Systemische Konflikttransformation. Konzept und Anwendungsgebiete
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Multi-track<br />
Hinter dem <strong>Konzept</strong> eines mehrgleisigen (multi-track) Ansatzes der Konfliktbearbeitung steht<br />
das Gr<strong>und</strong>verständnis, dass neben offiziellen Verhandlungen (track 1) <strong>und</strong> ICR/problemsolving<br />
workshops (track 2) noch eine ganze Reihe weiterer Akteure <strong>und</strong> Instrumente aktiviert<br />
werden müssen, um Konfliktsysteme erfolgreich zu transformieren. Während der nach Louise<br />
Diamond <strong>und</strong> John McDonald als multi-track diplomacy bezeichnete Ansatz 28 noch insgesamt<br />
9 tracks aufwies (u.a. Medien, Wirtschaft, Religion, Forschung), hat sich aber faktisch eine<br />
Aufteilung in 3 tracks durchgesetzt. Gebräuchlich ist mittlerweile auch die Zwischenfigur von<br />
track 1,5, womit entweder nicht-offizielle Dialogprozesse mit offiziellen Parteivertretern<br />
gemeint sind oder besonders hochrangige track 2 Veranstaltungen.<br />
Die 3 tracks der Zivilen Konfliktbearbeitung<br />
track 1 Bereich der offiziellen Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien (in der Regel mit<br />
Unterstützung externer staatlicher Akteure durchgeführt)<br />
track 2 nicht-offizielle Dialog- <strong>und</strong> Problemlösungsformate an denen Multiplikatoren <strong>und</strong><br />
einflussreiche Akteuren (Intellektuelle, Berater, religiöse Führungspersönlichkeiten)<br />
teilnehmen<br />
track 3 Vielzahl der in <strong>und</strong> mit der Zivilgesellschaft durchgeführten Aktivitäten (u.a. Aufbau von<br />
Institutionen, Trainingsarbeit, Friedenserziehung, „Reconciliation“, Privatsektor, Medien)<br />
Die Einführung des multi-track <strong>Konzept</strong>es war ein erster wichtiger Schritt in Richtung auf ein<br />
systemisches Verständnis der Konfliktbearbeitung. Allerdings blieb dieses <strong>Konzept</strong> lange Zeit<br />
additiv, weil wenig darüber reflektiert wurde, wie genau welche Maßnahmen auf welchen<br />
tracks miteinander kombiniert werden sollten.<br />
Friedensstrategien<br />
Der Gr<strong>und</strong>gedanke bei der Entwicklung des mehrgleisigen Ansatzes geht von der<br />
Komplementarität aus, sowohl in Bezug auf die möglichen Handlungsansätze als auch in<br />
Bezug auf die erreichbaren Adressaten. Während der multi-track Ansatz die Optionen <strong>und</strong><br />
Reichweiten unterschiedlicher Akteure auslotet, folgt der Ansatz der Friedensstrategien der<br />
Frage, welche Aufgaben bei der Deeskalation von gewaltsamen Konflikten <strong>und</strong> ihrer<br />
Transformation zu lösen sind. Johan Galtung hat diese Aufgaben als peacekeeping,<br />
peacemaking <strong>und</strong> peacebuilding beschrieben. In eine ähnliche Richtung weisen die<br />
Differenzierung in conflict management, conflict resolution <strong>und</strong> conflict transformation 29 .<br />
Offen bleibt allerdings zunächst die Frage der Sequenzierung, also wann welche<br />
Interventionen zu erfolgen haben. Während Boutros Boutros Ghali in der Agenda for Peace die<br />
Friedensstrategien in einer Sequenz von peacekeeping – peacemaking – peacebuilding stellte,<br />
verschränkte Ronald Fisher die Friedensstrategien in einer komplexeren Form, wobei er dem<br />
peacebuilding eine besondere Bedeutung zuwies. Diese Interventionsformen, die zum Ziel<br />
haben, die Beziehungen zwischen den Konfliktparteien zu verbessern, setzen an den<br />
unterschiedlichen Eskalationsstufen des Konfliktes an, um eine Basis für unmittelbar<br />
notwendige deeskalierende Maßnahmen zu schaffen. Diese Überlegungen decken sich mit<br />
den Erfordernissen an deeskalierende Strategien, die sich aus dem Konfliktmodell von<br />
Friedrich Glasl ergeben 30 .<br />
28 Louise Diamond & John McDonald: Multi-Track Diplomacy. A Systems Approach to Peace, West Hartford:<br />
Kumarian Press 1996.<br />
29 Ausführlich dazu Cordula Reimann: Assessing the State-of-the-Art in Conflict Transformation, in: Alex Austin,<br />
Martina Fischer & Norbert Ropers (Hrsg.): Transforming Ethnopolitcal Conflict - The Berghof Handbook,<br />
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004.<br />
30<br />
Ausführlich Barbara Müller & Christian W. Büttner 1996: Optimierungschancen von Peacekeeping, Peacemaking<br />
<strong>und</strong> Peacebuilding durch gewaltfreie Interventionen? Studie zur methodischen <strong>und</strong> systematischen<br />
BFPS Studie – <strong>Systemische</strong> <strong>Konflikttransformation</strong><br />
24