Einige Bemerkungen zur poststrukturalistischen ... - Roger Behrens
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Seite 9<br />
nicht denkbar sind. Das ist dieselbe Geschichte wie in der Musik, wenn<br />
sie ein Klangmaterial ausarbeitet, um Kräfte hörbar zu machen, die es an<br />
sich nicht sind. In der Musik geht es nicht mehr um ein absolutes Ohr,<br />
sondern um ein unmögliches Ohr, das sich auf jemand legen kann,<br />
kurzzeitig jemand überkommen kann. In der Philosophie geht es nicht<br />
mehr um ein absolutes Denken, sondern um ein unmögliches Denken,<br />
d.h. um die Ausarbeitung eines Materials, das Kräfte denkbar macht, die<br />
es nicht durch sich selbst sind.« 15<br />
Das Zentrum: Heidegger und der Barock. Und jetzt: Die Öffnung »auf<br />
eine Wegstrecke oder Spirale hin, die sich immer weiter von einem<br />
Zentrum entfernt.« 16 Die Peripherie, und der Wunsch des dezentrierten<br />
Subjekts wenigstens am Rande (politische) Bedeutung zu bekommen. Die<br />
Krise des Kapitalismus und die Krise der Linken, die sich ohne<br />
Wissbegehren, ohne Interesse, ohne Utopie und ohne Materialismus<br />
begeistert: Das Theatrum philosophicum ist ein Guckkastentheater, ein<br />
Puppentheater, nicht einmal eine Schaubühne als moralische (politische)<br />
Anstalt. Es geht ums Außen, ohne die fundamentalontologische<br />
Innerlichkeit zu verlassen; man versteht Heidegger hier sehr genau 17 : Es<br />
gibt wieder einen Grund; und wieder ist dieser Grund scheinbar<br />
konkret. 18 Zur Philosophie Leibniz’ gehört der brillante Satz, dass wir in<br />
der besten aller denk-möglichen Welten lebten. Wie im kritischen<br />
Rationalismus wird das kleine Präfix ›Denk‹ weggestrichen, im Glauben,<br />
damit den idealistischen Rationalismus in materialistische Kritik<br />
überführt zu haben – das heißt bei Popper wird es weggestrichen, bei<br />
Deleuze und Guattari müsste freilich stehen: Wir leben in der besten aller<br />
begehrens-möglichen Welten. Die kritische Theorie postuliert: Dieses ist<br />
15 Gilles Deleuze, ›Die musikalische Zeit‹, http://www.webdeleuze.com/php.<br />
16 Gilles Deleuze, ›Die Falte. Leibniz und der Barock‹, Frankfurt am Main 1995,<br />
S. 226.<br />
17 Anders als Sartre, der Heidegger in produktiver Weise missverstand …<br />
18 Vgl. Günther Anders, ›On the Pseudo-Concreteness of Heidegger’s<br />
Philosophy‹, in: Philosophy and Phenomenological Research, New York (März 1948)