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Systemische Konflikttransformation. Konzept und Anwendungsgebiete

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wesentlicher Akteure (also nicht nur der nicht-staatlichen <strong>und</strong> staatlichen Gewaltakteure)<br />

hinreichend berücksichtigt werden.<br />

Zur Relevanz von Systemgrenzen<br />

Ein wesentliches Element einer guten strategischen Ausrichtung von Projekten <strong>und</strong><br />

Programmen der Friedensförderung liegt in der klaren Festlegung <strong>und</strong> Definition des<br />

Bezugssystems. Welches Konfliktsystem bzw. Subsystem adressieren die Maßnahmen?<br />

Welche Elemente gehören dazu, welche nicht? Welche Funktion spielt das Bezugssystem im<br />

übergeordneten (Konflikt)System? Wie lassen sich Maßnahmen auf der gesellschaftlichen<br />

Mikro- <strong>und</strong> Mesoebene mit Veränderungen auf der Makroebene verbinden?<br />

In der Praxis der Friedensförderung wird das Bezugsystem in der Regel territorial bestimmt,<br />

seltener thematisch („Gewalt in der Schule“; „Verbreitung von Kleinwaffen“) oder<br />

akteursbezogen („Palästinensische Jugendliche“; „Flüchtlingsfrauen“). Die Betrachtung von<br />

Gewaltkonflikten im Rahmen des Territoriums bzw. des Souveränitätsbereichs des jeweiligen<br />

Staates ist eine überaus pragmatische Lösung – obwohl es natürlich zu beachten gilt, dass<br />

• vielfach auch regionale Faktoren (z.B. durch das Engagement von Akteuren in den<br />

Nachbarsstaaten) eine wichtige Rolle im Konflikt spielen; 44<br />

• die territoriale Grenzziehung an sich einer der Konfliktgegenstände sein kann (wie im<br />

Türkei-Kurdistan Konflikt);<br />

• auch innerhalb der Landesgrenzen Bevölkerungsgruppen <strong>und</strong> Regionen in der Regel<br />

in ganz unterschiedlichem Maße betroffen sind; <strong>und</strong><br />

• die faktische Souveränität des Staates oft auf einen Teil der Landesfläche begrenzt ist.<br />

Ähnliche Einwürfe können auch bei thematischen oder akteursbezogenen Begrenzungen<br />

gemacht werden. Dennoch ist es wichtig, das Konfliktsystem klar zu begrenzen, um nicht<br />

darauf zu verfallen, dass letztlich alles mit allem zusammenhängt <strong>und</strong> wir auch die<br />

Weltwirtschaft <strong>und</strong> den Klimawandel als Teil des Konfliktsystems berücksichtigen müssen.<br />

Gleichzeitig ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Definition der Systemgrenzen eine<br />

politische Setzung ist <strong>und</strong> damit Teil der Auseinandersetzung zwischen den Konfliktparteien.<br />

So tendieren dominante Gruppen dazu, die Konfliktursachen an der gegnerischen Gruppe<br />

festzumachen (z.B. deren Armut, mangelnde Bildung, ungenügender Bürgersinn) <strong>und</strong> eigene<br />

Anteile zu übersehen. Dahingegen insistieren schwächere Gruppen häufig darauf, auch<br />

übergreifende Strukturen (z.B. Interessen von mächtigen Drittparteien) in die Konfliktanalyse<br />

einzubeziehen. Das militärische Engagement von Großmächten ist mitunter ein wesentlicher<br />

Faktor zur Bearbeitung lokaler Konfliktkonstellationen. Gelegentlich wird dieser Faktor aber<br />

als Vorwand für mangelndes Engagement genutzt oder stellt ein Tabuthema in<br />

konventionellen entwicklungspolitischen Konfliktanalysen dar.<br />

<strong>Systemische</strong> Ansätze räumen der Frage der Systemgrenzen eine zentrale Rolle ein. Für Niklas<br />

Luhmann etwa ist die „Differenz von System <strong>und</strong> Umwelt“ ein konstituierendes Merkmal von<br />

Systemen. 45 In der Familienberatung- <strong>und</strong> Therapie ist es ebenfalls wie in der<br />

Organisationsberatung wichtig, zu unterscheiden, welches Bezugssystem zur Gr<strong>und</strong>lage der<br />

Beratung <strong>und</strong> zur Identifikation von Lösungsvorschlägen ausgewählt wird. Zur Auswahl der<br />

relevanten Grenzen werden die Kategorien „Sinn“ <strong>und</strong> „wichtige Interaktionen“<br />

vorgeschlagen: „Soziale Systeme konstituieren ihre Grenzen also entlang der Frage, welches<br />

44 Vgl. Michael Pugh <strong>und</strong> Neil Cooper mit Jonathan Goodhand, War Economies in a Regional Context: the<br />

Challenge of Transformation, Boulder CO: Lynne Rienner 2004.<br />

45 Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Gr<strong>und</strong>riß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1984, S 35:<br />

„[Systeme] konstituieren <strong>und</strong> erhalten sich durch Erzeugung <strong>und</strong> Erhalt einer Differenz zur Umwelt, <strong>und</strong> sie<br />

benutzen ihre Grenzen zur Regulierung dieser Differenz.“<br />

BFPS Studie – <strong>Systemische</strong> <strong>Konflikttransformation</strong><br />

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