<br />

OÖ ist im Kampf gegen die Teuerung sehr aktiv und erkennt hier die Probleme der Bürger.<br />

So wurden in diesem Jahr schon zahlreiche Gegenmaßnahmen umgesetzt. Die Erhöhung der<br />

Fernpendlerbeihilfe, der Zuschuss für Heizkostenbezieher, die verdoppelte Unterstützung<br />

beim Heizkesseltausch, das veröffentlichte oö. Preisradar sowie die Erhöhung der Wohnbeihilfe<br />

oder die Erhöhung der Einkommensgrenzen bei der Fernpendlerbeihilfe. <strong>Oberösterreich</strong><br />

entlastet die Menschen spürbar und wird auch künftig der Teuerung den Kampf ansagen.<br />

Doris Eisenriegler, Dritte Landtagspräsidentin, Grüne<br />

Wortwahl in der Politik<br />

Ich gebe Ihnen Recht. Der Stil in der Politik ist oft auf einem tiefen Niveau. Wie sich aber<br />

jeder und jede präsentiert ist allein ihre Verantwortung. Es gibt auch positive Beispiele!<br />

Wichtig: eine Grundsicherung! ?<br />

Das ist eine langjährige Forderung der Grünen. Leider hat auch das letzte Wahlergebnis<br />

nicht zu entsprechenden Mehrheiten geführt, die es für die Grünen möglich gemacht hätten,<br />

diese Forderung durchzusetzen.<br />

Zwei-Klassen-Medizin. Wie kann man gegensteuern?<br />

Indem sich jeder und jede, wo er oder sie steht gegen eine weitere Aushöhlung unseres<br />

Sozi<strong>als</strong>ystems wendet. Unser Gesundheits- und Sozi<strong>als</strong>ystem ist finanzierbar und auch ausbaufähig<br />

– was beispielsweise die Pflege betrifft. Wer anderes behauptet, ist wahrscheinlich<br />

ein Lobbyist von Versicherungen. Auf welch tönernen Beinen die so genannte „Eigenvorsorge“<br />

steht zeigt die gegenwärtige Finanzkrise!<br />

Wie kann Kinderbetreuung organisiert werden, damit Kinder-Bekommen nicht in die Armut<br />

führt? Wie kann man Männer bei Kinderbetreuung, Altenpflege, Krankenpflege in die Pflicht<br />

nehmen?<br />

Indem Frauen Forderungen stellen und nicht weiterhin auf eigene ökonomische Absicherung<br />

verzichten. Bei der Einbeziehung der Männer sind sicher Eheverträge hilfreich.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Ich denke aber, dass es im Bereich der Kinderbetreuung in den letzten Jahren langsam ein<br />

Umdenken gegeben hat. Es ist schon viel geschehen, bei weitem aber noch nicht genug.<br />

Hilfreich ist es, in den Gemeinden Druck zu machen, wenn das Betreuungsangebot unzureichend<br />

ist.<br />

Vor allem aber ist es wichtig, sich über die Programme der Parteien zu informieren und bei<br />

den Wahlen die richtigen Entscheidungen zu treffen!<br />

Der Mensch wird heute sehr nach Tempo und Leistung bezahlt und gekauft. In welche Richtung<br />

geht die Entwicklung?<br />

Ich teile Ihre Sorge. Wir dürfen uns nicht restlos vermarkten lassen. Wenn wir auf Arbeitsplätze<br />

angewiesen sind, werden wir uns oft nicht wehren können. Wichtig ist es daher, sich<br />

zu organisieren und Arbeitsrechte einzufordern.<br />

Einiges kann man aber sehr wohl direkt beeinflussen. Man kann seinen Lebensstil sehr bewusst<br />

gestalten und versuchen, zu entschleunigen. Es gibt schon viele Menschen, die ein<br />

ähnliches Unbehagen haben, wie Sie. Die Grünen arbeiten sehr bewusst an menschenwürdiger<br />

Arbeit indem z.B. ökologischer Landbau gefördert wird, neue Arbeitszeitmodelle gefordert<br />

werden, die sich nach den Bedürfnissen der Menschen richten und vieles mehr.<br />

Dr. Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer OÖ<br />

Wann ist der Begriff Armut für Sie ident - z.B. keinen PC, keinen Geschirrspüler zu besitzen, ...?<br />

Neben der rein statistischen Betrachtung von Armut ist es vor allem wichtig, dass man<br />

die sozialen Problemlagen der Menschen ernst nimmt und sie aktiv unterstützt. In <strong>Oberösterreich</strong><br />

waren 2006 144.000 Menschen von Armut betroffen und ein gutes Viertel der<br />

oberösterreichischen Bevölkerung lebt mit Einschränkungen, die sowohl finanzieller <strong>als</strong><br />

auch sozialer Art sein können. Hinter diesen beachtlich hohen Zahlen stehen Menschen, die<br />

jeden Tag aufs Neue mit ihrem geringen Einkommen ihr Leben bestreiten müssen und so<br />

nicht an der Gesellschaft umfassend teilnehmen können. Es ist daher an der Zeit, vermehrt<br />

aktiv Armut zu bekämpfen. Vorrangig ist vor allem die rasche Umsetzung des Maßnahmenpakets<br />

im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und die Existenzsicherung bei<br />

Arbeitslosigkeit (zum Beispiel wesentliche Erhöhung der Nettoersatzrate, Streichung der<br />

Partnereinkommensanrechnung bei der Notstandshilfe etc.).<br />

Menschen, die im Gesundheits- und Sozialbereich tätig sind, haben großteils hohe Arbeitsbelastungen,<br />

hohe Verantwortung bei geringer Bezahlung (BAGS-KV). Ich merke eine zunehmende<br />

Prekarisierung dieser Branche: Es gibt kaum mehr (neue) Vollzeitarbeitsplätze, es gibt<br />

kaum mehr unbefristete (neue) Dienstverträge, es gibt eine hohe Burn-out-Rate.<br />

Was ist aus Sicht der AK notwendig, um hier entgegenzusteuern?<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 57


Fragen und Antworten<br />

58<br />

Arbeitnehmer/innen, die im Bereich der Gesundheits- und Sozialen Dienste tätig sind, leisten<br />

tagtäglich Beachtliches. Die Arbeit in dieser Branche ist nicht leicht und auch die sozialen<br />

Belastungen sind enorm. Es ist gerade in diesem wachsenden Sektor sehr wichtig, dass<br />

Arbeitsbedingungen und Entlohnung nicht in die Prekarität oder gar ins „Burn-Out“ führen.<br />

Existenzsichernde Einkommen und volle arbeits- und sozialrechtliche Absicherung sind für<br />

alle Beschäftigten unbedingt zu gewährleisten. Das Phänomen der „prekären Arbeit“ muss<br />

zurückgedrängt werden, denn prekär darf nicht zur Norm werden.<br />

Ich wünsche uns Bewegung, Gener<strong>als</strong>treiks, Revolution (gewaltfrei) - gemeinsam, solidarisch<br />

- jetzt! Wenn nicht jetzt - wann dann? (Geld in Milliardenhöhe ist da - wozu? - für wen?) oder<br />

sind wir alle zu satt, zu träge, zu egoistisch, zu festgefahren, zu blind und taub, um die Zeichen<br />

der Jetzt-Zeit zu erkennen + zu handeln, nicht bloß festzustellen!<br />

Ich stimme Ihnen zu, dass es gerade jetzt an der Zeit ist, verstärkt aktiv zu werden. Die<br />

derzeitige Finanzkrise hat auf die Realwirtschaft und somit auf den Arbeitsmarkt übergegriffen.<br />

Kurzarbeit in Betrieben und steigende Arbeitslosigkeit sind die Folge. Es ist daher<br />

wichtig, dass die Kaufkraft der Arbeitnehmer/innen durch eine spürbare steuerliche Entlastung<br />

gestärkt wird. Auch sind die bestehenden Lücken im System der sozialen Sicherung vor<br />

allem im Bereich der Sozialhilfe der Länder, der Arbeitslosenversicherung etc. zu schließen.<br />

Weiters sind in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarktpolitik, Gesundheit, Kinderbetreuung<br />

und Pflege verstärkt Investitionen zu tätigen. Gerade jetzt ist es wichtig, die Kaufkraft der<br />

Arbeitnehmer/innen zu stärken, Arbeitslosigkeit zu verhindern und das Sozi<strong>als</strong>ystem zu sichern.<br />

Josef Mayr, Bischofsvikar für Soziales<br />

Vor allem in der 3. Welt nimmt das Bevölkerungswachstum zu. Das, weil viele aus u.a konservativen<br />

Gründen keine Verhütungsmittel verwenden (Verhütung nicht Abtreibung).<br />

Wie kann die Kirche wollen, dass die damit verbundene Armut bzw. der zunehmende Hunger<br />

(primär bei Kindern) so ansteigt und Menschen darunter leiden? Bzw. das Verbieten der Verhütungsmittel<br />

lässt auch die Anzahl derer, die an Aids erkranken, in die Höhe schnellen. Daher<br />

muss/sollte auch das Gesundheitssystem immer mehr ausgebaut werden, um sich vor allem auf<br />

die Behandlung von HIV zu fokussieren. Anstatt das dafür benötigte Geld in Verhütungsmittel<br />

bzw. Armutsprävention / Bekämpfung zu investieren?<br />

Ich teile Ihre Meinung: „Verhütung nicht Abtreibung“. Die Meinung wird auch von vielen<br />

kath. Moraltheologen vertreten. Angesichts der vielen Kinder, die in den armen Ländern<br />

verhungern, ist eine positive Geburtenregelung wichtig. Dringend notwendig ist der Ausbau<br />

des Gesundheitssystems und die Behandlung der HIV – Kranken.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


Wie wichtig ist eine Grundsicherung! ?<br />

Die bedarfsorientierte Grundsicherung ist eine alte Forderung der Kirche.<br />

Die Katholische Sozialakademie hat schon vor Jahrzehnten das Modell eines Grundeinkommens<br />

erarbeitet und mit den Politikern diskutiert.<br />

Im Sozialwort der christlichen Kirchen wurde schon vor 5 Jahren „eine den Lebensbedarf<br />

abdeckende Existenzsicherung in der Zeit der Erwerbslosigkeit“ gefordert.<br />

Auch die Caritas tritt seit vielen Jahren für eine bedarfsorientierte Grundsicherung ein.<br />

Dr. Erhard Prugger, WK OÖ<br />

Was tut die Wirtschaftskammer, um Betriebe zu motivieren, Arbeitsplätze für Menschen mit<br />

Beeinträchtigungen zur Verfügung zu stellen? Damit könnte doch Armut vermieden werden.<br />

Die Wirtschaft hat doch auch Interesse an stabilen sozialen Gesellschaften?<br />

<strong>Oberösterreich</strong>s Wirtschaft bietet auch beeinträchtigten Menschen eine berufliche Perspektive.<br />

Das beste Beispiel dafür liefert der Verein Integratio. Dieser gemeinnützige Verein wurde<br />

Ende 2002 <strong>als</strong> gemeinsame Initiative des Bundessozialamtes <strong>Oberösterreich</strong>, der Wirtschaftskammer<br />

<strong>Oberösterreich</strong> sowie des Landes <strong>Oberösterreich</strong> ins Leben gerufen. Integratio<br />

unterstützt behinderte Menschen in enger Kooperation mit der gewerblichen Wirtschaft<br />

bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Die enge Zusammenarbeit mit den Dienstgebern<br />

garantiert, dass die konkreten Bedürfnisse des Arbeitgebers mit jenen des beeinträchtigten<br />

Arbeitssuchenden zusammengeführt werden. In den vergangenen Jahren haben mehr <strong>als</strong><br />

1.200 Personen mit Handicap diese Integratio-Hilfe in Anspruch genommen, um den Weg<br />

zurück bzw. hinein ins normale Berufsleben zu finden.<br />

Die Diskrepanz zwischen arm und reich wird immer größer. Warum aber wird viel Geld in eher<br />

unnütze Dinge gesteckt (z.B. Linz 09) anstatt einen Teil dieses Geldes zur Bekämpfung bzw. Prävention<br />

der Armut zu verwenden?<br />

Es wäre f<strong>als</strong>ch dort Gelder einzusparen, wo kulturpolitische Aktivitäten auch wirtschaftspolitische<br />

Effekte nach sich ziehen. Durch „Linz 09“ erfährt die Stadt Linz einen wirtschaftspolitischen<br />

„Schub“, der mittelbar auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. Österreichs<br />

Problem ist nicht die Bereitstellung von zu wenig finanziellen Mitteln. Unser Hauptproblem:<br />

Das österreichische Umverteilungssystem ist mit Blick auf die Armutsvermeidung nicht<br />

wirklich zielgerichtet. Die Unterschiede zwischen den Haushaltseinkommen sind in Österreich<br />

auch deutlich geringer ausgeprägt <strong>als</strong> in den meisten anderen OECD-Ländern. Kein<br />

anderes OECD-Land gibt so viel Geld für Transferzahlungen aus – aber nur 14% dieser<br />

Transfers fließen in Haushalte mit geringem Einkommen.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 59


Fragen und Antworten<br />

Christian Winkler, Armutsnetzwerk OÖ<br />

60<br />

Beschäftigt sich die Politik in OÖ ausreichend mit Armutsprävention, mit Maßnahmen zur Verhinderung<br />

und Bekämpfung von Armut und Verarmung?<br />

Wird das Armutsnetzwerk von den verantwortlichen Politiker/innen ernst genommen?<br />

Auf Landesebene in OÖ geschieht besonders im Sozialbereich einiges, z. B. Wohnbeihilfe<br />

oder Heizkostenzuschuss, das armutsverringernd wirkt. Ich habe den Eindruck, dass ein gewisses<br />

Maß an Sensibilität für das Thema Armut bei den verantwortlichen PolitikerInnen<br />

vorhanden ist.<br />

Und doch ist jede/r 10. <strong>Oberösterreich</strong>er/in armutsgefährdet. Daher sind noch viel mehr<br />

Maßnahmen im Sinne des Armutsvermeidungs-ABC erforderlich, teils auf Landesebene,<br />

teils auf Bundesebene:<br />

A Armutsvermeidene finanzielle Leistungen<br />

B Bessere soziale Infrastruktur bei Bildung, Gesundheitsversorgung, Pflege und Kinderbetreuung<br />

C Chancenverbesserung in der Arbeitswelt<br />

Einige Forderungen konkret:<br />

• Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes zumindest auf EU-Durchschnitt<br />

von 70 %.<br />

• Erhöhung des Zuschusses des Bildungskontos vom Land OÖ und Umstellung auf frühere<br />

Auszahlung durch Vorschusszahlungen für Armutsgefährdete<br />

• Krankenversicherung (E-Card) für SozialhilfebezieherInnen<br />

• Besserer Zugang und mehr Angebot für Psychotherapie auf Krankenschein, besonders für<br />

MigrantInnen.<br />

Die „Armuts“- Definition muss viele andere Begriffe auch mit einschließen: Einfachheit, Gerechtigkeit,<br />

soziales Denken und Handeln, Barmherzigkeit. Wo und wie steht da unser gesellschaftliches<br />

Denken und Handeln?<br />

Gerechtigkeit ist ein sehr politischer Begriff, dem wir wieder viel mehr Bedeutung geben<br />

müssen. Die Einkommens- und Vermögensstatistiken beweisen die ungerechte Entwicklung<br />

der letzten Jahre und auch viele Menschen haben diese Erkenntnis. In Österreich und auch<br />

in anderen Ländern gibt es eine unverschämte Gier derer, die schon sehr viel haben. Gleichzeitig<br />

wächst die Armut.<br />

Soziales Denken und Handeln müssen wir zuerst bei der Politik verstärkt einfordern, sie<br />

muss die Rahmenbedingungen für Gerechtigkeit definieren und festlegen. Die „Selbstauslieferung“<br />

der Politik an sogenannte wirtschaftliche Sachzwänge muss beendet werden, damit<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008


die Politik wieder der gesellschaftliche Leitsektor wird. Bei der Bevölkerung müssen wir um<br />

mehr Solidarität mit benachteiligten Menschen werben.<br />

Einfachheit und Barmherzigkeit sind Begriffe, die sehr dem persönlichen Handeln zuzuordnen<br />

sind.<br />

Dass es eine EU-weite Definition von Armutsgefährdung (= 60% des Medianeinkommens)<br />

gibt, finde ich grundsätzlich positiv, sonst könnte jeder Staat sich seine eigenen Richtwerte<br />

geben.<br />

In der Definition von Armut werden viele weitere Faktoren berücksichtigt:<br />

Primäre Faktoren sind: einmal im Jahr Urlaub zu machen, die Wohnung angemessen warm<br />

zu halten, bei Bedarf neue Kleidung zu kaufen, jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch (oder eine<br />

entsprechende vegetarische Speise) zu essen, unerwartet anfallende Ausgaben (im Ausmaß<br />

von rund 900 Euro) aus eigenen Mitteln zu tätigen oder ob der Haushalt mit Zahlungen im<br />

Rückstand ist.<br />

Sekundäre Faktoren sind:<br />

- kann sich übliche Gebrauchsgüter nicht leisten (PKW, Handy, Geschirrspülmaschine, PC,<br />

Internet, DVD-Player),<br />

- hat gesundheitliche Beeinträchtigung (wie sehr schlechter allgemeiner Gesundheitszustand,<br />

stark beeinträchtigt durch eine Behinderung oder chronisch krank),<br />

- hat Wohnungsprobleme (ohne Bad, Dusche oder WC, Feuchtigkeit und Schimmel, dunkle<br />

Räume, keine Waschmaschine/Waschküche)<br />

- hat Probleme im Wohnumfeld (Lärmbelästigung, Umweltverschmutzung, Kriminalität)<br />

Die persönliche Sichtweise, ob jemand arm oder nicht arm ist differiert manchmal zu diesen<br />

wissenschaftlichen Definitionen.<br />

arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008 61


Rundbrief<br />

Aus dem Inhalt:<br />

10-2008<br />

20. Jahrgang<br />

15. 10. 2008<br />

sozialplattform oberösterreich<br />

Verlagspostamt 4020, GZ02Z030265M<br />

Foto: <strong>Sozialplattform</strong><br />

Edeltraud Artner-Papelitzky, Bereichsleiterin Mensch & Arbeit, Christine Lengauer, AK-Vizepräsidentin<br />

und Pold Ginner, Koordinator des OÖ Armutsnetzwerks präsentieren anlässlich des Welttags<br />

‚Decent Work’ (menschenwürdige Arbeit, 7. Oktober) das Leseheft „Fair statt Prekär – atypische Beschäftigungsformen,<br />

prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen“.<br />

• WISE - Work Integration Social Enterprises ... S. 4<br />

• Erfolgreicher Widerstand gegen die erweiterte Anzeigepflicht ... S. 8<br />

• 2gether - ein neues Mentoring-Projekt ... S. 9<br />

Leseheft 4: Fair statt prekär<br />

Atypische Beschäftigungsformen -<br />

prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen<br />

... Teilzeit, Geringfügige Beschäftigung, Leiharbeit, Freie Dienstnehmer/innen,<br />

Neue Selbstständige und EPUs, Generation Praktikum, Migrant/inn/en ...<br />

Ein Leseheft des Armutsnetzwerks OÖ<br />

Gratis erhältlich unter: office@sozialplattform.at<br />

Leseheft 1: Armut und Reichtum -<br />

1.000 Milliarden Privatvermögen in Österreich<br />

Arm trotz Arbeit, Reich wird reicher, Spitzenverdiener/innen,<br />

Privatstiftungen ...<br />

Es geht um eine gerechte Umverteilung unseres Reichtums<br />

Ein Leseheft des Armutsnetzwerks OÖ<br />

Gratis erhältlich unter: office@sozialplattform.at<br />

OÖ. Sozialratgeber 2009<br />

Soziale Richtsätze<br />

Beratungs- und Betreuungsangebote<br />

Wichtige Kontaktadressen<br />

Gratis erhältlich unter: office@sozialplattform.at<br />

Rundbrief<br />

die Infodrehscheibe im oö. Sozialbereich<br />

Berichte zur sozialen Lage, Seminare, Termine, Veranstaltungen, Jobbörse,<br />

Interessantes und Neues aus sozialen Unternehmen und anderswo ...<br />

Abonnement: 26 Euro jährlich (13 Euro für Studierende)<br />

11 Ausgaben im Jahr (inkl. Sozialratgeber für OÖ)<br />

Bestellungen an <strong>Sozialplattform</strong> OÖ, Weingartshofstr. 38, 4020 Linz<br />

0732/667594, office@sozialplattform.at


Kultur<br />

für alle!<br />

„Für viele ein Neubeginn ...“<br />

Die Anforderungen an die soziale Arbeit werden<br />

ständig höher. Ein guter Überblick über jene, die sie<br />

tun und über das, was sie tun, ist daher von nicht zu<br />

unterschätzender Bedeutung. Gut 80% der sozialen<br />

Dienstleistungen, die in einer modernen Gesellschaft<br />

notwendig sind, werden vom Staat „bestellt“ und von<br />

privaten Einrichtungen erbracht. Die 6. und erweiterte<br />

Auflage bietet einen Einblick in die Welt dieser Einrichtungen.<br />

300 Sozialprojekte bzw. Sozialeinrichtungen auf 372<br />

Seiten. Ein umfangreiches Suchregister erleichtert das<br />

Finden nach Namen, Themen und Dienstleistungen.<br />

Neuauflage 2008, Erhebungsstand 2007<br />

ISBN: 978-3-9500406-5-4<br />

Preis:<br />

15 Euro (10 Euro für SchülerInnen und<br />

Studierende sowie Mitgliedsvereine)<br />

Zu bestellen:<br />

<strong>Sozialplattform</strong> OÖ, Weingartshofstr. 38, 4020 Linz<br />

Tel: 0732-667594, Fax: DW 4<br />

office@sozialplattform.at, www.sozialplattform.at<br />

Initiiert 2003 von Schauspielhaus<br />

Wien und der Armutskonferenz<br />

Auch für jene Menschen, die gerne am kulturellen Leben<br />

teilnehmen möchten, es sich im Moment aber nicht leisten<br />

können.<br />

Der Kulturpass macht es möglich. In Wien, Salzburg, der Steiermark, <strong>Oberösterreich</strong>,<br />

Vorarlberg und Tirol.<br />

Informationen unter www.hungeraufkunstundkultur.at bzw. www.kunsthunger-ooe.at

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