Einige Bemerkungen zur poststrukturalistischen ... - Roger Behrens
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Seite 16<br />
sondern Unfug ist. Eine Philosophie kann die immanente Kritik<br />
<strong>zur</strong>ückweisen, klärt damit aber nicht ihre Unstimmigkeiten. Was tun?<br />
[Anmerkung: Der nachfolgende Absatz entfiel in der Radiosendung, weil er sich<br />
unmittelbar auf den Umgang mit Deleuze in der Lesegruppe bezieht, für die dieser<br />
Text ursprünglich verfasst wurde.]<br />
Ein ganz einfacher Einwand gegen Deleuze’ Zurückweisung der systematischen<br />
Totalität von Allgemeinem und Besonderem ergibt sich durch den Umstand, dass wir<br />
eine Lesegruppe sind, in der wir alle dasselbe Buch lesen, alle den gleichen Text<br />
haben: Ein allgemeiner Zusammenhang mit einem besonderen Interesse (Deleuze, die<br />
Linke, Lesen, Verstehen, Diskutieren etc.). Meinethalben kann man die Denkfigur<br />
durchspielen, dass dieses Buch aber nur eine Wiederholung einer Singularität sei, ein<br />
Urtext etc. Aber das macht a) keinen Sinn, weil wir uns alle zum Beispiel auf die<br />
Allgemeinheiten von Sprache (ein übersetzter Text; manche haben<br />
Französischkenntnisse, andere kennen philosophische Fachbegriffe, können<br />
Anspielungen nachvollziehen …) und auf die Allgemeinheit der Diskutierbarkeit,<br />
Disputierbarkeit und Lesbarkeit von Ideen beziehen (in jedem Buch steht dasselbe,<br />
dieselben Buchstaben …, Treffen – wir hatten eine schöne, Deleuze widerlegende<br />
Unstimmigkeit über den Termin –, soziales Verhalten, pädagogisches Verhalten etc.).<br />
Als Ereignis, als Wiederholung der Singularitäten wäre die Lesegruppe gar nicht<br />
möglich, ja: wir hätten wahrscheinlich nicht einmal Bücher, Texte, Schrift <strong>zur</strong><br />
Verfügung. Allein die Annahme, dass der Philosoph sein Philosophieren in<br />
Singularitäten preisgibt, ist widersinnig: nicht ein anderer Nietzsche zu zitieren wäre<br />
denkbar, die Streit um die Bedeutung seiner Figur der Wiederkunft, sondern<br />
Nietzsche, Zarathustra und all die anderen könnten gar nicht benannt werden. Da<br />
aber kaum vorstellbar ist (auch wenn die bürgerliche Ideologie durchaus<br />
spektakuläre Widersinnigkeiten kennt), dass Deleuze vorsätzlich solche, sagen wir<br />
mal, groben Fehler in der zugegeben schwierigen Arbeit am Begriff unterlaufen, kann<br />
nur ein anderes, nicht rein wissenschaftliches Interesse unterstellt werden. Aber:<br />
Kann überhaupt ein Interesse unterstellt werden? Immer wieder die Frage: Was ist<br />
Deleuze’ Problem?<br />
Es wurde mehrfach darauf insistiert, dass Deleuze politisch sei, Marxist<br />
sei (sich selber so nenne), als Kommunist eingreife in die Ereignisse des<br />
Mai 68, die KP kritisiere etc. Man mag sich streiten, ob <strong>zur</strong> marxistischen<br />
Theorie die Dialektik gehört oder nicht. Und der erste, der die Dialektik<br />
zumindest entmachtete, sie <strong>zur</strong> Denkweise, <strong>zur</strong> Widerspiegelung, zum<br />
schlechten Positivismus degradierte und enthistorisierte, war: Stalin