Systemische Konflikttransformation. Konzept und Anwendungsgebiete
Systemische Konflikttransformation. Konzept und Anwendungsgebiete
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Ziel der systemischen <strong>Konflikttransformation</strong><br />
Die systemische <strong>Konflikttransformation</strong> verfolgt das explizite Ziel, in Gewaltkonflikten zur<br />
Reduzierung von Gewalt beizutragen <strong>und</strong> durch die Aktivierung von systemeigenen<br />
Ressourcen zum Aufbau oder zur Stärkung von Unterstützungssystemen für den dazu<br />
notwendigen politischen <strong>und</strong> sozialen Wandel hin zu einer gerechten <strong>und</strong> friedlichen<br />
Gesellschaft beizutragen. Aufgr<strong>und</strong> der Zentralität der Frage nach einer gerechten Macht- <strong>und</strong><br />
Ressourcenteilung geht es im Kern der systemischen Konfliktbearbeitung auch immer<br />
darum, einheimische Schlüsselakteure sowie staatliche <strong>und</strong> nicht-staatliche Institutionen<br />
dazu zu befähigen, Formen <strong>und</strong> Prozesse von Macht- <strong>und</strong> Ressourcenteilung zu identifizieren<br />
<strong>und</strong> zu implementieren.<br />
Da sich viele Gewaltkonflikte durch eine zirkuläre Eigendynamik von Antriebsfaktoren <strong>und</strong><br />
Folgen des Konflikts auszeichnen, was dazu führt, dass ein militärisch eskalierter Konflikt<br />
sich fortlaufend reproduziert, weil die Folgen der Gewalt immer neue Gründe liefern, um die<br />
Gewalt zu verstetigen, ist es ein Ziel der systemischen <strong>Konflikttransformation</strong> diese<br />
destruktiven <strong>und</strong> pathologischer Lernschleifen im System zu identifizieren <strong>und</strong> zu bearbeiten.<br />
Anregend ist hier vor allem die von Karl W. Deutsch entwickelte “Politische Kybernetik”, in der<br />
er postuliert, dass es gerade der Zwang machtarmer Akteure zu politischem Lernen in einer<br />
vermachteten Umgebung ist, der ihnen eine vergleichsweise hohe Überlebens- bzw.<br />
Durchsetzungsfähigkeit in Krisenzeiten beschert. 14<br />
Definitionsmerkmale der systemischen <strong>Konflikttransformation</strong><br />
Zusammenfassend können also die folgende Definitionsmerkmale der systemischen<br />
<strong>Konflikttransformation</strong> benannt werden:<br />
1. Die systemische <strong>Konflikttransformation</strong> beruht auf der Einsicht, dass hoch eskalierte<br />
Inter-Gruppenkonflikte hochkomplexe "Systeme" darstellen, die nur begrenzt<br />
"modelliert" werden können, so dass sich alle Interventionen nur auf ein begrenztes<br />
Wissen stützen können.<br />
2. Umso wichtiger ist eine angemessen komplexe Konfliktanalyse, die mit einheimischen<br />
Akteuren durchgeführt wird <strong>und</strong> die insbesondere dem selbstreproduktiven Charakter<br />
vieler Inter-Gruppenkonflikte Rechnung trägt.<br />
3. Wesentlich für die Systemanalyse wie die Systemintervention ist die Notwendigkeit,<br />
die Systemgrenzen präzise zu definieren <strong>und</strong> sich der Verschachtelung von Systemen<br />
in Supra- <strong>und</strong> Subsystemen <strong>und</strong> ihrer Interdependenzen bewusst zu sein. Dabei sollten<br />
in einem Wechsel des Blickwinkels sowohl das Gesamtsystem („Vogelperspektive“) als<br />
auch einzelne Subsysteme („Froschperspektive“) fokussiert werden.<br />
4. Systeminterventionen benötigen die analytische Reduktion der Komplexität auf eine<br />
Reihe von Arbeitshypothesen, die machbare Interventionen mit "Hebelwirkung"<br />
erlauben <strong>und</strong> zur Identifikation von agents of peaceful change <strong>und</strong> der für politischen<br />
<strong>und</strong> sozialen Wandel notwendigen critical mass beitragen.<br />
5. Hilfreich ist es, Gebrauch von den Methoden angewandter Systemtheorie zu machen<br />
(insbesondere in der Organisationsberatung, Psychotherapie <strong>und</strong> Kybernetik).<br />
3.2 Normative Gr<strong>und</strong>lagen des systemischen Ansatzes<br />
Wie aus den bisherigen Erläuterungen <strong>und</strong> Beschreibungen der systemischen<br />
<strong>Konflikttransformation</strong> deutlich wurde, basiert der Ansatz auf einer Reihe von normativen<br />
Annahmen, die für dessen Verständnis überaus wichtig sind <strong>und</strong> deshalb im Folgenden<br />
expliziert werden sollen:<br />
14 Karl W. Deutsch: The Nerves of Government. Models of Political Communication and Control, London:<br />
Macmillan Press 1963.<br />
BFPS Studie – <strong>Systemische</strong> <strong>Konflikttransformation</strong><br />
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