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Einige Bemerkungen zur poststrukturalistischen ... - Roger Behrens

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Seite 5<br />

abstraktes ›Kollektivgefühl‹, das sie zu empfinden glauben, oder wie es<br />

dumpf heißt: das Gemeinschaftserlebnis, im Barock zu finden. Wobei<br />

aber endlich einmal festgestellt werden muss, dass es nichts<br />

Langweiligeres und Geistloseres gibt als zweit- und drittklassige<br />

Barockmusik. Barockstil heute ist die Flucht in die Musikgeschichte.<br />

Komponisten dieses Stils glauben, damit die verfeinerte, allerdings auch<br />

überhitzte Subjektivität der alten Avantgarde überwunden zu haben<br />

und sich sozial zu benehmen. Ich halte das für dumm, weil sie die<br />

Wirklichkeit, die viel komplizierter ist und die man nicht weg-<br />

eskamotieren kann, durch Barock-Sequenzen zu verkleistern<br />

versuchen.« 1<br />

Eisler stirbt 1962; 1966 referiert sein schwieriger Freund und Kollege<br />

Theodor W. Adorno in Berlin zum Thema ›Der missbrauchte Barock‹:<br />

»Barock ist ein Prestigebegriff. Durch den Namen hielt wie durch ein Tor<br />

die Kulturindustrie, spätestens seit dem Rosenkavalier, Einzug in die<br />

Kultur … Nur das Unspezifische und Vage, wozu der Barock dem<br />

gegenwärtigen Bewusstsein sich verdünnte, erlaubt den universalen<br />

Gebrauch des Namens … Dies Bewusstsein passt gut zu der Kultur, auf<br />

die es schwört. Bequem vermag einer als Anhänger der Barockmusik<br />

sich zu bekennen, ohne in deren Vorrat viel zwischen den einzelnen<br />

Autoren und Werken zu unterscheiden.« 2<br />

Die Barockmode gab es damals nicht nur in der Musik. In der Sehnsucht<br />

nach dem Ornament und einem Verspielten, das von dem ökonomischen<br />

Regime der abstrakten Arbeit noch weit entfernt ist, spiegelt sich die<br />

Ideologie des Spätkapitalismus, die fortgeschrittene Gesellschaft, die den<br />

geschichtlichen Takt des Fortschritts gerade zu überwinden trachtet: Die<br />

postindustrielle Gesellschaft, die Nachgeschichte, der Umschlag des<br />

Fordismus in Post-Fordismus. In dieser Zeit erfährt aber auch das<br />

idealistische System Hegels, durch den Nationalsozialismus ohnehin<br />

desavouiert, seine materialistische Korrektur: Herbert Marcuse<br />

1 Hanns Eisler, ›Über die Dummheit in der Musik‹, in: Ders., ›Materialien zu<br />

einer Dialektik der Musik‹, Leipzig 1976, S. 251.<br />

2 Theodor W. Adorno, ›Der missbrauchte Barock‹, in: GS Bd. 10·1, S. 401 f.

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