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Einige Bemerkungen zur poststrukturalistischen ... - Roger Behrens

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Seite 13<br />

Die Frage stammt von Spinoza. 23 Es geht um das politische Mittel des<br />

Aberglaubens, mit dem die Menge (Multitude) getäuscht wird – eine<br />

Ideologiekritik, die Spinoza hier im ›Tractatus theologico-politicus‹<br />

entwirft (anonym 1670 in Hamburg veröffentlicht): »Wenn es in<br />

monarchischen Staaten als das wichtigste Geheimmittel gilt, und es da<br />

vor Allem darauf ankommt, die Menschen im Irrthum zu erhalten und<br />

die Furcht, mit der man sie bändigt, unter dem glänzenden Namen der<br />

Religion zu verhüllen, damit sie für ihre Sklaverei, als wäre es ihr Glück,<br />

kämpfen und es nicht für schmählich, sondern für höchstehrenvoll<br />

halten, ihr Blut und Leben für den Uebermuth eines Menschen<br />

einzusetzen: so kann doch für Freistaaten nichts Unglücklicheres als dies<br />

erdacht und versucht werden, da es der allgemeinen Freiheit geradezu<br />

widerspricht, wenn das freie Urtheil des Einzelnen durch Vorurtheile<br />

beengt oder sonst gehemmt wird. Jene Aufstände aber, die unter dem<br />

Schein der Religion erregt werden, entspringen nur daraus, dass man<br />

über spekulative Fragen Gesetze erlässt, und dass blosse Meinungen wie<br />

Verbrechen für strafbar erklärt und verfolgt werden. Die Vertheidiger<br />

und Anhänger solcher Meinungen werden nicht dem Wohle des Staats,<br />

sondern nur der Wuth und dem Hasse der Gegner geopfert. Wenn nach<br />

dem Rechte eines Staates nur Handlungen verfolgt würden, Worte aber<br />

für straflos gälten, so könnten solche Aufstände mit keinem<br />

Rechtsvorwande beschönigt werden, und blosse Streitfragen würden<br />

sich in keine Aufstände verwandeln.« Eine Verteidigung des Freistaates,<br />

die der vom Antisemitismus und politisch verfolgte Spinoza auch im<br />

eigenen Interesse formuliert.<br />

Deleuze und Guattari übersetzen die Frage, warum die Menschen für<br />

ihre Unterdrückung kämpfen als sei es für ihr Wohl, transformieren<br />

aber auch die Verteidigung des bürgerlichen Rechtsstaates in die<br />

assoziative Politik der Selbstanklage: »Nur der Mikro-Faschismus gibt<br />

eine Antwort auf die allgemeine Frage: Warum begehrt das Begehren<br />

23 Zitiert von: Katja Diefenbach, ›[The crack up:] Kapitalismus verstehen‹, in:<br />

jour-fixe-initiative berlin (Hg.), ›Kritische Theorie und Poststrukturalismus‹,<br />

Hamburg 1999, S. 82. Auch, ohne Zitatangabe, von: Elfriede Müller, ›Die<br />

Fluchtlinien des Gilles Deleuze‹, in: Ebd., S. 100.

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