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daß er etwas Zeitloses, Konstantes beschreibt, das als Ausdruck eines kollektiven<br />

Volkscharakters verstanden wird. Viele Fachvertreter haben sich mit derartigen<br />

Fragestellungen, die nach dem Verhältnis der Kunst zu „Blut und Boden“ ausgerichtet<br />

sind, beschäftigt und somit die Kunstgeschichtsschreibung auf Ziele gerichtet, die hinter<br />

dem Kunstwerk liegen.<br />

Die veränderten Bewertungsmaßstäbe verliefen kongruent mit der zeitgenössischen<br />

Gotikdeutung, die in dieselbe Richtung tendiert. 51 1911 erschien Wilhelm Wörringers<br />

Werk Formprobleme der Gotik 52 , mit dem der Autor den Versuch unternahm, das<br />

Wesen gotischen Kunstschaffens zu definieren. Gotik bedeutet für Wörringer ein<br />

letztendlich national determiniertes Formgefühl, eine überzeitliche nationale Eigenschaft<br />

des Deutschen. 53 Die Vorstellung, die Gotik als Manifestation des germanischen<br />

Geistes zu deklarieren, den es gegen fremde Einflüsse zu verteidigen gilt, hat ihre<br />

Wurzeln bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert. 54 Die kunsthistorische Forschung<br />

mußte zwar das Wunschbild vom germanischen Ursprung der Kathedrale zerstören,<br />

nicht aber den Gla<strong>ub</strong>en an ihre nationale Inanspruchnahme, 55 und so widerstand die<br />

Parallelisierung von gotisch - national - deutsch dem wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisstand. Gotik als Synonym für einen überzeitlich wirksamen Nationalcharakter<br />

im Sinne Wörringers war eine popularisierte Auffassung, 56 die romantisches<br />

Gedankengut aktualisierend und ideologisierend weiterführte. „Die Vorstellung, es<br />

könne so etwas wie das „Deutsche“ in der Kunst seit der Germanenzeit geben, das,<br />

losgelöst von geschichtlichen Ereignissen und unabhängig von den Faktoren der<br />

Tradition und Rezeption in einem Volk für alle Zeiten verbindlich ist, hatte sich über zwei<br />

Jahrhunderte hinweg hartnäckig gehalten.“ 57<br />

51 Grundlegend zu diesem Thema: M. Bushardt 1990.<br />

52 W. Wörringer zielte mit diesem Werk auf eine Belebung der wissenschaftlichen Diskussion, die über<br />

die „bloße Eruierung und Fixierung der historischen Fakten“ (1911, 2) methodisch hinausgeht und die<br />

das Fachgebiet mit psychologischen Inhalten aufwertet.<br />

53 Die neue Gotikdefinition, wie sie Wörringer popularisierte, stand in enger Wechselbeziehung zur<br />

Moderne, indem die Gotik als einer der wesentlichen Bezugspunkte für den innovativen Impuls der Kunst<br />

des 20. Jahrhunderts, besonders des Expressionismus, vereinnahmt wurde. Der Rückbezug lag darin<br />

begründet, daß die Vergleichswerte zwischen Expressionismus und Gotik in einem überzeitlich<br />

wirksamen Formgefühl, in einer eng verwandten Weltsicht zum Ausdruck kommt. Während die<br />

Fachkollegen kritisierten, Wörringers These sei im Hinblick auf die Gegenwartskunst verfasst worden und<br />

könne demzufolge der Historie nicht gerecht werden, sahen die Künstler und Verfechter der Moderne<br />

darin die Möglichkeit, ihr zu dieser Zeit umstrittenes Schaffen aus dem Vergangenheitsbezug heraus zu<br />

rechtfertigen. Vgl. M. Bushardt 1990, 21-34.<br />

54 Deutsches Wesen, Naturgefühl und Sakralität sind die Facetten des romantischen Gotikbildes. Die<br />

Vereinnahmung der gotischen Architektur als deutsches Erbe durch J.W. Goethe mit seiner Schrift Von<br />

deutscher Baukunst (1772) wurde von den Romantikern zum nationalen Symbol erhoben. F. Schlegel<br />

(1823) parallelisierte gotisch und deutsch in Bezug auf das deutsche Naturgefühl, welches in der<br />

gotischen Konstruktionstechnik zum Ausdruck kommt. Das 19. Jahrhundert ist zwar Schöpfer dieser<br />

facettenreichen Synthese, doch sind ihre Bestandteile überliefertes Gedankengut der Renaissance und<br />

gehen auf G. Vasaris ablehnendes Urteil über jenen barbarisch anmutenden Stil, den er deutsch nannte,<br />

zurück. Zur Gotikrezeption siehe H. Gärtner 1981, 34-52. - H. Lützeler 1925, 9-33. - N. Nußbaum, (1985)<br />

1994, 1-10. - W. Sauerländer 1997, 210-218.<br />

55 So ging beispielsweise die Inanspruchnahme der Elisabethkirche als maßgebender<br />

entwicklungsgeschichtlicher Bau so weit, daß man den Vorbildbau, den Chor von St. Léger in Soisson,<br />

als ein Werk deutscher Bauleute ansprach. Vgl. H.J. Kunst 1983, Kat. 1, 11-13. Besonders anschaulich<br />

läßt sich die nationale Verwertbarkeit der Gotik an der Geschichte der Vollendung des Kölner Doms<br />

verfolgen. Siehe hierzu die einzelnen Beiträge in H. Borger (Hg.) 1980, Kat., Bd. 2.<br />

56 Zur Apologie des Gotikbildes als deutscher Nationalstil siehe vor allem das Kapitel Expressionismus<br />

und Gotik als deutsche Nationalstile bei M. Bushardt 1990, 93-129.<br />

57 M. Bushardt 1990, 224.<br />

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