Einige Bemerkungen zur poststrukturalistischen ... - Roger Behrens
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Seite 11<br />
zu falten.« 20 – Das Nomadische oder die Multitude können als der<br />
Versuch verstanden werden, jenseits der »Identität« und<br />
»Repräsentation« das Kollektivgefühl <strong>zur</strong>ück zu gewinnen: das<br />
Gemeinschaftserlebnis. (»Wobei aber endlich einmal festgestellt werden<br />
muss, dass es nichts Langweiligeres und Geistloseres gibt als Bob Dylan,<br />
Patti Smith, Pierre Boulez, Sonic Youth ff.«). Barock ist Flucht in die<br />
Kulturgeschichte; man glaubt, damit den Subjektivismus zu überwinden,<br />
indem man ihn stärkt.<br />
* * *<br />
Wir räumen Gilles Deleuze zahlreiche Vorteile ein. Wir nehmen ihn als<br />
Autor ernst, obwohl nicht nur die Autorschaft in Frage steht (zumindest<br />
im postmodernen Diskurs), sondern auch zahlreiche andere<br />
Theorieansätze in ihrer Autorität in Frage stehen. Die kritische Theorie,<br />
die ihre Hauptwerke <strong>zur</strong> selben Zeit fertig stellte wie Deleuze ›Differenz<br />
und Wiederholung‹ – Adornos ›Negative Dialektik‹ von 1966, Marcuses<br />
›Der eindimensionale Mensch‹ von 1964 –, erscheint nachgerade obsolet,<br />
unbedeutend, für eine Linke nicht mehr brauchbar, sogar widerlegt (wer<br />
hat eigentlich jemals Adorno oder Marcuse widerlegt?).<br />
Kritische Theorie ist durch vier Bereiche zu bestimmen:<br />
Erkenntniskritik, Kritik der Geschichte, Kritik des Unbewussten und<br />
des Bewusstseins (Ideologiekritik versus Psychoanalyse) und Kritik der<br />
politischen Ökonomie. Schlüsselbegriffe: Konkrete Totalität, Gesellschaft,<br />
Dialektik, Praxis, strukturelle Dynamik, Krise, historischer<br />
Materialismus, Utopie und Befreiung. Das Zentrum: die Emanzipation des<br />
Subjekts. Dass die Revolution bisher ausblieb, ist kein Problem der<br />
Theorie, sondern ein Problem der Praxis (Löwenthal : »Wir haben nicht<br />
20 Gilles Deleuze, ›Die Falte. Leibniz und der Barock‹, Frankfurt am Main 1995,<br />
S. 226. Die Musik – die alte Universalsprache – ist das Haus; eine<br />
Heideggeranspielung sicherlich, der die Sprache das Haus des Seins nannte.<br />
Übrigens: der Heideggertext, der zum Schluss von ›Differenz und Wiederholung‹<br />
zitiert wird, ist ›Dichterisch wohnet der Mensch …‹.