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welcher zugleich den primären Funktionszusammenhang des Ne<strong>ub</strong>aus konstituiert: die<br />
Liturgie der Ordensgemeinschaft. 30<br />
Die Etablierung eines geistlichen Ordens bringt naturgemäß einen neuen Standard an<br />
liturgischen Grundbedingungen mit sich, die sich quantitativ eindrucksvoll belegen<br />
lassen: Allein schon die Festlegung der Marburger Kommende auf dreizehn<br />
Klerikerpfründe, davon sieben Priesterstellen, stellt eine außerordentlich hohe Zahl dar,<br />
zumal die Ordensregel für eine Niederlassung nur eine Priesterstelle vorsah. 31 Diese<br />
imposante liturgische Erstausstattung wurde durch die Dotation des späteren<br />
Hochmeisters Konrad von Thüringen noch vor seinem Ordenseintritt realisiert. Bis 1319<br />
wuchs die Zahl der Priesterstellen durch Stiftungen auf elf an. 32 Nicht nur die Quantität<br />
der Pfründe spricht für eine großzügig dimensionierte Liturgie, sondern auch die<br />
Qualität, zieht man das Stundengebet als das gottesdienstliche Standardprogramm der<br />
Ordens- gemeinschaft in Betracht. Das Chorgebet wird allerdings nur durch das Gestühl<br />
und die Reste zweier Sonnenuhren 33 bezeugt, weshalb keine ortsspezifischen<br />
Aussagen diesbezüglich zu machen sind.<br />
Seit Fertigstellung des Trikonchos unternahm der Konvent eine kontinuierliche<br />
Ausstattungskampagne des Chorbereichs, deren einzelne Maßnahmen eine zu-<br />
nehmende Abschottung des liturgischen Zentrums darstellten. 34 Das in die zweite Hälfte<br />
des 13. Jahrhunderts datierte Chorgestühl markiert eine wesentliche Etappe in dem<br />
Hermetisierungsprozeß. Bezeichnend ist nicht nur die Größe beziehungsweise die hohe<br />
Anzahl der Stallen, 35 sondern vor allem die Positionierung des liturgischen Mobiliars,<br />
welche einen erheblichen Eingriff in die Raumstruktur des Trikonchos darstellt. Bis an<br />
die westlichen Pfeiler ist das Gestühl in seiner rechteckigen Grundrißform in die Vierung<br />
eingezogen und zergliedert dadurch rigoros den Ostbereich in einzelne Kompartimente,<br />
in einzelne Funktionsbereiche (Abb. 1). Die Positionierung verhindert nicht nur vollends<br />
die Kommunikation zwischen Nord- und Südkonche, sondern markiert, durch die<br />
Chorschranke verstärkt, die Barriere zwischen Laien- und Ordensliturgie. „Der Vorstoß<br />
der Choristen ins Zentrum - die militärische Sprache mag beim Ritterorden nicht<br />
unangebracht erscheinen - spaltet den Bau, er schneidet für sie das Herzstück heraus<br />
und läßt keinen Zweifel mehr an der primären Funktion der Ordenskirche.“ 36<br />
Die Betrachtung der ursprünglich konzeptionellen Funktionszusammenhänge des<br />
Ne<strong>ub</strong>aus ergibt das Bild, daß die vom Orden aktiv propagierte Elisabeth-Wallfahrt<br />
zunehmend an Bedeutung verlor, zugunsten des mit dem Ausbau ihrer Wirkungsstätte<br />
30<br />
Ansätze bei H. Langkabel 1983/1, 44 und A. Köstler 1995, 88 f.<br />
31<br />
H. Langkabel 1983/1, Kat. 5, 43.<br />
32<br />
H. Langkabel 1983, 43. - U. Braasch-Schwersmann 1989, 195, 250-251.<br />
33<br />
A. Köstler 1995, 131, Anm. 135.<br />
34<br />
A. Köstler, 1995, 91-112, beschreibt die einzelnen Schritte der Nachjustierung der Chorausstattung:<br />
Eine erste Chorschranke muß frühzeitig einer in den 1280er Jahren urkundlich belegten weichen. Zur<br />
Zeit als diese errichtet wird, ersetzt ein neuer Hochaltar (Weihe am 1. Mai 1290) den seit 1249 mit dem<br />
Elisabethschrein in Verbindung stehenden Hauptaltar. Diese Ausschmückung hält noch nicht einmal ein<br />
halbes Jahrhundert. In den zwanziger Jahren des 14. Jhs. wird eine neue, höhere Chorschranke mit<br />
umfangreichem Bildprogramm errichtet, die den hölzernen Arkadenbogen der zweiten Schranke<br />
immerhin als Relikt integriert.<br />
35<br />
Mit 55 Sitzplätzen und einem später aufgefundenem weiteren Sitz zeigt das Gestühl für eine<br />
Ordensgemeinschaft eine beträchtliche Größe, die wohl am ehesten mit den in Marburg stattfindenen<br />
Generalkapiteln erklärt werden kann. So K.E. Demandt 1972/2, 132. - U. Geese 1983/2, 55.<br />
36<br />
A. Köstler 1995, 96.<br />
44