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II. Erster Teil: Kontextuelle Einbindung der Memorien in ihr<br />
historisches, topographisches und soziales Umfeld<br />
1. Marburg: Die Landgrafentumben in St. Elisabeth<br />
Der sogenannte Landgrafenchor der Elisabethkirche (Abb. 1-3) war bis zur Reformation<br />
die Grablege der hessischen Landgrafen. Von den insgesamt achtzehn Memorien<br />
bestimmen acht Hochgräber, nach dem linearen Ordnungsprinzip in zwei Reihen<br />
aufgestellt, das Raumgefüge des Südchores. Die östliche Reihe umfasst die ältesten<br />
Grabmemorien, 1 darunter auch die Pleurant-Tumben des 14. Jahrhunderts: das<br />
Doppelgrab der Landgrafen Heinrich des Älteren (+1308) und Heinrich des Jüngeren<br />
(+1298) und das Einzelgrab des Landgrafen Otto (+1328). Bei der westlichen<br />
Tumbenreihe handelt es sich ausschließlich um Grabmemorien aus dem 15. und 16.<br />
Jahrhundert. 2 Die heutige Aufstellung und Binnenstruktur der Hochgräber geht zwar auf<br />
die nach der Hochwasserkatastrophe von 1847 unmittelbar erfolgte Restaurierung und<br />
Neuaufstellung zurück, reproduziert aber im wesentlichen einen schon im Mittelalter<br />
bestehenden musealen Zustand. 3<br />
1.1. St. Elisabeth: Ordens-, Wallfahrts- und Begräbniskirche<br />
Das Grab der Landgräfin sei nach ihrer Heiligsprechung eine „aufblühende Wall-<br />
fahrtsstätte“ 4 - vergleichbar mit „dem Grab des hl. Jakob in Santiago de Compostela“ 5 -<br />
gewesen, über welcher der Deutsche Orden als Hüter ihrer Reliquien „den Bau der<br />
großen Ordens- und Wallfahrtskirche“ 6 verwirklichte. Die Inanspruchnahme der<br />
1<br />
Von Norden aus gelesen ergibt sich folgende Abfolge: 1.) Landgraf Konrad von Thüringen (+ 1240), 2.)<br />
Adelheid von Braunschweig (+1274), 3.-4.) Doppel- und Einzelgrab, 5.) Landgraf Ludwig I. (+1458), 6.)<br />
Margarete von Nürnberg und ihr Sohn Hermann (+1406).<br />
2<br />
Eine Auflistung bei E. Leppin 1983, 48-49. Zehn weitere Memorien, vorwiegend aus dem 16. Jh., sind<br />
an die Wand des Polygons montiert. Siehe E. Leppin ebd., 51.<br />
3<br />
Infolge der Überschwemmung des Ketzerbaches 1847 wurde der Boden des Landgrafenchores so<br />
stark unterspült, daß die mangelnde Fundamentierung ein Absinken der Tumben bewirkte. Da man unter<br />
dem Südchor ein Grabgewölbe vermutete und dessen Einsturz befürchtete, wurden die Hochgräber auf<br />
Veranlassung des Archivars G. Landau demontiert und provisorisch in dem Hochchor untergebracht. Das<br />
Doppelgrab wurde in 15 Stücke, das Einzelgrab in 24 Teile zerlegt. Durch den Gebrauch von Brecheisen<br />
erfolgten Beschädigungen in Form von Absprengungen und Abbruchstellen, die bei der Restaurierung<br />
rekonstruiert wurden. Die Befunde der von F. Lange unternommenen Grabung ergaben folgende<br />
Situation: Anstelle eines Grabgewölbes zeigten sich ca. 5 Fuß unter dem Boden einfache in Steinplatten<br />
eingeschlossene Gräber aus Eichenholzsärgen. Die 1854 erfolgte Neuaufstellung richtete sich vor allem<br />
nach den Aufzeichnungen W. Bückings (1884 p<strong>ub</strong>liziert), der seine Erinnerung über den Zustand vor der<br />
Wiederherstellung schriftlich niedergelegt hatte. Bückings Lokalisierung entspricht dem vor 16<strong>00</strong><br />
entstandenen kommentierten Skizzenbuch des Chronisten W. Dilichs. Daraus ergibt sich, daß in der Zeit<br />
vom Ende des 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine Veränderungen in dem Raumgefüge<br />
vorgenommen worden sind. Ein Unterschied zu dem heutigen Zustand ist, daß die Tumben in ihrer<br />
Binnenstruktur wesentlich dichter aneinander gerückt waren. Zur Grabung und Neuaufstellung siehe G.<br />
Landau 1850, 184-195. - F. Küch 1903, 145-215. - L. Müller 1905. Der Grabungsbericht F. Langes ist im<br />
Anhang bei F. Küch 1903, 215-225, veröffentlicht.<br />
4<br />
U. Braasch-Schwersmann 1989, 245.<br />
5<br />
M. Werner 1980, 121-164, hier 159.<br />
6<br />
M. Werner ebd., 153.<br />
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