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eruhen und fühlten sich zur Revision herausgefordert. 63 Man könnte diese Polemik als<br />
politisch bedingtes Intermezzo sehen, aber auch nach dem Krieg wurde weiterhin die<br />
Frage nach dem spezifisch Deutschen in der Kunst gestellt. Die Niederlage von 1918<br />
führte zu einer neuen Interpretation der deutschen Identität und kulturellen Tradition, die<br />
davon überzeugen sollte, daß das deutsche Kunstschaffen einen wesentlichen Beitrag<br />
zur europäischen Kultur geleistet hat. 64 Die kunsthistorische Polemik aus der Zeit des<br />
ersten Weltkrieges wurde in der deutschen Kunstgeschichtsschreibung<br />
weiterentwickelt; sie findet besonderen Ausdruck in den Theorien zu den<br />
Sonderleistungen, 65 in denen der spezifisch deutsche Beitrag zur europäischen<br />
Kunstgeschichte herausgearbeitet wird, und steht in engem Zusammenhang mit den<br />
Zielsetzungen der Kunstgeographie.<br />
Das Dargestellte ließe sich dem komplexen Sachverhalt entsprechend beliebig<br />
erweitern und differenzieren. Es ging mir darum, anhand von repräsentativen Beispielen<br />
einige Aspekte des kunstwissenschaftlichen Kontextes zu umreißen, in den die<br />
P<strong>ub</strong>likationen über die Grabmalgruppe allein schon durch ihr Erscheinungsjahr<br />
eingebunden sind. Bestimmte Schwerpunkte und Auffassungen können nur im<br />
Zusammenhang mit den allgemeinen Tendenzen innerhalb der kunstgeschichtlichen<br />
Disziplin nachvollzogen werden. Bei der Erschließung bislang unbeachteter<br />
Forschungsgebiete, wie das der regionalen Plastik des 14. Jahrhunderts, spielte die<br />
fachinterne Entwicklung mit ihren methodisch begrenzten Möglichkeiten und<br />
entwickelten Bewertungsmaßstäben eine wesentliche Rolle und färbte auf die<br />
Diskussion ab. Die einstimmige Auslegung, daß die Grabmalgruppe ungeachtet ihres<br />
Ursprungs Ausdruck deutscher Kunst ist, entspricht der Auffassung, die von der<br />
zeitgenössischen Gotikforschung popularisiert wurde. Auch die Tendenz, Kunst als<br />
Ausdruck des Volkscharakters zu interpretieren, war in der<br />
Kunstgeschichtswissenschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in und auch<br />
außerhalb Deutschlands fest verankert. Zusammenhängend mit der Erfassung<br />
regionaler Stilphänomene wurde seit den zwanziger Jahren die Vorstellung von der<br />
Stilepocheneinheit und ihrer immanenten Gesetzmäßigkeit, wie sie von Alois Riegl,<br />
Heinrich Wölfflin und Max Dvorák postuliert wurde, notwendigerweise relativiert. Mit<br />
Erklärungsmodellen, die entweder das Individuum als Referenzpunkt beinhalten oder<br />
die sich auf Generationstheorien stützen, versuchten die Verfasser eine anonyme und<br />
starre Kunstbetrachtung zu umgehen. Die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen wie<br />
Wilhelm Pinder die Inhomogenität eines Zeitraumes bezeichnet, 66 verlangte nach einem<br />
offenen Begriffsapparat, der aus formalen Kriterien entwickelt wurde. Dementsprechend<br />
läßt sich die methodische Vorgehensweise dieser P<strong>ub</strong>likationen in erster Linie als<br />
formal-analytisch beschreiben, eine wirklich stilanalysierende Vorgehensweise ist nur<br />
63 Die Beiträge von deutscher <strong>Seite</strong>, so von Paul Clemen, Kurt Gerstenberg, Cornelius Gurlitt, Jozef<br />
Strzygowski, Rudolf Kautsch - um nur einige zu nennen - erschienen ebenfalls in den Monatshefte(n) für<br />
Kunstwissenschaft.<br />
64 M. Halbertsma 1992, 127.<br />
65 Neben W. Pinder (1944) ist unter anderen K. Gerstenberg (1914) zu nennen. In seiner Dissertation<br />
verfolgt er das Ziel, den spezifisch deutschen Charakter der Architektur des Spätmittelalters<br />
nachzuweisen. Bernd Faulenbach untersucht in seiner Veröffentlichung Ideologie des deutschen Weges<br />
(1980) die historische <strong>Seite</strong> der kunsthistorischen Sonderleistung.<br />
66 W. Pinder 1961 (1926), 41. Vgl. Anm. 45.<br />
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